Der Nachbar, 1912 (Jahrgang 64, nr. 1-52)

1912-01-28 / nr. 4

­. 64. Jahrg. Sonntag 28. Fan. 191 1912 % Zum vierten Sonntag nach Epiphanias. Römer 13, 10. Die Liebe ist des Gesehes Erfüllung. as ist auch so ein Wort, an welchem Oberfläch­­­­lichkeit und Unverstand vielfach sich versündigen. Und es ist so tief, daß man alle seine Gedanken kaum auszuschöpfen imstande ist und so ernst daß eigentlich der leichtsinnigste Mensch vor ihm an seine Brust schlagen und zum Zöllnergebet kommen muß Gott sei mir Sünder gnädig. Laßt uns nur an die Weihnachts­­botschaft denken, darin steht doch ihr Inhalt, daß mir durch das Shhristkind und seine Erbarmung Gottes Kinder geworden sind. Nun ist es die Offenbarung der Herrlich­­keit Jesu, seiner Gnade und Wahrheit, an uns, daß mir auch als, Gottes Kinder leben. Wir sollen scheinen als Lichter in der Welt, in denen das große Licht von Beth­­lehem aufgegangen ist und sich widerspiegelt. Denken wir dabei an den Himmlischen Vater, wie wir ihm gegenüber wandeln und uns halten sollen, so ist die Kraft unseres Herzens und Lebens dazu der Glaube: seine Augen sehen nach dem Glauben; und ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zur gefallen und was nicht aus ihm gehet, das ist Sünde. Oder denken mir daran, wie wir unser Leben, unser Geschick und unser Tun und Laffen einrichten müssen, gerade weil wir Kinder Gottes sind, so ist die Kraft, die in uns walten muß, die Hoffnung: ich glaube aber doch, daß ich sehen werde das Gute im Lande der Lebendigen; harre auf Gott, ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichtes Hilfe und mein Gott ist. Und denken mir endlich an unseren Wandel mit den Menschen, vor denen wir doch unser Licht leuchten lassen sollen, daß sie unsere guten Werke sehen und unseren Bater im Himmel preisen, so wird es die Liebe sein, die all unser Verhalten regelt: alle Gebote werden in dem einen verfaßt, Liebe deinen Nächsten als dich selbst. Nennt doch ein Gebot nur, ein einziges, welches nicht in seiner Erfüllung Liebeseimweis wäre, in seiner Übertretung Mangel daran. Ich sehe in die Häuser: die Beh­ärtelung der Kinder, die Zmwietracht unter Eheleuten, die Uneinigkeit unter Geschwistern, woher denn? Doch weil jeder mehr an sich selbst, seinen Willen, seine Wünsche, seine Bequemlich­­keit denkt, als an die der andern, jeder sucht, selber auf Kosten der anderen glücklich zu sein oder zu werden, statt zu beglücken. Das ist Selbstsucht, aber Selbstsucht ist der Gegenjaß zur Liebe. Ich gehe ins Leben: der Kampf um den Pla­­n der Sonne, die Verfeindung der einzelnen und der Parteien, das harte und ungerechte Richten wider einander, die Un­wahrhaftigkeit und Unehrlichkeit im Ver­­kehr — maher denn? Doch aus dem Neide und der Eifer­­sucht, weil jeder das dem anderen nicht gönnt, was­­ er selber haben möchte, jeder seinen eigenen Vorteil sucht, gleichviel, ob dem anderen Nachteil­ daraus er machte, jeder den anderen von dem Blake verdrängen wiss, auf dem er steht. Das ist alles auch Selbstsucht: sie treibt die Liebe aus. Die von den Räubern Überfallenen, von Hunger, Armut, Krankheit, Alter Heimgesuchten Liegen am Wege. Das Elend schleicht mühsam und, hohläugig durch die Straßen. Die Sünde schlachtet Hohnlachend Tausende Hin, vergiftet sie mit Wollust und Trunksucht, reißt ihnen Glauben und Kraft aus dem Herzen. Dort an der Land­­­straße von Sericho kam doch auf drei V­orübergehende, A) -...-.. Wer Nachbar

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