Hermannstädter Zeitung, 1990 (23. évfolyam, 1151-1201. szám)

1990-01-05 / 1151. szám

Hermannstädter Zeitung Nr. 1151 / 5. Januar 1990 Die Polizei dient dem Volk Gründung der Volkspolizei in unserem Kreis / Ordnung und Ruhe möge herrschen / Unterstützung seitens der Bevölkerung notwendig Am Morgen des 31. Dezember kam Oberst Dr. Ion Suceavă vom Bukarester Generalinspektorat der Polizei mit vier Offizieren nach Hermannstadt. Mit der Unterstützung des hiesigen Kreisrates der Front der Nationalen Kettung, insbe­sondere mit jener des Herrn Mircea Tomuş, Vorsitzender des Rates, wurde die Polizei des Kreises, der Munizipien, der Städte und der Gemeinden gegründet. Oberst Dr. Ion Suceavă ist der Chef der Polizei des Kreises Hermannstadt. Die Hermannstädter Volkspolizei er­hielt ihren Sitz in den Räumlichkeiten, in denen die Gewerkschaften ihre Dienststelle hatten, und zwar auf dem Victoriei-Boulevard Nr. 10. 80 Polizi­sten kamen aus anderen Kreisen, vor allem aus Kronstadt, Olt, Hunedoara u. a. sowie auch aus der Landeshaupt­stadt, um rund um die Uhr eine rege Tätigkeit zu entfalten, damit sich die Bürger unseres Kreises der Ruhe und der Freiheit erfreuen können. Die Volkspolizei wurde gleich nach ihrer Gründung von der Volksarmee unterstützt. Somit gelang es ihr, die Ordnung und Disziplin im Kreisvorort und in den anderen Ortschaften wäh­rend der Jahreswende zu wahren. „Kein einziges besonderes Ereignis wurde in der Neujahrsnacht verzeich­net“, erklärte der Chef der Polizei. Und dieses betrachtete dér Vorsitzen­de der Front als ein gutes Omen. Allerdings hatte es die Volkspolizei zu Beginn nicht leicht: Oberst Popa und der Chef der Heltauer Miliz muss­ten abgesetzt und mit fähigen Kräften ersetzt werden, die dem Volk und der Revolution gut gesinnt sind. Von der Front der Nationalen Ret­tung erhielt die Hermannstädter Poli­zei vier Autos, zwei davon gehörten früher dem „Prinzen“. Auf diese vier Autos wurde sogleich mit grossen wei­­ssen Lettern „Poliţia“ geschrieben. Zur Zeit bemüht sich unsere Polizei darum, Jugendliche, die an der Revo­lution teilgenommen haben, als Hilfs­kräfte heranzuziehen. Im Namen der Volkspolizei äusser­­te Oberst Dr. Ion Suceavă seine Ach­tung gegenüber der deutschen Bevöl­kerung unseres Kreises. Er ist über­zeugt, dass auch sie beitragen wird, die öffentliche Ordnung und Ruhe zu wahren, das Leben uiid die Freiheit der Menschen zu verteidigen und däs Privat- und Volksgut zu schützen. Er gibt folgendes bekannt: Die Volks­polizei wird mit Treue und Ergeben­heit der öffentlichen Ruhe und Ord­nung dienen. Sie wird die Interessen des Volkes verteidigen. All das, was von nun an geschaffen wird, muss im Sinne des wahren revolutionären Gei­stes und in perfektester Disziplin ge­tan werden. V. B. Wir wollen selbst bestimmen (Fortsetzung von Seite 1) Auch die Wiedereinführung der deutschsprachigen Fernsehsendung wird in der Denkschrift vorgeschlagen. Im Sozialbereich wird auf die Not­wendigkeit der Vereinsgründungen und die Wiederbelebung der bewährten so­zialen Organisationsformen und der traditionellen Fürsorgeeinrichtungen der Kirchen hingewiesen, desgleichen darauf, dass wir Weihnachten, Ostern und Pfingsten nach unserem Kalender arbeits- und schulfrei zu feiern wün­schen. In der Denkschrift wird ferner fest­gehalten, dass wir uns mit der Zwei­teilung unserer Gemeinschaft in sol­che, die hier, und solche, die im Aus­land leben, abfinden müssen. Auch die weitere Familienzusammenführung in westlicher Richtung muss akzeptiert werden, doch sollte Rückkehrwilligen die Wiedereingliederung, wenn mög­lich am ehemaligen Wohnort, ermög­licht werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die moralische und wirtschaftliche Stärkung der deutschen Minderheit ist, dass sie die Möglichkeit hat, sich zu regruppieren. Dazu schlägt die Denk­schrift vor, dass Wohnungen, Häuser und Einzelwirtschaften, die durch Aus­wanderung ihrer Besitzer freiwerden, von der Gesamtvertretung der Deut­schen übernommen werden können, die diese gezielt an Angehörige der deutschen Minderheit weitervermittelt. Auch Wohnungen und Häuser, die von den Volksräten aufgrund des mitt­lerweile abgeschafften Dekrets Nr. 223/1974 von den ehemals deutschen Besitzern übernommen wurden, sollen vorrangig an Angehörige dieser Min­derheit wiederverkauft werden. Die Hermannstädter Denkschrift sieht auch andere stabilisierende Mass­nahmen vor; wirtschaftliche Erwägun­gen sollen den Gegenstand einer an­deren Denkschrift bilden. Spenden von • In der Zeit vom 29. Dezember 1989 bis 1. Januar 1990 wurden der Evangelischen Kirchengemeinde A. B. Hermannstadt weitere Hilfsgüter (Le­bensmittel, Kleidung, Medikamente und medizinische Artikel) übergeben, die unmittelbar an: — sanitäre Einheiten (Kreiskranken­haus, TBC- und CFR-Spital), — soziale Institutionen (Kinderkrip­pen, Altenheim), — Militäreinheiten, — Industriebetriebe (Balanţa, IRES), — Kirchen (orthodoxe und katholische Kirche sowie evangelische Kirche nah und fern A. B. in Heltau und Hermannstadt) weitergeleitet wurden. Insgesamt wurden von der Evange­lischen Kirche in Hermannstadt Hilfs­güter von cca 100 t an obige Einheiten vermittelt. Die Übernahme sowie die Vertei­lung dieser Güter erfolgte im Einver­ständnis mit. dem Rat des Kreises Hermannstadt der Front der Natio­nalen Rettung und aufgrund des hier­für erteilten Mandates. Den hiebei be­teiligten freiwilligen Helfergruppen wird ein herzlicher Dank ausgespro­chen, in "der Gewissheit, dass ihre Ar­beit und ihr Einsatz der gesamten Be­völkerung unseres Kreises zugute kommen. • • Die überraschend schnellen und selbstlosen Bürgerinitiativen aus ver­schiedenen Ländern (BRD, DDR, Österreich), die zum Teil auch über kirchliche und humanitäre Organisa­tionen erfolgten, sollen hier auch ge­bührend gewürdigt werden. • 33 LKW-Züge kamen am 30. De­zember aus Frankenmarkt-Oberöster­­reich in Hermannstadt an. Zehn LKW­­Züge brachten Lebensmittel, 21 waren mit Kleidung für Kinder und Erwach­sene beladen und zwei mit Medika­menten. Es sind dies Spenden ' der österreichischen Bevölkerung, die sie dem Roten Kreuz übergahen, um den Hermannstädtern zu helfen. • Die Kirchengemeinde Kleinscheu­ern, die 580 Seelen zählt, hat auf das „Konto 1989“ 26 000 Lei eingezahlt. • Auf dem Hermannsplatz/Piaţa Unirii in Hermannstadt reihte sich in die­sen Tagen Fahrzeug an Fahrzeug. Aus mehreren Ländern trafen Spenden ein, sehr viele aus der Bundesrepublik Deutschland: Lebensmittel, Medikamente, Kleider, die unserem Volk helfen sollen, die schwierige Lage zu überbrücken. Fotos: Horst BUCHFELNER • Ein 16-Tonnen-La­­ster wurde am ersten Tag des neuen Jahres auf dem Hermannstäd­ter Grossen Ring abge­­ladcn. Es ist eines der vielen Fahrzeuge, die aus dem Ausland Spen­den bringen. Mit die­sem hat es jedoch et­was Besonderes auf sich: Es kommt aus der DDR, genauer, aus dem Bezirk Frankfurt (Oder), mit dessen Zeitung „Neuer Tag“ die „Her­mannstädter Zeitung“ seit vielen Jahren freundschaftliche Be­ziehungen pflegt. Die Kleider und Lebensmit­tel wurden von der Be­völkerung gesammelt. Herr Peter Gey, Vertre­ter des Deutschen Ro­ten Kreuzes (DDR), des Bezirkssekreta riats Frankfurt (Oder) erzählt uns, dass die Bevölke­rung der DDR über die Ereignisse in unserem Land bestens informiert sei und prompt geschal­tet habe. Der Kraftfah­rer Horst Kabrow hat wegen dieser Fahrt seinen Urlaub unterbrochen. Sie ist rAbungslos verlaufen. Unser Fotoreporter Horst Buchfeiner begrüsste die beiden Überbringer der Spenden (im Bild) und dankte im Namen der Hermannstädter. Seite 3 Fensterglas für den Wiederaufbau. Die Belegschaft des Mediascher Flachglas­betriebs hat während der Neujahrsnacht normal gearbeitet. Man war darauf bedacht, die notwendige Rohstoffmenge zu sichern, damit der Arbeitsprozess nicht unterbrochen werden muss. Das Hauptanliegen der Betriebsmitglieder ist, in dieser Periode die notwendige Glasmenge für jene Ortschaften zu er­zeugen, wo die Terrorbanden des Ceauşescu-Regimes grossen Schaden angc­­richtet haben. Foto: Fred NUSS Unser Dank an die Jungen „Das Volk steht auf; der Sturm bricht los! Was legt ihr die Hände noch feig in den Schoss?“ So'sang bei der Erhebung gegen Napoleon der junge Theodor Körner und gab für die Freiheit sein junges Leben hin. Das gleiche sahen wir in diesen Tagen in unserer Stadt, in unserem Land. Wie viel von dem Dank sind wir noch schuldig geblieben! Ordnungsdienst, Kranken- und Verwundetenpflege, Wiederaufbau an mehr Orten, als wir jetzt sehen, wartet auf unsere Hilfe. Uber vierzig Jahre lang erzog man im Staat und in den Schulen zum Kriechen vor den Tyrannen, zur Bespitzelung des Mitmenschen, zum eigenen Ehrgeiz und Lohn für Schergendienst. Sogar die Strassenkehrer dienten nicht mehr dem Werk, an dem sie standen, sondern krochen vor dem Vorgesetzten, warfen Staub auf den Wanderer und genossen nur noch ihre eigene Geltung. Die Erhebung gegen die Erziehung zum eigensüchtigen, menschenver­achtenden Kriecher geschah in der letzten Stunde. Vielen wurde diese Haltung schon zur zweiten Natur, und wir werden in Zukunft, viel ge­gen sie anzukämpfen haben. Das Opfer der jungen Kämpfer, die sich erhoben haben, um den Men­schen zu retten, gilt uns, der älteren Generation, ganz besonders, denn wir haben unter der Tyrannei mehr gelitten als alle anderen Mitbürger — Verschleppung nach Russland, Vertreibung von Haus und Hof, Raub der Kultur- und Sozialhilfsgüter, Enteignung der Gemeinschaftsbetriebe. Darum haben wir ihnen auch besonders zu danken. Wir erheben die Hände aus dem Schoss und gehen daran, neu aufzu­bauen, was man uns wieder als Eigentum anvertraut: die Landwirt­schaft, das Gewerbe, die Schulen und Kulturgüter. Wie viele haben die Heimat verlassen, weil man ihnen nicht die Gelegenheit gab, ihre Arbeit auf dem eigenen Besitz dem Vaterland darzubringen! Nun wird uns ein neues Leben angeboten. Wer weicht der neuen Aufgabe noch aus? Hermann REHNER Pfarrer i. R.

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