Hermannstädter Zeitung, 1995 (28. évfolyam, 1404-1454. szám)

1995-09-29 / 1442. szám

Hermannstädter Zeitung Nr.1442 / 29. September 1995 GESELLSCHAFT Drei Freunde gründen ein Ärztehaus Äskulap-Zentrum wird morgen feierlich eröffnet / Kostenlose Behandlung für Deutsche In einem alten Haus Auf der Großen Bach haben drei Freunde eine private Poli- klinik genau wie eine Boutique klinik eingerichtet - die Äskulap GmbH. Tradition und moderne Methoden, Sozialmedizin und Wirtschaftlichkeit sollen hier vereint werden. Dr. Mihai Cristea hatte noch im Oktober 1990 als erster Kinderarzt nach dem Umbruch in Hermannstadt eine private Pädiatriepraxis eröffnet. Die Mietsräume in der Cosbuc-Straße erwiesen sich aber bald als zu klein. Zusammen mit zwei Freunden aus Deutschland gründete er das Ärztehaus Äskulap. Man kaufte das Haus Auf der Großen Bach 8 und baute es um. Man begann vor einigen Monaten in zehn Kabinetten zu arbeiten, während die letzten Außenarbeiten noch liefen. Morgen wird das Ärztezentrum feierlich seiner Bestimmung übergeben. Die beiden Partner aus Deutschland, ner als Immobilienagent die Qualität der Erich Duffner und Lorand Szüszner, brachten zusammen 90 Prozent, Mihai Cristea zehn Prozent des Kapitals auf. Dr. Cristea lernte Lorand Szüszner vom Nürnberger Kreisverband der Johanni­terhilfe kennen, als dessen Organisation in Bräncovenesti bei Neumarkt eine Rei­henuntersuchung unter den Kindern der Gemeinde durchführte. Die Nürnberger Ärztin, die das Team begleiten sollte, war verhindert, Dr. Cristea sprang ein. Bei der gemeinsamen Arbeit, welche anläßlich anderer Johanniter-Hilfsaktionen fortge­setzt wurde, lernte man sich schätzen. Der Heidelberger Erich Duffner brachte als Rechtsanwalt sein Fachwissen mit in die Gesellschaft. Beim Kauf des erwähn­ten Altbaus, der sich in ziemlich rampo­niertem Zustand befand, konnte Szüsz-Bausubstanz fachgerecht einschätzen. Der jungen GmbH standen von Anfang an gute Freund zur Seite. So hat der Rent­ner Gottfried Pfläuer beim Befestigen der Holztäfelung und bei der Montage der Heizzentrale wochenlang unentgeltlich gearbeitet. Aber man machte auch vieles selbst. Sogar Frau Cristea, die im Man­sardensaal Tanzunterricht und Aerobic anbietet, konnte beispielsweise beim Ver­kitten der Fenster gesehen werden. Der junge Chef der Firma, Mihai Cri­stea, unterstreicht, daß es ihm nicht in erster Linie darum geht, sich zu berei­chern. Es ist ihm als Arzt unangenehm, für eine Leistung eine Rechnung auszu­stellen. Aber man muß sich als private Firma selbst finanzieren können. Es scheint ihm unmoralisch, daß eine Poli-den für Strom, Gas usw. gülti­gen Firmentarif bezahlt. Allein für die Installation eines Tele­fonanschlusses, wofür eine Privatperson zur Zeit 100.000 Lei bezahlt, wurden ihm als Firma 400.000 Lei abverlangt. "Wo bleiben bloß die Kran­kenversicherungen und deren rechtlicher Rahmen?" fragt sich Dr. Cristea zu recht. "Wir wollen wirklich in erster Linie helfen. Wir denken an eine Bestandsaufnahme der Familien mit besonderen Problemen. Hilfe über das Medizinische hinaus ist unser Fernziel. Man kann Leuten ein Medikament, ein Bekleidungsstück, eine warme Suppe bringen. Man kann sie zur Untersuchung und wieder nach Hause fahren. Die Äskulap GmbH arbeitet vorläufig noch mit Verlust. Wenn sie einmal profitabel wird, wird der Gewinn gewiß in diese Richtung gehen. Ich wäre froh, wenn wir in diesem Hause rasch eine Johanniterhil­fe-Stelle einrichten könnten. Nicht nur in Anbetracht der vielen, besonders von Deutschland her unter­nommenen Hilfsaktionen und -projekte bieten wir jetzt schon den deutschstäm­migen Bürgern kostenlos ärztliche Untersuchungen an." Damit wäre das Ärztehaus Äskulap eine weitere Einrichtung, welche eine rei­che sozial-humanitäre Tradition neu beleben will. Die Arbeit auf diesem Gebiet sind früher durch die Städtische Armenversorgungsanstalt in der Spitals­gasse, durch die Barmherzigen Schwe­stern in der Berggasse, durch das Evan­gelische Waisenhaus in der Waisenhaus­gasse, um nur einige zu nennen, wahrge­nommen worden. Übrigens ist das Haus in der Valea- Mare-Gasse 8 selbst Anlaß genug, zurückzublicken. Die "Mühlbach"-Gasse wird schon 1784 erwähnt. Schon 1534 trieb der vom Zibin abgeleitete Mühlbach die sogenannte Pfarrersmühle an. Der Straßenname ent­wickelte sich über "Bachgasse" zu "Auf der Großen Bach", heute Strada Valea Mare. Otto Fritz Jickeli beschreibt in sei­nem 1957 erschienenen Roman "Auf der Großen Bach" (Titel der späteren Aufla­gen: "Siebenbürgisch-Sächsische Famili­enchronik") das Haus eines Gerbermei­sters. Jickelis Chronik erzählt die Geschichte einer sächsischen Familie vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Im "Adreßbuch der k. freien Stadt Hermann­stadt" aus dem Jahre 1882 wird Samuel Reinerth als Besitzer der Häuser Bach­gasse 6, 8 und 10 geführt. Das Haus Nummer 12 gehörte der Sächsischen Nationsuniversität, die ihren Hauptsitz natürlich in der Oberstadt hatte. Gemäß dem Adreßbuch der Handel­­und Gewerbetreibenden Hermannstadts vom Jahre 1878 betrieb Samuel Reinerth in der Bachgasse 6 seit 1859 eine Rotger­berei. Der vordere Trakt des Hauses Nummer 8 weist große Ähnlichkeit mit dem von Jikeli beschriebenen auf. Der den Hof abschließende Trakt, der Sitz des Ärztehauses Aeskulap, könnte an das "Gartenzimmer" des Gerbermeisters von Anno 1800 angebaut worden sein. Wolfgang FUCHS Die Kleinen können, in einem extra für sie eingerichtetem Raum, mit Spielen die Wartezeit leichter verkraften Fotos: Reinhold GUTT Dr. Mihai Cristea leitet das neue Ärztehaus. Montessori-Therapie in Hermannstadt Fortbildung in Sozialpediatrie / Ein Team von Kinderärzten zieht nach drei Jahren Bilanz Schon seit Jahren beschäftigt Dr. Marius Panu die Proble­matik des Einsatzes von orthopädischen Hilfsmitteln für motorisch behinderte Kinder, inklusive die Herstellung und individuelle Anpassung dieser Hilfsmittel. Das war nur einer der Ausgangspunkte für Dr. Wittich Schiel vom Kinderzen­trum München und für die Hermannstädter Kinderärztinnen Dr. Monica Oprean und Dr. Maria Livia Suhastru und ihr Team. Es gab in Hermannstadt schon 1990 eine gute Aus­gangsposition, von der aus im Jahre 1992, als Projekt der Gesellschaft für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Deutsch­land und der Kreisgesundheitsdirektion in Hermannstadt, eine dreijährige Zusammenarbeit gestartet wurde, deren Ergebnisse kürzlich auf einer Tagung ausgewertet und gewürdigt wurden. Die italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (1870-1952) hat kurz nach der Jahrhundertwende eine weg­weisende Pädagogik für Kinder mit besonderen Bedürfnissen entwickelt - eine "freie" Pädagogik, als Alternative ' zur "wissenschaftlichen", die auf der Selbsterziehung der Kinder fußt. Die Montessori-Pädagogik ist im Grenzgebiet zwischen Orthopädie, Bewegungstherapie, Psychotherapie und Pädagogik angesiedelt und war nur eines der Standbeine der komplexen Thematik, die in 18 Wochen-Seminaren behandelt wurde. Es nahmen daran 15 Referenten aus München sowie Hermannstädter Ärzte, Lehrer und Therapeuten teil. Wie Dr. Schiel erklärte, war es für ihn und seine Mitarbeiter von Anfang an wichtig, nicht nur Referate zu halten, sondern auch vor Ort apparative Diagno­stik einzuführen, gewisse Vorgangswei­sen anzuregen, Erfahrung umzusetzen. "Es wurden hier Personen und Gedanken in Bewegung gesetzt, aber auch Geldmit­tel im Werte von umgerechnet 250 Millio­nen Lei." Dr. Emil Bâcilâ, Direktor der Kreisge­sundheitsdirektion, will aufgrund des­sen, was durch die Zusammenarbeit München-Hermannstadt gewachsen ist, die Hermannstädter Klinik im Kranken­haus Nr. 3 zu einem Pilotzentrum für Therapie und Rehabilitation neuromoto­­risch behinderter Kinder werden lassen. Für das Programm der nächsten drei Jahre, an das man hüben und drüben schon konkret denkt, ist auch die Mitar­beit der Behörden wichtig. Durch ihre Anwesenheit und ihre Aussagen bezeug­ten Vizebürgermeister Aurel Maxim, Frau Dr. Maria Tacoi von der Präfektur, Sever Purcea vom Schulinspektorat die Offenheit der entsprechenden Institutio­nen für die anstehenden Fragen. Sozusagen unter "ferner liefen" ist dank der Initiative der Psychologin Lucia Roman und aufgrund der Tatsache, daß wohl mancher der Münchner Partner einen Teil seiner Seele in Siebenbürgen gelassen hat, ein Randprojekt geboren und teilweise schon durchgeführt wor­den: Der Kinderhort in der Alexandru- Sahia-Straße in Hermannstadt bekommt eine neue Heizung. Einen Teil der dafür notwendigen Mittel wollen die Projekt­mitarbeiter - die Psychologin Helga Großmann und der Sozialpädagoge Rai­ner Masur - durch Spendenaufrufe, Bene­fizkonzerte und ähnliche Aktionen auf­bringen. Helga Großmann und Rainer Masur haben an dem Projekt achtmal je eine Woche mitgewirkt. Als getrennte Randprojekte liefen auch zwei Stipendien für Hermannstädter Lehrerinnen, die aus Mitteln der Aktion Sonnenschein finanziert wurden. Auf diese Weise konnten Andra Fleseru und Mirela Tecâu zusammen mit Logopäden, Ärzten und Lehrern aus 17 Ländern in München an einem komplexen Fortbil­dungslehrgang teilnehmen. Die große Zielsetzung war dabei die Integration des behinderten Kindes. Außerhalb des eigentlichen Projektes lief teilweise auch die Versorgung mit Apparatur und Testmaterial für die Arbeit der Psychologen. Die fernere Zielsetzung der von Dr. Bâcilâ angestrebten "Modellklinik mit Breitenwirkung" verdeutlichen einige von Dr. Schiel gemachten Angaben zu dem Kinderzentrum in München. Zu die­sem Zentrum gehört eine Klinik mit 40 Betten. Die meisten Patienten kommen mit einem der beiden Elternteile in die Klinik. Es werden hier im Jahresdurch­schnitt etwa 1.000 Kinder stationär und weitere 7.000 ambulant behandelt. Zu den kurzfristig erzielbaren Effekten gehört die frühzeitige Erkennung von Entwicklungsstörungen. Sogar Kinder aus Neugeborenenstationen werden zur Untersuchung gebracht. In München ist man davon abgekom­men, Kinder mit Behinderungen in Spe­zialschulen und -kindergärten zusam­menzufassen. Die Münchener Montesso­­ri-Schule ist eine Stadtteil-Schule, die von mehr gesunden als behinderten Kindern besucht wird. Dies Verhältnis ist Voraus­setzung für den Erfolg der Integration, so Dr. Schiel. Wolfgang FUCHS Seite 4 Richtigstellung Dr. Dorin Maries gibt bekannt, daß er zu Hause unter der Telefonnummer 21.72.79 und in der Privatpoliklinik „Äskulap" unter 41.22.58 zu erreichen ist. Die im Artikel „Arzt und Men­schenfreund“ (Hermannstädter Zei­tung Nr. 1435/11. August 1995) ange­gebene Rufnummer (41.37.17) ist jene der Gesundheitsdirektion, wo er früher gearbeitet hat.

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