Hermannstädter Zeitung, 1998 (31. évfolyam, 1556-1606. szám)
1998-01-09 / 1556. szám
Hermannstädter Zeitung Nr. 1556 / 9. Januar 1998 BERICHTE Abschied von Mardisch Vielleicht haben Sie bemerkt, daß in der kleingedruckten Gemeindeliste auf der Titelseite der Schritte ein Dorf fehlt: Mardisch im Kaltbachtal. Normalerweise sehen Todesanzeigen ein wenig auffälliger aus. Etwas mehr als ein nachrichtenloses Wegbleiben ist schon aus Pietätsgründen angebracht, wenn es die evangelische Gemeinde Mardisch, das heißt die zwei oder drei, die sich versammeln könnten, nicht mehr gibt. Es war kein schönes Abschiednehmen, als wir am 11. November 1997 die Familie S. abholten, um sie nach Hetzeldorf ins Altenheim zu bringen. Sie war vor ein paar Jahren aus Deutschland zurückgekehrt, um im Elternhaus von vorne zu beginnen. Doch dann hatte es Herrn S. halbseitig gelähmt, Arbeit fand sich weder für den erwachsenen Sohn noch für die Frau, so daß es langsam nur noch ums Überleben ging. Familie S. zog sich in die Sommerküche im Keller des Hauses zurück, das Mobiliar aus der Wohnung verschwand nach und nach, bis es in diesem Herbst nichts mehr gab. Auch das letzte Scheit Brennholz war verbraucht. Als wir sie abholten, wurde eben noch die Herdplatte gegen zwei Liter Wein getauscht. Ringsum warteten schon die Nachbarn - Zigeuner -, um alles nicht niet- und nagelfeste, inklusive Türen und Fenster, mitzunehmen. Sie warteten so aktiv, daß wir Mühe hatten, sie aus dem Haus draußen zu halten, wenigstens solange wir noch da waren. Zu einem Abschied, wie man ihn vom Elternhaus wohl nehmen möchte, kam es nicht mehr, weil wir fluchtartig das Dorf verließen. Herr und Frau S. bewohnen jetzt zu zweit ein warmes Zimmer in einer zivilisierten Umgebung. Sie bekommen regelmäßig Mahlzeiten, und sie haben Nachbarn, die sächsisch mit ihnen reden und ihnen helfen können, wenn sie krank sind. Der Sohn wohnt bei entfernten Verwandten in Bell, wo er gegen eine Unterstützung von der Diakonie und etwas Hilfe in Haus und Garten einige Zeit wohnen und essen darf. Kilian DÖRR (Schritte Nr. 12 - Weihnachten 1997) Die Strampelhosen- Entführung (Fortsetzung von Seite 1) Derzsi registriert enttäuscht auch die erste Reaktion der Polizei: „Statt der verlangten Hilfe bekamen wir den stereotypen Rat, die Sache mit dem Direktor des Heims zu regeln." Weder der Direktor noch sonst jemand aus der Heimleitung habe sich indes blicken lassen. Inzwischen hat die Wirtschaftspolizei die Ermittlungen im Heim eingeleitet und nimmt eine Inventur des Restbestandes der Schenkung vor. Das Hermannstädter Kinderheim war schon früher wegen veruntreuter Hilfsgüter im Gerede. Im Winter 1996 / 97 kam das Heim wegen einer Darmgrippe mit zwei Todesfällen in die Schlagzeilen der Presse, was zu einem Hickhack zwischen dem damaligen Direktor, Dr. Lotreanu, und der lokalen Gesundheitsbehörde führte. Lotreanu wurde schließlich abgesetzt, und nach einem mehrmonatigen Interimat wurde der Heltauer Kinderarzt Dr. Mircea Novae am 1. Juni 1997 als Heimleiter eingesetzt. Seit dem 19. Dezember gehört das Kinderheim auf der Soldischbastei - wie übrigens alle anderen staatlichen Kinderheime auf Kreisgebiet - dem Hermannstädter Kreisrat und nicht mehr dem Gesundheitsministerium. A. W. Einzig unsere Hermannstädter Leserin Kitty Britt hat auf dem in unserer Ausgabe Nr. 1551 / 28. November 1997 erstveröffentlichten Bild (siehe oben) den alten jüdischen Friedhof im Lazarettviertel erkannt. Er wurde 1909 aufgelassen, nachdem der Zentralfriedhof am Stadtrand in Benutzung genommen worden war. Um einiges über die Geschichte der Juden in Hermannstadt zu erfahren, wandten wir uns an den Sekretär der hiesigen jüdischen Gemeinde, Erwin Szántó, der uns einen historischen Abriß von Dr. Ferdinand Klepner und andere Unterlagen zur Verfügung stellte. Hermannstadt war im Mittelalter und bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 für die Juden eine geschlossene Stadt. Allerdings gibt es Hinweise darauf, daß schon im 14. Jahrhundert - als nach der ersten großen Pestwelle die Vertreibung der Juden aus Mitteleuropa einsetzte - in den siebenbürgischen Städten vereinzelt Juden lebten. Der älteste Hinweis auf einen Juden in Hermannstadt datiert aus den Jahren 1478/79: In einer städtischen Rechnung aus dieser Zeit wird „Der alt Moyses" erwähnt. Dr. Paul Niedermaier, der sich mit der Geschichte der alten Synagoge in der Elisabethgasse von Hermannstadt beschäftigt und darüber einen (unveröffentlichten) Bericht geschrieben hat, nennt auch andere Urkunden, wie z. B. jene, durch welche Ladislaus II. im Jahre 1499 den Hermannstädter Magistrat anweist, Recht zu üben in einigen Prozessen gegen Juden. Diese und andere Urkunden zitiert auch Moshe Carmilly-Weinberger in seiner 1994 in Bukarest erschienenen Istoria emeilor din Transilvania (Geschichte der Juden in Siebenbürgen). Im Staatsarchiv gibt es Protokolle der Magistratssitzungen aus dem 18. Jahrhundert, die darauf hinweisen, daß zu jener Zeit Juden vergebens versucht hatten, in Hermannstadt ansäßig zu werden. Sich hier dauerhaft niederzulassen, blieb ihnen verboten; es war ihnen bloß gestattet, sich höchstens drei Tage lang in der Stadt aufzuhalten. In den Revolutionsjahren 1848/49 kamen mit den ungarischen Truppen auch eine geringe Anzahl von Juden in die bis dahin für sie verbotenen sächsischen Städte. Allerdings hat der erste Jude, I. Aron aus Bödön, schon einige Jahre früher, am 31. Juli 1845, das Hermannstädter Bürgerrecht erhalten. Erwünscht waren die Juden deswegen immer noch nicht. Im Siebenbürger Boten aus dem Jahr 1850 lesen wir folgendes: „Wir haben kein Bedürfnis zu einem Ansatz künftiger Judenbevölkerung in Hermannstadt oder sonstwo im Sachsenland. Das mag sehr illiberal klingen, aber wir haben unsere guten Gründe dafür. Die vor der madjarischen Plünderung [1848/49] herrschende Wohlhabenheit der sächsischen Landbauem rührt nicht allein von dem Fleiß und der Sparsamkeit derselben her, sondern auch von dem gesetzlichen Verbot der Judenansäßigkeit auf Sachsenboden. In ganz Siebenbürgen gibt es überhaupt wenig Juden (zwischen 3-1.000), weil das Gesetz nur wenige Orte nennt, an denen es Juden gestattet ist, zu wohnen; Hermannstadt ist nicht darunter." Zu jener Zeit hielten die Hermannstädter Juden ihre Gottesdienste noch im geheimen auf dem Dachboden des Hauses Fingerlingsplatz 9 ab (Piaţa Aurarilor). Doch schon wenige Jahre später, noch in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts - diese Information stammt vom Zeichner und Stadtchronisten Johann Böbel (1824- 1887) - wurde im Hinterhof des Hauses Elisabethgasse 28 ein jüdisches Gebetshaus eingerichtet. 1876 kaufte die jüdische Gemeinde das erste Haus für ihre Angestellten, und die Mikva, das Ritualbad, wurde gebaut. Eine Synagoge - sie steht heute noch - wurde 1888 in der Salzgasse (Str. Constituţiei) fertiggestellt. In diese Zeit könnte auch die Anlage des Friedhofs im Lazarettviertel fallen. Ein genaues Datum war nicht festzustellen. Nur soviel steht fest, daß 1909 dort die letzte Beerdigung stattgefunden hat. Die jüdischen Toten wurden bis zur Anlage dieses Friedhofs in den Gräben am Stadtrand, vor allem auf der Schülerschanze, beerdigt. Laut Ferdinand Klepner lebten 1880 586 Juden in Hermannstadt. Ihre Anzahl stieg 1900 auf 1.029, 1920 auf 1.310, und 1947 sollen es 2.020 gewesen sein. Nach Erwin Szántó ist die hohe Zahl auf die vielen Flüchtlinge aus Bessarabien und der Nordbukowina zurückzuführen, die dann in den nächsten Jahren weitergezogen sind. In den fünfziger Jahren setzte der Exodus nach Israel und in die USA ein. Zurückgeblieben ist eine kleine jüdische Gemeinde von etwa 60 Mitgliedern, deren Durchschnittsalter bei 74 Jahren liegt. Der Sitz der Gemeinde ist in der Kürschnergasse (Str. Blänarilor), wo im Hof auch ein Gebetshaus steht. Einmal oder zweimal im Jahr kommt ein Rabbiner, Dr. Emst Neumann aus Temeswar, an Feiertagen nach Hermannstadt, um die jüdische Gemeinde zu besuchen. Beatrice LINGER Geblieben sind eine Handvoll Kleine Geschichte der Hermannstädter Juden Wo steht das Haus, an dem diese Gedenkplatte an den Komponisten der „ersten slowakischen Oper" erinnert, und was hatte er mit Hermannstadt zu tun?# Die Talfahrt ist zu Ende Wie mit Qualitätsmanagement die Marktchancen verbessert werden können / Von Dr. Emst HARMS, DLG/RLG Hermannstadt Die Zeit zwischen den Jahren ist geschaffen für besinnliche Stunden. Was brachte uns das vergangene und wie gestalten wir das vor uns liegende Jahr? Welche Erfahrungen haben wir gemacht und welche Konsequenzen daraus gezogen? Diese Fragen beziehen sich auf alle Lebensbereiche. Wir wollen an dieser Stelle nur unsere deutschen landwirtschaftlichen Vereine und Familienbetriebe im Banat, im Sathmarer Land und in Siebenbürgen beleuchten. Das Jahr 1997 war gekennzeichnet von einer hohen Inflationsrate (etwa 150 Prozent) bei unterschiedlich gestiegenen Erzeugerpreisen. Die Getreideproduktion> bisher die Haupteinnahmequelle der meisten Betriebe, brachte nicht die erwarteten Gewinne. Die Nachfrage war sehr schwach. Die Bauern saßen auf ihren Getreidesäcken und hatten kein Geld. Nur wer andere Betriebszweige hatte, z. B. Kartoffeln, Zuckerrüben, Schweine oder Milchvieh, der hatte zusätzliche Einnahmequellen und kam besser über die Runden. Unsere Betriebe wären gut beraten, sich mehrere Standbeine zu schaffen, um eine größere wirtschaftliche Standfestigkeit zu haben. Das klassische Beispiel ist die Einführung der Schweineproduktion. Wer 1997 rechtzeitig Ferkel und/oder Mastschweine produziert hat, hat am Jahresende viel Geld verdient. Der Anstieg der Erzeugerpreise für Schlachtschweine war höher als die Jahresinflationsrate: Im Januar 1997 wurden 4.700 Lei/kg und im Dezember 1997 13.000 Lei/kg. Das entspricht einer Steigerungsrate von 275 Prozent. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß sich diese Entwicklung im Jahr 1998 fortsetzt, denn die Bevölkerung hat nicht soviel Geld, um ihren Bedarf an Fleisch bei den hohen Preisen zu decken. Es werden also die Bäume nicht in den Himmel wachsen.. Trotzdem ist es richtig, mittel- und langfristig auf die tierische Produktion zu setzen, denn die Käuferschicht, die gutes Geld für gute Produkte zahlen kann, wird kontinuierlich wachsen. Uns muß es nur gelingen, diese Käuferschicht zu erreichen. Es kommt also darauf an, möglichst schnell einen hohen Qualitätsstandard in der landwirtschaftlichen Produktion zu erreichen. Wir müssen deshalb Produktions- und Vermarktungsstrukturen schaffen, deren Grundphilosophie die Erzeugung und Vermarktung von Qualitätsprodukten ist. Die Deutsche Landswirtschafts-Gesellschaft (DLG) und die Rumänische Landwirtschafts-Gesellschaft (RLG) haben mit finanzieller Hilfe aus Bonn solche Strukturen konzipiert und teilweise auch realisiert: ► im Banat das Projekt „Raiffeisen": die Erzeugung und Vermarktung von Qualitätsweizen und seine Weiterverarbeitung zu Mehl; ► in Siebenbürgen das Projekt „SCAT": die Erzeugung und Vermarktung von Qualitätsschweinen und ihre Weiterverarbeitung zu Fleisch und Fleischwaren; ► im Sathmarer Land das Projekt „Schwabenmolkerei": die Erzeugung und Vermarktung von Qualitätsmilch und ihre Weiterverarbeitung zu Milchprodukten. Den deutschen landwirtschaftlichen Vereinen wird mit diesen Maßnahmen eine einmalige Chance geboten, ihre wirtschaftliche Lage nachhaltig zu verbessern. Für 1998 kann es also nur ein Ziel geben: den weiteren Ausbau dieser Strukturen. Es ist nicht zu erwarten, daß die deutschen Landwirtschaftsvereine (und die der rumänischen Nachbarn) nach dem Ende der 1997er Talfahrt im „Jammertal" bleiben müssen. In verschiedenen Betrieben ist ein deutlich positiver Trend zu erkennen. Ob er sich in allen einstellen wird, ist fraglich. Aber die Zahl der „Bergauf- Betriebe" zu steigern, ist das große Ziel von DLG und RLG. Wir hoffen nicht nur, sondern sind auch davon überzeugt, daß 1998 die Anzahl dieser Betriebe weiter wächst, wenn sie ihre Chancen erkennen und nutzen. Diejenigen jedoch, die von den Chancen des gerade angebrochenen Jahres nicht überzeugt sind, werden sie wohl kaum nützen können (und wollen). Auf sie paßt ein Wort von Johann Wolfgang Goethe: „Es bleibt einem jeden immer noch soviel Kraft, das auszuführen, wovon er überzeugt ist." Seite 3