Hermannstädter Zeitung, 2000 (33. évfolyam, 1658-1708. szám)

2000-01-07 / 1658. szám

Hermannstädter Zeitung Nr. 1658 / 7. Januar 2000 GESELLSCHAFT Immer frei und offen Der deutsche Konsul Arnulf Braun nahm Abschied „In keinem Land bin ich so gastfreundlich ja freundschaftlich aufgenommen worden wie hier in Rumänien", sagte der schei­dende Konsul Arnulf Braun bei Beendung seiner Amtszeit im Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermann­stadt. In zweieinhalb Jahren seien Hermannstadt und die Region ihm zu einem Stück Heimat geworden. Am 12. Januar 2000 be­ginnt er seine Tätigkeit im Auswärtigen Amt in Berlin. Mit dem Wirken Brauns eng verbunden sind und werden hoffentlich weitergeführt: Ski­cup des Generalkonsulats, Sommerrockkonzert, Bierfest, Sachspenden an Schulen und an kulturelle Einrichtungen. Dafür will der Hermannstädter Stadtrat ihm den Ehrenbürger­titel verleihen. Dabei habe er, so Braun, nur das getan, was in seinem Aufgabenbereich lag. Und dieser schließe neben der Förderung wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen zwi­schen Deutschland und Rumä­nien auch die Pflege zwi­schenmenschlicher Beziehun­gen über die Grenzen hinweg ein. Viel geholfen habe ihm während seiner Amtszeit der Kontakt und der Dialog mit der jungen Generation in Rumäni­en. Als Honorarprofessor der Lucian-Blaga-Universität und Gastlektor der Rumänisch­deutschen Universität hielt er Vorlesungen über die Staats­und Verfassungsrechte in der Bundesrepublik Deutschland, Idee und Geschichte der Men­schenrechte sowie über die Eu­ropäische Union. Auf die Frage, was er seinem Nachfolger rate, sagte er: „frei und offen auf die Menschen zu­zugehen". Er selbst hat das in seiner Amtszeit hier tagtäglich geübt. Gekommen sei er nach Rumänien frei von Vorurteilen nach einem Intermezzo von knapp drei Jahren in Bonn beim Auswärtigen Amt. Vorher war er seit 1983 in Istanbul, in Riad, in Mailand und in Kamerun. Er gehe mit einem „sehr positiven Eindruck" von Land und Leu­ten. Und dabei habe er nicht ein lachendes und ein weinendes Auge sondern zwei weinende Augen. Beatrice UNGAR Konsul Arnulf Braun und Gattin Martina Die GTZ tut etwas Altstadtsanierung - das Dringendste zuerst Vor Jahresende 1999 hat die Gesellschaft für technische Zu­sammenarbeit (GTZ) zwei Sa­nierungsarbeiten in der Her­mannstädter Altstadt abge­schlossen. Der obere Teil der Mauer an der Pempflinger Stie­ge ist abgesichert worden, eini­ge Kastenfenster des Brukent­­halpalais wurden sachkundig renoviert. Die GTZ hat sich vorläufig im Haus der Rumänisch-Deut­schen Stiftung in der Turismu­­lui-Gasse eingemietet. Später wollen die deutschen Helfer in der Reispergasse Nr. 11 ein Be­ratungsbüro für Mieter und Ei­gentümer einrichten. Der GTZ-Beauftragte Steffen Mildner und seine Berater Anja Bergemann-Reuter und Jochen Gauli sind der Meinung, als Nächstes müsse das alte Mauer­werk trockengelegt werden. Die Mauerfeuchtigkeit geht aber zum guten Teil auf die überal­terten Wasser- und Abwasser­leitungen zurück. Deren Mo­dernisierung weist auf eine weitere, von der GTZ ins Auge gefaßte Maßnahme hin. Für all das sind Geldmittel und Fachleute (sprich Hand­werker) notwendig. Letztere gibt es inzwischen dank der Zu­sammenarbeit der Hermann­städter Handelskammer mit der Handwerkskammer Rhein- Hessen. Mildner und Crinu Andănuţ- der Leiter der Rumä­nisch-Deutschen Stiftung - wol­len die Handwerkerfortbildung erweitern. Die Koordinierung der Kräfte und Mittel liegt den GTZ-Leu­­ten sehr am Herzen. Mildner verspricht sich viel von dem für März 2000 geplanten Workshop zum Thema Altstadtsanierung in Hermannstadt. Eine erste Umfrage unter 750 Bewohnern der Altstadt hat er­geben, daß die Bewohner sich nach Kräften an der Sanierung beteiligen wollen. W.F. Dem Handwerk die Ehr' Lorenz Rösch - Stolzenburger Dorfschmied und Kirchenvater Der Meister führt den leichten Vorschlagham­mer, der Kunde schlägt mit dem schweren Zu­schlaghammer auf die so bezeichnete Stelle. Ein heller, gedämpfter Schall, dann, bumms, kommt der Ton vom dicken Hammer. Das wiederholt sich in mäßig rascher Folge. So lang der „Lehr­ling" durchatmet und den Zuschlaghammer über die Schultern hebt, um erneut zuzuschla­gen, tanzt der kleine Hammer zweimal kurz auf dem Amboß und führt so die Melodie weiter. Diese kleine Sinfonie erklingt aus der dunklen, kleinen Schmiede in der Langgasse 73 in Stol­­zenburg, wo der Schmiedemeister Lorenz Rösch sein Handwerk ausübt. Der Meister tritt den Querbal­ken, dér Blasebalg faucht Luft in die Glut. Und auch in den Raum, denn er ist alt und rissig, der Blasebalg. Er hat schon dem Vater Martin gedient. Der Schmied dreht und wendet das glühende Eisen unter den Ham­merschlägen, es krümmt sich und wechselt die Farbe von gelbrotglühend bis dunkelblau, dann kommt es wieder in die Esse, zwischendurch ins Was­ser, zum Härten, dann wieder in die Glut bis das Hufeisen fer­tig ist. Hammer, Beißzange, Huf­messer und Feile, „de Fäll, der Hummer, de Zeong" sind die wichtigsten Werkzeuge beim Pferdebeschlagen. Das heiße Hufeisen gräbt sich in das schmelzende Horn. Der Geruch bleibt in der Nase stecken, auch noch wenn Schmied und Kun­de, nach getaner Arbeit, ein Gläschen Sauerkirschen-Likör trinken. Die Sauerkirschenbäume wachsen im Garten der Familie Lorenz und Katharina Rösch. Sie halten Schweine und Hüh­ner auf dem schmalen, am Hang gelegenen Hof in der Langgasse, sie haben auch 7000 Quadratmeter Grund. Und zu­sammen knapp eine drei Viertel Million Lei Pension. Doch sie beklagen sich nicht, sie können leben, sagen sie. Geschmiedet wird sozusagen in der Freizeit. Von den vier Rösch-Brüdern haben drei das Schmiedehandwerk vom Vater gelernt. In der „Kollektiv" ha­ben sie auch in der Schmiede gearbeitet. „Das war dort, von der Polizei mehr hinauf, wo die zwei Häuser am Zusammenfal­len sind. Für ein Pferd beschla­gen wurde ein Arbeitstag be­rechnet. Am Ende des Jahres be­kam jeder für seine geleisteten Arbeitstage Korn und Mais". So nebenbei haben sie auch damals zu Hause noch etwas dazuver­dient. Mit den Finanzleuten mußte man sich sowieso ir­gendwie „verkommen". Vater Mar­tin hatte das Handwerk in Großau ge­lernt, 1932 hat er in Stolzen­­burg seine ei­gene Schmie­de eingerich­tet. Aus Reußen, Mândra, Lo­­amneş und aus Stolzen­­burg kommen die Kunden zu Lorenz Rösch; er hat seinerzeit eine Ausbildung in Klein­probstdorf mitgemacht. Er hat eine Zulassung als Schmied und als Schweißer erworben. Es gibt mehr als 500 Pferde in Stol­­zenburg. Es gibt außer Rösch noch zwei Schmiede im Ort, ei­nen Rumänen und einen Zigeu­ner. 50.000 Lei kostet ein Sack Holzkohle. Das reicht für vier Hufeisen. Rösch hilft mit Kuku­ruzkolben nach. Die Hufnägel - sie werden in Megidia gemacht - und das Flacheisen (zweiein­halb Zentimeter breit, 40 Zenti­meter lang für ein Hufeisen) muß der Kunde mitbringen. Am zweiten Weihnachtstag bekam Lorenz Rösch Besuch: Heinrich Wälzholz aus Deutschland war gekommen. Der Theologe ist „auf seine al­ten Tage" - er ist erst 48 - auf die Idee gekommen, das Kunst­schmiedehandwerk zu erler­nen. Er hat seinem neuen Freund Lorenz zwei Zentner Steinkohle mitgebracht, als Weihnachtsgeschenk. Lorenz Rösch ist seit Jahren Kirchenvater. Pfarrer Walther G. Seidner schätzt ihn sowohl als Handwerker von echtem Schrot und Korn, als auch als verlässlichen und wohlüberleg­ten Mitarbeiter im Kirchenrat. Und noch etwas: Rösch ist der einzige sächsische Hufschmied weit und breit. Wolfgang FUCHS Eher Strafe als Emanzipation Seit kurzem treibt eine neue Advertising-Monstruosität ihr Unwesen in unserer Stadt. Man kann ihr überall begegnen, ihr ungläubiges Lächeln blickt einem verführerisch in die Augen, wenn man in die Schule geht, wenn man einkauft, wenn man spazie­rengeht. Eine coole Blondine auf einer Parkbank mit einem Pack Ziga­retten in der Hand. Mit großen Buchstaben ist zu lesen, was sie denkt: „Ich... sollte nähen und bügeln?" Der Zusammenhang zwischen dem Rauchen und den beiden Haushaltstätigkeiten leuchtet mir nicht so recht ein (vielleicht auch deshalb, weil er nicht existiert...?) Nehmen wir an, die Produzenten bezwecken, mit diesem Poster das Unabhän­gigkeitsgefühl der Frauen zu wecken, vielleicht auch deren Sinn für Gleichberechtigung. Wenn das der Fall ist und die Re­klame funktionieren würde, dann wäre es schlimm. Die Emanzipation der Frau be­steht nämlich meiner Meinung nach auf keinen Fall darin, daß sie einfach nicht mehr bügelt und näht und stattdessen raucht. Das wäre eine Art Strafe (rauchen ist ja ungesund, oder?). Ich finde die Reklame (auch) von diesem Standpunkt aus gese­hen katastrophal, vor allem aber wegen der Einstellung, die sie vermitteln soll. Wer soll schließ­lich bügeln? Im Sinne der Gleichberechtigung sollten sicher auch die Männer im Haushalt helfen, das ist einmal klar! Aber... Wie sehe es aus, wenn unsere Mütter, Omas, Tanten, usw. ur­plötzlich Bügeleisen und Nadeln weglegen und in das nächste Cafe' rennen würden, um dort ih­re „ Unabhängigkeitszigarette " zu rauchen? Es gab Stimmen, die der Blon­dine zustimmten. Aber immer öf­ter bleiben Rentnerpaare vor dem riesigen roten Poster stehen, le­sen, schütteln den Kopf und mur­meln im Weitergehen: „Päi ar cam trebui, măi fată!" (Eigent­lich solltest du es schon tun, Mädchen!) Anda RAMIT Seite 3

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