A magyar nyelv és kultúra a Duna völgyében II. Nemzetközi Magyar Filológiai Társaság Budapest – Wien (1991)
A századforduló irodalmi-művészeti irányzatai - Literarisch-künstlerische Richtungen der Jahrhundertwende - Ónodi László: Einige Aspekte der österreichischen und ungarischen Literatur um die letzte Jahrhundertwende
LÁSZLÓ ÓNODI (Budapest) Einige Aspekte der österreichischen und ungarischen Literatur um die letzte Jahrhundertwende Was das Wesen des sog. Stilpluralismus anbelangt, herrscht bis heute ziemlich große Unsicherheit in den Arbeiten über die literarische Produktion der Jahrhundertwende. Dichter und Schriftsteller werden auf die verschiedenste Weise beurteilt, dieselben Werke werden den verschiedensten Stilrichtungen zugeordnet. Ein großes Problem bedeutet dabei, daß die Literaturgeschichte ihre Stilbegriffe größtenteils von der Kunstgeschichte übernimmt. Und zwar meistens so, daß die der Kunstgeschichte entnommenen allgemeinen Stilmerkmale den literarischen Werken aufgedrängt werden. So sucht man z. B. im Falle der literarischen Sezession direkt eine Entsprechung der „Linie", im impressionistischen Stil einen „koordinierten Bildaufbau" usw. Was man aber oft vergißt, ist, daß es keine direkte Entsprechung zwischen bildender Kunst und Literatur gibt, bzw. die Stilbegriffe der Kunstgeschichte nur durch Übertragung auf die Literatur anwendbar sind. Unter Übertragung verstehe ich die Berücksichtigung der gemeinsamen Wurzeln des Stils im allgemeinen Bewußtsein und den gattungsspezifischen Unterschied ihrer Widerspiegelung in der Literatur. Ein weiteres Problem ist, wie man die einzelnen literarischen Stile der Jahrhundertwende begreift: ob man ein Übereinander dieser Stile aufstellt, einem bestimmenden Epochenstilbegriff zustrebt, oder ein Nebeneinander annimmt, und zwar vor allem so, daß man konträre Stilrichtungen als gleichzeitig vorhanden setzt. Was mir im Moment das wichtigste stilbestimmende, stilgestaltende Merkmal der Literatur um die Jahrhundertwende zu sein scheint, ist der Versuch der Aufhebung des Dualismus auf verschiedenen Ebenen: zwischen Immanenz und Transzendenz, Kunst und Alltag, Ich und Nicht-Ich, Gegenwart und Vergangenheit usw. Sezession, Symbolismus und Impressionismus sind nur verschiedene Stilvarianten dieses einen Wesens, wobei zu bemerken ist, daß unter diesen drei Stilen die Sezession einen viel größeren Anteil an der literarischen Produktion dieser Zeit hat als man bisher anerkannt hat. Um das einzusehen, muß man aber zugleich auch Meinungen korrigieren: die der 6bändigen Geschichte der ungarischen Literatur, die Kosztolányi's Frühwerk, A szegény kisgyermek panaszai, als rein impressionistisch, Rilke und George symbolistisch, die der in Ungarn herausgegebenen 2bändigen Geschichte der deutschen Literatur, die Rilkes Stundenbuch als impressionistisch betrachtet usw. Nur mit Vorbehalt kann man auch die Ergebnisse einiger linguistisch-stilistischer Analysen über den