Kaschauer Zeitung, Januar-März 1873 (Jahrgang 35, nr. 1-26)

1873-01-15 / nr. 5

- - . : = Reueste Nachrichten. Ungarn. Pest, 9. Jänner. Der „Hon“ meldet : In Nagy-Somkut fiel bei der Abgeordnetenwahl eine Schlä­­gerei vor, weshalb die Wahl unterbrochen werden mußte. — Bei der Deputirtenwahl in Kisnyincse kam es zu Tumult und Schlägereien. Die Wahlcommission wurde ausein­­andergejagt. — 11. Jänner. Der Club der Linken beschloß in der gestrigen Conferenz, die Einbringung eines neuen Wahlgesetzes seitens der Regierung zu urgiren. — Die Nagy-Engeder Strafanstalt wurde Ende 1872 aufgelassen, beziehungsweise mit demStraf- und Correctionshaufe in Maria-Nostra ver­­- einigt. , Agram, 9. Jänner. Ueber Jutervention der Mi­­ -­nister Pauler und Pejacsevics befahl die Landesregierung allen diesländischen Gerichtsbehörden, ungarisch stylisirte Gesuche unbedingt zu erledigen, wofür natürlich die Reciprozität unga­­­­rischerseits zugesichert wurde. — 10. Jänner. Die Conferenz der großen Natio­­nalpartei feste die Punkte fest, bezüglich welcher die Partei nachzugeben gedenkt. Die Modification wird Zivkovics redigiren. Oesterreich, Wien, 8. Jänner. Die „N. freie Presse“ meldet aus Rom: Zwischen dem König von Ita­­­lien und dem Papst fand anläßlich des Jahreswecsels ein „Glückwünsceaustausch statt. Der König von Italien sandte einen Flügeladjutanten mit einem Schreiben an den Papst ab, worin er den Wunsch ausdrückt, der Papst möge noch lange in sei­em bisherigen Wohlsein die katholische Kirche regieren. Der Papst antwortete mit einem Brief, worin er dem König für seine kindliche Aufmerksamkeit dankt und seine Wünsche erwidert, er möge nnoch lange Jahre zum Glücke und zur Größe seines Volkes regieren. Das kurze vom Papste eigenhändig unterzeichnete Antwortschreiben schließt mit der Segensertheilung an den König und Italien. — Der bekannte General Graf Neipperg erhielt das Großkreuz des Ordens der eisernen Krone. — Der Stand der Nationalbank erscheint stark ver­­schlimmert. Die Bank- und Staatsnotenreserve ist auf 19 Millionen, die Gesammtreserve auf 23?/ Millionen zurück­­gegangen. — 10. Jänner. Die „N. fr. Presse“ meldet aus Berlin: Die Angabe, die preußische Regierung habe die bairisc­he zur Abberufung ihres Gesandten beim Papste ver­­­anlaßt, ist eine grundlose Erfindung. Die Allocationssache­­ wird beim Reichstage zufolge Reichsbeleidigung zur Sprache gebracht. — Die Einberufung des Reichstages 10. März beabsichtigt, eventuell eine Nachsession ist für den des Land­­tags nach dem Reichstag projectirt, falls wichtige Vorlagen­­ unerledigt bleiben. — Die Berathung des Abgeordnetenhau­­ses bezüglich der kirc­henrechtlichen Entwürfe beginnt nächsten Mittwoch. — Im­ Hoffkreisen beschäftigt man sich mit der Frage, ob nach Napoleon Hoftrauer anzulegen sei; man glaubt, daß dies gestehen werde. Der Vorschlag in dieser Ange­­legenheit ist vom­­ Obersthofmeisteramte zu erstatten. Da Se. Majestät von hier abwesend, so ist noch nichts ent­­schieden. — In hiesigen maßgebenden Kreisen wird versichert, daß um Louis Napoleon Hoftrauer angeordnet wird. Als Präcedenzfälle gelten die seinerzeit verfügte Hoftrauer nach dem Tode Napoleon­ s I. und Louis Philipp's. 11. Jänner. Die Häupter der Bonapartisten versammeln sich in Chislehurst zur Todtenfeier Napoleon­ s,­­ dessen Tod wird von der Kaiserin Eugenie allen Höfen in Europa angezeigt ; die Leiche soll später nach Arenenberg gebracht werden. — Graz, 9. Jänner. Die hiesigen Buchdrucker, deren Fachverein von der Statthalterei aufgelöst wurde, wollten einen Buchdruckertag gründen ; allein die Statthal­­terei verbot die Constituirung desselben, als die Statuten vorgelegt wurden. — Klagenfurt, 9. Jänner. Die Bergknappen in Bleiberg sind wegen verweigerter Lohnerhöhung in Aufruhr. Eine Compagnie Militär und die ganze verfügbare Gen­­darmerie wurden hin beordert. Die Aufrührer haben die Communication gesperrt.­­ 10. Jänner. Die Auflehnung der Bleiberger Berg­­knappenschaft ist im friedlichen Wege beigelegt worden. Frankreich. Paris, 10. Jänner. Das Bonapar­­tisten-Comite redigirt ein Manifest der Kaiserin Eugenie anläßlich des Todes Napoleon's ; derselbe hinterließ angeb­­­ig ein politisches Testament. — Nach der Beerdigung Napoleon's kommen die Bo­­napartisten in London zusammen, um Napoleon den Vier­­ten zu proclamiren. Da der Verstorbene der einzige, den Massen bekannte Prätendent war, hofft man eine bedeutende Kräftigung der Republik.­­Es verlautet, Thiers wolle die Nation zur Präsidentenwahl auffordern und dadurch end­­gültig die Republik constituiren. England, London, 10. Jänner. Napoleon's Tod trat unerwartet um 10 9/4 Uhr ein ; die gefährlichen Sym­­ptome zeigten sich erst um 9 Uhr Vormittags; die Todes­­ursache stand mit der Operation in keinem Zusammenhange ; die Aerzte beabsichtigten Mittags die dritte Operation vor­­zunehmen. Der kaiserliche Prinz traf zu spät aus Wol­­wich ein ; Abbé Goddard versah den Kaiser mit den Sterbe­­sacramenten. — An weiteren Details über das Ableben Louis Napoleon­ s wird Folgendes gemeldet : Die Ex-Kaiserin und das ganze Haus umstanden das Todtenbett Louis Napoleon­ s, der in den lezten Augenblicken wieder zur Besinnung kam und zweimal zur Kaiserin sprach. Der Tod erfolgte schmerz­­los und wird einer heftigen Ohnmacht (Syncope) zugeschrieben. Die Seck­ung wird wahrscheinlich heute erfolgen. Die Königin Victoria und der Prinz von Wales schi>ten Bei­­leidsdepeschen. Die Journale veröffentlichen sehr schmeichelhafte Ne­­trologe über den Verblichenen. Die Familienmitglieder, sowie Rouher und Fleury nebst Anderen werden heute er­­wartet. Die Leiche wird einstweilen in der Marienkirche beigesetzt, auch findet die Aufbahrung auf dem Paradebette statt.­­ Lokal-Nachrichten. ) — Musikalisches. Wie wir in diesen Blättern bereits­en, sieht das Publikum unserer Stadt einem seltenen­en Genuß entgegen, indem Hr. Joseph Hellmes­­r, Professor am Wiener Conservatorium unten Quartette ein Concert veranstalten wird. mit seinem Solchen, die einem ähnlichen Concerte schon beigewohnt haben, wird es genügen, zu wissen : „Hellmesberger kommt !“ Jene aber, die noch keine Gelegenheit hatten, ihn zu hören, machen wir ganz besonders aufmerksam, sich diesen Kunstgenuß ja nicht zu ver­­sagen. Die hohe Bedeutung der Hellmesberger'schen Concerte liegt nicht allein in dem wunderbaren Zusammenspiel des Quartetts,­­ in welcher Beziehung mit demselben unter Andern auch das berühmte Florentiner Quartett rivalisirt , sondern und zwar hauptächlich in dem tiefen Verständniß, der edlen Auffassung, von welchen durchdrungen die köstlichsten Perlen der klassischen Musik zur Ausführung gelangen. Das Concert findet Samstag den 25. Jänner d. J. im Casinosaale statt. Die Preise sind : 1 Cerklesitz 3 fl. 1 Sperrsitz 1 fl. 50 kr. ; 1 Nummerirter Sig 1 fl. ; Eintritt 80 kr ő. W. = Karten sind in den Buchhandlungen der De Franz Haymann und Adolf Maurer zu üben. — Civileheliche Trauung in Eperies. Dieselbe fand Sonntag den 12. Jänner in Eperies mit Herrn Louis De Bie, fen. belgischen Staatsbürger, gegenwär­­tig Bahn-Ingenieur, und dem Fräulein Eva Grünbaum aus Tirra, österr. Schlesien, Teschner Kreis, statt. Das Brautpaar wollte in Kaschau zivilehelich getraut werden, allwo ihm aber von der competenten Behörde aus Gesetes­­gründen die Vornahme solcher Trauung verweigert wurde. — Wir würden Anstand nehmen, Wie, unseren Lesern bekannt, haben lezten Nummern unseres Blattes den Impuls zur Achtung einer „Volksbibliothek“ gegeben, welcher all­­seitig Anklang gefunden und mit Freuden aufgenommen wurde, denn die große Tragweite eines solchen Institutes, sieht jeder Gebildete und Unbefangene ein. — Nun findet sich aber ein Curiosum in unserer Stadt „die Kaschauer illustrirte Zeitung“, die zur Illustration ihrer Tendenz die höchst naive Frage stellt: „Wozu denn eine Volksbibliothek“". In dieser schülerhaften Frage selbst liegt die Antwort! So lange in der „Rashauer illustr. Zeitung” 5 SttvE übungen, wie die unter der Aufschrift „Astro­­logisches“" aufgenommen werden, können wir einer Volksbibliothek nicht entrathen Sa­­pienti sat. Der Herr H­­aber merke sich, daß es „nicht die schlechtesten Früchte sind, an denen die Wespen nagen“. — Die Steuer in Pest. Einem Ausweise über die bei den städtischen Steuerkassen im Jahre 1872 eingezahlten Steuern entnehmen wir folgende Daten: Gewerbe-Licenztaxen 696 fl. 42 fl., Grund-, Hauszins- und Einkommensteuer 4.122,871 fl. 81 fl., Personalerwerbsteuer 89,558 fl. 71 kr., Verzugszinsen 59.504 fl. 35 kr., zusammen an Staatssteuer durch vorbenannte drei Kategorien 4.271.934 fl. 14 kr. , an Comm­unalsteuerzuschlägen und zwar von der Grund-, Haus­­zins- und Einkommensteuer 993.509 fl. 73 kr., Personalerwerb­­steuer 18.343 fl. 42 kr., Executionsgebühren 5.905 fl. 10 kr. zusammen 1,017.758 fl. 26 kr. Ablösung der öffentlichen Arbeitsschuldigkeit 26.612 fl. 77 kr., Gesammtsumme der eingezahlten Steuern 5.317.001 fl. 59 kr. Im Jahre 1868 betrug die Gesammtsumme der Steuern 2,480.677 fl. 99 kr., im Jahre 1869 stiegen diese auf 3,317.321 fl. 28 kr., im Jahre 1870 auf 3,923.795 fl. 26 kr., und im Jahre 1871 auf 4,357.063 fl. 60 kr. Es sind somit im Jahre 1872 gegen das Jahr 1868 die Steuereinnahmen beinahe um das Doppelte gestiegen. Original - Correspondenz. S.-A.­Ujhely, 9. Jänner. (R.) Das waren denn in der That jede unter den bittersten Eindrücken verlebte Wochen, von denen der Men­­schenfreund sagen muß: „Gottlob, daß sie vorüber“. Leider war die Cholera in unserer Stadt mit einer solchen Heftig­­keit aufgetreten, daß alle Theorie zu Schanden wird.­­Man kann nicht sagen, daß die Stadt nicht thätig gewesen, oder die Regierungsorgane Vorsichtsmaßregeln versäumt hätten, war do< sogar ein königlicher Medicinalrath in unserer Stadt, eine Choleracommission eingeseßt, drei Spitäler er­­öffnet u. s. w. Au fehlte es nicht an vorzüglichen Aerzten, die die Wichtigkeit des Augenblicks erfaßten, dort Hilfe spen­­deten, wo man zeitlich ihre Hilfe in Anspruch nahm. Aber die Art und Weise, wie die Choleracommission ihre Be­­richte in die Masse schickte, war verkehrt, wer vom Volke versteht in der That diese hoch trabenden Phrasen, oder­ ­ len­­en un­ d Kleine Stierne. Novelle aus dem Leben eines Musikers. In einer der engen Seitenstraßen des Faubourg Poissonidre in Paris öffnete sich stunde des 19. September 1782 in der fünften Nachmittags­­ein Fenster im fünften Stoß und der gepuderte Kopf eines sehr jungen Mannes schaute heraus. Zu sehen war eben nicht viel unten in der Gasse, nur so mußige Weiber und Kinder, ein Kleiderhändler, ein Mann mit einem Fäßchen Limonade auf dem Rücken, ein anderer mit einem Korb voll Obst, dessen faule Flecke äußerst geschit dut Blätter und bunte Herbstblumen ver­­ste>t waren, aber der junge Mann warf ja auch keinen Bliz hinab, sondern sah geradeaus vor sich hin. Drüben in dem schwarzen, himmelhohen Hause stand nämlich auch ein Fenster offen, genau solch ein kleines, sc­hlichtes Fenster­­­en, wie das seine. Aber ein Blumentopf und ein Käfig mit einem Vogel darin, waren auf dem Fensterbrett aufge­­stellt und mit bunten Bändern zierlichst an dem Fenster­­kreuz befestigt, damit kein Windstoß diese leicht beweglichen Schätze herabwerfe. Drinnen im Stübchen standen zwei Betten, mit einem Weihreffelchen zu Häupten, auch einen Schrank sah man, aus dessen halb offener Thür allerlei bunte Frauenkleider sich herausdrängten. Ein Tisch stand da und tenhefte, ein paar Stühle, auf denen allerlei umherlag. so­­ein bestaubter Kranz von gemachten Blumen, eine Zither, Schuhe, die wohl nur Kinderfüßen oder einem Aschen­­brödelchen passen konnten, ein rothseidenes Mieder und der­­gleichen Dinge mehr. — Es läßt sich kaum vermuthen, daß der junge Mann da drüben alle diese Gegenstände so nun verwandt betrachtete, ebenso wenig, wie jene alte blinde Frau, die in ihrem Lehnstuhl am Fenster saß und die Son­­nenstrahlen auf ihre lichtlosen Augen scheinen ließ, Strahlen, die eben nur zu dieser Tageszeit und nur ein halbes Stündchen lang, sich in das Fenster stehlen konnten. Auf dem Tische befand sich nämlich ein Etwas, das wohl eher als alles Andere angeschaut zu werden verdiente. Marion, die hübscheste Choristin der Oper, hatte sich diesen etwas wunderlichen und auffallenden Platz gewählt, um sich eine silberne Borte auf ein weißes Röckchen zu nähen. Trotz dieser Arbeit fand sie aber noch Zeit genug, schalkhaft hin­­über zu blinzeln und ein munteres Liedchen zu trällern. Und sie sang so laut, daß sie wohl nicht ihren Namen hö­­ren konnte, den der junge Mann erst leise, dann immer lauter rief. Tiefer bühte sich das Köpfchen auf den Saum, so daß der arme Nachbar wohl kaum mehr sehen konnte, als die gesenkte Stirn, ein Spißchen der Nase, die gepu­­derte lange Pode, die links auf den Hals fiel, eine winzige Hand, die mit der YJadel in die Höhe fuhr und zwei Füß­­chen in rothen Hakenschuhen, die, vom Tische herabhängend, unter dem bauschigen Kleide vorsahen und sich nach dem Takt der Melodie, die Marion sang, hin und her bewegten. „Kleine, ich dächte, der alte Spinettspieler, unser bra­­ver Nachbar, rief Dich soeben", sagte jetzt die Blinde. „39 habe keine Zeit, mich um ihn zu bekümmern !“ lautete die Antwort. =­ Der vermeintliche alte Spinett­­spieler vers­wand vom Fenster, gleich darauf schwebten aber die Klänge eines alten Klaviers zu der eifrigen Näherin herüber. Geübte Hände mußten es sein, die diese Tasten berührten, und reizende Melodien flatterten wie zwitschernde Vögel in das Stübchen. „Wie­­ hübst der Alte noch spielt!" murmelte die Blinde. „Die Hände zittern ihm gar nicht wie mir!" Wer mochte ihr nur gesagt haben, daß der gefällige Nachbar so alt ? Marion antwortete nichts, aber die kleinen Finger ließen die Nadel fallen, der gesenkte Kopf hob sich, das Lä­­el­ des Muthwillens schwand aus dem reizenden Gesicht und die großen s­warzen Augen blieben ernst und voll Sehnsucht hinüber. Dann schwang sich die Kleine von ihrem Sitze, huschte ans Fenster, flügte den Arm auf den Sims und versank ganz in Lauschen. Piöklich, mitten in einer bezaubernden Passage, verstummte der Spieler. Mit einem Sage war er am Fenster und rief lachend der Ueberraschten zu: „Guten Abend, Mademoiselle, guten Abend, gute Mama !“ „Guten Abend, Monsieur !” antworteten beide Frauen, und Marion lachte. Und sie war reizend, wenn sie lachte. Dann bog sie sich aus dem Fenster , sie konnten so mit­einander flüstern, ohne daß die etwas taube Alte ein Wört­­chen verstand. „OD, ich weiß, ihr habt mich vorhin nicht hören wollen, — wohl zwanzig Mal rief ich Euren Namen! sagte er: „Warum kamt Ihr gestern so spät nach Hause und haltet mich nicht von der Probe ab?" antwortete sie: „Weil mein Musiklehrer mich zum Nachtessen da be­­hielt — — und ich mit der Defirée Federball spielte". — „„JZmmer diese langweilige Defirée !" „Sie ist eben sehr kurzweilig — und tausendmal freundlicher gegen mich, als ihr, Marion. Und da ich ihr immer nur von Euch erzählte, hätte sie im Grunde alle Ursache, zu sagen : „immer diese langweilige Marion“. Sie sagte aber beim Weggehen nur: grüßt mir die hübsche Marion !'' = . (Fortsezung folgt.) Wa TAS

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