Kaschauer Zeitung, Juli-September 1873 (Jahrgang 35, nr. 53-78)

1873-07-02 / nr. 53

rüczuführen, welche den ölhaltigen Schichten unterlagert sind oder damit irgendwie zusammenhängen. "Bei der Umwand­­lung organischer Materien in fossile Kohlen treten unter Anderem verschiedene Kohlenwasserstoffe und bituminöse Sub­­stanzen auf. Die condensirbaren Zerstzungsprodukte ver­­dichten sich in den oberen Regionen zu Erdöl, infiltriren die benachbarten Schichten und sammeln sich in unteri irdiscen Behältern, woraus sie bei Bohrungen durch die gespannten Gase in Begleitung von Wasser aufgetrieben werden. Das wasserhelle Steinöl, wie es namentlich in Persien vorkommt, heißt Naphtha. Alle dunklen gefärbten Erdöle führen den Namen Petroleum. Durch Verdunstung und Oxydation entstehen daraus verschiedene bituminöse Fossilien, welche, je nach der Consistenz und dem Bestande, Bergb­eer, Erdwachs und Erdpech genannt werden. Der Bergb­eer ist verdichtetes Petroleum. Das Erdwachs oder das Ozokerit, welches in Galizien und in der Moldau bergmännisch gewonnen wird und ein ausgezeichnetes Roh­­material zur Darstellung von Paraffin abgibt, ist identisch mit den festen Destillations-Producten von Torf und Braun­kohle. Das Erdpech over der Asphalt, welcher nach Erd­­beben im Todten Meer erscheint und den seltsamen Theer­­see auf Trinidad erfüllt, muß als verharztes Bitumen auf­­gefaßt werden. Indem von ausquellendem Bergöl die um­­liegenden Schichten durchdrungen werden, entstehen weiterhin die bituminösen Gesteine, welche nicht selten eine lohnende Aufbereitung im Wege der trockenen Destillation gestatten. Die sc­hottische Bogheadkohle ist ein mit Bitumen stark imprägnirter Schieferthon. Der Proceß der Zerstzung der Kohle durch Aus­­hauchen gasförmiger und bituminöser Körper geht ununter­­brochen vor sich. Den Hauptbestandt­eil dieser Exhalatio­­nen, bekannt und gefürchtet unter dem Namen der schlagen­­den Wetter oder feurigen Schwaden, bildet das sogenannte Gruben- oder Sumpfgas, ein lichter Kohlenwasserstoff, welcher sich an der Flamme unter Detonation entzündet. Je mehr ein Kohlenlager vor diesen Exhalationen geschükt ist, desto günstiger stellt sich der Brennwerth des Fossils heraus. Im Anthracit verschwindet fast der Gehalt an flüchtigen Substanzen, wogegen gutbadende Kohlen oft bis zur Hälfte ihres Gewichtes daraus bestehen. Manche Bergwerke zeigen das Auftreten bituminöser Producte in auffallender Weise. Im den Kohlengruben von Shropshire in England bildet das Bergöl förmliche Traufen. Dergestalt ent­­standen die bituminösen und ölreichen Kohlen, welche bei der Destillation einen werthvollen Theer liefern und nament­­lich in Deutschland einen großartigen Industriezweig der gründeten. Das Petroleum findet bereits als Brennstoff eine namhafte Verwendung. Nord-Amerika verbraucht davon troß der unermeßlichen Kohlenschäße Thon , ziemlich bedeu­­tende Quantitäten zum Betriebe von Dampfmaschinen zu Wasser und zu Land. Auf dem kaspischen Meere verkehren seit Jahr und Tag für Oelfeuerung eingerichtete Dampfer. Die Technik bemüht sich, dem Petroleum als Heizmaterial im Haushalte und in den Gewerben vermehrten Eingang zu verschaffen, und an vielen Orten werden die Rückstände der Oel- und Theerdestillerien mit großem Vortheil vergast. Direct als Heizstoff übertrifft das Petroleum in Bezug auf Dampfmenge und Schnelligkeit der Dampfbildung den An­­thracit um mehr als hundert Percent. Ungleich wichtiger jedoc, als die Benegung Heranziehung des Petroleums zur Kesselfeuerung erscheint die in der Eisen-Industrie, worin ebenfalls Nord - Amerika eine verheißungsvolle Initiative ergriff. Was dem Petroleum insbesondere den Vorzug vor den Coaks einräumt, ist die Abwesenheit von Schwefel, welcher in Form von Schwefelkies die meisten Stein­­kohlen begleitet und beim Schmelzproceß in das Roheisen übergeht. Entschieden die rationellste Heiz- und Wärmequelle und die einzig denkbare Brennstoffform der nächsten Zukunft ist das Gas, als die höchste Potenz der Leistungsfähigkeit eines heizenden Körpers. Bei der Leuchtgas - Fabrikation und der trockenen Destillation überhaupt treten vorzugsweise freier Wasserstoffe und Kohlenwasserstoffe auf. Die Gicht­­gase, nämlich jene Feuergase, welche aus den Hochöfen ab­­streichen und meistentheils zu metallurgischen Nebenzwecken ausgenügt werden, enthalten als wirksamen Bestandtheil Kohlenoxydgas, welches bei Zutritt von atmosphärischer Luft zu Kohlensäure verbrennt. Eine ähnliche Zusammen­­legung besitzen die Generator-Gase, welche in eigenen Oesen, Generatoren genannt, durch Einleitung und Unterhaltung eines unvollständigen Verbrennungs-Processes erzeugt und bereits vielfach in Eisenwerken, Glashütten und Porcelan­­fabriken zur Erzielung hoher Temperaturen angewendet werden. In der zunehmenden Einführung der Generator- Gase, namentlich in der vielgestaltigen Eisen - Industrie, liegt außer dem bedeutsamen Fortschritt ein hohes wirth­­schaftliches Moment. Man kann aus dem schlechtesten Material, wie aus Kohlenstaub, Torfklein, Sägespänen und ähnlichen Abfällen, welche zur directen Feuerung völlig un­­brauchbar sind, noch werthvolle Brenngase ziehen und sie pur verschiedene Vorrichtungen zum höchsten Heiz-Effect ringen. In dieser Beziehung verdient noch eine andere Nutungsweise brennbarer Abfälle unsere vollste Aufmerk­­samkeit. Jeder, der sie in den Kohlenwerken nur flüchtig umgesehen, mußte billig über die Unmassen von Kohlenklein staunen, welche den Kohlenabbau begleiten und in England auch bis vierzig Percent des geförderten Kohlenquantums betragen. Wenn man diese Kohlenabfälle durch mechanische Mittel wieder zu Stücken vereinigt, so gewinnt man ein Brennmaterial, welches vor der Stückohle nicht zurücsteht, da es doch nur die schlechte Form ist, welche das Kohlen­­klein von der gewöhnlichen Verwendung ausschließt. Die lette Pariser Ausstellung führte erhebliche Verbesserungen in der Fabrikation von Briquettes oder Patentkohle vor, wie dieses agglomerirte Brennmaterial heißt, welches wohl in England, Belgien und Frankreich, aber noch sehr ver­­einzelt in Deutschland und Oesterreich hergestellt und ver­­braucht wird. Die dermalen in England herrschende Koh­­lenfrise hat dieses Brennstoff-Surrogat neuerdings zum Gegenstande des lebhaftesten Interesses in technischen und gelehrten Kreisen erhoben, und auch­ auf dem Continente dürfte es nachgerade einer größeren Beachtung werth befun­­den werden. Unter dem reichen Material, welches die Wiener Weltausstellung zur Beleuchtung der Brennstofffrage in ihrem ganzen Umfange bietet, nimmt die indirecte Verwen­­dung der Combustibilien eine hervorragende Stelle ein. Die hin und wieder noch mit Holzkohlen gespeisten Hochöfen werden bald diese kostspieligen Feuer löschen und zum Coaks- Betriebe übergehen. Die Regenerator - Gasfeuerungen in ihrer Anwendung auf Metall-, Glas- und Thon-Industrie gewinnen von Jahr zu Jahr mehr an Ausbildung und Terrain. Außer der fast großartigen Vertretung bitumi­­nöser Fossilien in allen Gestaltungsformen muß man lebhaft den Fortschritt begrüßen, welcher in der Darstellung künst­­licher Brennstoffe durch wirthschaftliche Benäßung sonst werthloser Abfälle ersichtlich ist. Die österreichischen Aus­­stellungen aus der Gruppe für Bergbau und Hüttenwesen legen darüber ein erfreuliches Zeugniß ab. Br. (Ausstellungs-Zeitung.) : 3 Lokal-Nachrichten. — Gemeinderathssitzung vom 27. Juni 1873. 1. Das Protocoll vom 26. Juni wird authenticirt. 2. Der Bürgermeister berichtet, daß ungeachtet wegen des städt. Ansehens von 560.000 fl. im Wege der Zei­­tungsblätter der Aufruf an die Bankinstitute erlassen wurde, bis nun dennoch keine Offerte einlangte , bittet demnach die Generalversammlung, auf ein anderes geeignetes Mittel bedacht zu sein, um dies Ansehen realisiren zu können. Das Finanz-Comits wird in Folge dessen betraut, ihr diesfälliges Gutachten­­ bis 5. d. Mts. dem Gemeinde­­rathe vorzulegen. 3. Repräsentant Nikolaus Gerster stellt den Antrag, behufs Verringerung der großen Anzahl von Hunden als hier die Hundesteuer einzuführen. Dieser Antrag wird an den Bürgermeister mit dem gewiesen, wegen Verhandlung desselben die Tagesordnung zu bestimmen. Das Gesuch der Forröer Schulcommission wegen Be­­willigung von Bauholz zu der dort neu zu erbauenden Schule, wurde, nachdem die Stadtgemeinde, was die Schule betrifft, das Patronatrecht nie in Ausübung brachte, ab­­weislich beschieden. Dieselbe ist aber nicht abgeneigt, für die Volksschule, als Gutsherrschaft, im Sinne des Gesetzes die auf sie entfallende Beitrags-Quote zu leisten. 5. Das Bittgesuch des hiesigen Bewohners Georg Kunßt um käufliche Ueberlassung des von der expropiirten Klobusiczky-Gasse erübrigten unbewüßten Grundes von 227 Quadrat-Klaftern, gegen Entrichtung von 8 wird dahin erledigt, daß demselben fl. per Quadrat-Klafter und zwar binnen des Zeitraumes von 30 Tagen der fragliche Grund käuflich überlassen wird. 6. Die Berufung des N. Estoczky gegen den ab­­weislichen Bescheid des Magistrats wegen der ihm verwei­­gerten Bewilligung des durch ihn beabsichtigten Baues , wurde dahin entschieden, daß ihm dieser Bau unter der Be­­dingung bewilligt wird, daß er den vorgelegten Bauplan genau einhalte, zugleich wurde der städt. Ingenieur Soukup beauftragt, die Baulinie zu bestimmen. Mit der Ueberwachung des Baues aber wird Magistratsrath Stefan Eder als Präses der Baucommission betraut. 7. Das Gesuch des Ludwig Hegedüs und Eugen Eder um Auflösung des Banköer Badepachtes wurde in Ver­­handlung genommen. Nachdem zur Auflösung des diesfälligen Vertrages kein hinreichender Grund vorliegt, konnte der Bitte nicht willfahrt werden. Der Magistrat wird jedoch angewiesen, die genaue Erfüllung der contractuellen Bedingnisse strenge zu über­­wachen.­­ (Forsetzung folgt.) 1/3 Generalversammlung der oberungarischen Geldinstitute, Montag, den 30. Juni d. J., hielten die oberungarischen Geldinstitute eine Generalversammlung in den Lokalitäten der Handels- und Gewerbekammer. Bei dieser Berathung waren alle 9 Comitate des Kammer­­bezirkes (außer Lipts) vertreten und wurden folgende Be­­schlüsse gefaßt : 1. Die Gründung des „Kaschauer Aushilfsvereins 8“ wird zur Kenntniß genommen und sind nach dem Muster des erwähnten Vereines in den verschiedenen Comitaten oder mag ähnliche Zentren der creditbedürftigen Städte zu ilden. 2. Wird die Handelskammer gebeten, die National­­bank anzugehen, dieselbe wolle bei der Beurtheilung der Garantiefonde courant zu Werke gehen und sich er­klären, welche Art von Sicherheit ihr für die nicht baar zu erlegenden 80 Percent des Garantiefondes genügt. 3. Wird die Kammer ersucht, zu erwirken, daß die­­ Sevilletoy. rn nun Unheimliche Geschichten. Skizzen aus Rußland. (Sortießung.) Als der Fürst die Mittheilungen dieser geheimniß­­vollen Begebenheit geendet hatte, entstand eine lange Pause. Der Erzähler, sichtlich ergriffen, schwieg, in tiefes Nach­­denken verfunden, welches die Anwesenden nicht zu unter­­brechen wagten. Endlich bekam NR... k vas Wort. „Wer wollte wohl läugnen“, begann er, „daß es ein Etwas in der Natur gibt, dessen Dasein alle Vernunft­­schlüsse vergebens abzustreifen versuchen. — Der Schrift­­steller Kaan, den Sie wohl größtentheils Alle kennen, wurde einst von einer Ahnung überfallen — ich gebrauche wissent­­lich den Ausdruc „überfallen“, — deren Resultat zu den wunderbarsten Erlebnissen meines vielbewegten Lebens gehört. Eine Ahnung. Unser Freund Bulgarin hatte, als er die „Nordische Biene“ redigirte, eine Menge junger Talente in die russische Lesewelt eingeführt, denen es außerdem schwer, wo nicht unmöglich geworden wäre, dem Publikum bekannt zu wer­­den. Die weite Verbreitung des Bulgarin'schen Jour­­nals machte es demselben möglich, ein Honorar zu be­willigen, welches dem bezahlten Schriftsteller die dornen­­po­­eg ebnet und ihm anständig zu existiren erlaubt. So hatte der geniale Verfasser des russischen Gil Blas den armen Kaan, der bald zu den beliebtesten Mit­­arbeitern der Biene gehörte, Schritt für Schritt bis zu seinen jenigen Erfolgen geleitet und unterstüßt, so daß der junge Mann sich in seinen Verhältnissen in Petersburg mit Recht ganz behaglich fühlte. Er hatte in Dorpat studirt und war dann, um un­­angenehmen häuslichen Verhältnissen daselbst zu entgehen, nach der Czaarenstadt geeilt, wo er, wie gesagt, rasch eine zukunftreiche Carriere gemacht. Seine Mutter, eine gebil­­­­dete Offizierswitwe, hatte einen Beamten geehelicht, dessen Charakter sie Leider erst nach der Hochzeit kennen lernte. Dem Trunke und der Verschwendung ergeben, brachte er in kurzer Zeit das Vermögen der armen Frau durch und wurde der Zankapfel zwischen ihr und den bereits erwach­­senen, verständigen Kindern, welche so bald als möglich dem väterlichen Hause, fest für sie eine Hölle, zu entfliehen suchten. Still duldend trug die Witwe K. die Folgen ihrer Webereilung und die rohen Ausbrüche des Trunkenen, ja die häufigen Briefe, die sie mit ihrem Sohne wechselte, ließen diesen glauben, daß sein Stiefvater seine Fehler größten­­theils abgelegt habe und sie mit ihrem Geschick leidlich zu­­frieden sei.­­ Denken Sie sich daher das Erstaunen Bulgarins, als Kaan eines Abends bleich und verstört zu ihm kommt und ihn beschwört, ihm Geld zu geben, da er in dieser Nacht noch nach Hause müsse. Auf die Frage Bulgarin­ s, ob denn die Reise unaufschiebbar sei, ob er nicht wenigstens noch eine früher angefangene wichtige literarische Arbeit voll­­enden wolle, beschwört ihn dieser mit angsterfüllter Stimme, Bulgarin möge ihn nicht zurückhalten, eine nicht zu be­­schreibende Bangigkeit treibe ihn ruhelos umher, seit zwei Stunden habe ihn die Ahnung befallen, wenn er nicht augenbliklich nach Hause reise, so geschehe dort ein namen­­peinigende Gefühl keine Rechenschaft geben, jedoch sei es nicht zu überwinden und treibe ihn mit gewaltiger Macht an, zu seiner Mutter zu eilen. Heiße Thränenströme verkündeten lauter als alle Worte die Wahrheit des Gesagten ; tief erschüttert gab Bulgarin die erbetene Summe her und eine Stunde später flog Kaan von rascher Telege mit Extrapost die Straße nach Dorpat entlang.­­ Die Windeseile der schnaubenden Rosse dünkt seiner so merzlichen Ungeduld noch immer nicht schnell genug, und am nächsten Abend sieht er mit Entzüden die Lichter der Vaterstadt durch das Dunkel der Nacht flimmern. Aus dem Gefährte springend, rennt er, kaum im Posthofe ange­kommen, mit raschen Schritten dem elterlichen Hause zu. Die Treppe hinaufstürmend, tritt er in die große Stube — sie ist leer und finster. Jus Schlafgemach der Mutter! — Ein schwerer, hinter der Thüre befindlicher Gegenstand hindert ihn, in dasselbe einzudringen. Vergebens ist sein Rufen. Die Wohnung scheint ausgestorben. Mit vieler Mühe gelingt es ihm, den Beleuchtungs­­apparat zu finden, endlich hat er Licht, er dringt in die Kammer, s­­o Entsetzen! =- der hindernde Gegenstand ist der Körper seiner Mutter, die sich an der Thür aufgehängt hatte, um einem qualvollen Leben ein Ende zu machen. Noch ist Lebenswärme in ihr und mit rascher Besonnenheit ge­­lingt es dem Sohne, den fast erloschenen Funken wieder anzufachen, der in schauerlicher Einsamkeit­ die Mutter wieder ins Dasein ruft. Ein Viertelstunde länger und es wäre zu spät gewesen ! Wer wollte hier das geheimnißvolle Walten der Vor­­sehung verkennen, die das eigene Kind zum Werkzeug erkor, die Verzweifelnde vor zeitlichem und ewigem Verderben zu retten­­ . Die folgende Scene möge sich jedes fühlende Herz loses Unglück. Er könne sich über dieses unaussprechlich selbst ausmalen. Schon der nächste Tag fand die Mutter, ; \

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