Kirchliche Blätter, 1907. Mai -1908. April (Jahrgang 12, nr. 1-53)

1907-09-26 / nr. 22

339 ——— » k Ar. 2,­ ­ 340 von den Völkern unterjocht ward, die er für geringere Geschöpfe vor dem Herrn ansah, droht auch uns Die Gefahr, abhängig zu werden von denen, die sich nicht für so hoch halten, wie wir und mit unsern DINE Sprüchen stellen. Die Arbeiterfaust wird schließlich doch­ die Kulturwelt in ihre Gewalt bekommen, und unserm Volke scheint insbesondere das Los bevorzustehen, daß wir überflügelt werden von solchen, die wir immer für geringer angesehen ald ung. Wir selbst aber jagen unsern Ansprüchen mit ihrem vielen Verlangen nach. Und wenn wir­ doch nicht erlangen können, daß wir die Seligen seien, meinen wir nicht genug getan zu haben und machen uns immer mehr Vorschriften und Gebote und Auffäße, sie zu halten, von Trinkgefäßen, daß sie ja nur niemals unrein seien, und von Bädern und Sommerfrischen und Heilanstalten, von Vereinen und kulturellen Bestrebungen v­n der Zahl, daß man sich tatsächlichh, wenn man die Menschen so verhegt und rastlos durcheinanderlaufen sieht, das Glück an allen Zipfeln zu erwischen, — daß man si dann tatsächlic einmal fragen mag, welches ist denn man das vornehmste Gebot im Geseß dieser vielbeschäftigten Zeit, daß man endlich damit dem Herrn genug tut, also daß er uns das Glück geben muß? Das war der große Irrtum Jsraels gewesen, daß ihnen das eine Gebot, an dem das ganze Geieß und die Propheten hingen, verloren gegangen war unter den zahl­­losen Vorsschriften der Priester und der Sin­tgelehrten mitsamt den Pharisäern, also daß ihr Spürsinn es nicht mehr herausfinden konnte. So nennt auch unsre Kultur­­welt das Eine fast nicht mehr, das uns nottut, und in dem allein das Gesäß und die Propheten bangen, nämlich das vornehmiste Gebot: „Du sollt Gott deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“, und das andere, das dem gleich ist: „Du sollt deinen Nächsten Lieben als dich selbst.“ Darum laßt uns wieder Jesum fragen. Denn was wir lieben sollen in der Welt, von was wir unser Glück und unsre Seligkeit erhoffen, das soll nicht unsre Kleidung, nicht unsre Wohnung, nicht unsre Nahrung, auch nicht unsre Gesundheit, nicht unser Geld, noch unser Ansehen vor den Menschen, noch unsere Luft, noch unser Wohlleben, das sol einzig und allein der Vater im Himmel sein. Som sollen wir uns mit unserm Leben weihen, daß unser Wert und Wesen dadurch geheiligt werde, wenn wir nämlich uns freuen an dem, was uns Angenehmes und Gutes auf Erden beschieden ist, zugleich aber auch die Hite der Trübsal und den Schmuß des Alltags nicht scheuen. Nicht die bessern oder jümmerlichern Verhältnisse, in denen wir leben, machen ja den Segen unsers Lebens aus, sondern das Edle, das wir in unsern Verhältnissen vollbringen, ob sie hoch seien oder niedrig, ob wir im Balast wohnen oder in der Hütte, ob wir von allem Unzaubern verschont sind oder auch das Widerwärtige angreifen, wenn wir nur innerlich dadurch nicht schmäßig werden, ob wir in der Freude ung­­onnen oder im Leid die bittern Tränen fließen lassen. In allen den Verhält­­nissen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt, das soll unsre Seligkeit sein. Und das andre ist dem­ gleich, daß wir unsern Nächsten lieben als uns selbst. Die Liebe aber it nicht bloß ein unfruchtbares Gefühl des Erbarmens. Das hatten gewiß auch der Priester und der Levit, da sie an dem, der unter die Mörder gefallen war, vorübergingen. Sie ist auch nicht ein vornehmes Gnade erweisen, indem wir aus einer höhern Sphäre herab Gutes tun dem, mit dessen Elend wir uns nicht bemengen wollen. Sejus saß mit den Stündern und Zöllnern zu Tu­ch. Die Liebe zum Nächten ist die, daß wir uns zu Brüdern machen unter­einander und das Erdenlos, wie es der Herr des Himmels für die Menschen gemacht hat, mit seinen Gnaden und seinen Nöten gemeinsam auf uns nehmen, daß wir ein jeder unsern Teil auf von dem Guten, au von dem Bösen haben mögen und jeder auf uns nehmen, was uns angeht, damit dem andern geholfen sei wie uns selbst, daß wir für andre wie für uns mit heißem Herzen das Gute suchen und für uns ebenso auch dem Schweren und Un­angenehmen nicht ausweichen, wenn wir die andern damit behaftet sehen. Nicht anders künnen als das L os teilen mit den Brüdern und das mit heiligem Eifer von Herzen gerne tun, das ist Liebe zum Nächsten. In diesen beiden Geboten hanget das ganze Gesäß und die Propheten. Das ist das Eine, das und mit tut. Wenn das die wirfende Kraft in unserm Wesen ist, dann brauchen wir nicht so viele Auflage zu halten und uns nicht mit so vielen Sorgen zu quälen, daß wir Gott genug für uns tun möchten, um ihn wirklich zu bewegen, daß er ung­elück­t­ und herrlich mache. Nein, sondern wie die Lilie auf dem Felde nichts anders zu tun braucht, al­s ich auszuleben, wie der Herr die Triebe in sie gelegt hat, so ist es auch uns übrig genug, daß wir unserm Herzen folgen und einfach das tun und also sind, wie uns die gute Stimme in unserm Junern heißt. Dann begnügen wir uns damit, daß jeder Tag seine eigne Plage habe, und der Herr macht uns ganz zu einem Segen, daß wir nicht nur in der Emigreit Gnade finden mögen vor ihm, sondern auch hier in der Zeit schon zu unserm Gedeihen kommen. Man stelle sich nur einmal vor, was das ausgeben würde, wenn in einer Gemeinschaft jedes Glied von den höchsten Soigen der Gesellschaft hinab bis zu der niedrigsten Tiefe des gemeinen Mannes in seinem Tun aus Hingabe an den Herrn geheiligt wäre, und wenn sie alle untereinander die Zaft des Lebens tragen und das Glück sich gegenseitig mitteilen sollten, dann wird man begreifen, daß das Eine, das uns nottut, die Liebe u Gott und die Liebe zum Nächsten ist. 3 aum hi 1 m. 64. \

Next