Kirchliche Blätter, 1910 (Jahrgang 2, nr. 1-53)

1910-06-11 / nr. 24

Hirschlirljeglitter Bezugspreis: S «­x Berlag­­el aus Der ev. Landeskirche FB. .., m­orerr­eemannert Bi 10, elele. KB in den siebenbirg. Landesteilen Ungarn Injertionöpreiß: Ausland­­e: Der Raum einer einspaltigen Ganzjähr. ME 10, Hallj. ME 5 Erscheint jeden Sonnabend Ev. Wochertschrift für die Glaubensgenossen aller Stände Petitzeile fortet bei einmaligen Einrücken 20 Heller, bei jedem weiteren Einrücken je 15.Heller ir. 24 Bermannftadt, den 11. Juni 1910 II. Jahrgang Inhalt: Halte, was du hast. — Für und wider Niegid­e — Die Predigt als Kunstwert. — Die ev. Gemeinde Peters­­berg im Burzenlande in den Jahren 1873—1909. — Nachrichten aus Nah und Fern. — Bücherschau. — Amtlicher Teil. — Anzeigen. ÄK Dalte, was du hast. DOffenb. 3, 11. An das stille, starre Mahnwort der Offenbarung muß ich­ denken, wenn ich den alten Glockenturm sehe. Unansehnlich steht er neben der großen, neuen, blaunen Kirche. Seine Ringmauern sind grau vor Alter, der Bewurf ist, in den Stürmen der Jahr- Hunderte abgesplittert, nadt starren die ungefügen Steine zutage; breite Riffe durchfegen das­ Mauer­­werk, wie tiefe Wunden, die eine rauhe Zeit ihm geschlagen. Ein kurzes Dach schließt den pumpen Steinbau ab, durch einen bretternen, breitausladenden Umlauf von diesem getrennt. Nein, schön ist er nicht, mein alter Turm, ja fast scheint es, als habe er sich­ überhaupt überlebt und werde in kurzem zu­­­samm­enstürzen. So urteilt jeder Besucher des Kirch­­hofes auf den ersten Blif und so dachten auch die Männer, die im Nate der Gemeinde saßen , vor einem Menschenalter, da sie das neue Gotteshaus bauten. Da wollten sie auch den Turm durch einen anderen, schöneren, neuen erregen und sie haben an zu bauen und führten den neuen Turm Hoch hinaus, daß er ganz verächtlich auf seinen Vorgänger herab­­schaute. Und Schon gingen sie daran, mit Gewalt den alten Turm niederzureißen, siehe da — neigten sich die schlanken, Hohen Mauern des neuen und stürzten zusammen. Der alte Turm aber stand unversehrt, seine Mauern hatten wie Felssteine dem Angriff von Spipart und Brechstange getroßt, wie den Stürmen der Zeiten. Da ließen die Leute ab von seiner Zerstörung, trugen das Riegelwerk des neuen Turmes still zur Seite und beschlossen mit­einander, den alten Turm stehen zu Lasfen, so lange er stehen könne. Und er stand und steht noch immer, wie einst, verwittert, aber festgegründet und festgefügt, und über den breiten Umlauf unter dem kurzen Dache hervor Elingen noch immer die Glocken auf die Ge­­meinde hernieder, feierlich rufend zur Gottesver­­ehrung im Haus des Herrn, ernst Klagend um die Geschiedenen, trostvoll für die Leidtragenden, Frieden . Dringend am stillen Abnd, immer aber wie eine ernstfreundliche, traute Stimme von oben. Halte, was du Hast! Wenn ich das laute Ge- Schrei unserer Tage vernehme, das den Turmbau des Baumeisters von Nazareth für überlebt, ab­er sich war und in unsere Zeit nicht mehr passend erklärt und stürmisch einen Neubau fordert, dann denke ich des alten Glockenturmes und des neuen, der ihn erregen sollte. Und mir ist, als hörte ich das Mahnwort: Halte, was du Haft! Was sie an die Stelle jegen wollen, ficht Schöner und blanier aus und paßt vielleicht zum Geschmach unserer Tage, aber" auf solch flüchtige Meinung und Neigung berechnet, Hält es nicht vor und hat seinen Bestand. Sa, halte, was,du haft! Es ist wohl ein recht nüchternes Mahnswort, und flingt so gar nicht hoch­­gemut und himmelstürmend. Aber die Herzens- und Lebenserfahrung langer, sturmerprobter Zeiten hat 3 geprägt und bewährt und wer es befolgt, dem bringt er Ruhe und Frieden, Trost und Erhebung, wie der Ölodenslang vom alten Turm meiner, Ge­­meinde. —p in für und wider Nietzsche. I. Wenn ein recht originell und ungezwungen auf­tretender Mensc­h in einen geschloffenen gesellschaft­­lichen Kreis mit sehr forretten Formen eintritt, so löst er die verschiedensten Stimmungen aus. Die Einen­ sind entregt und möchten ihn so bald als möglich wieder [oS sein, die Andern atmen auf und geben sich ganz dem Eindruck des Neuen, Ueber­­tauchenden Hin. Die Dritten, nicht immer die Meisten, warten eine Weile und nehmen erst dann Stellung zu ihm, wenn sie ihn gewogen haben. Solche Gruppen bilden sich auch, wenn in die Geistesgeschichte der Menschheit ein Neues tritt, das Lang­ Bestandenes zu Ruinen machen will. Hier ein entjegtes, hartes, schnelles Nein, dort ein überstürztes, tönendes Sa, bei der Minderheit nur ein fahles, überlegtes Echo. Am Niesiche in den 70er und 80er Jahren de 19. Jahrhunderts auftrat, überwog zunächst lange

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