Kirchliche Blätter, 1913 (Jahrgang 5, nr. 1-52)

1913-01-04 / nr. 1

die Vorbedingung für diese,Besinnung und Gesinnung, und leiht ihr Tiefe und nachhaltige Kraft,diese macht jenen warm und lebendig und schließt das Bier des Glaubens, Gott, mit ein in den Bund, den sie zwischen Mensch und Mensch errichtet. Man redet oft von der wilden Gewalt unwiderstehlicher Leidenschaften, Zorn und Haß und Heißem Ber­­langen, und gewiß, sie haben im Singen der Ein­­zelnen und im DVölferkampf gewaltige Leistungen gezeitigt. Auch das vergangene Jahr hat sie an der Arbeit gezeigt und die Erinnerung, die 100 Jahre zurückführt, redet laut von den Taten des Völkerzornes. Und Doch Hat das Größte im Wölter­­ringen des vergangenen Jahres und vor 100 Jahren nicht der Haß geleistet, sondern die Liebe, die für das große Ganze, für Welt und Vaterland ss zu opfern bereit is. Gerade, wenn die Stunde der großen Gefahr da ist, dann erwacht auch die große Liebe und trägt alles und überwindet alles. Daß er scheinen will, als habe die Not in unserem Heinen Leben nur zersplitternd und zersiegend gewirkt, ist eben nur ein Schein, wo wirkliche Not fi zeigte, da Hat auch die Liebe an Helfende Kraft sich aller Enden geregt, ohne nach Partei und Eigennuß zu fragen, und wir wissen, daß, wenn es um die Höchsten Güter geht, auch jene tiefglühende Liebe nicht fehlen wird, die um des Größern willen sie selber vergißt. Auch uns bleibt, das fühlen wir, die Liebe als Kraftquelle für künftige Entscheidungen. Und die Hoffnung? Db wir ein Wort für sie finden? Hat doch das abgelaufene Jahr so viele Hoffnungen wie schwanze Halme gefincht. Der Hoffnung, die sich auf kleine Dinge richtet, können wir das Wort nicht reden: es sind Flämm­­chen, die wie Kerzenlichtlein freundlich Leuchten und im nächsten Sturmhaush erlöschen. Und wir können sie vor ihm nicht swingen, denn der Sturmwind kläst, wie er will und wir fennen feinen Gang nicht. Aber die Hoffnungen, die auf ein Großes ge­richtet sind und die geschöpft sind aus der Erkenntnis, wie der Geisteshauch Gottes durch das Erdenleben zieht, die können wir emporhalten, Die versagen nicht, die gehen sicher einmal nach Gottes ewigem Willen, der das Echte, Hohe nicht vergehen läßt, weil es sein Bild an sich trägt, in Erfüllung. Und wenn wir selbst die Erfüllung nicht erleben, unge­­dämpft können und sollen wir die leuchtende Hoff­­nung an die Nachfahren als Heiliges Erbe übergeben, bis einst die Erfüllung wie ein Pfingsthauch her niederfährt. Siehe das Beispiel des Volkes, das in alten Tagen vor andern eine große Hoffnung groß gemacht hat: wie Herrlich hat sie sie erfüllt am Weihnachtsabend! Siehe das Beispiel, das wir recht erleben, daß Völker, über die die Geschichte Längst hinübergeschritten zu sein schien, auferstehen, weil sie die Hoffnung von Geschlecht zu Geschlecht wie ein heilige Erbe weitergegeben haben. Nein, eine große Hoffnung läßt nicht zu Schanden werden, sie vergeht nicht nur selber nicht, sie hält auch die em­­por, die sie in sie tragen. Auch unser Volk ist ein Bolf des Hoffens und e8 würde sich selber untreu werden, wenn e8 das Hoffen aufgäbe. Das hat uns wundersam erhalten und oft wunderbare Erfüllungen erleben lassen, wo die Verzweiflung berechtigter er­­schien als die Hoffnung. Halb anerkennend. Halb überlegen mitleidig hört man heute manchmal von dem aus der Geschichte geschöpften Optimismus und Idealismus reden, der noch eine Zukunft sehe und verfünde, wo da nur Spuren des­­Vergehens zu finden seien Aber fürwahr, es ist das Beste, das wir haben, es ist die wirksamste Realität, die wir finden können, diese Hoffnung auf eine bessere, größere Zukunft. Sie Hilft die Gegenwart tragen und die Zukunft vorbereiten, sie wehrt dem Kleinmut und der feigen Sahnenflucht, sie gibt Kräfte, das zu überwinden, was uns läumt und hemmt. Aber das alles eben nur, wenn sie auf ein großes Ziel gerichtet ist und wenn sie tief innerlich im engsten Zusammen­­hange steht mit den beiden andern Kräften, Glaube und Liebe. So bleibt auch sie und auch sie nehmen wir als eine Kraftquelle in das neue Jahr hinüber einer neuen Zukunft entgegen. Eine heilige Dreiheit ist es und eine Drei­­einigkeit. In ihr ist das Leben beschlossen und das Bleiben verbürgt in allem Wechsel der Zeit. —e. Gebet. Wohin sol ich fliehen vor dir, den ich nirgend finde?! Du bist überall, wohin sol ich fliehen vor dir?! Dies ewige Warten und ewige Vergehn und ich mitten in feinen Wellen — warum riefert du mich, dies alles zu sehn, zu empfinden, so Schwer zu sehn, so schwer zu empfinden, warum riefert du mich? Laß Schlafen das AU, laß es Schlafen und glüclich sein ! Nie Hättest du Sprechen sollen : „&o werde!“ Nun eile ich wie ein scheues Reh, von dir geschickt, von dir verfolgt, wohin soll ich fliehen vor dir?! Rufen will ich, daß es geh­t doch das AL und alle, alle Kreatur erzittert bei meinem wehen Ruf: „Der du mich werden ließest, erbarme dich meiner!” S. Lehrer. Rifualreden. 1 Trauerrede, gehalten am Weihnachtsabend, über 1. Joh. 3, 1 von Johannes Reichhart. Heute Abend flammt der Ch­ristbaum auf in unsern Häusern und in unserer Kirche. An seinem Stanze erfreuen sich die Kinder und die Alten in

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