Expressiv (2005)

Körmendi-Csák Sammlung, zeitgenössische Kunstsammlung der ungarischen Bildenden Kunst und Kunstgewerbe - 22. 11. 2005-23. 12. 2005 Kurator: István Dévényi Kunsthistoriker Für die Sammlung verantwortlicher Kunsthistoriker: Ferenc Csák Burgenländische Landesgalerie Eisenstadt Ausstellung der Körmendi-Csák Sammlung BEGRÜßUNG und GESTÄNDNIS „Der menschliche Geist ist Quelle allen künstlerischen Schaffens und jeder Erfindung. Sie machen das Leben menschenwürdig." Kunst zu sammeln ist eine Subsumierung. Es ist Analyse und Synthese, die alltäglichen Routinehandlungen menschlichen Den­kens, verflochten mit der Freude am Rezipieren, was zu den edle­ren Arten gesunder Lebensfreuden zählt, verknüpft mit einer gewissen grenzenlosen Verantwortung. Letztere resultiert aus dem Signalcharakter der Resonanz des Rezipienten. Ein großes Erlebnis in meinem Leben war, als ich, als bette­larmer junger Architekt zu Weihnachten immer wieder die Mög­lichkeit hatte, meinen Architektenfreund, Gedeon Gerlóczy auf­zusuchen, der - wie allgemein bekannt - der Retter, Entdecker, Sammler und Hüter der Bilder von Tivadar Csontváry Kosztka war, da habe ich nicht nur daran gedacht, welche Kraft diesem klei­nen, zerbrechlichen Mann gegeben war, um über fünfzig Jahre inmitten der Grausamkeiten von Weltbränden die Kunst Csont­­várys zu behüten und zu bewahren, sondern auch daran, daß ich wahrscheinlich nie, nicht mal eine ähnliche Sammlung besitzen werde, und nie die Gelegenheit dazu bekommen werde. Ich habe ihn bewundert und beneidet, und nie vergessen können welche religiöse Andächtigkeit ich bei den Bildern verspürt habe. Drei Jahrzehnte, ein Christus-Menschenleben sind seitdem vergangen. Es erscheint mir heute noch als Traum, wenn die authentischsten Kunsthistoriker des Landes nach gründlicher Analyse zu der Überzeugung gelang sind, daß unsere, mit mein­er heiß geliebten Frau gemeinsame Sammlung mehrere Hundert Kunstwerke von musealem Wert beherbergt, denke ich nicht nur gerührt an die Anfänge zurück, sondern bewundere auch stolz und glücklich die einzelnen Meisterstücke der Sammlung, aber auch ihre Gesamtheit. Mein Stolz und mein Glück liegen darin begründet, daß es uns auch gelungen ist, etwas zu retten und zusammenzufügen, und daß wir somit am Kunstleben der Jahr­tausendwende in unserer kleinen Heimat aktiv teilnehmen dürfen. Von den ungarischen Künsten sind, wegen der Ortsgebundenheit der Architektur, nur die Musik und die Bildenden Künste frei von sprachlichen Barrieren, aber wegen eines unbegreiflichen „Turanischen Fluches" verblieb die Bildende Kunst nur im Lande. Aber diese bildende Kunst ist Teil der universellen menschlichen Kunst, noch eher der europäischen Kunst, sie ist nicht mehr und nicht weniger als das, nur ist sie einfach weit weniger bekannt. Der zeitgenössische Künstler ist ein multikulturelles Wesen. Er begreift die Erscheinungen dieser Welt und macht sie begreifbar, stellt Rangordnungen unter den Ereignissen auf und läßt welche aufstellen, akzeptiert und protestiert, er lebt das Leben, sowohl sein eigenes, wie auch unseres, während dessen wir unser Leben leben, und ein klein wenig vielleicht auch seins. Das leise Brum­men des Künstlers verstärkt sich zu einem grellen Schrei, sein leis­es Klagen zum Aufschrei, er durchlebt mit uns zusammen Krieg und Frieden, die Mondlandung, die Marserkundung, die Armut und die Ungerechtigkeit, Schönheit und Häßlichkeit, Schöpfung und Vergehen, die Liebe, die Leidenschaft, Treue und Untreue, Freude und Leid. Der zeitgenössische Künstler ist nicht nur ein Wanderer durch die Jahrtausende, sondern unser Partner in der heutigen Zeit, seine Frische ist unsere Frische und seine Müdigkeit ist unsere Müdigkeit. Der zeitgenössische Künstler lebt mit uns zusammen, atmet mit uns die gleiche Luft, seine Sinnesorgane sind die unseren, sein Herz und unser Herz schlagen hier gleichzeitig und zusammen. Und wenn es stehenbleibt bleibt ein klein wenig auch unser Herz stehen. Kunst zu sammeln ist eine Selektion: Auswahl unter den Ate­liers. Eine Auswahl unter Verantwortung, mit der Verantwortung des Eigentümers. Das Besitzen als solches erschien auf dem Gebiet der geistigen Güter und der Produkte von Denkprozessen und verschafft sich Geltung wie nie zuvor. Es ist eine Tatsache, daß der Mensch durch seine Fähigkeit zum Denken zum Mensch wurde, was auch die Geschichte der Menschheit eindeutig bewies. Es ist aber auch eine Tatsache, daß die neuzeitliche Sicherheit des Besitzens geistiger Güter und Gedanken dieses Denken in Kategorien von „mein-dein-unser" in eine neue, höhere, von den früheren ab­weichende Dimension erhoben hat. Auch wenn die Schöpfungen des Geistes und der Kunst "mir" oder "dir" sind, sie sind trotzdem „unsere" - denn sie gehören uns allen. Es folgten Weltbrände aufeinander, Bibliotheken, Museen, Archive und Sammlungen, Kunstwerke und ausgesuchte En­­semblen von herausragenden Werken sind vernichtet worden. Es vergingen öffentliche und auch Privatsammlungen. Diejenigen, die das begriffen haben, stellten mit Entsetzen fest um wieviel wir im Zeitalter der wissenschaftlichen, industriellen und technischen Revolution ärmer geworden sind. Es waren aber weitaus weniger Personen, denen aufgefallen 1

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