Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde, 1930 (53. évfolyam, 1-12. szám)

1930-01-01 / 1-2. szám

3 nisses der Kulturerneuerung eiwachsen war, wie der deutsch geschrie­bene »Ackermann aus Böhmen«, dessen Bekanntwerden wir Konrad Burdachs Forschungen verdanken.6) Ein Gegensatz zwischen mutter­sprachlicher und Lateindichtung hatte sich in den Jahrhunderten des Humanismus freilich herausgebildet, aber die Literaturgeschichte darf, wo sie Werturteile fällt, sich nicht, wie es besonders früher oft der Fall war, einseitig auf diese oder jene Seite stellen und die Lateindichtung als Gelehrten- und Schulpoesie etwa übergehen, sondern muss mit sachlichen Augen die Entwicklung verfolgen und darstellen, welche »aus lutherich-antikischer Doppelheit zur christ­lich-hellenischen Einform und Einwelt« geführt hat.7) In der letzten Zeit, zum Teil schon vor dem Kriege sind durch Untersuchungen über das Volkslied und die Volkskunst überhaupt deren enge Grenzen erkannt worden, und manches, was hier Entzücken und Bewunderung hervorrief und als ursprünglich angesehen wurde, hat sich in seinem Kern als sog. gesunkenes Kulturgut erwiesen. Gleichzeitig brachte man der Masse der neulateinischen Literatur allmählich genauere und liebevollere Betrachtung entgegen. Da konnte es nicht ausbleiben, dass in ihr mehrere Spitzen aufs neue entdeckt wurden, welche durch Formgewandtheit und höhere dich­terische Begabung alles überragen, was die gleichzeitige deutsch­sprachige Poesie hervorbrachte. Es sind dies Persönlichkeiten wie Ulrich von Hutten, Eoban Hesse, Euricius Cordus, Geoig Sa­­binus und der bedeutendste unter allen: Petrus Lotichius Secundus. »Hier finden wir, wonach wir auf der deutschsprachigen Seite ver­geblich suchen, oft genug wirklich individuelle, seelisch betonte Erlebnis- und Bekenntnisdichtung, die von Freundschaft und Liebe, Gott und Natur in ganz persönlicher Weise singt, während das gleichzeitige deutsche Volks- und Kirchenlied vorwiegend nur Gattungs- und Gemeindeerlebnisse spiegelt. Hier stösst die gelöste und beschwingte Phantasie literarisch gebildeter Menschen •) »Nicht eine gelehrte Wiederbelebung des klassischen Altertums war die Renaissance, sondern eine Wiedergeburt der menschlichen Seele, die Wie­dergeburt eines religiösen Empfindens, das nicht im kirchlichen Dogma der Theologen, sondern im Menschlichen, Persönlichen wurzelte, der Durchbruch der inneren schöpferischen Kraft, die Dinge und Menschen da draussen zum Welt­bild zu gestalten und mit den Sinnen zu fassen.« Konr. Burdach, Deutsche Renaissance. Betrachtungen über unsere künftige Bildung. Berlin 1920, 8. 31-’) H. Cysarz im Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hgg. von Paul Merker und Wolfg. Stammler I, S. 67. 1*

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