Landwirtschaftliche Blätter, 1912 (Jahrgang 40, nr. 1-52)

1912-10-27 / nr. 43

608«" Vernichtung der Grummetfechsung wird also ein Steuernachlaß nicht gewährt. Wird der Steuernachlaß gewährt, so ist auch der entsprechende Teil der Umlagen von Amts wegen abzuschreiben (B.­©. 31. 2078/1898). Würden nach dem gewährten Steuernachlaß auch Umzugszinsen aufgerechnet und eingehoben, so sind selbstverständlich auch­ diese dem Steuerträger nachzulassen beziehungsweise gutzu­­schreiben (Finanzministerial, Entscheidung 31. 3517/1899). 3. Was haben die Geschädigten zu tun, um den gesetzlic gewährleisteten Steuernachlaß zu erwirken ? Die Elementarschäden sind beim Ortsamte (städt. Steueramte) schriftlich anzumelden und zwar im allgemeinen innerhalb 8 Tagen. Den Kleingrundbesitern ist die geiegliche Begünstigung gewährt, die Anmeldung durch zwei Vertrauensmänner zu machen. (For­­mular hinzu auf Seite 15 der „Ratgeber in Steuerangelegenheiten“). Die Anmeldung ist stempelfrei, jedoch sind derselben für jeden einzelnen, Bogen der zur Aufnahme des Elementarschadens er­­forderlichen Druckkorte je vier Helfer beizuschließen. Der oben er­­wähnte achttägige Anmeldungstermin ist von jenem Tage zu rechnen, an welchem das ausgetretene Wasser den höchsten Stand erreichte. Laut Entscheidung des fün. ung. Verwaltungs-Gerichts­­hofes 31. 10.973/1899 zieht der Umstand, daß die Anmeldung erst nach Ablauf des oben erwähnten achttägigen Anmeldetermines gemacht wurde, den Berlust des Anspruchrechtes auf Steuernachylaß nicht unbedingt nach sich. Wird die Anmeldung als verspätet zurückgewiesen, dann kann also an das f. u. Finanzministerium ein Rechtfertigungsgesuch eingereicht werden, in welchem der Nach­­weis zu erbringen ist, daß die verspätete Anmeldung durch hindernde Umstände verursacht wurde, deren Beseitigung nicht in der Macht der Bittsteller lag. = Landwirtschaftliche Beobachtungen und Ethik aus Deutschland. Bon Rudolf Briebreder. (Schluß.) Al eine wichtige Aufgabe der Zukunft, die nach der Lösung harrt, wird auch in Deutschland die Frage der besten Art der V­iehversicherung betrachtet. In den verschiedenen Staats­­gebieten hat man ihr auf die verschiedenste Art beizukommen gesucht. In Bayern ist die Viehversicherung für den Staat organisiert worden. In Baden zahlt der Staat bei denjenigen Ortövereinen, die sich der staatlichen Zentrale angeschlossen haben, die Hälfte des Schadens (1911: 322.000 Mark); mehr als die Hälfte der 943 Ortöversicherungsvereine ist aber trotdem selb­­ständig geblieben. In Preußen bekümmert sich der Staat um die Viehversicherung nicht, infolgedessen ist z. B. in der Rheinprovinz die Sache anders organisiert als in Sachsen. Dort befaßt sich die Landwirtschaftskammer in seiner Weise damit. Von den 1200 Ort3­­versicherungsvereinen der Provinz haben si­ch der von dem „Rheinischen Bauernverein“ in Köln gegründeten Zentrale unter­­stellt, andere einer in Trier bestehenden Zentrale, während die meisten ganz selbständig dastehen und feine Radversicherung haben. Nach Mitteilungen, die ich in Halle erhalten habe, hat die Trierer Zentrale Schlechte Erfahrungen gemacht. In Trier ist nämlich die Sache so eingerichtet, daß der Ortsverein einen gewisssen Teil der Prämie an die Zentrale abführt und bei ihr damit rückversichert ist. Bis zu einem gewissen Prozentjab, jagen wir 3 Prozent des ver­­sicherten Viehkapitales, muß, wenn sie Schadenfälle ergeben, der Orteverein aufkommen und nur wenn die Schadensummen in einem Jahre mehr ausmachen, wird die Karte der Zentrale in Mit­­leidenschaft gezogen. Dieses System hat zur Folge gehabt, daß die Dortevereine nicht sparsam wirtschaften, sondern es darauf anlegen möglicht Hohe Schadensummen auszuzahlen, um bald die 3 Prozent zu erreichen, wo die Verbindlichkeit der Zentralfasje beginnt, so daß diese immer mit Lehrbeträgen abschließt. Um diesen Übelstand zu vermeiden, hat die Landwirtschafts­­kammer der Provinz Sachsen 1903 einen Verband gegründet, in dem jeder Verein bei sich selbst rückersichert ist. Jeder Verein ist im wesentlichen selbständig und bloß der Revision de Verbandes unterworfen, der für je 5 Jahre die Normalprämie für jede Vieh­­gattung festießt. Um den Vereinen aber für die Jahre größerer Schadenfälle (Seuchen) einen Rückhalt zu geben, wird seit 1908 1/, der eingehobenen Prämien an den Verband abgeführt. Der Verband verwaltet die einfließenden Beträge, gewährt nach Bedarf den einzelnen Vereinen, welche mit den ihnen verbliebenen */, das Auslangen nicht finden, Beihilfen und rechnet nach Ablauf von 5 Jahren mit jedem einzelnen Ortsverein ab. Hat der Ortsverein weniger Aushilfe vom Verband­ erhalten, al das von ihm abge­­führte Fünftel der Prämien ausmacht, so wird ihm der Mehr­­­betrag gutgeschrieben und der Prämienrat für die nächsten 5 Jahre herabgelegt; hat er die Beihilfe des Verbandes in größerem Maße in Ansprucg genommen, so wird der Prämientag erhöht. Eine 5jährige Periode wurde gewählt, weil dur die Erfahrung fest­­gestellt wurde, daß immer von 5 aufeinanderfolgenden Jahren 2 größere und 3 geringere Verluste bringen, im ganzen aber sich ausgleichen. Die Verwaltungssorten des Verbandes werden zum Teil aus den Zinsen der von ihm verwalteten Summe, zum Teil aus Beiträgen der Landwirtschaftskammer gedecht. Die Einzelvereine müssen ihre Verwaltungsorten, femweit sie solche haben, extra auf­­bringen. Die Kosten für Tierarzt und Apothese bestreitet entweder ganz der Tierbefiger oder es wird die Hälfte vom Verein gezahlt. Übrigens ist­ es Grundlag an Franken Tieren nicht lange herum­­zufurieren, sondern sie möglichst bald zu schlachten. Dieses System hat sich in Sachsen und auch anderwärts z. B. in Mähren gut bewährt. Die Zahl der beitretenden Vereine nimmt immer zu. Der Verband zählt je­ 40 B Pferde-, 30 Rindvieh-, 42 Schweine- und 13 Ziegenversicherungsvereine. Es hatten 1911 12.218 Mitglieder versichert: 10.000 Pferde, 5600 Rinder, 13.000 Schweine, 1260 Biegen. Der Versicherungswert betrug über 11 Millionen, die geleistete Entschädigung bei den Pferden 3:83 Pt., beim Rindvieh 3­32 Pzt., bei den Schweinen 4:74 Bit., bei den Biegen 6:5 Bat. des Versicherungswertes. In Baden war man beim Rindvieh mit 2 ° 6 Prozent ausgenommen. Bei dem in Sachen angewandten System liegt es im Interesse der Einzel­­vereine bei der Zuerkennung von Entschädigungen möglichst vor­­sichtig vorzugehen, da eine Leichtsinnige Wirtschaft sich sofort rächt. Die geleisteten Entschädigungen waren im Jahre 1911 besonders hoch, da die Maul- und Slauenseuche größere Schäden ver­­ursacht hat. — In wie wirksamer Weise der gemeinschaftliche Bezug von Bedarfsartikeln und der Abzag der Erzeugnisse der Landwirtschaft organisiert sind, wurde bereit an einem Beispiele gezeigt. Eine mächtige Bezugsorganisation besißt auf der „Rheinische Bauern­­verein“. Er hat au eine Rechtsschubabteilung, in der ständig J­uristen beschäftigt sind, die nicht bloß, wie unser „N Rechts­­freund“, Anfragen der Mitglieder beantworten, sondern auch die Führung von Prozessen übernehmen. Die Baustelle des Vereines hat 4 Fachleute, die für die Mitglieder Baupläne anfertigen und sogar die Bauleitung übernehmen. Innerhalb des Badischen Land­­wirtschaftsvereines ist der Rechtsichtig in der Weise organisiert, daß jeder der 67 Bezirksvereine mit einem oder mehreren Rechts­­anwälten Verträge abgeschlossen haben, um ihren Mitgliedern zu­­verlässigen und billigen Rat in Rechtefragen zu sichern; für die erste Rechtsauskunft in einem bestimmten Falle bezahlen in der Regel die Bezirksvereine das Honorar für den Rechtsanwalt. Wenn ich zum Schluffe den Gesamteindruck wiedergeben sol, den ich auf meiner Reise aus dem Vergleich der deutschen landwirtschaftlichen Verhältnisse mit unseren gewonnen haben, muß ich natürlich bekennen, daß wir noch auf zahlreichen Gebieten hinter dem deutschen Vorbilde zurückstehen. Die systematische Art, die mit allen Mitteln der Wissenschaft auf die Intensivierung des landwirtschaftligen Betriebes hingearbeitet wird, kommt allen Ge­­bieten der Landwirtschaft zugute, während wir uns, da wir über die reichen Mittel des Staates nicht zu verfügen haben, damit

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