Acta Litteraria Academiae Scientiarum Hungaricae 6. (1963-1964)

1963 / 1-2. szám - Berczik Árpád: Arany János, der erste ungarische vergleichende Literaturwissenschaftler

János Arany, der erste ungarische vergleichende Literaturwissenschaftler Von Árpád Berczik (Szeged) I. Es ist ein Glück für die sich gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts entfal­tende ungarische Literaturwissenschaft, daß ihre ersten hervorragenden Ver­treter selbst aktive Dichter und Schriftsteller waren, die mit kongenialer Einfühlung sowohl die Werke der ihnen vorangehenden Dichtergenerationen als auch die ihrer Zeitgenossen nicht nur genießen konnten, sondern auch deren Verdienste und Fehler abzumessen vermochten und deren Wert — nicht selten mit weltliterarischem Ausblick — in der Rangordnung der Dichter anweisen konnten. Wie der Schriftsteller der berufene Interpret seiner eigenen Werke ist, so ist er zugleich auch der empfindlichste Beurteiler jener Kunstgattung, die er mit Erfolg selbst pflegt. Ein Teil der ungarischen Dichter-Literaturwissenschaftler griff zur Feder des Ästheten oder des Kritikers, da sie durch ihr patriotisches Selbstbewußt­sein angetrieben wurden, die literarischen Werte ihres Volkes zu analysieren, wie z. B. Kazinczy, Kölcsey, Vörösmarty. Andere wurden durch kulturpoliti­sche Überlegungen genötigt, sich mit literarästhetischen oder literaturhistori­­schen Problemen zu beschäftigen, wie Pál Gyulai oder Zsigmond Kemény. Auffallenderweise gibt es auch entgegengesetzte Beispiele, wenn nämlich ein Theoretiker von Beruf, ein Literaturwissenschaftler, ein Kritiker aus patrioti­schen Beweggründen zu dichten beginnt. Zu diesen gehört Ferenc Toldy, »der Vater der ungarischen Literaturwissenschaft« und ein solcher ist auch der gefürchtete Kritiker in den Vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, József Bajza, — es muß aber gesagt werden, daß sie nicht in die erste Reihe der ungarischen Literaten gehören. Doch machten alle die erwähnten Dichter und Schriftsteller nur einen kurzen Sprung aus dem Dichterhain auf die Ebene der Theorie oder beschäftig­ten sich bloß während einer kurzen Periode ihres Lebens mit theoretischen Fragen und auch dann, wie oben erwähnt, nur nebensächlich und von bestimm­ten Zielen angetrieben. Es ist ein großer Vorteil der ungarischen Literatur­wissenschaft, daß neben Petőfi und Vörösmarty das dritte Mitglied des klassi­schen ungarischen Dichtertrias im 19. Jahrhundert, János Arany, sich anders zur dichterischen Theorie verhielt.

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