Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-03-23 / 24. szám

»Aber denkst du denn gar nicht an Sophy und Emma? Wenn nun ..." — »Nun ja, wenn fie sich nun in einen Militär verlieben, willst du sagen, welch ein Unglük! Meinetwegen! ist meine Antwort; sie find die Töchter eines Offiziers und ein Offizier als Schwiegersohn ist mir schon recht, versteht sich, wenn er ein Mann von Herz und Ehre ist." — Die besorgte Tante Martha nahm fich nach einem solchen Gespräche jedes Mal vor, die Sache gehen zu lassen, wie es ihrem Bruder gefalle; doch ihr gutes Herz und ihre Erfahrungen, wie sie ihre Uniformscheu nannte, ließen fie nicht zur Ruhe kommen. UebrigenS bestätigte der Erfolg kei­neswegs ihre Befürchtungen. Die armen Kinder, womit Miß Martha ihre Nichten zu bezeich­nen pflegte, ließen fich die Huldigungen gefallen, die ihrer wirklich ausgezeichneten Schönheit und Liebenswürdigkeit von allen Offizieren der Garnison gezollt wurden, doch da die Angebeteten eine vortreffliche Erziehung genossen und Herz und Kopf auf dem rechten Fleke hatten, so wußten fie, was von solchen Komplimenten zu halten sei und fanden bald, daß die geschnie­gelten Herren im Durchschnitt nichts weniger als jene Tiefe und Durchbildung besäßen, die den vollendeten Gentleman bezeichnen. So war der Winter vergangen und die Familie deS Gouverneurs hatte die Villa Santa- Chiara bereits seit Wochen bezogen, als daS Dampfschiff der Regierung bei seinem Einlaufen in den Haupthafen der Insel Schiffbruch erlitt. Kapitän Orde, der Adjutant deS Generals, der dem Gouverneur den Unfall meldete, rühmte besonders die Geistesgegenwart deS Kapitäns (Beton, der fich an Bord befand und bei dem Unglük sein ganzes Reisegepäk verloren, doch zwei Menschen daS Leben gerettet hatte. — »Seton scheint ein sehr gebildeter Mann zu sein," sezte der Adjutant hinzu, »aber er ist schüchtern wie ein junges Mädchen." — »Sie wollen sagen, er ist ein bescheidener und wyhlgezogener junger Mann!" bemerkte Miß Martha. — »Obgleich der Verlust seines ganzen Gepäks ihn zu einer sehr kläglichen Garderobe verdamm­te, so lehnte er doch entschieden unsere Aushilfe ab, sogar was die Hemden anbetrifft." — Bei dem unaussprechlichen Worte: »Hemden" wurde die ehrsame Tante blutroth vor Scham; der General konnte ein spöttisches Lächeln nicht ganz unterdrüken und fragte: »Hat Seton Empfehlungsbriefe an mich?" — »So viel ich weiß, an Niemand; doch steht man eS ihm an, daß er ein Mann von Bildung ist." — »Dann ist er zu bedauern, denn..." — Die gute Tante war mit ihrer Bemerkung noch nicht zu Ende, als der Gouverneur bereits mit seinem Adjutanten zu Pferde saß und zur Stadt eilte. — Hier fand Sir George die früheren Andeutungen über Kapitän SetonS Benehmen bei dem Schiffbruche des Dampfers nicht nur bestätigt, sondern sich zugleich so von ihm angesprochen, daß er denselben auf einige Tage nach seiner Villa einlud, eine Aufmerksamkeit, die seit der Anwesenheit der Damen noch kei­nem Offizier der Garnison außer dem Adjutanten widerfahren war. Doch Seton lehnte die Einladung auf feine Weise ab, indem er meinte, der dermalige Zustand seiner Garderobe lasse es nicht zu, sich den Damen vorzustellen. Da der Gouverneur durch Dienstgeschäfte häufig Tage lang von Santa-Chiara fern ge­halten wurde, so machten die beiden jungen LadieS mitunter frühmorgens Spazirritte, bei de­nen sie nur von dem alten Reitknecht deS Vaters begleitet wurden. Durch mehrere Regentage zum Stubenstzen gezwungen und jezt durch die herrliche Lust ins Freie gelokt, hatte das Schwesternpaar einen Ausflug nach dem schon oster besuchten reizenden Thale von Bochetta unternommen. Die Mineralquellen, das eigentliche Ziel des Spazirrittes, lagen etwa sechs englische Meilen von der Villa. Hier stiegen die Reiterinen ab, um in einer Schäferhütte Milch zu trinken. Der Pfad durch Myrtenheken zu der Hütte war in der duftigen Morgen­­frische unvergleichlich schön und die Schwestern fühlten fich in der freien Natur so heiter, wie ausgelassene Kinder. Um so größer war der Schrek, als sie heim Eintreten in die Hütte ei­nen Fremden auf der Bank liegen sahen. Schon wollten sie sich schleunig zurükziehen, als ihnen die Schäferfrau, die am Fenster Wolle spann, freundlich entgegeneilte und so zugleich den Schläfer wekte. Der Fremde war sehr schlicht gekleidet, schien aber ein Mann von Stande zu sein. Der Tornister am Boden und verschiedene Steine, die auf dem Tische lagen, ließen auf einen reisenden Geologen schließen- — Während die Schwestern ihre Reitröke aufnahmen und fich zum schleunigen Abzüge anschikten, sprang der Tourist auf, machte ihnen sein Kom­pliment und bat, sich durch ihn nicht stören zu lassen.—AuS dem Benehmen und dem Tone, mit dem sich der Fremde an die Reiterinen wandte, ging hervor, daß er wußte, wen er vor sich habe; zugleich zeigte er aber eine Schüchternheit, die den Schwestern Muth machte, so daß Emma in ihrer gewöhnlichen Lebhaftigkeit fragte: »Sie übernachteten wohl in Bochetta?" — »Meine Tour hat einen wissenschaftlichen Zwek und da Bochetta in dieser Beziehung wenig bieten soll, so war ich noch nicht dort." — »Dann sind Sie gewiß noch nicht lange auf der Insel, denn Bochetta ist seiner ausgezeichneten Lage wegen doch sehr sehenSwerth." — »Ich werde Ihren Rath befolgen, sobald sich mir Gelegenheit bietet, verehrteste Miß Harcourt."'—

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