Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-12-07 / 98. szám

Siebzehnter Jahrgang. DER SPIEGEL für Kunst, Eleganz uud Mode. Redakteur: Sam. Nosenthal. Verleger: Fr. Wiefen'S Wittwe und S. Rosenthal. 1844 Vesth und Ofen, Sonnabend, 7. Denember. 98. D a S P e b ü t. (Beschluß.) esage lebte in der frohen Hoffnung, George habe durch Vernunftgründe seine bessere Ueberzeugung einen kurzen phantastischen Traum besiegen lassen. Zwischen Vater und Sohn war nicht mehr von einer Angele­genheit die Rede, die nur noch der Vergangenheit anzugehören schien. George lebte anscheinend eifrig den Obliegenheiten seines Berufs; er hielt sich oft den ganzen Tag in seinem Zimmer eingeschloffen, erschien aber sonst heiter, ja nicht selten in ausgelassen fröhlicher Laune. Der Vater war darüber hocherfreut und sprach sich einst gegen Legrand aus. »Sehen Sie, bester Freund," sagte er, -ich wußte wohl, daß eS nur flakerndeS Strohfeuer war, das der scharfe Wind befferer Ueberlegung verlöscht. Ich kenne meinen Sohn! Die Vernunft mußte über die Thorheit den Sieg davon tragen." Legrand lä­chelte und nikte öeiftimmend. Ein Vierteljahr ungefähr war vergangen; Lesage beobachtete nicht mehr mit der vori­gen Aufmerksamkeit daS Treiben feines SohneS, sonst hätte er eine seltsame Aufregung an ihm wahrnehmen, hätte bemerken müssen, daß er längere Zeit, als sonst, außer dem Hause zu­brachte. Um diese Zeit war auf einem der Vorstadt-Theater Lesage's berühmtes Lustspiel: ,Ie rival de son maitre" angekündigt. Legrand beredete ihn leicht, das Schauspiel zu besuchen, und in ihren Logen harrten sie dem Anfang des StükeS entgegen. Lesage war neugierig, wie der Darsteller deS Helden seine Rolle auffassen werde. »Ich habe noch nie einen Schauspieler gesehen," sagte er, »der diesem Charakter, wie ich mir ihn gedacht, vollkommen entsprochen hätte. Zwischen dem Dichter und Darsteller muß eine innere Sympathie bestehen; eine solche ist aber nicht möglich, wenn der Schauspieler kein selbstdenkender, schaffender Künstler ist. An dergleichen Künstlern ist unsere Bühne zu arm. Wir haben viel geschikte Handwerker, an de­ren Leistungen und eine gewisse Sauberkeit gefällt, aber nicht ein einziges Genie, dem wir auch eine kühne Unregelmäßigkeit, einen keken Quersprung verzeihen würden. Ich lese hier ei­nen neuen Namen; also ein neuer Jünger der Kunst; gebe Gott, daß er ein Messias sei!" Die Vorstellung begann. Lesage lauschte mit sichtlich steigendem Vergnügen; all' seine Mienen erheiterten sich. Der sprudelnde Humor, mit dem der junge unbekannte Künstler seine schwierige Rolle aufgefaßt hatte, schien den Meister anzusteken; noch nie hatte ihm sein eig­nes Werk so sehr gefallen. Legrand beobachtete aufmerksam den Freund, in dessen Augen Thrä­nen der Lust standen. Krampfhaft drükte ihm Lesage die Hand, indem er sprach: -Heute bin ich wahrhaft stolz auf mich! Ja, so habe ich mir Alles gedacht! Wer ist der junge Zau­berer , der mir so ganz auS der Seele spricht! Wahrlich, ich sehe den ersten Künstler Frank­reichs !" — Legrand lächelte immer wohlgefälliger, je mehr sein Freund in Verzükung gerieth. So ging ein Akt nach dem andern vorüber; daS Publikum jauchzte Beifall und niemals hatte Lesage einen größeren Triumph gefeiert, als heute. Dieser umarmte mit stürmischer Hast den Freund. »Sie haben mir heute eine Freude bereitet, die ich Ihnen nie vergessen werde!" rief er. -Aber an dem Lorbeer, den ich ernte, hat jener junge Künstler den halben Theil. Ich muß ihn kennen lernen, ihm sagen, wie sehr ich ihn schäze. Und das soll bald, ja heute noch

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