Evangelischen Gymnasiums, Medgyes, 1888

MAG'Y. AKADÉMIA j KÖNYVTÁRA, j ^ ■ ----------— Der Lateinunterricht an unsern Gymnasien mit besonderer Berücksichtigung der Anfangsklasse. Sehr viel wird im Allgemeinen über diesen Gegenstand heutzutage geschrieben, so dass der Wunsch berechtigt erscheint, es solle Latein mehr getrieben als über Latein gehandelt werden. Die diesbezügliche Litteratur ist so angeschwollen, dass es schwer hält, sich eine Übersicht zu verschaffen. Die Ursache dieser Erscheinung ist mit dem Worte „bessere Methode“ keineswegs ganz aufgeklärt. Was der einzige Perthes darüber geschrieben, würde einen respektabeln Band ausmachen. Ein einziger Artikel über lateinischen Unterricht in Schmidts „Encyklopädie etc.“ enthält 200 Seiten. Die verschiedenen Geschichten der Pädagogik drehen sich hauptsächlich um den lateinischen Unterricht. Eine Menge von Zeitschriften interessiert mehr als alles Andere derselbe Gegenstand. Die diesbezügliche Programmlitteratur ist endlos geworden. Bald bietet sie Methodo­logisches, bald ganze Abrisse für bestimmte Klassen sowohl grammatischen als Übungsstoffes, ist aber in beiderlei Hinsicht zum Teil ziemlich wertlos und gibt nur denjenigen Recht, welche die auf moralischem Zwange beruhende Schriftstellerei abgeschafft wissen wollen. „Der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe“ sollte allerdings in diesem Sinne keine Anwendung finden. So sehr auch die Richtung der modernen Kultur, die der Realismus charakterisiert, den Geisteswissenschaften abgeneigt ist, — für die Gymnasien steht der Unterricht der lateinischen Sprache noch immer im Vordergründe. Wenn dies je ein Segen für die Bildung war, so ist es besonders jetzt der Fall, weil eben in der Gegenwart das dominierende realistische Interesse jedes andere immer mehr zu verschlingen droht. Gerade die besten Kenner des Menschengeschlechts sind darüber einig, dass ein einseitiges Interesse noch immer Verwilderung des Charakters im Gefolge gehabt hat. Der Mensch lebt nicht vom Brote allein und wenn die Gymnasien dafür Sorge tragen, dass über der Entdeckung und Verwertung von Naturkräften auch die Kraft des Geistes nicht vernachlässigt wird, so ist damit nicht nur ein heilsames, sondern geradezu unentbehrliches Gegengewicht gegeben. Die Kraft des Menschengeistes beruht vornehmlich in der Pflege des Zusammenhanges der vorhergehenden Kultur­perioden. Diese haben sich nicht nebeneinander, sondern durcheinander entwickelt und immer dann ist die jeweilige Kultur von der grössten Gefahr bedroht worden, wenn die Pflege des Zusammenhanges vernachlässigt wurde. Keine Periode vermag aus sich selber die erforderliche Stärke zu schöpfen und was die Pädagogik mit Recht für die Schule fordert, dass nichts Gelerntes vereinzelt bleibe, sondern fort und fort mit dem neu zu Erlernenden verknüpft werde, was die Pädagogik durch Bilder von zerbrechlichen Einzelstäben und unzerbrechlichen Bündeln illustriert, das hat seine Giltigkeit für die jeweilige Gesamtkultur. Fehlte der Menschheit die Kraft des Gedächtnisses, welches schon erarbeitete Bildungsresultate fort und fort von neuem lernend, verwertend, erweiternd, umgestaltend aufnimmt und so die ununterbrochene Entwickelung, die Unsterblichkeit des Mensch­heitsgeistes repräsentiert, die Menschheit hätte nie die thatsächlich gewonnene Stellung sich errungen. Gedächtnis und Verstand, die sich gegenseitig stützen, machen den Intellekt aus, dem allein das Menschengeschlecht die Herrschaft in der Natur verdankt. Wenn nun auch Latein nicht mehr im selben Masse wie früher den Knotenpunkt, zu dem alle übrigen Disziplinen sich verschlingen, bildet, wenn es an praktischer Bedeutung, seit dem sich die Nationalitäten Europas in ihrer eigentümlichen Gestaltung mehr und mehr befestigt und dem entsprechend ihr eigenes Idiom bis zur Klassizität entwickelt haben, verloren hat, , so ist es doch noch immer unentbehrlich erstens im Allgemeinen zur Wahrung des Zusammenhanges und im Speziellen für manche Berufszweige wie Geschichte, Medizin, Jus, Theologie u. s. w., wenn dieselben gründlich erfasst werden wollen, zweitens zur Schaffung einer gewissen Gemeinsamkeit in der mehr und mehr auseinandergehenden Bildungs­richtung der verschiedenen Nationalitäten, nur der wissenschaftlichen Terminologie zu gedenken

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