Evangelischen Gymnasiums, Medgyes, 1905

Rede Sr. Hochehrwürden, des Herrn Stadtpfarrers und Lokal­schulinspektors Johann C. Lehrer. ::) Hochgeehrte Versammlung! So oft ich in diesen Saal getreten bin und jetzt noch trete, wird es mir feierlich zu Mute. Es ist mir, als müsste jeder, der hier erscheint, das Wehen der für uns grossen, uns unvergess­lichen Geister fühlen, die hier namentlich als Rektoren ihres bedeutungsvollen Amtes gewaltet. Ich gedenke zunächst Stefan Ludwig Roth’s, des siebenbürgisch-sächsischen Pestalozzi. Was er von dem grossen Meister aus der Ferne in einem edeln, starken Herzen, das für Volk und Vaterland, für Volksleben, Wissenschaft und Religion so herzlich liebend offen stand, uns heimgebracht und zunächst von hier aus verkündet und betätigt hat, das wirkt noch kräftig nach in unserem gewerblichen und wirtschaftlichen Leben, in unserer Tagesliteratur, in Schule und Kirche, das begeistert die sächsische Hochschuljugend. Nach ihm ist’s Andreas Graeser gewesen, der bestrebt war, unsere Schule aus der Enge der einzelnen Stadt im gewöhnlichen Gang des täglichen Lebens, herauszuheben in die Höhe des Lebens im Volksganzen. Er war als Geschichtsforscher bemüht, seine Schüler an der grossen Vergangenheit des Vaterlandes, besonders der Vaterstadt, sich erleuchten und erwärmen zu-lassen zu edlem Leben in der Gegenwart und selbstlosem Arbeiten für die Zukunft. Auf ihn folgt Carl Brandsch, der einzige Rektor, dessen Bildnis diesen Saal schmückt. Er ist auch wohl einzig in dem Stück, dass Lehrer und Schüler ihn gleichermassen ungeteilt ver­ehrten. Ein strenger, ernster Mann, wie er auch aus dem Bildnis uns anblickt, der zunächst selbst unermüdet seine Pflicht erfüllte und der Wahrhaftigkeit so unbedingt ergeben, dass er sagen konnte: Mit klarer, ehrlicher Ueberzeugung wollte ich lieber in der Hölle, als ohne sie im Himmel wohnen, forderte er Pflichttreue an seiner ganzen Schulanstalt - von jedermann. Diese Strenge war aber gepaart mit einer einzigartigen Liebesfülle; so dass sie niemandem schwer fiel, sondern vielmehr begeisterte und erhob. Er war Seelsorger seiner Lehrer und Schüler; ein Rektor von Gottes Gnaden. Dankbar gestehe ich das von mir und bin gewiss, nur ebendas zu sagen, was viele, viele ausser mir empfunden. Sein Nachfolger war Johann Oberth, ein Mann voll zarten, feinen Gefühls für das Edle und Schöne. In Jena von D. C. Volkmar Stoy und in Schnepfental von dem dort nachwirkenden Geiste Salzmann’s erfasst und erfüllt, war er — wie vor ihm Roth — der rechte Mann unserm *) Da Se. Hochehrwürden der Herr Stadtpfarrer die Rede erst nachträglich über Bitten des Berichterstatters nieder­schrieb, so konnte er die Verantwortung für eine wortgetreue Wiedergabe nicht übernehmen. So bedauerlich das nun auch ist, so hat Se. Hochehrwürden dadurch, dass er sich überhaupt der Mühe unterzog, wenn auch nur annähernd dieselben Gedanken­reihen wiederzugeben, berechtigten Anspruch auf den herzlichen Dank des Herausgebers* Und es sei gestattet, solchen Dank auch an diesem Orte auszusprechen. Diesen Dank schuldet dfr Herausgeber auch seinem ehemaligen Rektor und zwar umsomehr, als er sich auch noch der Mühe unterzog, die Korrektur selber nachzulesen.

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