Otto Griebel, Curt Grosspietisch, Werner Hofmann (Leonhardi Museum, Dresden, 1965)

OTTO GRIEBEL Otto Griebel wird am 31. März siebzig Jahre alt. Ihm sei diese Ausstellung als Geburtstagsgruß ge­widmet. Es ist seine erste wirklich umfangreiche Kollektivausstellung. Aber sein Lebenswerk können wir nur noch aus Resten kennenlernen, die den Gestapobeschlagnahmen von 1933, der Aktion „Ent­artete Kunst" von 1937 und den Bomben des 13. Februar 1945 entgangen sind. Griebel wurde 1895 in Meerane geboren. Als viertes der acht Kinder eines Tapezierermeisters wuchs er in der sächsischen Textilarbeiterstadt auf. Im Kna­benalter erlebt er mit seinem Schulfreund Erich Knauf den Crimmitschauer Streik. Das wird seine erste Lektion über Klassenstaat und Klassenkampf. 1909 kommt er gleichzeitig mit Otto Dix und George Grosz nach Dresden, um Kunst zu studieren, zuerst an der Kgl. Zeichenschule, dann an der Kunstge­werbeschule. Die Eltern drängen auf einen prak­tischen Beruf. Griebel geht zu Prof. Goller in die Glasmalerausbildung. Der Kriegsausbruch 1914 zer­stört die Hoffnung auf ruhigen Abschluß der Stu­dien. Bald bröckeln auch manche Illusionen ab. 1915 muß auch Griebel ins Feld. An der Westfront besucht er Dix im Schützengraben vor der Loretto­­höhe, der, verbissen zeichnend, von seinen apathi­schen Kameraden ausgelacht wird. Dort aber sproß der Keim zu dem gewaltigen Radierwerk „Der Krieg", mit dem Dix Zeugnis über das Erleben von Millionen ablegte. Eine schwere Hüftverwundung war 1918 Griebels Geburtstagsgeschenk. Als er davon genesen war, brach die Novemberrevolution aus. Griebel stand als Soldatenrat mitten im Geschehen. Ludwig Renn übernahm aus seinen Erzählungen die Darstellung der Revolutionsereignisse für seinen „Nachkrieg". Anfang 1919 tritt Griebel der eben gegründeten KPD bei. Im Herbst 1919 setzt er sein Studium fort, nun an der Akademie bei Steri, bis Ostern 1922. Bei der Abwehr des Kapp-Putsches ist er ebenso zur Stelle wie als Leunakurier beim Mittel­deutschen Aufstand, in der revolutionären Erwerbs­losenbewegung wie bei der Organisierung einer revolutionären Hundertschaft im Jahre 1923. Gleich Grosz und Heartfield macht er während der Nach­kriegskrise aus dem Satyrspiel Dadas blutigen Einst. Daraus wird der Verismus geboren, jene machtvolle Kunstbewegung der Respektlosigkeit vor den geheiligten Gütern der Bürgerseele und der Desillusionierung von Heros und Eros und an­derer Beruhigungszäpfchen, die bald neben Dix, Grosz, Schlichter, Scholz und Hubbuch auch Otto Griebel unter ihre führenden Anhänger zählt. Erst­mals mit dem Verismus wird die Kunst ernsthaft als Waffe in den gesellschaftlichen Auseinandersetzun­gen der Zeit gehandhabt. Aus der expressionisti­schen Atelierrebellion ist nun eine wahrhaft revo­lutionäre Kunst geworden, die mit der Wahrheit agitiert, die darum die allen verständliche Form volkstümlicher Bilderbogen annimmt und so zu einem Instrument der Idee wird, die die Massen ergreift. Der Kampfruf „Farbe“ aus der Vorkriegs­zeit ist verhallt. Nun herrscht die Zeichnung, scharf wie ein Rasiermesser, spitz wie ein Bajonett, nüch­tern wie eine Borsäurespülung. Grosz ist ihr unbe­strittener Meister. Zwischen ihm und Griebel besteht ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Kollwitz und Zille. Bei aller Aggressivität ist Griebel weicher, menschenfreundlicher, humoriger im Strich als sein bissiger Berliner Freund, gerechter abwägend in

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