Neue Zeitung, 1972 (16. évfolyam, 1-52. szám)
1972-06-23 / 25. szám
XVI. JAHRGANG, NUMMER 25. Preis 80 Fillér BUDAPEST, 23. JUNI 1972 NEUE ZEITUNG Wachenblatt des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn Lieber Leser! Wenn Sie in unserer heutigen Nummer auf Seite 6 blättern, werden Sie eine redaktionelle Änderung vorfinden. Unser Jugendstudio, das bisher drei Spalten eingenommen hat, erscheint nun unter dem Namen „Für unsere jungen Leser” auf einer ganzen Seite. Dieser Entschluss unserer Redaktion hat mehrere Gründe. Der eine ist die selbstkritische Erkenntnis, dass unsere Kinder, wenn sie die NZ in die Hand nahmen, nur wenig sie wirklich interessierenden Lesestoff vorfanden. Der andere Grund ist unser Bestreben, die Jugendspalten der Neuen Zeitung zu einem wirklichen Forum der ihre Muttersprache pflegenden Kinder aller Altersklassen zu gestalten. Wir möchten, dass die Kindergartenkinder genauso wie die Grundschüler und Gymnasiasten, ja auch die Hochschüler und die Studenten der Unis in den Jugendspalten sie Interessierendes vorfinden. Ausserdem möchten wir auch den Deutschlehrern zu Hilfe kommen; wir möchten, dass sie den Stoff unserer Jugendspalten auch dazu verwenden können, den Deutschunterricht aufzulockern, ihn bunter zu gestalten, wir wollen, dass sie z. B. auch an die Reportagen aus dem Leben unserer Kinder didaktisch anknüpfen können. Und nicht zuletzt möchten wir den Kindern und auch den Lehrern durch die Jugendspalten bei der deutschen Kulturarbeit ausserhalb des Unterrichtes behilflich sein. Wir haben vor, mehr kurze, dramatisierte Märchen, Gedichte für die Laienspielgruppen zu bringen, Tips und Anregung für die Arbeit im Heimatkundezirkel, Noten und Texte für die Singegruppen usw. Zu all dem langten die drei Spalten nicht mehr aus. Schon aus dem bereits Gesagten geht klar hervor, dass all das, was wir uns da vorgenommen haben, sich mit redaktionellen Mitteln allein nicht verwirklichen lässt. Damit in den fünf Spalten der erweiterten Jugendrubrik wirklich das Leben pulsiert, damit sie wirklich der Spiegel des Alltags und der Feste, der Freuden und auch der Sorgen der Kinder werden, dazu bedarf es der Hilfe der Schüler, ihrer Eltern und auch ihrer Lehrer. Deshalb wenden wir uns heute in den Spalten des Leitartikels an all unsere Leser, an Grossmütter und Opas, an Vatis und Muttis, an die Herrn Lehrer, an die Pionierleiter in den auch von Deutschen bewohnten Ortschaften: Helfen Sie uns bitte alle mit Rat und Tat, damit unsere Jugendseite wirklich zu einer von allen Kindern und Jugendlichen beliebten Lektüre werden kann, auf die man in den Schulen und Heimen wöchentlich freudig wartet. Unser kleiner Mitarbeiterstab kommt nicht in alle Dörfer, aus denen es was zu berichten gibt. Wir möchten aber, dass auch diese Ortschaften in unseren Jugendspalten vertreten sind, dass auch diese zu Wort kommen. Vielleicht könnten die Kinder oder der Deutschlehrer ein Mädel oder einen Jungen aus ihrer Mitte als Reporter für unsere Jugendseite „akkreditieren”. Diese kleinen Mitarbeiter könnten uns dann — sagen wir monatlich einmal — einen Brief schreiben darüber, was sich im Leben der Kinder im Dorf alles getan hat, was sie in den Deutschstunden gelernt haben, was ihnen beim Lernen besonders Spass machte und auch darüber, was sich als „harte Nuss” erwies. Diese Berichte würden — wenn sie aus mehreren Orten eintreffen — einen markierenden Wegweiser für die Arbeit der Jugendspalten bedeuten, denn über die Tatsache hinaus, dass sie wertvollen lebensnahen Stoff darstellen — wir wollen ja die Berichte unserer kleinen Reporter auch veröffentlichen —, erteilen sie uns auch wichtige Hinweise, die den Interessenkreis der Kinder, die Dinge der Welt betreffen, dem wir beim Zusammenstellen des Materials zu unserer Jugendseite unbedingt Rechnung tragen möchten. Und wenn da eine Oma zur Feder greift und uns berichtet, dass sie partout kein Märchen für den Enkel mehr hat, weil das Kind all die, die sie kannte, schon auswendig weiss, oder uns die Tante Marika aus einem Kindergarten schreibt, dass sie gern ein Muttertagsoder Nikolausprogramm in deutscher Sprache zusammenstellen möchte und dazu Material braucht, oder wenn ein Deutschlehrer uns erzählt, dass seine Schüler mit dieser oder jener Sprachregel Schwierigkeiten haben, so sind das alles Punkte, bei denen wir in unserer redaktionellen Arbeit, beim Gestalten unserer Jugendseite, einhaken können. Doch auch bei dem „Wie?” unserer Arbeit möchten wir uns auf die langjährige Erfahrung der Pädagogen stützen. Wir bitten also unsere Lehrer, der Jugendrubrik der Neuen Zeitung in ihrer erzieherischen, unterhaltenden, sprachfordernden Tätigkeit im Kreise der deutschlernenden Kinder in Stadt und Land behilflich zu sein! Bitte, betrachten Sie also die heute startende Jugendseite als einen jungen Kollegen, der zwar mit viel Herz, vielen neuen Ideen und Inventionen, an die Arbeit geht, der aber von denen, die schon seit langen Jahren, ja seit Jahrzehnten in den Klassen beim Unterricht, im Schulhof beim Spielen, am Nachmittag bei den Zirkelbeschäftigungen oder bei den Proben der Kulturgruppe zwischen den Kindern leben, vieles, vieles zu übernehmen und zu lernen hat. Vor allem: praktische Erfahrung! Dieses Gleichnis mit dem jüngeren, unerfahreneren Kollegen ist umso wahrer, da unser Mitarbeiter, der für die Jugendrubrik verantwortlich ist, wirklich ein junger Deutschlehrer mit einem noch frisch zu nennenden Diplom ist. Und dementsprechend möchte ich auch die Eltern bitten, dass jene Leser, für die ja die übrigen sieben Seiten unserer Zeitung gemacht werden, die Arbeit der Jugendrubrik mit genausoviel Liebe unterstützen, wie sie das bei der unterrichtenden, erzieherischen Tätigkeit der Schule tun. Wir haben ja ein gemeinsames Ziel: wir möchten, dass unsere Kinder die deutsche Sprache — ihre Muttersprache und zugleich eine Weltsprache — auf möglichst hohem Niveau erlernen, dass sie dies spielend und mit viel Spass an der Sache tun, dass sich zugleich ihr Gesichtskreis erweitert, dass sie die kleine und grosse Welt um sich besser kennenlernen und zu aufrichtigen, aufgeschlossenen, gebildeten, die Ziele der Gemeinsamkeit aktiv fördernden Menschen werden. Die Seite „Für unsere jungen Leser” möchte also viele, viele Briefe bekommen! Selbstverständlich werden wir auch persönlich jede Möglichkeit ergreifen, um über all die Belange der Jugendseite mit Kindern, Lehrern und Eltern zu sprechen. Wir möchten, dass sich zwischen der Redaktion der Jugendseite und zwischen denen, für die sie gemacht wird, gute freundschaftliche Kontakte herausbilden, eine wirkliche Mitarbeit, die es uns ermöglicht, fünf solche Spalten herauszubringen, die den Kindern und Jugendlichen wirklich gefallen und zu ihrem Nutzen sind. Liebe Mädels und Jungs! Die Tore der Schule haben sich geschlossen, die grossen Ferien haben begonnen und damit die Zeit der grossen Erlebnisse: in der Sommerfrische oder zu Hause beim Durchstreifen von Flur, Wald und Feld und bei der auch immer mit viel Spass verbundenen Arbeit in den Jugendbaulagern oder beim Sommerpraktikum. Uns interessiert alles, was Ihr dabei erlebt! Wir erwarten Eure Urlaubsbriefe! Aussenpolitik • Aussenpo/itik • Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussen Frau Indira Gandhi in Ungarn Frau Indira Gandhi, die Ministerpräsidentin der Republik Indien, ist aufgrund einer Einladung des Ministerrates zu einem offiziellen Besuch in Ungarn eingetroffen. Die auf der ganzen Welt hochgeschätzte Politikerin wird von der gesamten Bevölkerung Ungarns als gerngesehener Gast betrachtet. Die Öffentlichkeit unseres Landes zählt die stabile und reale Politik Frau Gandhis zu den positiven Faktoren der Lage in Asien und auf der ganzen Welt. Im Laufe der Ministerpräsidentschaft Indira Gandhis hat die Republik Indien die kritische Etappe ihrer Entwicklung hinter sich gelassen. Aufgrund der Politik Frau Gandhis stabilisierte sich in Indien die Position der demokratischen Kräfte und es entstanden günstige Bedingungen zu einer grossangelegten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umgestaltung des Landes. Auf dem Gebiet der Aussenpolitik ist die Regierung Indira Gandhis Anhänger der freundschaftlichen Beziehungen zu den sozialistischen Staaten. Diese Aussenpolitik basiert auf der Grundlage der friedlichen Koexistenz und lehnt jedwede Teilnahme an aggressiven Blöcken und Gruppierungen konsequent ab. In diesen allgemeinen Rahmen reiht sich die Entwicklung der ungarisch-indischen Beziehungen ein. Ungarischerseits wurden die richtigen politischen Vorstellungen Indiens stets unterstützt. Dies kam zur Zeit der ostpakistanischen Krise besonders überzeugend zum Ausdruck, als die indische Regierung den verständnisvollen und hilfsbereiten Standpunkt der sozialistischen Staaten, darunter auch der Ungarischen Volksrepublik, mit Zufriedenheit quittierte. Die Volksrepublik Ungarn befand sich unter den ersten Staaten, die Bangla Desh anerkannten und Ungarn war — den Kräften des Landes entsprechend — bestrebt, den ostpakistanischen Flüchtlingen materielle Hilfe zu leisten. Die ungarisch-indischen Kontakte haben sich besonders in den letzten 10 Jahren sehr entwickelt. Bei zwei Gelegenheiten besuchten ungarische Delegationen, die unter Leitung des ungarischen Ministerpräsidenten standen, Indien. 1968 erfolgte der erste Ungarnbesuch eines indischen Staatsoberhauptes, danach kam die Indienreise des ungarischen Staatspräsidenten Pál Losonczi (1969) an die Reihe. 1970 empfingen wir den damaligen Staatspräsidenten Indiens, Giri, als unseren Gast. Nach den auf hoher Ebene erfolgten Treffen kam es jetzt zur Ungarnreise Frau Indira Gandhis. Das Ziel des ungarisch-indischen Freundschaftstreffens in Budapest ist die Vertiefung der zwischen den beiden Staaten bestehenden Kontakte und die Besprechung der internationalen Probleme. Ungarn ist jedoch mit Indien nicht nur dadurch verbunden, dass die beiden Länder zahlreiche aussenpolitische Probleme auf ähnliche Weise beurteilen. Ungarn betrachtet Indien unter den Entwicklungsstaaten als einen der wichtigsten Wirtschaftspartner. Etwa die Hälfte des ungarischen Aussenhandels wird — in der Relation der Entwicklungsländer Asiens — mit Indien abgewickelt. Die ungarisch-indischen wirtschaftlichen Beziehungen spielen bei der Industrialisierung Indiens keine unwesentliche Rolle. Aufgrund der Kooperation zwischen den beiden Staaten wurden in Indien u. a. eine pharmazeutische Fabrik, ein Hüttenwerk und eine Fabrik für Einrichtungen der Chemieindustrie aufgebaut. Auf dem Gebiet der Aluminiumindustrie entstand eine bedeutende Zusammenarbeit, und es gibt noch Möglichkeiten zur vielseitigen Kooperation auf dem Gebiet der Fernmeldetechnik, der Elektronik, der Instrumentenherstellung und anderer Zweige der Industrie. Auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Zusammenarbeit kann man ebenfalls eine rasche Entwicklung beobachten. In erster Linie gibt es auf den Territorien der Technik und der Naturwissenschaften ermutigende Anfangsergebnisse der ungarisch-indischen Zusammenarbeit. Aufgrund all dieser Tatsachen besteht jede Hoffnung darauf, dass die Entwicklung der immer intensiver werdenden Kontakte zwischen den beiden Staaten durch den Besuch von Frau Indira Gandhi einen weiteren Aufschwung erhalten. Frau Indira Gandhi Die sozialistische Aussenpolitik Ungarns Die vor kurzem abgehaltene Sitzung des ZK der USAP befasste sich eingehend mit einigen eminenten Fragen der internationalen Lage. Das Zentralkomitee verurteilte energisch die Südostasienpolitik der USA und betonte, dass in der gegebenen Lage eine intensivierte Bemühung der sozialistischen Staaten um die Unterstützung des heldenhaft kämpfenden vietnamesischen Volkes notwendig sei. Das ZK sicherte den arabischen Völkern, die für ihre gerechten Forderungen kämpfen, ebenfalls seine Unterstützung zu. Die Erklärung, die über die Sitzung des ZK herausgegeben wurde, befasst sich an führender Stelle und mit grossem Gewicht mit bestimmten Zeichen der internationalen Entspannung und mit politischen Faktoren, die diese Entspannung auslösen. In diesem Zusammenhang betont das ZK die Bedeutung des Friedensprogrammes, das auf dem 25. Parteitag der KPdSU verkündet wurde. Hinsichtlich der Lösung der strittigen internationalen Fragen auf dem Verhandlungsweg war die Moskaureise des amerikanischen Staatspräsidenten ein wichtiges Ereignis. Die in Moskau geführten sowjetisch-amerikanischen Verhandlungen sind ein Beispiel für die praktische Anwendung der leninschen Lehren über die friedliche Koexistenz der Staaten von unterschiedlicher Gesellschaftsordnung. Das ZK begrüsste die Bonner Ratifizierung des Moskauer und Warschauer Vertrages, die Unterzeichnung des Protokolls des Viermächte-Westberlin-Abkommens und den zwischen der DDR und der BRD abgeschlossenen allgemeinen Verkehrsvertrag. Die in der europäischen Entwicklung erzielten Ergebnisse maches es aktuell, dass beide deutsche Staaten gleichzeitig in die UNO aufgenommen werden. Ungarn wünscht im Einklang mit seinen Verbündeten aufgrund der Politik der friedlichen Koexistenz seine Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland zu regeln. Gleichzeitig stellt das Zentralkomitee fest, dass jene Kreise, die an der Aufrechterhaltung der Spannung interessiert sind, die Waffen noch nicht gesteckt haben. Dies wird durch die Kampagne gegen die Ratifikation und auch dadurch bewiesen, dass es gelang, die Aufnahme der DDR in die Weltorganisation für Gesundheitswesen zu verhindern, ausserdem gelang es zu vereiteln, dass sich die DDR auf der Basis der Gleichberechtigung an der Stockholmer Konferenz für Umweltschutz beteiligte. All dies beweist, dass im internationalen Leben entgegengesetzte Richtungen — die der Entspannung und die der aggressiven Bestrebungen — vorhanden sind. Der Kampf der beiden Richtungen entwickelt sich aufgrund der Gesetze des internationalen Klassenkampfes. Wie das ZK feststellt, brachte die Entwicklung auf dem europäischen Kontinent positive Änderungen. Als Folge dieser Änderungen stabilisierte sich die europäische Sicherheit und jene Hindernisse wurden beseitigt, die einzelne westliche Regierungen der Vorbereitung und Einberufung der gesamteuropäischen Sicherheitskonferenz in den Weg legten. Es ist eine erfreuliche Tatsache, dass z. Zt. alle interessierten Regierungen mit dem baldmöglichen Beginn der multilateralen Verhandlungen zur Vorbereitung der Konferenz einverstanden sind. Die positiven Elemente der Entwicklung registrierend, stellt das ZK gleichzeitig fest, dass jene Gefahren, die aus der Existenz des Imperialismus entstehen, weiterhin vorhanden sind. Das ZK tritt energisch gegen jedweden Illusionismus auf und stellt fest, dass der Vorgang der Entspannung nicht die Tatsache verschleiern könne, dass sich der Charakter und die grundlegenden Bestrebungen des Imperialismus in keiner Weise geändert haben. Aus der Analyse der internationalen Lage zieht das ZK die Schlussfolgerung, dass sich die sozialistische Aussenpolitik als richtig erwiesen hat. Die Hauptan- Eorderung, die sich aus den den sozialistischen Staaten bevorstehenden grossen internationalen Aufgaben ergibt, ist, dass wir die aktuellen Schritte im Aufbau des Sozialismus noch konsequenter unternehmen. Dies befähigt uns dazu, zusammen mit der SU und den anderen sozialistischen Staaten im engen Bündnis für die Liquidierung der Aggression und für das Zurgeltungkommen der Politik der friedlichen Koexistenz zu kämpfen. Friedliches Nebeneinanderleben der beiden deutschen Staaten Der Gegenstand das Gedankenaustausches, der zwischen der DDR und der BRD geführt wird, ist die Wiederherstellung von normalen, gutnachbarlichen Beziehungen, wie sie zwischen voneinander unabhängigen Staaten üblich sind. Allein die Tatsache, dass die Verhandlungspartner in der Frage eines solchen Textes Übereinstimmung erzielten, bedeutet einen gewissen Fortschritt. Dieser Fortschritt entspricht der Gestaltung der zwischen den beiden deutschen Staaten bestehenden Kontakte, vor allem der Tatsache, dass mit der Ünterzeichnung des ersten Staatsvertrages zwischen der DDR und der BRD Bonn den ersten entscheidenden Schritt auf jenem Weg unternahm, der zur Anerkennung der DDR führt. In diesem Sinne sprach der Ministerpräsident der DDR, Willi Stoph, in seiner Rede vor den Werktätigen der Leuna- Werke über die Kontakte zwischen den beiden deutschen Staaten. Stoph analysierte die Entwicklung der Kontakte der beiden deutschen Staaten und stellte unter Beweis, dass die in Europa vor sich gegangenen Veränderungen vor allem das Zurgeltungkommen der Politik der friedlichen Koexistenz beweisen. Hinsichtlich der gegenwärtig laufenden Verhandlungen sind die Feststellungen des Ministerpräsidenten der DDR, die sich auf die Perspektiven der zwischen den beiden deutschen Staaten bestehenden Kontakte beziehen, von Bedeutung. Stoph betonte, die DDR sei bereit, aufgrund der Prinzipien und der Normen des Völkerrechts die Beziehungen zur BRD zu normalisieren. Als Mitglied der sozialistischen Gemeinschaft leistete die DDR auch bislang einen Beitrag dazu, dass sich im Herzen Europas die Spannung verringerte und die Lage normalisierte. Die DDR tritt auch weiterhin dafür ein, dass in den Kontakten zwischen den beiden deutschen Staaten die Prinzipien der friedlichen Koexistenz verwirklicht werden. Der Erfolg der weiteren Verhandlungen hängt davon ab, ob sich auch die andere Seite von ähnlichen Absichten leiten lässt. Willi Stoph betonte, man könne, nur dann positive Ergebnisse erwarten, wenn beide Seiten eine reale, dem Völkerrecht entsprechende Haltung an den Tag legen. In diesem Zusammenhang verurteilte er energisch jene Bestrebungen, die den Dialog der beiden deutschen Staaten auf das tote Gleis „der innerdeutschen Sonderbeziehungen” abschieben möchten. Eine Vereinbarung ist nur dann möglich, wenn sich beide Verhandlungspartner darüber im klaren sind, dass den Unterredungen souveräne, selbständige Staaten beiwohnen. In diesem Sinne bieten der BRD die jetzigen Unterredungen eine ausgezeichnete Möglichkeit zu beweisen, dass sie ähnlich wie die DDR daran interessiert ist, zwischen den beiden deutschen Staaten im Sinne der friedlichen Koexistenz gutnachbarliche Beziehungen entstehen zu lassen. Georg Kertész