Neue Zeitung, 1972 (16. évfolyam, 1-52. szám)

1972-12-29 / 52. szám

PETŐFI LEIT — tröstete man sich nach dem Tode des 26jährigen Poeten, der „Feuersäu­le”; nach der Niederlage der Revolu­tion, nach dem niedergeschlagenen Frei­heitskampf. Petőfi lebt heute noch — auch wenn nicht in dem Sinne, wie einst die Le­gende behauptete. Er lebt und bleibt lebendig, weil er ewig jung blieb und bleibt. Vielleicht erlangte er nicht die künstlerische Reife, die Vollendung; da­gegen strahlt er etwas aus, was auch noch heute mitreisst: Kraft. Für seine ewige Jugend und Wirkung gibt es nur eine Erklärung, die vielleicht am besten von seinem Chroniker Gyula Illyés for­muliert wurde: „Es gibt keine Gestalt unter den ungarischen Dichtern, die das Schicksal mit allem, was ein Dichter braucht, so reich beschenkt hat, wie ihn. Jede Veränderung in seinem Leben ist „Wie einst Moses mit dem Volke hinter einem Feuerschein, den ihm Gott als Führer sandte, irren wir durch Wüstenein. Heut schickt Gott als Feuersäulen die Poeten; sie geleiten jetzt das Volk nach Kanaan.” (Die Dichter des 19. Jahrhunderts) eine Lehre, deren Nutzen er später als Dichter erkennt.” Und Veränderungen gab es genug in Petöfis Leben. Dies war auch eine Fol­ge des Zeitalters, in dem er lebte. Die ungarische Reformzeit — die Zeit sei­ner frühen Jugend — ist etwa mit der deutschen Vormärzperiode zu verglei­chen. Das Agrarland Ungarn, das in halbkolonialer Abhängigkeit lebte, zeig­te in dieser Zeit gewisse innere Regun­gen: Der wirtschaftlich-kulturelle Auf­schwung löst sich bald in einen politi­schen Aufschwung auf, der schliesslich zur Revolution führt. Im Gleichschritt zu diesem Reifeprozess entwickelt sich der junge Heimatdichter zum Propheten und Anführer der Revolution. Der Nie­derlage des Freiheitskampfes geht sein Tod voran — was er schon sechs Jahre eher, in einem seiner ersten Gedichte, prophezeit: „Zu früh wirft ihn der Tod aufs Lager...” (Weissagung) Er sieht aber genauso klar, dass sein Schaffen den physischen Tod überlebt: „Hüllt auch das Leichentuch mich ein, lang wird dein Sohn, der Dichter, leben unsterblich wird sein Name sein!” (Weissagung) sagt er zu seiner Mutter, die überhaupt die zentrale Figur der früheren Gedichte ist — genauso wie die Heimat und das Elternhaus: „Steht ein kleines Haus am Donaustrande, das ich zu vergessen nie imstande. Denk ich dran, vergeh ich fast vor Sehnen, meine Augen füllen sich mit Tränen. Wär ich lieber doch daheim geblieben!” (Aus der Ferne) Dieser sehnsuchtsvolle Ausruf ist aber versucht sich als Schauspieler, bis er ...... , T ... , , einsieht, dass er als solcher nichts nicht für seine kurze Laufbahn charak- taugt und sich nach etwas anderem teristisch. Er geht von zu Haus weg und umsehen muss: „Im folgenden bring ich zur Kenntnis all denen, die es interessiert: An meiner Zukunft klarem Himmel sind graue Wolken aufmarschiert. Bislang war ich Thalias Priester, bin jetzt Journalist von Metier.” (Abschied vom. Bühnenleben) Die Jugend wird welken, das Leben verfliegen ... Komm zu mir, mein Weib, dass im Arm ich dich hab, komm, neig deinen Kopf, an mein Herz dich zu schmiegen! Vielleicht neigst du so dich bald über mein Grab ...” (September-Ausklang) Dann: die stürmischen Tage der März-Revolution, wo keine Zeit für melancho­lische Stimmung bleibt: „Auf, die Heimat ruft, Magyaren! Zeit ist’s, euch zum Kampf zu scharen! Wollt ihr frei sein oder Knechte? Wählt! Es geht um Ehr und Rechte! Schwören wir beim Gott der Ahnen: Nimmermehr beugen wir uns den Tyrannen! Nimmermehr!” (Nationallied) liehe, revolutionäre Dichter. Deshalb ist er heute noch das revolutionäre Dich­ter-Idol der ungarischen Jugend, der gesellschaftlichen Kräfte, die für die sozialistische Entwicklung kämpfen. Petőfi hielt seinen Schwur, den er am 15. März ablegte. Er trat in die revolu­tionäre Freiheitsarmee ein; liess seine Junge Frau allein und zog in den Frei­heitskampf. Doch schon kurz danach folgt ein Sprung ins Soldatenleben — das aber nicht lange dauert. Das Dichten gibt er weiterhin nicht auf; egal, was er be­Dieses im volkstümlichen Ton abge­fasste Bekenntnis ist ein typisches Bei­spiel für diese Jahre seines dichteri­schen Schaffens. Die Lieder aus dieser Zeit sind umso bedeutungsvoller, da sie Teil einer charakteristischen osteuro­päischen Entwicklung sind. Infolge der Tatsache, dass sich in diesen Ländern die bürgerliche Entwicklung erst spät meldete und so eigentlich der liberal­progressive Flügel des Adels die Rolle des Bürgertums übernahm, interessier­te man sich plötzlich für das Schicksal der Bauern, für das Leben und für die Kunst des Volkes. Dieser Prozess be­gann — beeinflusst von Herder — mit Volksliedsammlungen und entwickelte sich teils zu der sogenannten teils zur wahren volkstümlichen Dichtung. • Petö­fis Rolle ist im Falle der letzteren wich­tig, da er nie die Volkslieder nachahm­te, sondern die Elemente derselben auf Dieses Gedicht ist die Versinnbild­lichung der Kraft, die am 15. März von Petőfi ausging. Es mobilisierte das Pe­ster Volk, vor allem die Jugend, zur aktiven revolutionären Tat. Der Dichter und seine Sinnesgenossen und Freunde waren an diesem Tag die eigentlichen Träger und Führer der Revolution. Pe­tőfi blieb auch weiterhin die „Feuer­säule”: der konsequente, nicht versöhn-Petöfis Leben und Werk gleichen ei­nem Aufflammen. Jedoch gilt es als Explosion in der Weltliteratur. Er wird in kürzester Zeit bekannt; heute spricht BUDAPEST, 29. DEZEMBER singt — den Wahsinnigen, das Eltern­haus, den Wein oder die Heimat, ein Genre oder einen kleinen Vogel —, sein dichterisches Bekenntnis bleibt: (Freiheit und Liebe) künstlerischem Niveau anwandte. Aus diesem Grunde werden manche seiner Lieder auch noch heute für Volkslieder gehalten und auch gesungen. Sein Mär­chenepos „Held János” ist eigentlich auch Resultat der dichterischen Erfah­rungen dieser Periode; mit diesem Werk dichtete er sich unmittelbar in das Herz seines Volkes hinein. Die Liebe ist auch ein wichtiges Mo­tiv der Volksdichtung. In Petöfis Ver­sen erscheint sie umso öfter, da der Poet angeblich in seinem 10. Lebens­jahr das erste Mal verliebt war. Die personengebundene Liebe erscheint — in ernster Form — jedoch erst später; wenn auch eher als konkreter Kampf für die Freiheit — wie im oben zitier­ten Gedicht vorausgesagt. Eine gewisse Vorahnung sickert aber durch das Glück des Ehelebens: man im Ausland automatisch seinen Namen aus, wenn man von Ungarn spricht. Seine Gedichte wurden in etwa 70—80 Sprachen übersetzt. Man enthüllt seine Statue in Rom und in Latein-Amerika. Schauspieler ziehen durch halb Europa, um seine Gedichte vorzutragen, Wissenschaftler halten in der ganzen Welt Vorträge — so wird sein 150. Geburtstag gefeiert. Damit wird nicht seine Neugeburt vorbereitet — es ist nur ein Beweis dafür, dass Pe­tőfi lebt! Judit Ungváry „Der Freiheit und der Liebe hab ich Treu geschworen bis ans Grab. Für meine Liebe lebe ich und sterbe ich, fürwahr, doch für die Freiheit gebe ich die Liebe hin sogar.” „Trommelwirbel, Hornsignale, kampfbereit schon stehn wir alle. Vorwärts! Ran!” (Kamvflied r Anlässlich des 150. Geburstages von Sándor Petőfi stellen wir an dieser Stelle den Prosaisten unseren Lesern vor. Im Sommer 1846 wurde Petőfi in Pest mit dem deutschen Dichter Karl Beck (1817—1879) bekannt, der Gedichte Petöfis ins Deut­sche zu übersetzen beabsichtigte. Ihm soll Petőfi diese eigenhändig geschriebene „Selbstbiographie in deutscher Sprache” überreicht haben. Des weiteren brin­gen wir zwei von den Reisebriefen an Frigyes Kerényi, Schuldirektor und Schrift­steller, einen ehemaligen Mitschüler von János Arany. Anschliessend finden Sie einen Teil aus seinem Tagebuch über den Ausbruch der Revolution am 15. März 1848. Selbstbi ographie in deutscher Sprache 1846 i lexander Petőfi, geboren von ar­­men Eltern den 1-ten Januar 1823, in der Mitte der grossen Ebene un­ter dem Gebirge Matra, zwischen der Theis und der Donau. — Ausserordent­liche Abneigung gegen jede Subordina­tion. Darum entlief er von der Schule mehrmals, und 1839 gänzlich. Eine Zeit­lang irrte er umher. Von der äusser­­sten Noth gedrungen, wurde er nach etliche Monathe Soldat. — Soldat zwei Jahre, nichts als Gemeiner. Als er ge­rade desertiren wollte, zum Glück wur­de er entlassen durch die Hilfe eines Arztes. Nach seiner Rückkehr vom Mi­­litair ging er wieder in die Schule, konnte aber wegen seinem fortwähren­den Hange zur Unabhängigkeit nur ein Jahr aushalten, und wurde Schauspieler bei einer wandernden Gesellschaft. Zwei Jahre wanderer Schauspieler. Als Schauspieler veröffentlichte er sein er­stes Gedicht. Als er nach zwei Jahren nach Pesth kam, Hess er den 1-ten Band seiner Gedichte drucken, und wurde Gehilfe eines Mode-Journal-Re­­dacteurs, wo er ein Jahr blieb, dann verliess er sein Amt, und seitdem (An­fang 1845) lebt er in jener Unabhängig­keit, die er immer so liebte und wünsch­te. Seine Devise ist: „Bettelsack und Freiheit!” Nach dem 1-ten Band seiner Gedichte veröffentlichte er noch in demselben Jahre (1844); „A helység kalapácsa” (Der Hammer des Dorfes, ein komisches Heldengedicht); im Jahre 1845: „János vitéz” (Der Held Johann, Volksmärchen), „Czipruslombok Etelke sírjáról” (Zipressenzweige vom Grabe Adelens, lyrische Gediehe II-ter Band), „Szerelem gyöngyei” (Perlen der Lie­be, lyrische Gedichte); im Jahre 1846: „Felhők” (Wolken, lyrische Gedichte), und „A hóhér kötele” (Der Strick des Henkers, Roman in Prosa). Aus den Reisebriefen an Frigyes Kerényi arst Du schon in Debrecen, lieber Freund? Hast Du schon die Pusstastadt gesehen oder, richtiger gesagt, die städtische Pussta? Willst Du im Staub oder Schmutz ersticken, so komm hierher, kannst Du am leichte­sten Dein Ziel erreichen; aber Deine Nase musst Du Dir zuhalten, da Dich sonst, bevor Du erstickst, infolge des pe­netranten Schinkengeruchs der Schlag trifft. Wieviel Schinken, wieviel fette Schweine gibt es hier! Aber der Geist ist so schwach, dass er kaum sich auf­rechterhalten kann, geradeso wie die hiesigen berühmten Karrengäule. Kauft man hier ein Buch, so geschieht es nur, um darein Schinken zu wickeln! r\en Winter von 1843 auf 1844 habe ich in dieser fetten Stadt ver­bracht, hungernd, frierend und krank bei einer armen, aber guten alten Frau, die Gott segnen möge! Hätte sie mich nicht gepflegt, so würde ich Dir sicherlich diesen Brief aus dem Jenseits schreiben. Ich war ein gottverlassener wandernder Komödiant, den niemand beachtete. Dritthalb Jahre darauf bilde­te ich in demselben Theater, wo sich kein Mensch um mich bekümmert hat­te, bei meinem Erscheinen den Gegen­stand lebhaftester Aufmerkamkeit, alle Welt rief voll Begeisterung: es lebe Sándor Petőfi!... Vielleicht, wenn ich nach Ablauf von 21/2 Jahren hier zum drittenmal erscheine, werde ich wieder nicht beachtet wie beim erstenmal — möglicherweise wird niemand wissen, dass mich das Publikum einst hochle­ben Hess. So ist der Ruhm: er kommt und geht. So ist die Welt, sie verleiht uns einen Namen, damit er vergessen werde. Der Ungar besonders liebt zu vergessen ... Deshalb wird auch sein Andenken nicht fortleben. r i Osten erblickte man ein grossar­tiges Schauspiel: die Hortobágyer Pussta. Hortobágy, ruhmreiche Ebene, du bist die Stirne Gottes! Ich bleibe in deiner Mitte stehen und blicke mit einem Ent­zücken umher, welches nicht der Schweizer auf seinen Alpen, sondern nur der Beduine in den Wüsten Ara­biens empfindet. Wie atme ich frei, wie erweitert sich meine Brust! Welch längeren Weg macht hier die Sonne als anderswo! Der Horizont ist unermesslich. Unterwegs steigt hier und da eine Lerche in die Luft wie die Spinne aus ihrem Gewebe. Einige Schritte vom Wege glitzert ein kleiner Bach, zu beiden Seiten von dunkelgrünen Binsen und hellgrünen Riedgras umsäumt; daneben springen Kiebitze einher, und in der Mitte des Baches schreitet mit seinen langen roten Beinen gravitätisch der Storch. a uf einer Wiese weidet die Herde; auf seinen langen Stock gestützt steht neben ihr der Rinderhirt und lüftet vor uns seinen Hut, nicht aus Unterwürfigkeit sondern aus Höflich­keit, wie es sich für einen Ungarn schickt. Was sind das für T-Gestalten in der Ferne? Das sind zerstreute Schwengel­brunnen, die aber schon so fern sind, dass man ihre schlanken Peitschenstiele nicht mehr zu unterscheiden vermag. Am Rande des Horizonts erblickt man die Hortobágyer Csárda, aber nicht auf der Erde, sondern im Himmel: die Dé­libáb hat sie dahin erhoben. Neben der Csárda das Gestüt, gleichfalls in der Luft, als flöge eine ermüdete Kranich­schar dahin. Süsse Délibáb! Sie hält die Gegenstände zärtlich in ihrem Schoss wie die Mutter ihre Kinder. Kulturnachrichten Am 30. Dezember wird im Litera­rischen Museum Budapest aus An­lass des 150. Jahrestages von Petöfis Geburt eine grossangelegte Gedenk­ausstellung eröffnet. In sechs Sälen werden die nach seinem Tod veröf­fentlichten Werke und Manuskripte sowie verschiedene Gebrauchs- und Erinnerungsgegenstände seiner Frau Júlia Szendrey gezeigt. In einem der Säle reonstruierte man die Budapes­­ter Wohnung des Dichters, wobei auch einige echte Möbelstücke aus­gestellt werden. Die Interessenten können auch die Druckmaschine be­sichtigen, auf der das Nationallied im Jahre 1848 gedruckt wurde. * EINE INTERESSANTE AUSSTEL­LUNG ist im Kulturhaus „József Atti­la” von Pécs zu besichtigen. Die Ar­beit im Kinderfachzirkel für Zeichnen unter der Leitung des Lehrers István Gellért ergab etwa 50 Zeichnungen, auf denen sich die Entfaltung der kindli­chen Phantasie beobachten lässt. Der Lehrer setzte sich gerade das zum Ziel: durch die Vergegenständlichung der Phantasie soll die Persönlichkeit der Kinder im Zeichnen gefördert werden. Die Bilder des Fachzirkels können nach der gegenwärtigen Ausstellung in der Kinderbücherei des Kulturhauses be­sichtigt werden. Von unserem Soproner Korrespondenten Anlässlich des 175. Geburtstages des deutschen Dichters und Schriftstellers Heinrich Heine wurde am 13. Dezember von der Jugendorganisation und den Hörerinnen des Deutschen Lehrstuhls im grossen Auditorium des Soproner Instituts für Kindergärtnerinnenausbil­dung eine gutvorbereitete Gedenkfeier veranstaltet. Die trefflich aufgebaute Einleitungs­rede hielt Hörerin Vera Kurcsics, die auch die Verbindungsworte zwischen den einzelnen Programmnummem sprach. Katherina Horváth schilderte eine Begebenheit aus Heines Jugend­jahren, Elisa Adorján sang die von Lő­rinc Szabó ins Ungarische übersetzte Loreley. Das deutsche Original rezi­tierte anschliessend sehr einfühlsam Klara Schaller. Das Heine-Gedicht über den ungarischen Freiheitskampf von 1848/49 sprach eindrucksvoll Hedwig Müller. Das sehr reichhaltige Programm wurde von den Zuhörern mit grösstem Beifall aufgenommen. ÜBER NEUE FILME: Die eintausend Tage der Dnne Anne — das ist die unglückliche Anne Boleyn, Und die eintausend Tage bedeu­ten den Zeitraum, so lange sie Königin, d. h. die Gattin von Heinrich VIII. war. Der Film setzt die Reihe jener englischen Filme fort, die die englische Geschichte des Mittelalters bearbeiten („Becket”, „Der Löwe in Winter”, „Ein Mann für alle Ewigkeiten” usw.). Im letztgenannten Streifen, in dem das Leben und die Hinrich­tung von Thomas Morus gezeigt wurden, haben wir den König Heinrich VIII. von Robert Shaw verkörpert kennengelernt — dieser ähnelte dem Bild, den Holbein von ihm gezeichnet hatte, mehr als der jetzige, von Richard Burton gespielte Hein­rich VIII. Richard Burton ist ein Schauspieler von mächtiger Überzeugungskraft, und auch die junge französische Schauspielerin Genevieve Bujold wurde für die Rolle der Anne Boleyn gut ausgewählt (siehe sie beide auf unserem Bild). Herrlich für den Anblick und wirklichkeitsgetreu sind die — seit der Regierungszeit Heinrich VIII. (1509—47) erhalten gebliebenen — Paläste, deren hochgotisches Mauerwerk den Rahmen für die Handlung abgibt. Perfekt nachgebildet wurden auch die Kostüme jener Zeiten. Allein die geschichtliche Wahrheit ging verloren.. . Es stimmt nämlich nicht, dass Heinrich VIII. allein deshalb in Fehde mit dem römischen Papst lag, weil er seine Gattin Katharina von Aragonien loswerden wollte, um die Anne Boleyn heiraten zu können, und der Papst die Scheidung nicht erlaubt hatte. Es handelt sich viel eher um die Tatsache, dass Heinrich VIII. die Bestrebungen seiner Vorgänger fortgesetzt und beendet hat: sie alle wollten, vom Ende des 12. Jahrhunderts an, die Macht des römischen Papstes in dem fernab liegenden Inselland nicht mehr akzeptieren. Nachdem im von Charles Jarrott ge­drehten Streifen dieses grundsätzliche Machtproblem falsch eingestellt wird, wer­den da auch nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Die geschichtlichen Tatsa­chen werden in der Weise dargestellt, als ob Anne Boleyn für die Hinrichtung der Papstgetreuen (unter ihnen auch Thomas Morus) und der Lordkanzler Thomas Cromwell für die Aufhebung der Klöster verantwortlich wären. Eine reaktionäre Legende wird hier aufgetischt, die — damals vielleicht tatsächlich verbreitete — Meinung, dass der König „nur Gutes im Sinn” hat, jedoch seine „bösen Ratge­ber” . . . Ein heute gedrehter Film sollte jedoch von der seit Jahrhunderten be­wiesenen Tatsache ausgehen, dass Heinrich VIII., der so nebenbei sechs Frauen geheiratet hat (von denen zwei, so auch die Anne Boleyn, auf dem Schaffott en­deten), die Grundlagen des modernen Englands schuf! Den Film sollten wir uns also wie ein schön illustriertes Bilderbuch anschauen. Glauben schenken müssen wir ihm nicht. .. Maria Ember /Anna ezernapja/

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