Neue Zeitung, 1981 (25. évfolyam, 1-52. szám)

1981-01-17 / 3. szám

4 NEUE ZEITUNG VOR DEM BILDSCHIRM Fernsehabende von Bruder- und Freundesländern sind schon Tradi­tion, wenngleich seit längerer Zeit soviel Änderung eingetreten ist, daß der fremdländische Fernseh­abend aufs Zweite Programm hin­überprofiliert wurde. Mit einigem guten] Willen kann in diese Reihe auch jener Streifen gerechnet wer­den, den wir unlängst, die Franzo­sen hingegen im August zu sehen bekommen haben, wie sich nämlich Ungarn den Parisern vorstellte. Auch wir sind also anderswo präsent (übrigens auch mit zahlreichen Ko­produktionen, deren letzte gerade in dieser Woche zu Ende ging). Der Austausch floriert also, ihr jüngster Beweis war dafür der DDR­­Abend in der vergangenen Woche, natürlich keineswegs der erste seiner Art. Von DDR-Seite führte uns Fanny Damasche mit melodisch­tiefer Stimme und mit charmant angebrachten ungarischen Brocken durch das Programm. Dabei erfuhr­en wir über sie selbst (Hundehalte­rin, Leseratte, Handarbeiterin) mehr als über all unsere Ansagerinnen zu­sammen und werden sie gewiß in gu­ter Erinnerung behalten. Darüber hinaus lernten wir aber auch vier Städte in der DDR kennen: Frei­berg, Rostock, Eisenach und Pots­dam, wobei auch die reizvolle Land­schaft nicht zu kurz kam. Aus der musikalischen Schatz­kiste wurde diesmal Bach gehoben (ein wenig mehr Musik hätte es vielleicht auf Kosten der Stadt­wanderungen geben können). Das Hauptprogramm war sowohl Brecht als auch ein Stück eigen­ständiger Fernsehproduktion, näm­lich die Fernsehbearbeitung der Er­zählung ,,Der Arbeitsplatz oder im Schweiße deines Angesichts sollst du kein Brot essen“ von Brecht mit einem ihm durchaus gerecht werden­den Titel: „Tod und Auferstehung von Wilhelm Hausmann“. Es war Traditionspfelge im be­sten Sinne des Wortes; nicht mu­seal, steif-akademisch, wie manchmal dem traditionellen Brecht-Theater vorgeworfen wurde, zeittreu bis ins kleinste Detail (übrigens ein inter­nationaler Modetrend der letzten Jahre) mit einer Kameraführung, die den kargen Dialog um Bände bereicherte. Erzählt wurde die Geschichte von Frieda Hausmann, die einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg die Iden­tität ihres verstorbenen Mannes an­nehmen muß, um an seiner Stelle die beiden Kinder und sich selbst (und natürlich die „Ehefrau“, ein entlassenes Dienstmädchen) durch­zubringen. Schauplatz des Gesche­hens ist weit von ihrem Heimatort entfernt, weshalb der Schwindel überhaupt eine Weile gutgehen kann, worauf es aber Brecht (und dem Fernsehteam) ankam, war, wie auch bei der wundersamen Ver­wandlung des guten Menschen von Sezuan, daß nicht das Geschlecht des Menschen (des verzweifelten Einzelkämpfers) verändert werden muß (das kann über kurz oder lang nur zum Mißerfolg führen), sondern die Umstände, die ihn zu solcher entwürdigenden Tat zwingen. In das Spiel wurde ein Stückchen Praxis von Brecht sinnig hineingeschmug­gelt: Fünfmal hintereinander mi­men drei Personen den Nachtwäch­ter, wie er sich auf dem verlassenen Werkgelände spähend bewegt: so soll er inszeniert haben. Ursula Karusseit hat in Verwandlungs­­künsten schon eine große Übung: sie ist Europas bester „guter Mensch“, die Frau, die notgedrun­gen den Mann spielt. Das ist natür­lich keine „Hosenrolle“ von der Opernbühne: Keine Sekunde will sie uns, die Zuschauer über den wahren Sachverhalt hinwegtäu­schen; und schreiend falsch wird es erst recht, wenn sie die Männerhaut überhaupt nicht mehr abstreifen kann. Herzzerreißend — trotz der chronikartigen Sachlichkeit, die sich durch den Film zog. (af) Du stehst am Fenster im neunten Stock der Großstadt. Draußen fällt in dichten Flocken der Schnee. Glückliches, ruhiges Wallen, Be­scheidenheit in Scharen — meldet sich der romantisch angehauchte Schöngeist in dir. Weiße für einige Minuten, eisiger Matsch, Verlet­zungsgefahr — setzt sofort der er­fahrene Realpessimist entgegen. In dir, natürlich. Wie immer. Zu einer dialektischen Synthese kommt es — wie meistens — auch diesmal von außen: Kinder eilen mit Schlit­ten zum einzigen Hügel der Um­gebung. Und schon fliegen die ersten Schneebälle, wächst der dicke Schneemann, sausen die Schlitten. Kälte, Naßwerden, Hinfallen ge­hören mit dazu: zum Erlebnis Win­ter, zum Genuß Schnee. Kinder grübeln nicht. Sie handeln. Wie einst auch du. Erinnerst dich noch an die schneebedeckte Zeit deiner Kindheit? An die prächtigen Hügel, Berghänge und Täler deines Heimatdorfes? Sie alle waren von Natur aus fürs Rodeln erfunden, keine Kunstgebilde, wie dieser städ­tische Hügel da vor deinem Fenster. Denn dieser Hügel inmitten des Par­kes ist Produkt der Gebietsplanung, verdankt seine Geburt einem wahr­scheinlich kinderfreundlichen In­genieur, der als Knabe sicherlich selbst gern gerodelt hat. Für Hun­derte von Flachlandkindern des neuen Wohnviertels ließ dieser gute Mensch aus Schutt, Steinen und Sand einen Hügel zum Schlitten­fahren erheben. Das schmale, hol­prige, zweimannhohe Gelände wurde zur Lieblingsstätte der kleinen Rodler. Wenn auch winzig, ist es ihre Gleitbahn. Ihr Hügel. Wie die deinen waren ? Die Mehr­zahl ist hier angebracht, denn du hast sogar drei Rodelplätze gehabt. Der eine Hügel befand sich ganz in der Nähe eures Hauses. Er war zweifelsohne die gefährlichste Gleit­bahn. Sie führte nämlich über den Gehsteig und einen zugefrorenen Graben weit über die Straße. Keiner von eucht hat die ständige Drohung wahrgenommen. Oft seid ihr, du und deine Kameraden, erst beim Aufblinken der ersten Sterne nach Hause gerast, verfroren, todesmüde, klitschnaß, vom Hunger getrieben. Was eure Mutter dazu sagte ? Wenn sie auch ein böses Gesicht machte, war sie immer wieder froh, euch in einem und im ganzen Wiedersehen zu können. Euer Schutzengel mußte damals harte Schichten haben. . . Die zweite Rodelbahn war weni­ger gefährlich, dafür aber leicht morbid. Sie begann nämlich oben am (nicht selten auch im) Friedhof und endete vor der Kirche. Die schöne, sonst stille Kastanienallee — der Weg zum Friedhof — hallte in schneereichen Winterzeiten vom Geschrei und Jubel der Schlitten­fahrer wider. Damit sich die Toten nicht langweilen, habt ihr ihnen Schneemänner gebaut, Lieder ge­sungen. Purzelte einer von euch vom Schlitten, mußte er den Toten spielen. Ihr habt ihn auch „be­graben“ : mit Schnee bestreut, halb­verstandene lateinische Begräbnis­formeln murmelnd. Solang das Reich der Toten als Spielplatz dienen kann, sind Sterben und Angst freundliche Begriffe. Wo aber ist schon der Schnee vom vergangenen Jahr? Am Rande des Dorfes, neben einem jungen Tannenwald führte ein steiler Weg in die Weingärten. Vis-á-vis, im letzten Haus des Dor­fes, wohnte deine Oma. Von diesem schmalen Bergweg konntest du fast bis zu ihrem Gartentor rodeln. Nach den großen Schlittenfahrten am vereisten Waldrand bist du dann oft bei der Oma gelandet. In ihrer vertrauten Küche konntest du deine Füße wärmen, die nassen Handschuhe trocknen und als Krö­nung deiner Expedition gebratene Äpfel und Kürbis essen. Später, als du schon größer warst, bevprzugtest du mit deinen Kameraden diese lange, steile Rodelbahn. Die zwei anderen hast du einfach ausgewach­sen. Hier fielen schon Worte über Beruf und Liebe, und nicht immer der Wind war’s, der die Wangen errötete. Du stehst am Fenster, schaust den rodelnden Kindern zu. Was für Erinnerungen werden sie mal vom Schlittenfahren haben? Valeria Koch Wo die Schlitten sausen „Tél“ (Winter) lautet der Titel des Bildes des Tolnauer Malers Géza Szily Foto : Zoltán Magyarosy K urz vor Pfingsten kam ein Brief von Doktor Behrbach und seiner Frau; da stand drin, es sei für sie eine Ehre, wenn wir Donnerstag nachmittag zu ihnen kämen. Bei Behrbachs waren lauter feine Herrschaften, und die Frauen duf­teten gut, und die Männer standen steif mit dicken Zigarren. Später durften wir uns setzen, und Mama und Papa unterhielten sich feierlich mit Frau Doktor Behrbach. Diese fragte, ob wir schon in Italien ge­wesen seien. Mama sagte: „Nein, aber wir wollen in der Odenwald fahren. Es ist die unverbildete Na­tur, und es gibt keinen Fremden­verkehr und kein Kurkonzert!“ Frau Doktor Behrbach erwiderte, sie kenne den Odenwald nicht. Sie machte deshalb einen steifen Hals und unterhielt sich mit einem Mann mit Glatzkopf über den sonnigen Süden. Da waren Papa und Mama fuchsteufelswild. Später stellte sich heraus, daß alle die feinen Herr­schaften schon in Italien gewesen waren. Alle schwärmten davon, Papa und Mama aber konnten nichts dazu sagen, weil sie Italien nicht kann­ten, und wir gingen bald nach Hause. Papa sagte in der Straßenbahn, Mama hätte es nicht verraten dür­fen, daß wir die Ferien im Oden­wald verbringen wollten. Das habe keinen guten Eindruck gemacht auf die feinen Herrschaften, die nie in den Odenwald fahren, weil es da ordinär sei, sondern immer nur nach Italien. Man komme sich ja richtig dumm vor, wenn man in so einer feinen Gesellschaft nicht mitreden könne. Jeder Gebildete fahre nach Italien und das erweitere den Hori­zont, und er habe es satt, als ein Banause angesehen zu werden, denn er sei keiner. So sind wir denn nicht in den Odenwald gereist, sondern nach Ita­lien. Wir sind mit der Reisegesell­schaft ZAP AG in einem Omnibus gefahren; der war voll, und wir haben geschwitzt. Aber man hat nicht selber denken müssen, denn der Reiseleiter hat es getan, Hat er gesagt, links liegt ein Berg, so haben alle nach links geschaut, und hat er gesagt, rechts ist ein See, nach rechts. Haben wir unterwegs Rast ge­macht, dann haben Papa und Mama an Behrbachs Ansichtskarten ge­schrieben, auch an die Leute, die sie nicht leiden können. Dann ist der Omnibus weitergefahren zu den großen Städten. Dort haben wir Station gemacht, wir haben Kir­chen, Museen und Sehenswürdig­keiten besichtigt und der Reise­leiter hat Vorträge gehalten. Papa hat dann abends bis in die Nacht hinein Skat gespielt, und Mama hat vor dem Schlafengehen Tablet­ten schlucken müssen, weil das Omnibusfahren sie nervös machte. Auch das Essen war schlecht, und es war italienisch, und Kotelettes und Kartoffeln gab es keine. Und Überall waren so viele Ausländer, daß man fast keine Italiener gese­hen hat. Es war anstrengend, und wir waren froh, als wir wieder zu Hause waren und wieder Kartoffeln und Kotelettes essen konnten. Kurz darauf sind wir wieder zu Doktor Behrbachs eingejaden wor­den, Mama und Papa sind auf den Stühlen herumgerutscht, weil sie von Italien erzählen wollten. Aber niemand erlaubte es ihnen. Frau Doktor Behrbach sprach nämlich von Rohkost, So vergingen zwei Stunden, da hielt Mama es nicht mehr aus und sagte: „Übrigens sind wir nun doch in Italien gewesen!“ Frau Behrbach und die anderen feinen Herrschaften erschraken dar­über. Niemand antwortete, und Mama wurde ganz rot im Gesicht, Endlich sagte ein Mann mit pech­schwarzem Haar: „Ich habe die Fahrt im vergangenen Jahr ge­macht.“ Er redete davon, ohne zwischen den einzelnen Sätzen Luft zu holen, und als er nach einer Stunde aufhörte, hatte er alles er­zählt, was eigentlich Papa und Mama hatten erzählen wollen. Frau Doktor Behrbach aber gähn­te und sagte: „Ich finde es abge-schmackt, heutzutage die Ferien in Italien zu verbringen. Überall trifft man Bekannte, und an Er­holung ist überhaupt nicht zu den­ken. Wie heiter stimmt da ein länd­liches Idyll in unserer eigenen Hei­mat ! Mein Mann und ich waren kürzlich im Odenwald. Es war ein­fach überwältigend, dieser Wald, diese Wiesen und dieser Kuhge­ruch!“ Mama und Papa wurden leichen­blaß, sie fühlten sich beleidigt und standen auf. Doktor Behrbach begleitete uns und draußen an der Tür sagte er: „Sie nehmen meine Frau viel zu ernst. Unter uns gesagt, daß wir im Odenwald waren, ist erlogen. Wir verbringen unsere Ferien schon seit Jahren zu Hause. Die Ansichts­karten, die wir verschicken, lassen wir durch Bekannte aufgeben, und über die verschiedenen Urlaubsorte unterrichtet sich meine Frau in Büchern. Schließlich ist es ja zu Hause am gemütlichsten!“ Unterwegs schimpften Papa und Mama und riefen, es sei eine Gemein­heit, andere Menschen sq an der Nase herumzuführen, und Behrbachs seien Banausen, und sje wollten nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Mama sagte, das nächste Mal führen wir auf alle Fälle in den Odenwald, doch Papa meinte, dann sei es sicher schon wieder eine Unmöglich­keit, und sie haben sich darüber gestritten, Ich aber hoffe jetzt nur, daß sich Papa und Mama mit Dok­tor Behrbach und seiner Frau nicht wieder versöhnen. Sonst machen sie es in Papas nächstem Urlaub genauso wie Behrbachs, und wir bleiben auch zu Hause. GÜNTHER SPANG Eine ganz und gar erfolglose Reise 120jährige Stopfmaschine Im Fünfkirchner Museum ist jetzt eine sogenannte Stopfmaschine aus dem vorigen Jahrhundert zu sehen, die unsere Groß- und Urgroßmütter zum Stopfen von verschiedenen Tex­tilien, in erster Linie von Socken und Strümpfen benutzten. Über den mit Haken und Federn versehenen handtellergroßen Apparat wurde das löchrige Stück gespannt und konnte so schön gleichmäßig gestopft wer­den. Diese kleine geschickte Kon­struktion kann im übrigen auch heute noch benutzt werden. Archäologische Sensation Die bereits seit 23 Jahren lau­fenden Ausgrabungen des Gorsium, Stuhlweißenburg / Székesfehérvár, lie­ferten Ende 1980 eine echte Sen­sation. Und zwar stießen die For­scher auf Reste der Stadtmauer und des Wachturmes der einstigen Sied­lung aus dem vierten Jahrhundert, womit die Vermutung der Wissen­schaftler bekräftigt wird, daß Gor­sium zur Römerzeit eine bedeutende Siedlung, ja Stadt war. Außerdem kann jetzt genau gestimmt werden — was bisher nur angenommen wurde —, auf welch großem Ter­ritorium sich Gorsium erstreckte. 3/1981 Geschenke für das János-Xantus-Museum Mit neuen Werken bereicherte kürzlich das János-Xantus-Museum in Raab/Győr seine Sammlung zur bildenden Kunst, Der Maler Lóránd Kartschmarofj stellte dem Museum 10 Ölgemälde und 22 Graphiken zur Verfügung, der Maler Kálmán Ren­ner stiftete 14 Plaketten. Die Ge­mälde und Graphiken stellen viel­schichtige Themen dar, auf den Plaketten sind die Portraits von Michelangelo, Rubens, Picasso, van Gogh, Cezanne und Chagall abge­bildet. Auf den Rückseiten der Pla­ketten wurde je ein bekanntes Werk der Meister verewigt. Die gestifteten Werke werden demnächst im Mu­seum in einer Ausstellung zu sehen sein.

Next