Neue Zeitung, 1993 (37. évfolyam, 1-52. szám)

1993-01-02 / 1. szám

NZ 1/93 3 Das Gespräch fand im deutsch-dä­nischen Grenzland statt, wo Herr Goßmann eine Besucher-Gruppe aus Ungarn liebevoll betreute. In jüngster Zeit war aus Bonn öfters, zum Beispiel auch auf dem Deutsch­ungarischen Forum, zu hören, daß die Bundesregierung der Minder­heitenfrage größere Aufmerksam­keit schenken und selbst beispielhaft vorgehen wolle. NZ: Herr Goßmann, warum will Deutschland im deutsch­dänischen Grenzgebiet ein minderheitenpolitisches Bei­spiel für Europa zeigen? Goßmann: Wir wissen, daß die Regelung von Minderheitenfragen, die Lösung der Probleme der natio­nalen Minderheiten für den Frieden in Europa im Jahr 2000 entschei­dend ist. Nur, wenn diese Probleme gelöst werden — und im großen Teil des östlichen Mitteleuropas, Ost­­und Südosteuropas sind sie noch nicht gelöst —, wird es in Europa dauerhaft Frieden geben. Deshalb benutzen wir jede Möglichkeit, Gä­ste in Regionen einzuladen, wo sie Beispiele eines praktischen Minder­heitenschutzes sehen, Anregungen bekommen können, wie man Min­derheitenschutz nicht nur rechtlich fixiert, sondern auch in die prakti­sche Lösung umsetzt. Wir glauben, daß dies im deutsch-dänischen Grenzraum von beiden Seiten ge­lungen ist. NZ: Was tun Sie für diesen Grenzraum hier, das, kostet womöglich auch viel Geld? Goßmann: Es kostet nicht nur Bonn Geld, die dänische Regierung und die schleswig-holsteinische Landesregierung helfen auch den Minderheiten in ihrem Land, deren Staatsbürger sie ja sind, damit sie in ihren Einrichtungen Identität, Spra­che und Kultur aufrechterhalten können. Dazu hilft aber jedesmal auch die Regierung des Volkes, dem sich die Minderheit weiterhin natio­nal, kulturell und sprachlich verbun­den fühlt. Das hat natürlich auch Be­deutung für die Finanzkasse. Es müssen Mittel fließen. NZ: Wieviel? Großmann: Das kann man ein­zeln nicht sagen, der Bedarf ist Jahr für Jahr für die jeweiligen Bedürfnis­se unterschiedlich hoch. Wenn man sich im deutsch-dänischen Grenz­land die Einrichtungen der Minder­heiten anschaut, dann muß man wis­sen, daß das nach und nach in 40 Jahren entstanden ist. Diese Ein­richtungen werden mit Zuschüssen des jeweiligen Staates, in dem die Menschen leben, und der Regierung des Nachbarlandes aufrechterhal­ten. I NZ: Achtet man in Bonn und in Kopenhagen auf die Rezi­prozität bei der Finanzierung? Großmann: Der Grundsatz der Reziprozität war schon bei den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 gegeben. Was wir hier zei­gen wollen ist, wie diese Grundsätze Tag für Tag in die Praxis umgesetzt werden. Es geht also weniger um die materiellen Errungenschaften, die in 40 Jahren gewachsen sind, die man natürlich nicht mit dem Zu­stand Null in manchen Staaten Ost­mitteleuropas oder Südosteuropas vergleichen kann, sondern es geht um die Grundsätze, unter denen man Minderheitenpolitk betreibt: liberal, aufgeschlossen für die Anlie­gen des jeweils anderen Volkes. In diesem Grundsatz ist auch eine Rücksicht auf Wechselseitigkeit ent­halten, aber es ist nicht so, daß beide Seiten das gegeneinander aufrech­nen. Das ginge auch nicht, weil jeder andere Förderungssysteme, andere Förderungsgrundsätze und die Min­derheiten auch unterschiedliche Be­dürfnisse haben. NZ: Wenn Sie ostmitteleuro­päischen und anderen Minder­heiten dieses Grenzland zei­gen, dann werden diese womöglich neidisch. Haben Sie nicht den Eindruck? Goßmann: Ich glaube, diese müs­sen nachvollziehen, wie das mal an­gefangen hat. Wir waren in der deut­schen Nachschule in Tingleff. Als diese 1952/54 ihre Aufbauphase hatte, befand sie sich auf dem Dach­boden einer alten Schule in ange­mieteten Räumen vor irgendeinem Unternehmen. Wenn auch in Osteu­ropa die Volksgruppen überlegen, daß viel intensive Arbeit, viele Op­fer der Menschen in der Volksgrup­pe notwendig sind und dazu Förde­rungsmaßnahmen von beiden Staa­ten, dann ist auch in Osteuropa zu erwarten, daß es Schritt für Schritt aufwärtsgeht. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein Programm für Minderheitengebiete. Ob das nun für die Ungarndeutschen oder für die Rußlanddeutschen sowie die Deutschen in Rumänien, Polen, der Tschecho-Slowakei ist. Wir helfen aber nicht nur den deutschen Volks­gruppen in ihrem Bemühen um Identität, um den Aufbau von eige­nen Schulen. Wir unterstützen auch das ungarische Schulsystem mit Lehrern, die über das Auswärtige Amt an entsprechende Schulen ent­sandt werden. Wir haben auch Pro­jekte, die dort zur Verbesserung von Strukturen beitragen sollen. Ob das ein Jugendheim in Westungarn ist, das nicht nur der ungamdeutschen Volksgruppe offensteht, sondern al­len Jugendgruppen; ob das ein Krankenhaus oder ein Pilotprojekt für die Wasserversorgung in einigen Gemeinden in Polen ist. Ob das Hil­fe für den Aufbau einer eigenständi­gen Landwirtschaft in kleineren Be­trieben ist oder andere Projekte für den Mittelstand in Rumänien. Es gibt viele Pilotprojekte. Das alles kann man natürlich nicht in großem Maße flächendeckend machen. Es können immer nur da und dort An­regungen sein, um deutlich zu ma­chen: Es ist Ziel der Bundesrepublik Deutschland, daß die Menschen der deutschen Volksgruppen in ihrer angestammten Heimat eine gute Zukunft haben, ohne daß sie den Neid ihrer Nachbarn erregen. NZ: Können die deutschen Minderheiten in Ostmittel­und Osteuropa mit einer ange­messenen Finanzierung aus Bonn rechnen? Goßmann: Ich habe schon darauf hingewiesen, auch im deutsch-däni­schen Grenzland ist das Schritt um Schritt gegangen. Die Schulen wer­den durch Lehrer unterstützt. Das Auswärtige Amt hat Schulbaupro­jekte in Ungarn, wenn ich jetzt ein­mal ein Beispiel nehme: Das Bun­desministerium des Innern finan­ziert die Errichtung und Ausstat­tung einer ganzen Reihe von Begeg­nungszentren der Ungarndeut­schen. Es werden für die Medien Mittel zur Verfügung gestellt, um deren Arbeit für die Ungarndeut­schen zu erleichtern. So gibt es ^ine Vielzahl von Projekten, und Schritt für Schritt werden auch die deut­schen Volksgruppen in den anderen Ländern unterstützt. Das geht im­mer nur dort, wo Eigeninitiative da ist, wo man selbst ein Projekt auf­greift und selbst mitarbeitet. Die Förderung nationaler Minderheiten kann nämlich nicht nur Hilfe von au­ßen sein, kann nicht unser Wille sein, ihnen etwas überzustülpen, sondern es muß immer von der Volksgruppe selbst, ihren eigenen Überlegungen und Ideen ausgehen. Und soweit das der angespannte Finanzrahmen der Bundesrepublik Deutschland zuläßt — Sie wissen ja, welche Kosten für die neuen Bundesländer gebraucht werden —, werden auch die anderen deutschen Volksgruppen angemes­sen berücksichtigt. peter Lcipold Minderheitenförderung aus Deutschland Nur dort, wo es Eigeninitiative gibt Gespräch mit Rolf Goßmann, dem Leiter des Referats Angelegenheiten deutscher Minderheiten im Bundesministerium des Innern

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