Neue Zeitung, 2010 (54. évfolyam, 1-53. szám)
2010-05-21 / 21. szám
6 AUSSTELLUNG „Blümchenkaffee“ aus der „Wiener Kanne“ Koffein nach der Art von Meinl, Franck oder Melitta Es war keine DDR-Propaganda, was man dem ungarischen Touristen vor Jahrzehnten in Leipzig erzählte: Neben dem Pariser „ Café Procope“ gehört auch das Kaffeehaus „Zum Arabischen Cojfe Baum“ in der kleinen Fleischergasse 4 zu Europas ältesten Kaffeeschenken. Gebaut um 1500, erstmals 1556 auch schriftlich erwähnt, wurde hier seit 1711 nachweislich Kaffee ausgeschenkt. Als außergewöhnliches Firmenschild aus dem Jahre 1720 zeigt die barocke Bildhauerei einen Orientalen, der einem Puttó eine Schale Kaffee reicht. Das Hauszeichen symbolisiert so die Geschichte des Kaffees, als Kulturgeschenk des Orients an den Okzident. Zu den berühmtesten Gästen gehörten von August dem Starken bis Napoleon Bonaparte auch Schriftsteller wie Lessing, Goethe, E.T.A. Hoffmann oder Musiker wie Bach, Schumann, Liszt und Wagner. Neben mehreren Café- Räumen präsentiert man hier heute Exponate aus drei Jahrhunderten sächsischer Kaffeekulturgeschichte, z. B. Kaffeemühlen, Meißener Porzellantassen, Röstgeräte und Zubereitungsgefäße. In Zusammenarbeit mit den größten öffentlichen Sammlungen aus Ungarn und der Privatkollektion des Rechtsanwalts-Ehepaares Éva Fazekas und József Kimmel zeigt dagegen das Budapester Museum für Handel und Gastwirtschaft die allgemeine Kaffeeherstellungs- und Konsumchronik aus der ganzen Welt, inklusive einer komplett eingerichteten, sehr dekorativen türkischen Kaffeestube. Nur auf dem deutschen Sprachgebiet bleibend, können wir die ersten Kaffeehäuser in Hamburg (1677), das „Café Prinzeß“ in Regensburg (1686), das „Schütting“ am Bremer Marktplatz (1697) erwähnen. Nach der Befreiung von der türkischen Belagerung gründete in Wien der Grieche Johannes Deodatus 1685 das erste Kaffeehaus der Kaiserstadt, und zwar verwendete er die von den Türken in Säcken zurückgelassenen Kaffeebohnen. Nach diesen fast legendären Anfängen gehören heute zu den zahlreichen Methoden der Kaffeeröstung auch der Typus „nach Hamburger Art“ und „nach Wiener Art“. Nach Hamburger Art ist aus der Arabica-Sorte nur grob gemahlen und leicht, hellbraun geröstet, danach gefiltert, so daß das Blumenmuster auf dem unteren Teil der Tasse ganz gut durchscheint. Deshalb wird dünner Kaffee auch „Blümchenkaffee“ genannt. Der Kaffee nach Wiener Art ist ebenfalls aus Arabica, aber mediumbraun geröstet, dafür nicht mehr so transparent; er hat neben dem säurigen auch etwas bitteren Beigeschmack, wird deshalb mit Milch oder Sahne gemildert und schmeckt so sehr gut. Die „Wiener Kanne“ - 1940er später in ganz Europa verbreitet - ist eine Erfindung des Lampenherstellers Samuel Parker, im Jahre 1833 als Patent angemeldet: von unten mit Spiritus geheizt, konnte der Dampf aus der Glaskugel oben durch ein kleines Loch entweichen. Ein Originalexemplar in der Vitrine aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Inschrift „Patent in allen Staaten“ und trägt die Monogramme „J.D. Wien“ mit einem Wappen. Die Porzellanmanufaktur aus Karlsbad produzierte eigene Fayance-Varianten auf weißem Fond mit traditionellen, blauen „Zwiebelmustern“. Ungarische Parallelen sind unter anderem ein Kaffeeröster aus dem Pester Kaffeehaus „Pilvax“ von der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Holzgriff und schwarz gebrannten Metallteilen, oder eine kleine Mahlmaschine aus Eisen mit matt gelassenen oder strahlend polierten Kontrasten aus den 1880er Jahren. Aus der 1940er Periode seien eine hitzebewahrende deutsche WMF-Kanne mit Zuckerhalter, eine elektrische Siemens-Kanne mit aufgehängtem Filter oder ein modernisierter „Aromator“ aus den 1960er Jahren erwähnt. Apropos, Filter! Die deutsche Hausfrau Melitta Bentz benutzte zum ersten Mal — als eigene Methode - eine Kaffeekochmaschine mit Papierbeilage und patentierte das 1908, danach verkaufte ihr Ehemann diese Papierbeilage überall unter dem Markennamen „Melitta“. Seitdem ist diese Firma weltweit verbreitet. Das Koffein ist vom deutschen Chemiker F. Runge 1820 identifiziert worden, nach 1890 konnte man es auch synthetisch hersteilen. An den Wänden der Ausstellung können die Besucher emaillierte Blechschilder bewundern. „Original gepackter Meinl Kaffee“ mit dem bekannten Negerkindprofil oder „Echter Franck Kaffeeersatz“ mit der zeitgenössischen Kaffeemühle, auf weißem Fond mit roten und blauen Farbkontrasten, ebenso wie die Werbung der weltweit ersten entkoffeinierten Kaffeesorte „Kaffee HAG schont ihr Herz / Coffein freier Kaffee / Aerztlich empfohlen / Echter Bohnenkaffee“. (Die Buchstaben HAG stehen für die Handels- Aktien-Gesellschaft, die in Bremen der dortige Händler und Firmenbesitzer Ludwig Roselius im Jahre 1906 gründete.) Der Debreziner Verkäufer Ármin Leidenfrost patentierte in den 1890er Jahren seine Erfindung für die Verbesserung des Kaffee-Ersatzes mit echten Aromen, mit der Hilfe zweier Metallbälle und einiger Metallröhren. Elektrische Kaffeekochmaschinen wurden seit 1878 in den Ateliers von András Mechwart in der Ofner Lövo-Straße ebenso produziert wie von Manfred Weiß in seiner Fabrik in Tschepele. Die Budapester Fabrik für „Elektrische Kochapparate“ von Károly Engel gab es seit 1880, und in seiner Warenliste - zusammengestellt von dem Ingenieur Pál Holitscher - wurden auch österreichische, russische oder gar türkische Geräte der Konkurrenz empfohlen. Die Ausstellung „A fekete leves - a kávéfőzés története“ ist im Magyar Kereskedelmi és Vendéglátóipari Múzeum (Budapest V, Szent István tér 15) bis 24. Oktober zu besichtigen. István Wagner Elektrische Siemens-Kanne aus den Jahren Kaffeemaschine mit Spirituslampe (Mitte des 19. Jahrhunderts) Italienische Kaffeemaschine aus den 1960er Jahren NZ 21/2010