Neues Pester Journal, März 1877 (Jahrgang 6, nr. 60-90)

1877-03-01 / nr. 60

·:Isw!y-Jahrgngk.60s. W DonneMag-"MTI·Æ. P—’ Asäuenimfoanzj.st.14,hacbj.f1.7,Das»Neue viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 120. Bester Journal” ersc­heint tägih, and an Montagen. Redaktion und Adminiftratton : Reopoldft. Kirdenplak Jir. 2. Das Abgeordnetenhaus Gernitz. Budapest, 28. Februar. Eine Episode sonderbarer Art hat die Auf­­regung, welche die politische Situation über das Abgeordnetenhaus gebracht, heute noch erheblich ge­­währt. Sofort zu Beginn der Sibung verbreitete sie im Hause mit Windezeile die Nachricht, daß in der unmittelbaren Nähe des Abgeordnetenhaus­­es größere Abtheilungen von Polizeiwachleuten konzentrirt seien.­­3­st selbstverständlich, daß diese Nachricht auf allen Seiten des Hause lebhaf­­tes Aufsehen hervorrufen mußte. Einzelne Abgeord­­nete eilten auf die Straße, um sie von der Wahr­­heit des Gerüchtes zu überzeugen und brachten zumrückehrend in der That die Bestätigung dessel­­ben. Im Hofe der Nationalveitschule und in der Memise Des Degenfeld­schen Hauses waren je zwan­­zig Volizisten postirt, welche mit den am Thore des Abgeord­netenhauses befindlichen Bolten Fühlung unterhielten Begreiflicherweise riet­ man hin­ und her, was dieses Aufgebot von Polizeim­acht zu be­­deuten habe; man fragte den Präsidenten, den Quästor, die Minister, den auf der Magnatengale­­rie befindlichen Oberstadthauptmann und gelangte Schließlich zu dem Resultate: die hauptstädtische Polizei Habe davon Mitteilung erhalten, daß die Anhänger der äußersten Linken gegen dem it. die Eigung sich begebenden Ministerpräsidenten eine große Demonstration auszuführen beabsichtigten. Woher die Polizei Kenntniß erhalten, ob Dieselbe auf Shatlahen zurüczuführen sei oder wohl gar einer Mystifikation entsprang, ob nicht Aengstlich­­keit oder Gespensterseherei die unsprüngliche Mit­theilung vergrößert habe, darüber konnte man nicht im’8 Meine stammen. Ber dem Abgeordneten­­haufe war von einer größeren Menschenaufande Yung seine Spur, die Mlerandergasse, bot Den gew­öhnlichen Anblick, den sie an Sikimgatagen zu un pflegt. In Abgeordnetenfreisen war, Die Ansicht verbreitet, daß die ganze Affaire einfach auf eine Nenßerung ‚eines ebenso jugendlichen als heißblütigen Abgeordneten der äußerten Linken zu redu­ziren sei, des Inhaltes: es sei zur­ erk­arten, daß sich die allgemeine Aufregung und Mißfüim­­mung der Bevölkerung in einer Demonstration gegen Tiba Luft machen werde. Die Angelegenheit wurde — wie Teicht zu bez greifen — sofort in der heutigen Siung des Ab­­geordnetenhauses von der­ äußersten Linken zur Sprache gebracht. Albert Németh erhob sich, un­­­­­­mittelbar nachdem Gınft Simonyi seine Bes­terfungen über den Abschluß der Ministerfrise bes­endet hatte, um diesfalls den Präsidenten und den Dnaftor zu interpelliren. Der Redner der äußersten Linken verfiel auch Heute in denselben Fehler, durch den seine Wartet: selbst die beste Sache zu Kompromittiven und zu die Kreditiven im Stande wäre. Er sprach mit maßloser Heftigkeit, schleuderte gegen Beamte, welche im Abgeordnetenhause sich nicht zu vertheidigen vermögen, skandalöse Invektiven und verleßte dur; den Ton, den er anschlug, in em­pfindlichster Weise die Würde des Ortes, an dem er sich befand. , das würdelose Auftreten des extremen Rednerl abels,welches allein im Stande war,der Abwehr des Ministerpräsidenten Beifallsbezeigungen zuzuwenden,kann uns nicht hindertt,unser­ Urtheil über diese Polizei-Affaire offen und rücksichtslos auszusprechen.Der heutige Vorfall ist nicht die erste jener Ungeschicklichkeiten und Taktlosigkeiten, welche in der letzten Zeit der Polizei zur Last fielen.Es ist nun zum dritten Male in der Amts­­periode Tipa’s,daß um einer Lappalie willen ein Massenaufgebot von Polizeikräften entfaltet wird. Aus jeder Mücke macht m­an einen Elephanten; überall sieht und fürchtet man Gespenster;kritik­­los nimmt die Polizeibehörde ihre geheimen Adapporte entgegen und wird davon irgen­deinem­ wohldienerischen Subjekte,das seine Nützlichkeit und Unentbehrlichkeit beweisen will,eine politische De­­monstration signalisirt,dann wird blind darauf los die ganze Polizeimachtalarmirt und zu allem Ueberfluß auch noch­ das Platzkom­mando mit dem Au­fsuchen von Konsignirr jngd­licher Bataillone be­­tätigt. Diese Wichtigthuerei der Polizei,dieses Spie­­len mit polizeilichen Maßregeln ist, wie gesagt, exit unter dem Regine Tiba Mode geworden. Den frisc­heren Ministerien war diese eigentüm­liche Negie­rungsmethode vollkommen fremd. Wohl fanden­ auch früher Dem­onstrationen im großem­­ Stile­ vor, in größerem Stile wahrhaftig, als die Studenten Affaire oder der Einzug der Greglöder; wir erinnern nur an die große Honveddemonstration unter der Minister- Schaft Andráfjn 8, die wahrhaftig ‚weit größere, und — W wenn man den nun in Schwung gefonmenen polizeilichen Maßstab anlegen will — auch bedenk­­lichere Dimensionen hatte, als die Bagatellen, die in der jüngsten Zeit sich ereigneten. Aber Ntiemandent­­­i fiel es damals ein, eine solche Demonstration­ mit Polizeigewalt verhindern oder gar unterdrücken zu wollen. Man war eben der ganz richtigen Ansicht, daß solche Affairen am glattesten verlaufen und am wenigsten Wirkung hervorbringen, wenn man sie sie selbst überläßt, wenn man nicht störend und hem­­mend eingreift und sich jeder polizeilichen Bevor­mundung enthält. An diese Auffassung wird sie schließlich Herr v. Tiba auc) gewöhnen und daran gehen müssen, Die­selbe feinen Organen einzuprägen. Hier zu Lande verträgt man jene Sorten polizeilicher Allgegenwart nicht, die sich überall geltend macht, wo sie nicht am Plage ist, und das allgemeine Gefühl reagirt dagee­gen. Am wenigsten war es geboten, die Empfidlt­keit der Abgeordneten zu reizen und in so Auf­sehen­­ erregender Weise die Polizeimacht in der un­­mittelbaren Nähe des Abgeordnetenhauses zusammen zu ziehen. War die Quelle, aus welcher die Sechr­­heitsbehörde ihre Nachrichten über die verbreitete Demonstration schöpfte, eine gar so lautere und verst­läßliche, daß der Polizeichef sich in seinem Gemissen verpflichtet fühlte, Gegenmaßregeln zu treffen, darin gab es immerhin Mittel und Wege, dieselben unauff­fälliger und mit Schomung der nicht ganz unberechh­tigten Empfindlichkeit der Abgeordneten in Szene 4 HI­ zu setzen.Dazu gehört allerdings etwas Takt,Fin­­digkeit und Geschicklichkeit und diese Eigeschaften­ einer Sicherhe­itsbehörde,die den Ehrgeiz hat, ,,höhere Polizeivorsehung««zu spielen,haben w­ir heute sowohl nie beiden früheren Anlässen volll­kommen vermißt.Taktloses Vorgehen der Polizei­­organn­e hat aber in erregten Zeiten oft genug die­ bedauerlichsten Vorfälle provozirt.U11danErz«esI­ gung fehlt es für wahr heute nicht;das bedenke­ man,ehe man mit dem Feuer spielt und man hüte­ sich,ohne Anlaß die thatsächlich vorhandener» gung durch unüberlegtes Vorgehen zu einem unbe­­­rechenbaren Grade zu steigern. [4 ap N MD. e­­inzelne Nummern 4 Tr­auferate­ nach anfliegendem darif. 7­7­7­7 ,* i­a. .».. Die Friedensverhandlungen, Budapeft, 28. Februar, Der­ N­iderspruch der Nachrichten über den Stand der Orientfrage und über das Vorhaben Nublands erreicht heute seinen‘­ Höhepunkt. Die „Limes“ mit ihrem­ Glodentone verkündet, daß in St.. Petersburg, eine, außerordentliche Sigung des Ministerrathes stattgefunden habe, in welcher der Beschluß gefaßt worden sei, die Truppen mit Sad und Pad nach Hause zu schiden, sobald der Friede zwischen der, Türkei, Serbien und Montenegro zu Stande komm­t. Der luftige Bote, der Diele Meldung s­ „&830“ im Burgtheater, Original-Feuilleton des „Neuen Pefter Journal" ) Wien, 27. Februar. „Aus dem Ungarischen" heißt es diesmal auf dem Bettel des Burgtheaters. 39 erinnere mich nicht, biese Worte jemals auf dem Zettel irgend eines der bedeutende­­ren hiesigen Theater gelesen zu haben. Das ist wohl nicht die Schuld der Ungarn allein, es ist zum Theile auch die unsere. Vor neun Jahren habe ich selbst dem Direktor des Burgtheaters, der Damals Heinrich Laube hielt, die Leber­­ießung eines ungarischen Drama’S vorgelegt, das in seiner originellen Art geeignet war, Aufsehen zu machen oder doch anmndeftend Aufmerksamkeit zu erregen. Laube las das Stück und verpunnk­te es; er hatte viele Schn­eihelworte für den Autor, aber er meinte, bag das Publikum einen unbekanns­ten Dichter auf neuen Pfaden nicht beichtlich folgen möchte. Derjenige, der sich, damals mit mir bestrebte, das erwähnte Drama auf die deutsche Bühne zu bringen und der an die­­ser Mühe den größeren Antheil hatte, denn er war der Meberfeker, ist derselbe, dessen Name nunmehr auf dem Zet­­tel des Burgtheaters prangt. Aber sein Bestreben, den Deutschen,die Literaturschäße seiner Nation näher zu brin­­gen, umfaßte keineswegs sein eigenes Stück. Er that abso­­hut nichts, um sein Lustspiel zu pouifjiren, und, das mag nicht ausschließlich in der Meinung, die er von seinem Werke hat, die Ursache haben. Vielleicht hätte er sich leichter entz­­chlossen, den „ESGE“ in der deutschen Theaterwelt einzu­­führen, wenn er ihm zuvor einen Bruder gegeben hätte. Aber den Einzigen, den man hat, und der in der Familie so gute Aufnahme, so viele Geltung gefunden, vielleicht nur parımı, weil er der Einzige, den hält man, wenn man nicht Schwächen Sievesitzen üverdies das Stück seit Jahken­ acs.­ 7 Hie zu 2 Seiten sei kärz sei sihächendine Roman-und Feuilleton-Zeitun­g,sowie das,,Theater-und Vergnügtungsblatt«­." den Vorwurf eines eitlen Vaters auf sich laden will, in der Familie und man vermeidet es, mit ihm Staat zu machen. Das mochten, wohl die Empfindungen des Autors sein, die ihn bewogen, den „ESGE” sechs Jahre nach seinen Entstehung und drei Jahre nach dem sensationellen Erfolge der ersten Aufführung im Nationaltheater ruhig im Bulte liegen zu lassen. Nunmehr ist er aber dennoch an das Licht, an das Bühnenlicht des deutschen Theaters gekommen und die Meisten dürften wohl denken, der Dichter habe seine ur­­sprüngliche Skrupulosität, die ohnedies vielfach als Empfin­­deler gedeutet werden mochte, aufgegeben und habe den Borz theil seiner Stellung als Sektionsrath im Ministerium des Auswärtigen, die ihn den obersten Behörden der Hoftheater nahe bringt, genügt, um seinem Drama die engen und schwer passirbaren Pforten des Burgtheaters zu erschließen. Weit gefehlt! In Wahrheit ist der , CESOL" nur durch einen Zu­­fall auf die deutsche Bühne gekommen, und Derjenige, der diesem Zufall zu Gevatter gestanden, war Niemand Ande­­­ rer, aló der Direktor der Hofoper, Herr Gran Sauner, Dieser hatte vor einigen Jahren einer Vorstellung des „E3öE" im Budapester Nationaltheater beigemahnt. Ein freundlicher Ungar hatte ihm das Verständniß des Wortes, so gut dies im Theater geht, vermittelt. Die Situationen bedurften seines Interpreten. Selbst in dieser Gestalt machte das Drama auf Herrn Jauner Gindrud und er erinnerte si dhessen, als er im legten Sommer auf der Suche nach einen Libretto für den Komponisten der „Königin von Saba“ war. In Paris, wo er neben manchem anderem auch diese­n Gedanken nachging, traf er mit dem Dichter des „G368” zusammen und bei V­efour wurde der­ Handel ges­schlossen. Die Leute erzählen, daß der Autor sich darum fü ı Teicht herbeigelasfen, sein Stück als Opernlibretto zu verk­­aufen, weil ihm gerade dam­als — bei Béfour­istes 6 thener — der Kaufpreis sehr gelegen kam, aber das ürger wiß nur Berleumdung, denn mer hat je gehört, daß ein Sektionsrath auf etliche Hundert Gulden ansteht. „Geo aber ist seither im ausschließlichen Resige des Herrn Franz Launer. Er durfte damit walten, wie es ihn beliebte und da ihm bei genauerer Duchsicht das Stück denn doch zu gut 0­chien, um es zu einem mageren Opernterte zu gutschneid­en, überreichte er das Lustspiel dem Hofburgtheater, wo er ohne weitere Empfehlung, nur durch den Gindrud, den die Lets­tive bei Baron Dingelstedt hervorgerufen, Eingang fand. Erst als es sich um die Bühneneinrichtung handelte, nahm Dingelstedt Gelegenheit, die Bekanntschaft des Autors zu suchen und — ich will ja zeigen, daß es nicht Protestion gewesen, die dem , ESE" den Weg gebahnt — das Amt, dem der Dichter seiner Berufsstellung ‚nach, angehört, war so diskret, so objektiv, in diesem Falle sich, des ihm auf das Theater zustehenden Einflusses zu begeben, ja e wäre bad pallid­, daß,eine der reizendsten Stellen des Lustspiels,­ viel­­leicht gerade un ihres Netzes willen, einer­ strengen Negung der Hoftheater-Sensur zum Opfer gefallen wäre. Das ist die Geschichte des Uebertrittes,den,,Csöll’ von der ungarischen auf die deutsche Bühne vollzogen hat.­­Nuixl­eißt das Stück,,Der Kuß«und ist in so gutem­ Deutsch geschrieben,mie weniger aden Dramem biedes als die Poetett in den letzten­ Jahren auf die Bühne gebracht haben.s. Die Wellen der Sprache tauschen wohl gefällig am Ohne vorüber und manches schöne Wort, mancher kräftige Ger­manie ladet zu­ längerem Bermeiten ein. Ich rede nicht wei­­ter vom Stüde hier. &3 ist ein Zierrath der ungarischen Nas­tionalbühne, das Sie rennen, mit­ all’ feinen Vorzügen und­­«» »

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