Neues Pester Journal, April 1877 (Jahrgang 6, nr. 91-119)

1877-04-01 / nr. 91

W.7y·WqapqR-;91J Fi am Pibonyement: Ganzj. fl. 14, halbj. fl. 7, viertelj, fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. täglid), auch an Motttagen. EGEK SZEREKRE Eee GEN FU U BEA ZA RN REES TM TENSZB Das „Neue Bester Journal" erscheint BF Des Ostersonntags wegen er­­ Scheint Die nächte Nummer unseres Blat­­tes am Dienstag.­ ­­ ­ _ Nebaktion und Administration: Sonntag, den 1. April. r Journal. Einzelne Nummern 4 in Infernte nach anfliegenden Tarif, Reopolo­t. Kirchenplat Nr. 2. Stefltagsbettaditungen. Budapest, 31. März. Tr Oftern it gefommen. Nee Frühlings: füfte wehen, heiter und mild blicht aus dem farb blauen Himmel die Sonne herab auf die Schaaren der Andächtigen, die von Kirche zu Kirche wallen. Aus dem Halbduntel der Hochgewölbten Gottes- Häuser strahlt der Glanz zahlloser Kerzen­ vom Hochaltare durch die weitgeöffneten Thüren auf die Straße heraus. Mächtig. D durchbrausen Die feierlich«erhabenen Klänge der Orgel den Raum, in hinreißenden Tönen besingt der Chor die Lei­­den und die Auferstehung des Erlösers. Peltes­­stimmung ergießt ei bei dem­ Nafe: „Christ: ist erstanden !” über Groß und Klein, vergessen sind die Werfeltagssorgen, froh und frei will Leber das Fest genießen, 63 liegt ein tief-edler, rein menschlicher Zug an dieser feierlichen Sabbathstille des hohen Fest­­tages. Der Mensch schüttelt gewaltsam die s­chale Alltäglichkeit ab, er will an diesem Tage ein An­­derer, Besserer sein als sonst. Darım­ flieht er die Stätte der Arbeit und des Erwerbes und betrach­­tet das Fest als den Lohn für junge mühevolle Tage und sorgenfchmere Nächte. Und so wenig man in Dieser, dem reinen Genuß geweihten Stimmung Der Ewnge, der Arbeit, des Erwerbes gedenkt, so wenig verm­ag sich das Interesse fü­r die Bolitit mit ihren Irrwegen zu erwärmen. Nr fid­ selbst, seiner Familie seine F­reundeötreife will der Mensch an solchen Tagen leben. Der Bolitit gedenkt nur Derjenige, der an ihr ein gleiche Interesse nimmt, wie der Arzt an der Griltenz. von Krankheiten. Für den Arzt it Die Heilung, der­ Krankheit Beruf und Er­werb, für unsere­ Politiker, ist die Bolitit eine angenehm anregende Unterhaltung, ein Sport, den sie selbst an den hohen Festtagen der Menschheit zur ungern entbehren. Und­ eben das it eine äußerst charakteristische Geiheinung unserer Zustände, welche den Schlüssel zu einer Reihe fast unerklärlicher Vorgänge in un­­serem öffentlichen Leben bildet. Die Bolitit ist Den­­jenigen, welche sich bei uns mit ihr befallen, nicht Mittel zum Zwed, sie ist ihnen Selbstzwed, sie ist ihnen angenehmer, anregender Zeitvertreib. Sie sehen wohl all; die Weber, welche sich unserem Arge darbieten ; sie können wie, irgendeiner die Finanz noch des Staates ; sie willen, daß das Land un­ter einer s­chweren Produktionskrise darniederliegt, da Handel und Gewerbe stehen ; sie erkennen Die tiefen Mängel unserer Verwaltung, die Schwächen unser­rer Justiz, die Lüden unseres Volfsbildungswesens. Aber was solt ihnen diese Erkenntniß ? Sie treten an die staatlichen Verhältnisse nicht mit der ernsten, auf gewissenhafte Erwägung der eigenen Kräfte basirten Entschließung heran, sie zu hessern, die Wunden zu heilen, aus denen das Gemeint­wesen blutet, um den Schutt Hinwegzuräus­men und neued eben dort Hervorsprießen zu machen, dort, wo heute noch die Norm­en vorgegangener Zei­­ten hervorstarren ! Ihnen — Ehre den Ausnah­­men ! — ist ja die Bolitis nicht nebenäbernf, sondern parlamentarischer Sport, und wenn in diesem Spiel doch ein ernsteres Moment hineingetragen wird, dann gilt es nie und nimmer der Sache, sondern nur den BVersonen. Das Parlament ist zum Turf für den Wettkampf der Ambitionen geworden ; das­­iel sind die rothen Fauteuils, den Kampfpreis bil­­det der Besit der Macht. Um das olt, sein Wohl und sein Mehe kümmern sich die Wenigiten. Das DBolt speist man mit­ etlichen Phrasen während der Wahlkampagne ab; maßgebend ist und­ bleibt die Stimmung des Kleinen Kreises sozial priviler gitter, welche Bolitit nicht treiben, sondern „machen“, und eben darum die Politis­ als ihr Privilegium bet­trachten, welches sie weitersüchtig, bewahren. Längst hat das Bolt dieses Spiel gemerkt und sein Inter­­esse für diese Art von Bolitit ist merklich erkaltet. Glaube und Hoffnung sind ihn geschwunden, sie sind nicht mehr seine Begleiter bei der Arbeit, sie fehren nicht zu. Gaste bei ihm ein am Festestage.­­ Ein Festtag ist, wieder­­ in­ die Welt eingezogen und die Bolitit ruht. Agnatteff ist, heimgereist nach St. Petersburg, Andrasiy. bereitet sie vor, Terebes aufzusuchen, Tiba sieht nach seiner Wirthschaft in Sept und Széll ruht in Itátót , von den Strapazen des jüngsten parlamentarischen Feldzug aus. ‚Un­­sere Abgeordneten haben sich nach erfolgter Anleihe: botirung nach Hause begeben. Sogar unten am vıth Herrscht eine getriffe Stille, dort erwartet Die A Armee, Gewehr bei Fuß, die­ griechischen Ostern, damit sie noch einmal beichten könne, ehe sie an­zieht, um den Halbmond vom Firmament her­­abzuschlagen. Die Börsen schlummern und die Meltgeschichte würde wohl einniden, wenn B Otterzeit um ein paar Tage länger währte. "Die Diplomatie hat heiter zu Oftern den Bel­­feste, in dem Londoner Protokolle Sonst ein Ofterei bescheert, welches, wie man und glauben machen will, den Frieden enthalten sol. Ja, wenn dem so wäre, so gäbe es heute allerorten Freuden Frage alle Welt in Angst und Aufregung und big: Der hat die Diplomatie die Sache nur immer schlim­­mer gem­acht. Aus Mevolte, aus der Revolte eine Revolution, wagte zum Kaften heraus und belebte und Wandel, die die orientalische dem Bauernkrawall: aus der Revolution ein Krieg geworden und Dant der Weis­­heit der Diplomatie droht aus demselben noch immer ein Weltbrand zu werden. Sollte es ihr,mun gelun­­gen sein, denselben zu Löschen,­­ehe er noch die Welt verh­astet, so stände sie man mit einem Male rehabie­ritirt da und die Menschen­ könnten wieder auf­­athmen. Das­ Geld, das sich aus Furcht vor Kriegs­­gefahr.Scheu zurückgezogen, fid) nun wieder auf’s Neue Handel nun schon so Lange fieden. Ja, wir haben unter dem Dampflesfchwerte der drohen­­den Konflagration, viel gelitten, ebenso wie alle Am Meisten Welt, die hiebei Milliarden mochte jedoch ohne Roth Unsm­men vergendet, fid­­delöfrife und beutegierig das in eine Han und seine Finanzen gründlich­ zuinirt hat. So weit ist Europa gekommen, dab es heute Rußland formilic­ dankbar sein wide, wenn dieser Staat fs nicht glei, einem wilden Raub­­thiere Blut auf die Türkei stürzen würde. Man wü­rde ihn Dant willen , seine „Mäßigung“ und in allen Zungen m w­rde Rob der maßvollen, friedenslieben­den wuffische Sitit erklingen. Ein Konzert der Kämmfer zum‘ des Wolfes ! Und wenn wir nur schon dabei wären! thönernen Füßen, wie­ man sie dem mosfow mit ijdrer Reiche sogeeignet, ruht aber Die Friedenshoffmur die das zufriiche, Brotofoll wachrufen kann, B fehrt die alte Kriegsbesorgniß aus Neue wieder fern Guropa’3 Zwei Jahre lang Nubland gestürzt hält verloren, selbst selbst die war eine gelitten haben, A. Wiener Brief. DOriginat » Feuilleton des „Neuen Pefter Sournal”). —30.März. Seitdem es den»dankenswerthen Bemühungen des glorreichenk Tschernajeff gelungen ist,den Türken zu grü­nd­­licher Beendigung des serbischen Krieges zu verhelfen u­nd dadurch die Zeitung Slcfer von dem­ wahrhaft nervenzerstörern den Folter der Eintönigkeit zu erlösen,die sie durchzmwachen hatten­,wenn sie kein Morgen­-1 und kein Abendblatt zur Hand nehmen konnten,ohne das stereotype Bulletin über die Schicksale von Krusevacz und Knjazevacz zu finden,hat keine Jour im K rubric so erschrecklich an einer stehenden Notiz gelitten, wie die Nubrif der „Wiener Tagesneuigkeiten“ sämmtlicher Nummern, sämmtlicher Blätter dieser Woche, Der Kaisers von Brasilien und General gnatieff,, General Ignatieff und der Kaiser von Brasilien — nach welchem Zeitungsblatte mar auf greifen mochte, man durfte sicher sein, Tag für Tag an der Spike der Sofalnotizen die unver­­meidlichen Bulletins über die Stunden und Minutenver­­wendung dieser beiden hohen Persönlichkeiten zu finden. Das alt höchst respektvoll, für ein oder zwei Tage auch vielleicht nicht ganz uninteressant, auf die Dauer aber Höchst langwei­­nig. Alle Ehrerbietung, namentlich vor der brasilianischen Majestät und Hocidero gelehrtem Sinfognito als Professor oder Doktor Calcantera, alle Achtung vor seiner fiebernd zartlosen Schau, und Wißbegier, von der noch dazu jegliche Sehnsucht nach militärischen oder sonst üblichen Herrschers­vergnügungem des europäischen Kontinents ausgeschlossen erscheint —,aber Ge. Majestät wird es nur der übertriebe­­nen Begriffenheit der Zeitungsreporter in dem minutiösen Berzeichnen der geringsten Bewegung, die er­wacht, zuschrei­­ben können, wenn es allgemach das Ansehen gewinnt, als ob er in die Rolle einer Art von Brasilianischem Kieferad Hineingeriethe. Auf den Zeitraum von zwölf Stunden täglich ausgedehnt , können die Besuche, welche­m doch nur­­ leife der mit seinem Sinfognito Tofet= tirende Souverän den diversen wissenschaftlichen und Kunst­­anstalten macht, immerhin von einigem belehrenden Wertbe­rein ; in den engen Flächenraum weniger Journalzeilen zusammengedrängt, macht die Aufzählung­ dieser täglichen Besuch3-Serien, bei deren Durchlesen es Einem förmlich vor den Augen flimmert, einen von fomischer Beimischung nicht ganz freien Eindruck. Oder wen sollte es z. B. nicht drollig berühren, wenn er Tieft, daß der Kaiser von Braz filten, nachdem er von halb 7 Uhr bis Halb 8 Uhr Abends im Dopernhause dem gersten Akte der „Walfüre” beigewohnt, um 8 Uhr Schon in einem Hörsale des akademischen Gym­­nasiums sich physikalische Experimente vormachen laßt! Mit dieser Einaktigkeit hat übrigens der­­ fürstliche Gast dem Chor der Wagner-Spötter eine unangenehme Ents­täuschung bereitet und sie in einen verdorbenen guten,d. h. in einen schlechten Spaß hineingelodt. Mit welcher Wollust der satirischen Laune am nächsten und am allernächsten Morgen, gedruct und gesprochen, der Wit­welportirt wurde, daß der „Eunstsinnige Kaiser" nach jenen ersten Ast das Theater verlassen und dadurch eben seinen echten Kunstsinn bethätigt habe! Gar ermöglich gerieth der Wi namentlich einem spezifisch gutgesinnten und durch seine Loyalität schon wiederholt in den Geruch des Gervilismus hineingerathes­nen Schreibegemüthe, das ganz wohlgemuth in den Hymnus auf die Funftverständige Wagner=Hafferer des fremden Mon­­archen einstimmte und erst als das Entjegliche gedruct war, von der gruselnden Ahnung ü­bernommen wurde, dak er da, wenigstens vor seinem eigenen patriotischen Bewußt­­sein, eine kleine Majestätsbeleidigung begangen habe. Denn sein eigener Kaiser, der von Oesterreich, hat ja doch, wie ich neulich erzählt Habe, alle bisherigen Vorstellungen der „Wal­­küre” aufgehalten. Ist er also minder funftsinnig? Zum Siüde erbarmte er Dom Pedro des bedrängten Loyalen Gemüthes und stellte­ die Geschmadsparallele mit dem­ Kai­­ser Franz Joseph her, indem er das nächte Mal die Ge­­sammtaufführungen der Wagner’schen Oper vom ersten bis zum legten Tone anhörte — und so den guten Spaß auf seinen einaktigen Kunstsinn verdarb. Das Geheimnis der Theaterzugkraft ist übrigens unerforschlich. Dieser transatlantische Kaiser, der mit den europäischen Händeln nicht das Geringste zu thun hat und auf die Geschiete unseres Welttheils nicht größeren Ein­­fluß übt, als ob er wirklich nur der simple Doktor Dal- Cantera wäre, dieser für uns im Grimbole so gänzlich in= differente Stromenträger interessirt doch die Wiener so sehr, daß sein Erscheinen bei einer Vorstellung des italienischen Tragöiden Galvini genügt, das Haus mit einer glänzenden Zuhörerschaft zu füllen und demselben das Aussehen eines theatre paré zu geben. Und in einer Loge des Cart Theaters fit an der Seite des Grafen Andraffy General Ignatieff, der Mann also, von dem die Nede ging, bag er die Entscheidung über die nachte Zukunft Europa’s in der Brusttasche seines Waffentodes trage, also jeden­­falls eine uns näher angehende und für uns viel wichti­­gere Persönlichkeit, aber sein Mensch von den weniger Menscen, die überhaupt in dem Theater waren, nahmen Notiz von dem russischen Schicsalsträger und seinen österreichische ungarischen Berufsgenossen. Man kaun aug sonst nicht sagen, daß der Muffe die Wiener auf sich neus­gierig gemacht habe. Er steht eine­ bis heute unbesiegbar gebliebene Antipathie gegen alles Ruffenthum in diesem Wien, vielleicht das einzige Gefühlsfieberbleibs el der warmen und innigen­ Herzenszusammenhanges , welcher zwischen den Wienern und den Polen, zwischen den Wienern­­und den Magyaren bis in die Sechziger- Jahre hiie — stand und der heute "in Bezug auf die Polen " deren eigene Schuld zerrissen, in Bezug auf M­agyaren wohl "Durch beiderseitiges Verschulden Mindesten leider Schlaff­ und Toder geworden ist. Aber jenes Polen, für welches die Wiener noch im Jahre 136% mitfühlend sich begeistern konnten, daß jenes Ungarn, mit Sie zu 8 Seiten Beilege, enthalten» Die Roman-Zeitung, solche Das , Theater­ und V­ergnügungsblatt.” nen­ne e

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