Neues Pester Journal, Juni 1877 (Jahrgang 6, nr. 150-179)

1877-06-01 / nr. 150

2 Das „Neue Reiter Journal“ erscheint auch an Montagen. Abonnement: Gangi. fl. 14, Halbi. fl. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 120. Redaktion und Administration: Zeopoldft. Kirchenplat Nr. 2. täglich, Freitag, den 1. uni 1877 einzelne Nummern 41] Infernte nach anfliegendem Earif, Bur Tagesgeschichte. Die Dinge in F­rankreich Finnen lioß aller offiziellen und offiziösen Bereicherungen keinen befriedigenden Gindruk machen. Heute übernimmt 25 ein Wiener Offiziosus, das Kabinet Broglie- Fourton von dem Vorwurfe des Ultramontanis­­mus wein zu waschen und dasselbe nach Außen hin nn „friedlich und versöhnlich“, nach Sunen aber als den wahren Netzer der Gesellschaft hinzustellen. Die Majorität der Deputirtenkammer sei auf Die , Abwege des Nachfallsınnd“ gerathen, und auch der Senat sei derselben Gefahr ausgejekt getreten. Damit nun die Generalräthe nicht „radikale” Se­natoren wählen, war es dringend nothwendig, zur Betrachtung des „Konservativen Charakters” der Republik einzuschreiten und den „gemäßigten Ideen“ wieder zum Siege zu verhelfen und das Land zu seiner ganzen konstitutionellen Aktionsfreiheit 31 rüczuführen. Ueber den „politischen modus proce­­dendi“ des Ministeriums Broglie-Fourton schreibt übrigens die „Wiener Abendpost”, daß die Ne­­gierung unbedingt zur Kammerauflösung schreiten werde, und zweifelhaft sei nur, ob sie ges­ponnen sei, diese Makregel vom Genate am 16. Juni, nach der ersten Vertagung, oder erst am 16. Juli, also nach einer zweiten Veftagung, zu ver­­langen. Jedenfall werde die Negierung die Ab­­machung dieser Frage, wenn sie erst einmal dort gebracht ist, so sehr beschleunigen, wie nur irgend möglich. Angeblich will sie, daß der Senat sich in P­ermanenz erkläre,­­ nach der Vorlage des Antra- 983 sich Sofort in seine Mitheilungen zurücziehe, einen Ausschub ernenne, einen Bericht vorlege und sie erst trenne, wenn­ ein­ Beschluß: gefaßt: ist. Man hofft, auf diese Weise die zaudernden Mit­­glieder des Genates, von denen man übrigens die geheime Absti­mmung verlangen wird, zu einen der Negierung günstigen Boten zu­ bestimmen. Dodd ist die Negierung des Genates noch nicht ganz sicher und wird deshalb dessen Bearbeitung fortgefegt. Zudem macht das Kabinet auch fom­it in „Stimmungen“. AS solde That erscheint wohl auch die verbreitete Nachricht von einem Attens­tat auf MacMahon, an der sein Wort wahr ist. Doch reicht sie hin, um ängstliche Ge­müther zu erschrecen. Desgleichen versucht das be­­kannte Rundschreiben Broglie­’s ein Attentat auf die Immunität der Rollevertretung, in den es darauf berechnet ist, die Deputirten wegen ihrer Neden, und Manifeste gerichtlicher Verfolgung preiszugeben. So ist­ ferner die jähe Entfernung von angeblich 250 Unterpräfesten und 80 General­­sek­etären ein Attentat auf die verfassungsmäßige Entwickklung de Landes. Das Kabinet Broglie- Fourton sieht sie übrigend bereits nach dem Bal fen um zur Stoßung der eigenen warnenden Griftenz. Die Legitimisten haben dem Marschall- Präsidenten ihr Mißtrauen in die Männer der „moralischen Ordnung“ nicht verscht­iegen und daz bei gedroht, sie würden im Senate für die Auflöi­­sung der Kammer nicht stim­men. Im Folge dessen möchte das Kabinet etliches legitimistisches Blut in seine Adern reiten, wenn es nur nicht zu bes­­orgen hätte, durch eine solche subkutane non. Der Marshall selbst für Umwandlungen von Ungeduld ; haben, seitdem er in Gompiègne und auf dem­ Ansstelungsplane so geringem Enthusiasmus für, noch trän­er zu werden, als er bereits ist, seine neueste That begegnete. Er wird durch die Erklärung des Präsidenten der Handelskammer von Troyes, daß seine Bolitit das Daniederliegen Bun ARCHE verschulde, schwerlich besseren Muthes werden. An Konstantinopel werden düstere Nachrichten gemeldet; die Negierung beseitigt Das selbst alle Anhänger des Er:Großveziers Midhat Bafchanıd soi in Folge des Verdachtes, zu Midhat Bajda Hinzuneigen, auch die Stellung de Groß­­veziers, Colhem Bajda, und de­s Präsidenten der Kammer, Achmed Befyt V Bajıda, welcher troß seiner persönlichen Abneigung gegen Midhat Bajda sich 900 für die Zurückerufung desselben unter den ge­­genwärtigen erzeptionellen Verhältnissen antsprach, ernstlich gefährdet sein. Die Nachricht von einer be=­absichtigen S$lottendemonstration der fremden Mächte vor Konstantinopel findet sich mehr­­seitig vor, sogar das , Journal de St. Peterebourg” plaidirt dafür, bezüglich der Betheiligung Dester­­reicher Ungarns an einer solchen Dewm­onstration wurde die Meldung durch unseren Wiener Korrespondenten Thon gestern­ dementirt. — In der Antrittsaudienz, welche unser Botschafter in Konstantinopel, Graf Sidh, am 29. d. M. kein Sultan hatte, drücke dieser sein Bedauern darüber aus, daß er durch Imphstein verhindert war, den Grafen vor dessen A­breise zu empfangen. Graf 3idh benühte die Audienz, um den Dant für das Corvina Geldent auszusprechen. Bezügli­cher Audienz, welche die sieben­ Hundert Pilger aus Defter­ech beim Wapste hatten, verlautet von einer Ceile ab­ bestimmt, daß der Papst in seiner Antwort seine Unzufrieden­­heit mit Oesterreich aussprachh und ans­prücklich betonte, daß er die moderne Gesekgebung in Oesterreich tadelnd­ und verdanmenzinierth finde. Die österreichischen Pilger wurden­ vom­ Batifan in besonderer Weise ausge­eichnet. Dagegen behauptet St. P­etersburg, ein offiziöses Wiener Blatt, der Bapst habe sich ob Oesterreich nicht ungünstig h­andgesprochen und dieser Bereidherung entspricht auch ein einem Wiener Blatte zugehender Bericht über diese Audienz, welchen wir an­ anderer ‚Stelle reproduziren. — Das auf Anfangs Juni festgefeßte Konsistorin wurde vertagt, weil Unterhandlungen wegen Ernei­­nung von fünf neuen Kardinälen schwe­ben, worunter zwei öterreigisc-ung­ris­che, ein französischer und zwei Italienische sein werden. Das noch unvollständige Kardinalskolle­­gium wird dann bis auf zwei volzählig sein. — Der päpstliche Nuntius Meglia in Paris finde seine Stellung wegen der jüngsten Ereignisse er­schüttert und bat Simeoni brieflich um An­rufung ; aber der Bapst ist augenblicklich­ nicht ( neigt, dieselbe zu bewilligen. «. Der Krieg. Die Lage auf dem asiatischen Kriegsschauplazke hat aller­dings eine für das türkische Heerungen Entwickelung genommen.Die Russen rückten Mi zwei Richtungen Fonvergirend vor und Durch den Tal von Ardahan war Mukhtar Baja Die Gefahr geräthin, von Erzerumt, zu dessen Dedung er herbeigeeilt war, abgeschnitten zu werden, wird von ‚offizieller­­­ Seite die Zurück­oberung Mrvahban ® dur Die Türfen gemeldet und die Lage fan wieder ein freundlicheres Gesicht für. Die ottoe­mantischen Waffen gewinnen, zumal die Tü im Befuge der Seeverbindungen die Verstärkung ü­berpropiantirung ihrer Truppen rascher und quemer durchführen kann, als Nußland. 3 dominirende Stellung an der Küste hat die selbst während der Unfälle der besten Wochen­­ eingebüßt, was der weiteren­­ Verbreitung di­ci­erkeffen-Aufstandes wesentlich zu Statten kam. — Auf dem Kriegsschauplage an der Donau be­­findet ich noch Alles im Stadium der Bort­bereitung und sind aus dem bisherigen Gange Der Ereignisse zwei Folgerungen zu ziehen. Gritens daß die Türkei nicht im Stande war, ihre maritime Heberfegenheit auszuwügen und ihre Flottille vor den verhängnißvollen Angriffen der Torpedo’3 Ihügen; zweitens, daß die russische Offensive nur sehr langsam von Statten geht und weit hinter dem beschleunigten Tempo vom 1328 zurich, wo der Donau-Hebergang vier Wochen nach He­rabreitung des Bruth erfolgte. »Der 11,.Eastern Budget»­.«,das­ alsQr·gan des Grafen Veust in London gilt,­schreibts man aus­­ zu Uns Dem Lande der Bharannen.. EG alr­o, im Mai. Der egyptische Fellach bebaut mit unsäglicher Aus­strengung seine Felder, Schöpft den ganzen Tag in der glühen­­den Sonnenhipe mit feinem Schadus, einer Art Ziehbrun­­nen, das Wasser aus dem Nil auf die Aeder und singt dabei ununterbrochen. Er läßt sich geduldig schlagen und zahlt seine Steuern drei, ja fünf Jahre voraus, er arbeitet Dos nate lang mit seinem Kameele gegen eine himmelschreiende Entlornung in den Zuderfabriken des Khedive — aber Soldat will er nicht werden. Nichts­desto weniger fü­gt er sich auch in dieses für ihn so [hwere Schiejas, ohne an auf einmal an Widerstand zu denken. Jedes Jahr sendet — sowie ein Korrespondent der „Deutschen Ztg." erzählt — der Khedive seine Kanuwaffen mit Dampfern in die verschiedenen Hauptorte des Landes ab. Der Schweden geht vor ihnen Her, Thränen, Flüche und Verzweiflung begleiten sie beim Abschiede. Sobald man in einem Drie von der Ank­unft der gefürchteten Gäste Kunde erhält, fliehen alle jungen Männer in die Wüste, wo sie oft wochenlang unter den größten Entbehrungen leben. Die Bazars sind gesperrt, nur Slinder, Frauen und Greife auf den Waffen sichtbar. Doc die Kawafjen kennem ein Zauber­­mittel, die Flüchtlinge zurüczubringen. Sie fangen die Wäl­der der Entflohenen­­ ein und halten sie so lange in Ketten, bis die Söhne sich stellen. Weigert sich der Vater, dem Sohne Botschaft zu senden, so wird er mit­ der furchtbaren Reitfolhe aus der Haut MS Nilpferdes täglich bearbeitet, bis er weich wird und seinen Soh bitten läßt, zurückzukommen und ihn zu befreien. Lägtich streifen die prächtigen Rawaffen-Gestate­ten, drei bis vier Bistolen im Gürtel, auf dem Haupte den %er mit der langen blauen Quaste, den langen Schnurrbart zwirbelnd, stolzen Schrittes durch die verschiedenen Quars­tiere, und wo sie einen ihnen zusagenden Wärfchen oder Mann entdecken, wird er ohne Umstände ergriffen, in das Haus des Gouverneurs geführt und in Ketten gelegt, bis die erforderliche Anzahl beisammen ist. In­­ langen Reihen, an Händen und Füßen aneinander gefesselt, fißen sie im Hofe, die Einen Feife Gebete murmelnd, Andere mit wilden Blid­en bald zum Himmel, bald auf ihre Wächter: ftierend, wieder, Andere sorglos ihre Cigarette. [hinauchend, oder in dumpfem Hinbrüten zur Erde starrend. Man hält sich nicht an ein bestimm­tes Alter; vom­ actzehnjährigen Sünglinge bis zum fünfzigjährigen Manne sind alle Altersstufen vertreten. Viele haben ihre Kinder bei sich, Die mit den­ Ketten des Vaters spielen, ihn am Barte zupfen, im Sande wühlen und, wenn sie Thränen im Auge des Vaters entdeden­, Taut zu heulen anfangen. Dann streichelt dieser ihre Schwarzen Köpfe und ein mit­leidiger Nachbar gibt ihnen wohl, um sie zu beschwichtigen, ein Stüd Zuderrohr oder eine Handvoll Datteln. Draußen aber vor dem Thore stehen in großen Haufen die Tränen, Mütter und Schwestern der Geretteten,­­die unter lauten Sammergeschrei sich gegenseitig ihre Noth Elagen. Deffner si zuweilen das Thor und werden sie der Ketten ihrer Lieben ansichtig, so stoßen sie ein gellendes Geschrei aus, das oft wie ein Krähen singt, werfen ihre Kopfhülle ab, raufen si die Haare aus, ftreuen Sand aufs Haupt, ringen die Hände und flinmen endlich monotone, aber er­­greifende Klagegesänge an, wobei sie den schlanken Körper beständig hin und her wiegen, Blaue Tücher zusammenz drehet­ und unter heftigen Geberden wieder auseinand wickelm Nach einiger Zeit kauern sie sich auf diezs1 dejxnbs« summen wie b­is11111c11d vor«sick)hin.Plötzlich sx skiling auf,stößt einen Schrei aus,Lillethun Gibt­ augenblicklich­­nach—­und das Jammernlind He­llen beginnt von Neuem. Dunkelheit die Weiber zur Heimkehr zwingt. Die eingefangenen Männer werden einer oberfläche­lischen ärztlichen Alntersuchung unterzogen, wer nicht ga früppelhaft­ ist, anderer bis die einbrechende wird für­ tauglich befunden und 58 sum Transporte gefangen gehalten. Der Sammer der Angehörigen würde weniger groß sein, wenn die Hoffnung hätten, ihre Väter und Söhne jemals wiederzusehen. Man Wenigsten in ihre Heimath. zurückkommen, Niele gehen bei den, beständigen, Siriegsexpeditionen zu Grunde, die Be­fähigteren werden im Fresen und Schreiben unterrichtet und in den Bot, oder bei der Polizei untergebracht; der Neft zieht es gemeiniglich auch vor, in­ der Armee zu bleiben, als in der Heimath bei harter Arbeit und den Schlägen der Aufseher Dimrahbrod and Zwiebeln zu­ essen. Bahrhaft herszerreibend it der AGmaridh der Mer feuten. In langen Zügen, aleich Verbrechern mit Ketten beschwert, werden, sie ‚unter beständigen Peitschenhieben und Sauftstößen, vom Gouvernements-Gebäude an den MI getrieben, wo Kinder, Frauen und Verwandte begleiten unter Tautem Weinen den Zug, drängen sich an die Scheidenden und suchen nun einige Worte, einige Händedräche mit ihnen zu wegfern, werden aber sofort von den Aumaffen mit Sılägen alle­r fie, und, Eintreffen medielt und so­ oft verfigert ab, aber allgemein, daß Telegraphen-Memtern ein Schleppdampfer, igrer hart, di «­­

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