Neues Pester Journal, Januar 1878 (Jahrgang 7, nr. 1-31)

1878-01-01 / nr. 1

"·spthi—p;fix—jksjffs7,— — " s 4 L«viextelj..fl.3.50,monatlichfl.1.20. täglih, aud at * Leopoldft. Kirhenplak Nr.2. Inferate nach aufliegenden Bauif. Ok Morgen(Mittwoch)Früh erscheint Unser Blatt wie so gewöhnlich. Jahreswechsel. Budapest, 31. Dezembers Sin fegniveres, trübes Jahr liegt hinter uns ; je. Doppel-Sieben der Jahreszahl hat im­­ Maße den unheilverfündenden Einfluß geld gemacht, den ihn der Wolfsmund beilegt. Das trübsäigste, befragenswerthafte Ereigniß aber des nun abgejäloffenen widerrechtliche Krieg, Jahres den Nuklandg V Begehrlichkeit heraufbeschworen ; er war­ vielmehr der Bann, der auf ganz Europa hastete,­­ Unga­rn, der seine Zauberkreise schlang und alle sie zu stummen und starren­ Zuschauern des blutigen Wölferduells machte, das um die Schlüssel zweier Welttheile entbrannt­­ war. Allein bei aller Passivität folgte Europa mit der athemlo festen Spannung jeder Phase des Krieg 965; sein Staat des Welttheils aber — die beiden Kriegführenden ausgenommen — wurde durch Die Ereignisse so tief und fehwer friedlich und intensiv aufgewühlt, Großmäc­hte betroffen, wurde in wie unser Bat­terland. Man darf es fühnüd behaupten, nicht der italienische Krieg von 1859 und nicht der preußische von 1866 haben in Ungarn eine so nachhaltige, alle Schichten der Bevölkerung fieber­­haft erregende Betwegung hervorgerufen, und doch fanden damals Ungarns Söhne auf­ der Wahl­­fall, wurde mit und in dem Kriege über die uns­garische Verfassung entschieden. Und nicht deshalb , war etwa damals die Erregung geringer, weil e­seine­ Verfafsung­ erilä­rte und Die Gewalt jede Meinungsäußerung niederhielt, sondern deshalb, weil Damals nur die Verfassung, auf dem Spiele Hand und ganz Ungarn es wußte, daß der Bu­­­­stim­mentruch des Absolutismus und die Wieder­­­­herstellung der Verfassung eine Frage der Zeit sei. Heute aber fühlt Jedermann instinktiv, daß weit Höheres, als die Verfafsung auf dem Spiele steht, daß die einmal aufgerollte Orientfrage die Frage des Seins oder Nichtseins dieser Nation in sich birgt, daß es ss um nichts Geringeres handelt, als um die staatliche und nationale Existenz Nicht die unmittelbaren Folgen des Krieges sind es, die Ungarn zu fürchten hat. Man weiß­­ es, daß Ruhland nicht die Kraft hat, Die Türkei zu verfählingen und daß der Tag der vollständigen Theilung des Tü­rkettreiches noch nicht angebrochen ist.Was Ungarn­ zu fürchten hatt und mit Recht fürchtet,­sind die mittelbaren Folgen, die Anfangs einen wett­geistigen Charakter tragen, in der Zu­­kunft aber mit eherner Gewalt fid­ fühlbar machen werden. Und zu diesen Folgen zählt vor Allem die Strömung, die wir bereits in der Slawenwelt fid entwidkeln sehen, und die umso weiter um fid­ grei­­fen wird, je nachhaltiger und entreidender Ruß­­lands Sieg fi) gestaltet. In dem Hereinbrechen dieser Strömung liegt die außerordentliche Gefahr für Ungarn — in den maßlosen Aspirationen, welche die una, unserer Desittung, unserer Kultur und vor Allem unserem nationalen Wesen fremde und feindliche Welt der Slawen zu erheben sich ansdidt und mit allem Nachdruce erheben wird. Graf Andraffy selbst hat ja mit ung Allen zwei große nationale Be­­wegungen durchgelebt. Er hat die italienische Einheits­­bewegungen miterlebt, die mit Riesenschritten ihren Weg machte troß der gewaltigen, eine Welt umfassenden Macht,die sich ihr entgegenstellte—der römischen Kirche. Als das Zauberwort einmal gesprochen war, das die Geister in Bewegung feßte, da fluthete die Strömung unaufhaltsam einher und alle Bann­­sprüche des neunten Pius waren nit im Stande, ihr Einhalt zu thun. Und hat Graf Andraffy den akuten Verlauf der deutschen Frage nicht bereits als praktischer Staatsmann miterlebt? War nicht gerade er es, der im­ Gegensabe zum Grafen Beust den Sat verfochten hat, daß wir uns weder um die Nespektirung, noch um die Nebelbrüdung der Main­­linie weiter zu sümmern haben? Wir haben nie gedacht, daß Graf Andraffy diese Politit nur zu dem Behufe verfolgt habe, um Den Reichskanzler Beust zu stürzen; wir waren vielmehr der Ansicht, daß diese Politis Das Resultat der Historisch-politischen Ueberzeugungen des Grafen Andraffy sei. Und diese Ueberzeugungen sollten plöglich für den Orient ihre Geltung verloren haben? An der Ostgrenze Der Monarchie sollte der nationale Gedanke und die nationale Bewegung anderen Gefegen folgen, als an der Sid: und M Westgrenze? Stumm und stare — so sagten wir — hat Europa dem Wölkerduell zugesehen und das mert­würdigste war unstreitig, daß an dieser ‚Starr­­heit Niemand, Anderer die Schuld trug, als eben die österreichische ungarische Monarchie. Oesterreich- Ungarn hatte die Position inne, in welcher es die Möglichkeit besaß, die Formationen im Oriente zu beherrschen "von seinem Willen abhängig zu gestal­­des Kaisers Franz Joseph und der Khedive nahm zwischen dem preußischen Kronprinzen und demselben General Ignatieff Blat, der als Letter Botschafter Nurlands am goldenen Horn fungirte. Damals bemir­­thete der Bizefünig 10.000 Gäste wochenlang in wahrhaft pomphafter Weise , stellte ihnen Dampfschiffe und Extratrains, Hotels und Villen, Magen und Ka­meele zur­ Verfügung — und heute muß die Ber­gprisung der Straßen Kairo’3 eingestellt, die Gasbe­­leuchtung reduzirt und das Lieblingstheater Ismail Bajdas gesperrt werden, weil man doch eine Tän­­zerin nicht bezahlen darf, wenn man den DBeanten das Gehalt schuldig bleibt, ten.Hätte Oesterreich Ungarn es vermocht, den­ auf ihm haftenden Bann abzuschütteln, mannen und fid zu fühlen, dann wäre bald ganz Europa Kraft Starrheit die ledig und fid feiner gemorz­den. Und ein ungarischer Minister des Aeußern war es, der die Monarchie und damit auch t­ 6 Europa zu jener Passivität zwang und Diejenigen verspottete,, welche traditionelle österreichische Orientpolitik festzuhalten wünschten. Und worin be­­fand denn diese vielverspottete traditionelle Pol­­iie ? Bewegte sie sich in Phantasmagorien ? Schwelgte sie in querköpfigen Marotten ? Nichts von alledem ! Sie bestand in dem einfachen, leicht verständlichen­ Gabe, dab der Damm aufrechterhalten, nicht hergerissen und nicht duchstochen werden dürfe, der den Orient vom Herrschaftsgebiete Naßlands ferei­det. Das ist die traditionelle Politik des absoluten : Oesterreich und für diese hat sich trog Andran­y’s Spott das konstitutionelle Ungarn begeistert. Zur Jahreswende eben scheint sich eine Wen­­dung zum Befseien vorbereiten zu wollen. Fern auf den britischen Inseln beginnt sich’S zu regen, Eng­­­land fdicht sich an, dem ruffiigen Dürr den Bann abzuschütteln und Löwen zu zeigen. Wird der Anlauf, nimmt, ein ernster, nachhaltiger sein? ausüben? der Geist den über uns heraufgezogen waren, engüiden­den England sollen im die Wendung der englischen Politik einen bestimmenden Einfluß auf jene der österreichisch ungarischen Mon­archie Werden Beide vereint Naßland das Gebot Europa’s auferlegen oder noch schwerere, trübseligere Tage über uns heraufziehen ? Der Mensch ist stets geneigt, das Frohe zu hoffen, das Gewünschte zu erwarten. Und so möge es auch uns als gute Vorbedeutung erscheinen, dab mit dem­ Schluffe des Jahres 1877 ein neuer Geist in Eu­ropa zu erwachen scheint, des Gelbstbe­­wußtseins, der Geist des Verständnisses und ‚der Würdigung der europäischen Interessen. Möge dieser Greift im kommenden Jahre in Europa walten, und die düsteren Schatten bannen, welche Bum , war nicht etwa Der so jener. und Handlungsfähigkeit sich zu Wird bewußt vw, Pauls urn­er, nie s­­cheiden­­. “ ..» 1 Nebaktion und Administration: Boz re Al AWO Einzelne Nummern m­it Zurosage.« Budapest,31.Dezember. Die politische Situation ist andauernd sehr­ ernst,hat jedoch keinen akuten Charak­­ter.Unsere gestrigen Meldungen,die uns von ver­­schiedenen Korrespondenten über die Lage zugingen,­ empfingen im Laufe des heutigen Tages ihre volle Bo­­sia,die saftigen Birnen­ von Trapezunt,die öligen­ Traubenvoszmyrna und die weißensk­elouen von Cassaba­ Bu Gaffe Heim Shedive. Ein Blättchen der Erinnerung. Original-Funilleton des „„Neuen PBelter Journal“) “s sind in diesen Tagen acht Jahre verfroffen seit Den unvergeglichen Seiten, mit denen Samail Bascha bei zehntausend Gäste, die er aus allen Theilen Der Welt zur Eröffnung des Suez- Kanals geladen, über­­raschte. Im Dezember war's, als wir von Kairo nach­­ Hierandrien zogen, um bei einem legten bacchantischen Gelage Abschied zu nehmen von dem Märchenlande, Das wochenlang an die Wunder arabischer Gastfreund­­schaft und orientalischer Beschwendung über uns aus­­geschüttet. Wer von Denen, die an dem sinnberühenden Duge theilgenommen, sollte sich heute nicht wehmüthig erinnern an jene herrlichen Tage, in denen wir saßen an den Slen­chtöpfen Egyptens, heute, wo der Suez- Kanal und die Abhängigkeit Egyptens wieder eine 10 bedeutende Rolle auf dem politischen Welttheater zu spielen beginnen ? „Könnten. Die ung nit ein­­mal auch etwas aus Ihren egyptischen Erinnerun­­g sagen, und Die tanzenden Derwilche, gen nie verschreiben ?* schrieben Sie mir vor wenigen Tagen « die hrabifeen Siongl­­e, die singenden Almeh’s, die hüpfenden Shaw Ai, "die Lanzenreiter und Messerwerfer — ie alle taucsten in meiner Erinnerung wieder auf , drängten mir förmlich die Feder in die Weid’ ein Kontrast zwischen dem tollen ubi von damals und dem blutigen Ernst von heute. — Schon damals gab es Streit zwischen­ diesseits und jenseits der Leitha,tr­otzdem wirtms noch in dens Flitterwochen des Ausgleichs befan­der1.Ich könnte heute noch aus vollem Herzen lachen,wenn ich an die Schwie­­rigesten denke,die das Unterbringen der in Alexans-· drten angekonmenen österreichisch-ungarischen Gäste den bedauernswürdigen türkischen Behörden machte.Der arme Colucci Bey—die Wiener nan1­te 11 ihr1 Ko­­latschen­ und die Ungarn gar Gulyäs-Vey—der­­ wohlbestallte Präfekt von Alexaderiem hatte alle Händ­e vollauf zu thun, um nur ja seinen faux pas zu mas­hen. Ich machte seine Bekanntschaft in dem Augens­chlide, als er gerade einer Gretation beimohnte und einem armen Teufel eine Baftonnade von fünfzig wohl gezählten Streichen appliziren ließ. „Und was hat der ann verbrodgen ?" trug ich. „Nichts“, gab man mir ruhig zur Antwort, „aber er ist der größte Naufbold und Krawallmacher der Welt und so oft Gäste zu uns kommen oder ein großes Fest BE erhält er am Borabend seine Fünfzig — dann gibt er Ruhe.” — Bd­ucei Bey hatte seine liebe Noth mit den Defter­­reichern und Ungarn. Er sollte ihnen Logen besorgen, Ware zur Verfügung Stellen, Quartiere verschaffen 2c. N . gab es da­s Österreichische M Würdenträger, civile und militärische, Die für sich das Net einer eigenen Loge, eines eigenen Wagens, eines Salons beanspruch­­ten und die Ungarn mit Sperrfigen und Hinterzimmern brpeifen wollten, weil dieselben sich in einer — nie= deren Diätenklasse befanden. Es wurde Damals viel BEP Die Densige Bammer umfaßt vien­­ ‘ |

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