Neues Pester Journal, April 1878 (Jahrgang 7, nr. 91-119)
1878-04-01 / nr. 91
·7«II.-- gang. Hir. 9. VHbonnenernsts Satz. 1. 14, halb. 147, viertelj. fl. 3.50, monatlichh fl. 1.20. KYUD Ag SUENG Beer KaUurnu erneutes täglich, auch an Montaneıt. Vieratiion- und 2 Administration: Leopoldit. Kirchenplat Nr.2. Einzelne Nummern 4 It, Inferate nach aufliegenden Tarif. D Budapest, 31. Atar. Mie verschiedenartig auch die Versionen über revision des Generals Ignatieff und über die Aufnahme, die er in Wien gefunden, lauten mögen, n der Hauptsache glauben wir, daß unser Korrespondent das Richtige getroffen, da er uns meldete, daß General Ignatieff ohne eigentliches Resultat nach Petersburg zurückkehren werde. Wir erhalten heute neunerlich einen Brief unseres Wiener Korrepondenten, der diese Mittheilung betätigt und in manchen Punkten ergänzt. Es heißt darin: „General Ignatieff äußert sich in vertrauten Kreisen und Dort, wo er es glaubt wagen zu künnen, jeder mißvergnügt über die Wahrnehmungen, die er hier zu machen Gelegenheit hat. Er glaubte, es werde ihm ein Leichtes sein, Oesterreich-Ungarn von England zu trennen und den Grafen Andrassy zu überzeugen, daß der Vertrag von San Stefano ein großer Fortschritt gegen die Präliminarien von Adrianopel und voll Nüdjidgt für Oesterreich-Ungarn sei und er begegnete hier dem schärfsten Mißverspruche und dem energischsten M Widerstande. Graf Andrasfy hielt in seinen Gesprächen mit dem Turz fii den Diplomaten daran fest, daß Nußland von Teaktat von San Stefano vollständig fallen lassen und die Organisation des Balkangebietes, so wie es in den ursprüngligen Programmen vorgesehen war, an Europa abtreten müsse. General Ignatieff reubte sich gegen diese Auffassung mit derselben Zähigkeit, die Fürst Gortfehatoff einem ähnlichen Verlangen Derby's entgegenseßte, er kam aber schließlich dem Dodd dahin, zuzugeben, daß der Traftat von San Stefano in seiner Totalität nicht aufrecht zu erhalten sei. Ein altes, abgebrauchtes Wort anwendend, erklärte, General Ignatieff sodann, Rußland sei bereit, der österreichisch ungarischen Monarchie ein weißes Blatt Rapier zu reiben, damit sie all ihre Wünsche auf demselben verzeichne. Man sieht, der alte Tiger ist sehr zahm geworden, seitdem er Die Tate des englischen Löwen auf dem Namen fühlt. 30 weiß nun nicht, ob Graf Andrasy sie beeilt hat, das weiße Blatt, das ihm gereicht worden, mit feinen Notaten zu füllen, aber wenn er es gethan, so dürfte das Blatt ziemlich voll werden. Vor Allem erregen jene Puntte des Traktates begreiflichen Anstoß, welche im Westen des Balkan sozusagen ein Kollektiv-protektorat Oesterreich-Ungarns und Rußland inauguriren, so daß jene Gebietstheile außer ihrem eigentlichen Landesherrn gewissermaßen noch ihre Protektoren in Wien und St. Petersburg zu suchen hätten. Wenn in jenen Landestheilen der Einfluß der Pforte zur Herstellung der Ordnung und gebesserter Zustände sich nicht stark genug erweisen sollte, so beansprucht Oesterreich - Ungarn diesen Einfluß für sich ganz allein und es hat sein Verlangen, ihn mit irgend Demand zu theilen, die Pforte ausgenommen, der naturgemäß das erste Wort gebührt. Oesterreich- Ungarn wird ferner sich nicht damit befreunden, daß Bulgarien, und sei es auch ein nachträglich verkürztes Bulgarien, der Machtsphäre Rußlands ne: es wird aber gewiß nicht Darauf verzihtn Fünnen, daß Serbien und Montenegro sich dem österreichische ungarischen Machteinflusse unterordnen und wird wohl unter seinen Umständen zugeben, das Rußland mittelbar oder " unmittelbar dem Küstengebiete der Adria sich nähere. Dies sind nur aus dem Stegreife einzelne Punkte, wie sie, durch den Traktat von San Stefano provozirt, sie Jedermann aufdrängen. Es bleibt noch zu erwähnen, daß dem entschiedenen Auftreten Andraffy’s gegenüber General Fgnatieff sich sehr weich und gefügig zeigt und hiedurch die Ansicht bestätigt, daß Rußland, gedrängt von England, finanziell erschöpft, militärisch Durch den beendeten Feldzug und durch Epidemien ermattet, schließlich sich sehr nachgiebig zeigen und dem Wiener Kabinett gegenüber, in seinen Konzessionen bis an die äußerste Grenze gehen würde.” Ad — Budapest, 31. März. 2 Die zröffchen der ungarischen und österreicischen Regierung in jüngster Zeit gepflogenen Vourparlers haben sich — mie , Hon" meldet — sowohl auf die Ausgleichsdifferenzen, als auf die mit der Orientfrage in Zusammenhang stehenden materiellen Interessen erstrebt. Es scheint, daß auch bei der österreichischen Regierung jene Weberzeugung reift, daß einzelne (z. B. auf das Metroleum bezügliche) Modifikationen am festgestellten Tarife nur als nua zu gewährende Modifikationen möglich sind. Gelingt es, die parlamentarischen Kreise hievon zu überzeugen, so wiel in dieser Hinsicht eine neue Verhandlung stattfinden, wo nicht, so bleibt die ungarische Negierung beim Alten. Auch die mit der Orientfrage in Zusammenhang stehenden Donau-Dampfschifffahrts-, Eisenbahnanschluss, Zol- und Handelsvertrags-Angelegenheiten wurden besprochen und war der Hauptgesichtspunkt der, daß bezüglich des Anschlusses und der Handelsverhältnisse umsere bisherigen Vortheile durch keinerlei Veränderung modifizirt werden, ja sogar realisirt werden. Diese, sowie die auf die Donau, Dampfschifffahrts- und Bolzer- und auf die orientalischen Hollverhältnisse bezüglichen Fragen und Speen faßt der Nat) im Ministerium des Aeußern, Schlegl, in ein Memorandum zusammen, welches nach Innen und Außen das Eubstrat, die Kontur der ferneren Verhandlungen der Regierung sein wird, nut al Vereinbarung, sondern als Repertorium des Materials des Speenaustausches. Wie , Hon" gleichfalls meldet, it zwischen den beiden Negierungen die Vereinbarung getroffen worden, daß der Semlin-Belgrad- Nischer Bahnanschlauf bei der nächstersten günstigen Gelegenheit mit gemeinsamer Kraft und Aufwendung des ganzen Einflusses der Monarchie gesichert werde. Die Nehtstommission des Abgeordnetenhauses hatsgestern und heute die Spezial-Bewethung des Entwurfes über die Unabhängigkeit der midgter fortgefebt. Die Resultate dieser zwei Sihungen lassen sich in Folgenden zusammenfassen : Eine längere Diskussion entspann sich über die Bestimmung, daß das Disziplinarverfahren gegen das Manipulationspersonal der Gerichte nicht mehr vor Die Disziplinargerichte, sondern vor den Justizminister gehör wett sol. Die Majorität der Kommission nahmn diese Bestimmung der Negierungsvorlage an, jedoch mit dem Zusatz, daß die Geltendmachung der Schadenerlagansprüce der betreffenden Beamten mit dem Disziplinarverfahren in seinem Zusammenhange steht. Diese Bestimmung bestrifft übrigens die von den Gerichten dauernd verwendesten Sachverständigen und die Gerichtserekutoren nicht, denn diese bleiben dem Disziplinarverfahren untergeordnet. Der Antrag, daß auch die Grundbuchsführer den Disziplinargerichten untergeordnet bleiben sollen, wurde abgelehnt. Die Mitglieder des Disziplinargerichtes werden nicht, wie Die Negierungsvorlage beantragte, vom Präsidenten des Gerhtshofes ernannt, sondern vom Trenum des Gerichtshofes mit geheimer Abstimmung geswählt werden. — Die Bestimmung der Vorlage, daß der öffentliche Anfläger den betreffenden Richter vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens zur Abgabe einer Heuferung aufzufordern und dieser Nichter sich binnen fünfzehn Tagen im Wege seines Chefs zu Äußern hat, wurde nach längerer Debatte dahin abgeändert, daß der Öffentliche Ankläger den Präsidenten des Gerichtshofes ersuchen kann, den betreffenden Richter zur Abgabe einer Heußerung aufzufordern, und daß es Dem Betreffenden frei steht. Diese Aeußerung binnen fünfzehn Tagen abzugeben ; das Disziplinargericht kann übrigens die Einleitung des Disziplinarverfahrens auch ohne diese vorläufige Einvernehmung verhängen. In einen neuen Paragraphen wurde ausgesprochen, daß das Disziplinargericht das Verfahren wann immer einstellen und eine Geldstrafe auferlegen kann, wenn es sich herausstellt, Daß der Privatkläger seine Klage auf offenbar falsche oder entstellte Daten basirte. — Die Bestimmung der Vorlage, daß das Disziplinar-Appellationsforum eventuell auch ohne Borzladung der Zeugen und Parteien und ohne mündliche Verhandlung blos aus den eingesendeten Akten sein Urtheil schöpfen kürne, wurde dahin abgeändert, daß die Borzladung der Zeugen wegfallen kann, die mindliche Verhandlung aber muß stattfinden. — In einem neuen Barragraphen wurden das Vorgehen gegen Nichter, die in Konkurs gerathen und die Abfertigungsansprüche derselben normitt. & Ministerpräsident Tihea it geflern Abends nach Wien gereist. Sowohl von hiesigen wie von Wiesner Journalen wird Diese Neffe mit Der äußeren Lage und speziell mit Der Beschlußfassung über Die von Ignatieff überbrachten Borschlage in Verbindung gebracht. Weiter wird daran in politischen Kreisen Die Konklusion geknüpft, daß Die endgültige Entscheidung über die russischen Proporitionen noch nicht erfolgt ist. — Der Ministerpräsident kehrt übrigens bereits heute Abends zurück, 094 Mar Die henfige Masntrsttom ryirta HE ri JDie,,Wienethg.««veröffentlicht heute das Uebereinkommen,betreffend die Verlängerung des Bankprovisoriums,welches zwischen dem österreichischen Finanzminister und der Direktion der Nationalsbank abgeschlossen worden ist. T Gesun den politischen Simt bekundet ein Leitartikel,den ein,,rumänischer Patriot«in der Samstagsnummer des Klausenburger«Magyar Pol-— gär««veröffentlichte.Der Verfasser dieses Artikel weist nach daß das autokratische slavische Nußland die politische und nationale Existenz der Rumänen mit den größten Gefahren bedroht. Da Ungarn sich in einer ähnlichen Lage befindet, plaidirt er wärmstens für eine Allianz zwischen Rumänien und Angarıız seiner Ansicht nach haben konstitutionelle Staaten voneinan der nichts zu besorgen, und wenn Der orientalische Krieg die erwähnte Bundesgenossenschaft zur Folge hätte, könnten Ungarn und Rumänien mit viel größesrer Sicherheit der Zukunft entgegensehen. Rumänien möge sich daher aufrichtig bemühen, die Freundschaft Ungarns zu gewinnen. Zur Tagesgeschhcte. Die zwischen dem Grafen Andraffy und Ignatieff in Wien gepflogenen Verhandlungen beschäftigen den Telegraphen immer noch mehr, als jedes andere Ereigniß. Was unser Wiener Korrespondent im heutigen Morgenblatte über den Verlauf und vorläufigen Miterfolg der Verhandlungen gemeldet hat, wird im Wesentlichen von allen Seiten bestätigt. Auch Ignatieff selbst , rufischen Diplomaten fst, „ungewiß“. Und die prah jarsz. dem Korrespondenten eines Wiener Blattes nur vor meiner „Anbahnung“, nicht von einer Verständigung Und selbst die „Norddeutsche Allg. Big." erklärt das Resultat der Mission des „Bolt“ Spricht zwar die Erhartung vollständiger Neutralität Oesterreich-Ungarns während des russ= fisch-englischen Krieges aus, meint Kr sein Preis N Rußlandse das Aufgeben Hand” Des Wiener auswärtigen Amtes bezahlen könnte. · Auch betreffs des Gegenstandes der gepflogenen Verhandlungen werden die Meldungen interessiren. Serbien, Bosnien, die Herzegn Blattes allseits bestätigt;es handelt sich um Abgrenzung der Sphäre des beiderseitigen Einflussesauf der Balkanhalbinsel«Oesterreich-Ungarn«,so schreibt das dem Ballplage nahe stehende „Fremdenblatt”, „verlangt, daß ihn das Net zuerkannt werde, den Westen der Baljan- Halbeinsel seinen Interessen entsprechend zu Organichna, Montenegro und Albanien sind dem russischen Einfluß dadurch zu entziehen, daß sie wirthbfhhaftli und militäris in ein Vertragsverhältniß zu unserer Monarchie treten, die Herzegowina und Albanien betrifft, so müßte es Rußland Oesterreich - Ungarn überlassen, sich dieserhalb mit der Pforte auseinanderzufegen.” Das wäre also die Bhantastil von einem „orientalischen Zollverein” und Militärkonventionen. Az ob Nußland uns ein Net über nichtrussisches Gebiet geben könnte! Es kann uns allenfalls die Macht zugestehen, aber die haben wir ohne das Zugeständniß der Geschlagenen von Blevna und Lewin. Große Hoffnung jegen einzelne Wiener Blätter auf Die Neffe Tipa’s nach der Kaiserstadt. Der P Ministerpräsident „Tann nach der Samstagssdebatte nicht anders, als das einmüthige Berlanzen aller Parteien nach dem Bündnisse mit England fonstativen. Während wir schreiben, liegt noch seine offizielle Nachricht darüber vor, wer zu Derby's Nachfolger designirt ist, 004 an der Ernennung Salisbury's besteht kaum ein Zweifel. Von einigen Seiten wird diese Ernennung als Friedenssymptom geleitet; in Rußland urtheilt man richtiger. Sagt da das „Journal de Gt. Ve=tersbourg“ drohend, Rußland werde nun bewaffnet abwarten, daß man ihm die Früchte seiner Opfer abstreite. Keine Drohung werde die rustische politis ‚bewegen können, sich von denselben loszu jagen. Wie es scheint, ist vorläufig eine englische Kriegserklärung gegen Rußland Do, dat, erden Mas Bosnien, Runmer unmfakt achf Seiten, Ge