Neues Pester Journal, August 1878 (Jahrgang 7, nr. 211-241)

1878-08-01 / nr. 211

»vtI:ngkg.Yk;-211.— wi b f Abonnement: Ganzi. fl. 14, halbj. fl. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. I { I täglid), Das „Neue PBelter Journal“ érjdetnt audh an Montagen. | Redaktion und dniniftration; Leopoldft. Sirhenplak Nr. 2. en 7 BE Die heutige Nummer umsagt nach Seiten. "FU Einzelne Nummern 4 ff. Infernte nach ‚aufliegenden Tnif.. Su Bosnien und der Serzegowang. Budapest, 31. Juli. Es ist eine feltfane Sache um amtliche Stim­­mungsberichte! Soeben erst hat uns die „politische K­orrespondenz” einmal über das andere versichert, daß die Bewohner Bosniens und der Herzegowina fi­ vor Entzügen über die Ossupation kaum zu fassen wissen, und nun berichtet ein Telegramm nach dem anderen von Bolfsbewegungen, welche einen bevorstehenden Widerstand gegen unsere Sol­­daten zur Gewißheit machen.­­Zunächst wollen sich in der Gegend von Mostar­ die Türken zur Ver­­them­­mung des heimischen Bodens zusammenschaaren. Dob in der Herzegowina die Dinge sich ernst ge­staltet, darauf deutet der Mangel an jeglicher Meldung über den Einmarsch der in Dalmatien konzentrirten Truppen und die Verwendung der berittenen Landwehr: C hüten Dalmatien außer­­halb der vaterländischen Grenzen hin — eine Maß­­regel, die nur im Kriegsfalle zu rechtfertigen ist. Sogar die wenig ehrenhafte Hilfe der von Don Ivan Muffich befehligten Insurgenten-Banden sol General Jovanovics nicht verschmähen. Man scheint also einen förmlichen Krieg an den Narentass­iern zu erwarten — wohl weniger gegen die dort spärz­lich gefügten Türken, als gegen die ans Bluthand­­werk gewöhnten Montenegriner und die Griechen aus den Gebieten, deren Annexion Fürst Nikita vergebens erstrebt hat. Nicht minder bedenklich sind die aus der bosnischen Hauptstadt­ eingelangten Meldungen. Cerajewo it in­ den Händen der­ von dem er­­fahrenen Revolutionär Hadschi Loja fanatisirten Vollsmasfen. Die türkischen­ Behörden, weil sie restumpation seinen Widerstand reiften, wollen, sind abgelöst, ausgeplü­ndert, gefangen. Die, Sol- »,­«d­·iten,obwohl ausschließlich Vosnier,haben das Zeughaus vertheidigt, sind jedoch nach blutigen Kämpfe unterlegen. Ein Berjud, den revolutio­­nären Brand nach Banjalufa zu übertragen, 101 ur die türkischen Behörden niedergetreten sein; aber­ sicher it, daß die Bergpfade, welche von Banz alia nach Süden führen, mit­ dem Blute umserer Augend geröthet werden. Der Negen, der­ heute einmeis über Ungarn niederbricht,­ läßt uns die unsäglichen Beschwerdin ahnen, welchen unsere Soldaten auf dem Marsche ausgefegt sind, und die hohe Zahl der Menschen leben, die von Krank­­heiten dahin gerafft werden. Gewiß, die Ois­pas­tionsarmee wird ihr Ziel erreichen; der Wider­­stand­ ungeordneter Haufen gegen fast 100.000 Mann vorzüglich geschulter und bewaffneter Trup­­pen ist Wahnwig, wie solchen nicht der Patriotis­­­mus, nur angeborene Wildheit begreiflichh macht ; aber wenn die Bosniaten,­ mohamedanische wie Hristliche, sich selbst zur Schlachtbant stürzen, so werden sie doch auch manche jungen, Hoffnungs­­vollen Soldaten, manchen Familienvater aus un­­serer Armee das Grab Schaufel. Unser Bolt it unfguldig an dem Blute, das in Strömen fließen wird, die ganze Last der Schuld fällt auf die auswärtige Politik, wider deren Unklugheit und Ungeschie jeder der Tausende von Grabhügeln zeugen wird, welche die trauern­­den Mederlebenden ü­ber den gefallenen Brüdern auf­­werfen. Das Wiener auswärtige Amt hat eine tiedliche Drupation dadurch unmöglich gemacht, daß es nicht den Austausch der Ratifikationen über den Berliner Vertrag abwartete, wonach sich selbst des Scheines eines R Rechtsvorwandes beraubte, und nicht zu einer­ Verständigung mit der Pforte schritt, weil Graf Andrasfy die in Berlin gewährten Rechte des Sultans rundweg negirte. Die hoch anerken­­nenswerthen Verheißungen der anonymen Prokla­­mation­ um die Bosnier mußten nicht nur darum wirrungslos bleiben, weil die Unterschrift und somit jegliche Garantie für die Einhaltung "der Bersprechungen fehlt, sondern auch, weil sie mit den, von keinem mehr bezweifelten wahren Absich­­ten der Wiener Teitenden, Kreise in Widerspruch, stehen. Schlimmer noch, als die Tendenzen, welche am Ballplage verfolgt werden, die Theilung der europäischen Türkei mit Nußland, ist. Die ette von Unmehrheiten, mittelst deren die Wiener Po­­litik ihren Zielen zugestrebt hat. Sehr endlich ist­ die Ueberschreitung der Save duch österreichisch ungarische Truppen­ für die jour­­nalistischen Prätorianer des. Ballplates das Sig­­nal geworden,­ betreffs. der Ossupation Farbe zu benennen. , Selbst die. „Wiener Abendpost“ macht seine Ausnahme. ‚von. Der . etwas. verspätet „gekom: Allein neben diesen etwas ungesich­ten Nachahmungen gibt er, wie gesagt, genug des Cchten, um eine Wanz­­­le­derung Durch diese. Partie der Ausstellung zu einer sehr genußreichen zu machen. Von der Lenabrüde­r her. fommend, gelangen wir zunächst zum ‚marossanischen Bazar..Es ist ein langge­­streckter­ Holz und Riegelbau, mit­ lebhaften Farben bemalt, und­ in maurischem Stil gehalten. Auf eine schlanfsäulige Kolonnade, deren Bögen spihenartige Stuccoverzierungen säumen­, öffnet­ sich: eine Reihe thürloser Läden, die­­ einige Fuß über den Boden er­­höht sind. In jedem­ Laden fit: oder: vielmehr hocht mit unterges­chlagenen Beinen ein Kaufmann. Der ent­­weder durch­ eine Hornbrille mit großen, runden Glä­­sern in einem arabischen Buche lejt oder die Kügel­­chen eines janvelhölzernen Rosentranzes spielend dur­ die Finger gleiten läßt und sie nicht im Mindesten um die Masse, der vorübergehenden Neugierigen , fü­tert. Bleibt jemand­ vor ihm­­ stehen und zeigt Die Absicht, seine Waaren in Augenschein zu nehmen, so weicht er langsam und gemessen einen Artikel nach dem anderen herbei, jedoch ohne ein Mort zu­ jagen und ohne sich aus seiner läsligen Stellung zu erheben. Die Lippen thus er erst auf, wenn­ man ihn nach dem Preise eines Gegenstandes­­ fragt. Seine Waare an­­zupreifen.. scheint ihm unter seiner Würde. Bemilligt man den verlangten Preis, so nimmt er das Geld und macht eine­ leichte, grüßende Handbe­wegung. Findet man denselben, zu theuer, und. geht ohne zu laufen, 10 zeigt er weder Ungeduld, noch Aberger, sondern verfintt gleich wieder in seine frühere, behag­­liche Träumerei. Die Waaren, die er feilbietet, sind mannigfaltigster Art. In der einen Ehe seines Ladens lehnen .elfenbein- , perm­uttere und silberinfrastirte Flinten und reichgearbeitete Säbel, in der anderen stehen große messingene Wassertlüge und Gießböden von hübscher Arbeit, an der mit buntem Rapier beileb­­ten Wand hängen baummollene und nıufjel­nene Schlei­­der, Frauenschleier und Teppiche, auf einem Tische liegen aufgespeichert hohe Getöfe von Notenfranzen, fürwortet, die angeblich übergroße Selbstständigkeit servativen Politik zu entsagen und zur Politik der Revolution — die „Abendpost”­ sagt , bescheiden : „Aktion“ — überzugehen. Diese Aktion sol darin bestehen, Bosnien und die Herzegowina zu annettiren, Serbien und Monte­negro zum Anschlusse an Oesterreiche Ungarn zu zwingen und bei der nähe­sten Theilung der Türkei „die westli­­chen Theile der Balkanländer” zu er­werben. Damit sei fortan das Schwergewicht von den inmeren auf die äußeren Vorgänge über­tragen. Wir wiederholen : Die „Wiener Abendpost”, für, deren jedes Wort die gemeinsame Negierung.. verantwortlich it, sEizzirt also die neue era für unsere Monarchie. Daß die Anner­on Bosniens, die Theilung der Balkanhalbinsel mit Rußland und nichts Auderes Die Absicht des auswärtigen Amtes war, it in diesem­ Blatte immer und immer wies­­der hervorgehoben, doch von Wien aus immer und immer­­ wieder geleugnet worden. Heute wird es einbenannt. Für innere Reformen, für, den Ausbau­ unserer Institutionen sind nicht. Zeit und­­ Kraft mehr, vorhanden ; Alles, was die Bevölkerung der Monarchie hat, und erschwingt,­ sol nach Außen hin geleitet werden, Damit wir. ei­ne verderbliche Er­­­­werbung nach der anderen mit Blutt erlaufen können.­­ »Ak­­ Der Orient anf dem Trocadero. Orig.-Feuill, bez „Neuen Pelter Journal.) Baris, 28. Hut Nicht Coo und Stange’sche Bergnügungszüge, noch ägyptische Daira-Schuldscheine haben Den Zau­­ber zerstören Fennen, Den der Orient auf das Gemüt eines jeden Oczidentalen übt und­ heute noch wie zur Zeit, da man die Wunderländer des Sonnenaufgan­­ges nur aus Scheherezade'3 Märchen, aus Goethe’s Meftöstlichen Divan und aus den Gedichten Rodert’s, Victor Hugo’s und Freiligrath’s Tannte, erregt jedes anschauliche Bild orientalischen Lebens­ und Treibens das tiefe Iinteresse des westeuropäischen Wublistums. Ein Told des Bid wird dem Ausstellungsbesucher am Fuße des Trocaderohügels geboten. Es stehen hier zahlreiche Spezialpavillons, die theils als Verkaufsbuden, theils als Cafes, theils als Ausstellungsräume dienen und der ganzen Gegend eine große Aehnlichkeit mit einer Gasse aus einer levantinnigen S Hafenfront geben. Die an ihren orientalischen Charakter unter dem Einflusse häufiger Berührungen mit den Europäern nur ganz rein erhalten hat, denselben, aber unter einer dünnen Schicht „fränkiigen” Firniffes noch deutlich extrem­en Topt. In der That, alle Theile des romantischen Ge­mäldes, das sich vor unseren Augen entfaltet, sind nicht von gleicher Wahrheit­ und N­aturtreue. Es mi­­­den sich Konventionelle unter die echten Elemente. Wir finden an der Seite des wirklichen Orients aug ein gut Etüd von jenem Orient, der­ und von den Opernmassenbällen und AusstattungssFeerien her bez­­annt ist. Wem wird man zum­ Beispiel weis machen, daß diese junge Dame in Karnevalstracht, die gesu­chte Wantoffel verlauft und sich vergebens bemüht, ihrem unverleugbaren Bariferisch einen fremdartigen Anstrich zu geben, etwas mit dem echten Orient zu thun habe oder daß jene Metalli­aaren, die ein allerdings an identischer Triefe feilhält, nicht die leiblichen Gescwis­­ter jener Camelotte seien, Die wir in Der Arbeitsga­­lerie auf dem Marsfelde haben fabriziren sehen? Parfumbüchschen, Flaschen mit falschem Notenöl, Hals , ändern aus, [einen „Silbermünzen . und­ „ähnlichen charakteristischen Kleinigkeiten, Andere Läden­ enthalten orientalische Einrichtungsfunce, wie perlmutterbejebte Tabourets, ebensolche Kabinets u. s. w., während wo andere dem Handel mit jenen ‚mannigfaltigen Süßig‘ zeiten gewidmet sind, für die Der Orientale eine solche Schwäche hat und die man,in den­ Harems so gut zu bereiten versteht. Da duften stark parfümirte Bonbons­ forten, da lebt das wohlschriedende­ „Rahat-Lufum”, eine weiche Balte aus Honig, Mehl und Nosenwasser. Da fuden Biktazien, Fandirte, Mandeln und eine welche Masse aus gebranntem Zuder und gedabten Nüssen unsere, Begehrlichkeit zu reizen. Die­ Bariferinen snd sprichwörtliche Zedermäuler und gehen auf Zuderwerk 10 gierig wie Fliegen. Die Läden, in welchen Sarails= füßigfeiten feilgeboten werden, erfreuen sich denn auch vor allen anderen eines­ lebhaften Zuspruchs von Ees­­ten der Ausstellungsbesucherinen. Mitten in diesem Bazar­ erhebt­ sich ein großer einstöckiger Bavillon, über dessen Eingang­ die Inschrift „Cafe ‚Concert Marocain“ zu­ lesen ist, eine Inschrift, deren frivoler pariserischer Klang einen grotesken Gegenzug zum phantastisch geschwungenen, stalaftiten= gescmüdten Kielbogen bildet, auf welchem sie sich statt des Koranspruchs breitmacht, den man an ihrem Plage. zu finden erwarten würde. In der Borhalle, in welche man durch das Eingangsthor gelangt, bricht ein brauner Kerl, der dem Eintretenden einen Kranz­­en abnimmt, ehe er ihm gestattet, die Treppe Dinanz zu steigen, Die in Das I­nnere des Etablissements führt. Haben wir diesen Obolus entrichtet, so öffnet ji uns nicht nur die Pforte, sondern wir haben auf Anspruch auf eine beliebige Erfrischung, die wir aus einer ziem­­lich reichhaltigen Liste wählen können. Das Innere­ des marossanischen Cafes wird fur einen einzigen, langgestreckten,­ schmalen Raum gebildet, in dessen­ Mitte ein niedriger Bretterverschlag angebracht ist.­ Auf diesem boden fünf Mufiter. Die auf einer winzi­­gen Fidel, einer Flöte, einem Tamburin und zwei . . . . .

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