Neues Pester Journal, Oktober 1878 (Jahrgang 7, nr. 272-302)

1878-10-01 / nr. 272

CI j \ 1 — VET . Jahrgang. Ar. 272. Eh « ;-X,-.«.- —­­FegvotinementxGanzj.fr.14,hacbj.fr.7, Zieristaxgden1.9ck"tober71878.» ———-k . viertelj. fi. 3.50, monatlid fi. 1.20. a 1 ed Pester Journal, Einzelne Nummern Inferate war aufliegendem € Das „Steve Vester Journal “erscheint täglich, auch an Montagen. O Redastion und Administration:­ ­ Leopoldft. Kirdenplakt Nr. 2. 1 9 19 Neue Krifen? Budapeft, 30. September. 15: Es trifelt wieder. Die Intimen thun sehr einst, die eingeweihten Blätter machen geheim­­nißvolle Andeutungen, die leitenden Minister rei­­sen nach Wien, Zur es hat ganz den Anschein, als gingen wir schwerwiegenden Entscheidungen entgegen. In der Natur der Dinge läge es wohl, daß unsere Regierung " ernst mit sich zu Nathe gehe, ob sie wohl den Stürmen gewachsen sei, die im Reichstage ihrer harren, und ob sie die Ver­­antwortlichkeit für alles Geschehene voll und ganz auf si) nehmen wolle, wir sind aber zu sehr daran gewöhnt,­­ daß das Ministerium Tia Alles, was die Wiener Machthaber beschließen, einfach billigen und für die Durchführung des in Wien Beschloffenen Irishh und Fromm einstehen müsse, als daß wir leichthin geneigt wären, anzunehmen, es sei dem Ministerpräsidenten endlich vor seiner Gott­­ähnlichkeit bange geworden, und er habe sich entschlos­­sen, in rechter Stunde in Wien ernste Vorstellungen über die von Tag zu Tag wachsende Bedenklich­­keit der Situation zu machen. Und dann künnen wir uns auch der Neminiszenzen an die V­ergan­­genheit dieses Kabinets nicht erwehren. So oft Ministerpräsident Tiba vor einer schweren parla­­mentarischen Situation stand, griff er zum Mit­­tel der Demissions-Einreihung, und merkswürdiger­­weise, trug dem dieses Mittel immer­ mehr abge­­nüßt, immer verschliffener wurde, es verfing 0009, und hatte auf geriisse Kreise seine gute Wirkung. Do oft es mit den Ausgleicha:Angelegenheiten ihier ging, so oft Kol. Tia in Wien neue, weitrei­­chende Konzessionen machen mußte, da hieß es, nun sei die Grenze des Annehmbaren erreicht, Mi­­nisterpräsident Tiba werde nunmehr seinen Schritt zurückweichen. Und so oft die Situation derartig zugeseizt wurde, trat auch die Sata Morgana einer ‘­­Kabinetskrise in die Erscheinung. Tage, oft Wo­­c­hen lang wurde die politische Welt auf­­ diese Neise mit dem Luftgebilde einer Demission der Negierung hingehalten, — was in der Regel das Ende vom Liede war, haben wir allesammt er­­fahren. Heute also, heißt es wieder, die Negierung sei nicht geneigt, die Konsequenzen der bosnischen Bolitit auf fi zu nehmen. Im gestrigen Pini­­sterrathe seien diesbezüglich schwerwiegende Beschlüffe gefaßt worden, und die beiden Minister Tiba und M­enchheim seien mit diesen Beschlüsfen zum­ Vor­­trage an Se. Majestät nach Wien gereift. Aus der österreichischen Hauptstadt kommt bereits die tele­­graphische Meldung, im Laufe des heutigen Borz­mittags seien vorerst Baron Wendheim und hierauf Ministerpräsident Tipa in längerer Audienz von St. Majestät empfangen worden. Ein offi­­ziöses Blatt signalisirt das Gerücht, es erifäire be­­reits eine ungarische Ministerkrise, und zwar sei dieselbe in Folge der finanziellen Konsequenzen des bosnischen Feldzuges und insbesondere in Folge der maßlosen, übertriebenen Geldforderungen der miltärischen Kreise ausgebrochen. Von anderer Seite wird betont, unsere Minister würden nun Gelegenheit haben, an allerhöchster Stelle die Schwierigkeiten auseinanderzufegen, welche sich nament­­lich vom finanziellen Standpunkte aus dem ferneren Vorgehen der ungarischen Regierung in den Weg stellen, so lange die Kosten der Ofsu­­pation eine ganz undefinirbare und unkommen­­surable Größe bilden. Namentlich sei es Minister Széll, der vor der­­ Verantwortlichkeit zurück­­kchreht, sich für Leistungen zu engagiren, deren Umfang und Grenzen ihm nur wenigstens an­­nähernd bekannt sind. Diesen Anschauungen habe der Finanzminister im gestrigen Ministerrathe sehr entschiedenen Ausdruck gegeben, und dieselben seien auch von sämmtlichen Mitgliedern des Conseils acceptirt worden. So weit das vorliegende Materiale. Diesen Nachrichten können wir hinzufügen, daß Finanz­minister Széll in Folge allerh. Be­rufung mit dem heutigen Nachtzuge ebenfalls nach Wien gereist sei. Die De­­pesche, die ihn nach Wien berief, kam erst im Laufe des Nachmittags hier an. Auch nach unserer Information ist es thatsächlich der Finanzminister, der den Anstoß dazu gegeben, daß der Stein endli in’s Rollen gerieth, was natürlich nicht so viel bejagen will, daß man ihn in Wien nicht wieder­ zum Stillstande bringen werde. Man versteht sich hierauf in Wien und unsere Minister sind diesbezüglich jeder­williger, couranter Natur. Und zwar hat Finanzminister Széll nicht erst gestern seinen schweren Bedenken über die finanziellen Folgen des bosnischen K­rieges — wohlgemerkt, des Krieges, nit der Ossupation schlechtweg — Ausdruck gegeben, er h­at dies be­­reits zu wiederholten Malen; gegenwärtig sind die von ihm erhobenen Bedenken nur durch Die Nähe der Reihstags - Eröffnung zur akuten Schwierigkeit geworden. Daß die erhobenen Schwierigkeiten in erster Linie vom Finanzminister ausgehen, gibt aus der gesammten Situation ihr spezielles Gepräge. Mit der Okkupation Bosniens hat sich das ungarische Kabinet seinerzeit vollständig einver­­standen erklärt — der Finanzminister ganz so, wie der Ministerpräsident — nur war dazumal von einem bosnischen Feldzuge mit seinen vielfältigen verhängnisvollen Folgen auch nicht im Entferntesten die Rede. Dem Finanzminister, wie dem ganzen ungarischen Kabinet waren eben die Informatio­­nen und Erklärungen des Grafen And­ássy maß­­gebend und dessen verblendeter Optimismus hatte seine Ahnung davon,­ daß die Offupation Bos­­niens mit irgend­welchen nennenswerthen Schwier­­igkeiten verknüpft sein werde. In den gemein­samen Ministerkonferenzen, welche der OOffupation vorangingen, wurden alle finanziellen Details der Oskupation festgestellt. Auf Grund dieser Feststel­­lungen beliefen sich sämmtliche auf Ungarn ent­­fallende Kosten — für jegt und fernerhin — der Oskupation und der darauffolgenden Organisation D­osniens auf 30 bis 31 Millionen Gul­­den, und dies ist auch die Summe, welche Finanz­­minister Széll für die gemeinsame Kriegsleitung zur Verfügung parat hielt. Daß sich aus der Okkupation ein vollständiger Feldzug, ein Krieg in bester Form entwickeln werde, davon hatte Nies­mand eine Ahnung und hiefür wurden natürlicher Weise vom Finanzminister Szell auch keine finanz­­iellen Verfügungen getroffen. Nunmehr sind die 31 Millionen bis auf den letten Helfer veraus­­gabt; die Kriegswaffe erhebt immer neue Anfor­­derungen, die Rerspektive der weiteren Ausgaben ist geradezu unabsehbar , woher das Geld neh­­men bei unseren deroutirten Finanzen? Das braucht wohl nicht erst ansprüchlich hervorgehoben zu werden, daß das Nothihildkonsortium ganz und gar nicht gewillt sei, seine Millionen für das bosnische Abenteuer dem ungarischen Staatsimage zur Verfügung zu stellen. Die Rothi­ildgruppe leiht­ Geld her, um die ungarischen Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen; sie hat aber selbstver­­ständlich nicht die geringste Luft, mit ihren Millio­­nen herzuhalten, um die Finanzen des ungarischen Staates noch mehr zu deroutiren. Von einer bereits einftirenden Srife Tan unter solchen Umständen wohl nur von Denen ge­­sprochen werden, die mit derartigen Webtertreibun­­gen für das Ministerium Stimmung machen wol­­len. Vorläufig dreht es sich blos darum, daß unsere Regierung über die eigene Situation Klarheit ge­winnen will. Unser Finanzminister will wissen, wofür er aufzukommen, das Kabinet will wissen, wofür es einzustehen hat. Denn nicht ‚blos über die finanziellen Folgen des mit „leichtem Herzen” begonnenen bosnischen Abenteuer herrscht voll­: ständiges Dunkel, aug bezüglich der staata — Bom Nafionaftheater. (Orig.-Feuill. des „Neuen Pefter Journal") Budapeft, 30. September. Noch eine kurze Weile und die ersten zwei Mo­­nate der Herbstsaison sind vorüber. Trogdem willen selbst die fleißigsten Theaterbesucher erst von wenigen wirklich vollen Häusern zu erzählen, ja zumeist sind Bat­terre und Zogen leer, oder­ von wohlwollenden Gratie­­besuchern betet. Diese traurige Erscheinung, welche dann am Jahresschluffe in einem geradezu verblüffenden Defizit Anspruch findet,­­ fordert jeden aufrichtigen Freund des Nationaltheaters zum Nachdenken heraus, muß jeden für das Gedeihen und Aufblühen dieses ersten Kunstinstitutes warmfühlenden P­atrioten mit­ tiefer Besorgung erfüllen. Es scheint uns deshalb dringend geboten, nach den Ursachen des offenbaren Mißerfolges zu forschen und frisch von der Leber weg über die im System selbst liegenden Fehler und auszu­­sprechen. ·« Wir wiederholen es,der Hauptfehler liegt in dem bei der Leitung des Theaters befolgten System­. Diesmal sind nämlich keine so eklatanten­ Mißbräuche zu konstativen,wie vor Jahren,als die Gerüchte über eine unerhörte Wirthschaft das ganze Land erfüllten und eine­ Untersuchung provozirten,die selig im Herrn entschlafen ist,ohne«daß man je über die Ergebnisse derselben irgendetwas erfahren hätte Aber von einer Theaterleitung fordert man mehr als die bloße Ver­­­meidung von Mißbräuchen und von einem Theater­­..direktor gilt Lessings Wort,,,daß man verzweifelt w­­­is»nig sei,­wenn man weiter nichts ist als ehrlich­»Wir sprechen gar nicht von hervorragender Invention, von Schöpferischer Kraft, wir bescheiden uns mit einfacher Gefhhdlichkeit, mit der Noutine besserer Art. Aber selbst diese vermissen wir schmerzlich, insofern sie auf das Heranziehen des Publikums, auf die fatt­sche Aner­­kennung der Unentbehrlicheit des Theaters angewandt werden müßte. Sast jedes Jahr begeben sich die Leiter des Dramas und der Oper nach Paris, und doch nie wenig merkt man die dem Nationaltheater an. Es scheint, daß Die Herren nur die Agenturen aufsuchen, vielleicht auch eine und die andere Vorstellung mit­­­ ansehen, aber für das bewunderungswürdige Talent­­ der dortigen Direktoren, für jedes feinste Theater­­ereigniß das höchafte Interesse des ganzen P­ublik­ums zu ermeden, seinen Sinn und sein Verständnis haben. Wie hätten sie ihnen sonst nit schon längst die ern­­ahrten Handmwerl­griffe abgelernt, wie hätten sie nit schon selbst die unfehlbaren Mittel und Mittel­­chen angewandt, die in Theaterlachen als Propaganda von eben solcher Wichtigkeit sind, wie feuerzüngige Apostel zur Verbreitung einer neuen Religion? Wie meisterhaft versteht man doch in Paris, ja selbst in Wien diese mise-en-scene außerhalb der Bühne. Soll eine Novität zur­­ gelangen, so e­rfuh­ren schon Monate früher Mittheilungen aller Art in den Blättern. Bald eine Pilanterie über den Berfaster, bald eine verschleierte Andeutung über den interessan­­ten Stoff, dann­ kommen die feenhaften Dekorationen, die Kostüme und endlich gar die Bejehung der Haupt­­rollen. Das P­ublik­um macht gewiissermaßen all diese Vorbereitungen, jede Phase Derselben mit, interessirt & hat Und die Direktion des Nationaltheaters ? Die geht gemächlich ihren Weg, haut nicht wag rechts und nicht nach links und kümmert sich blutwenig um das Publik­um. a, er scheint ihr jeder Sinn für die Deffentlichkeit abzugeben, so wenig Fühlung hat sie mit derselben. Kostet es ihr ja einen schweren Ent­­igruß, den Blättern auch nur das Repertoire für jede Woche im Vorhinein zuzufchiden. Someit ver­­gaß sie sich noch niemals, daß sie über Vorbereitun­­gen zur Aufführung von Novitäten, über neue Rollen­­bewegungen, kurz über jedes Ereigniß, für welches die besondere Aufmerksamkeit des Publik­ums unwachge­­rufen werden sollte, irgend­welche Mittheilungen in die Oeffentlichkeit gelangen ließ. Das Amtsgeheimniß wird strenge gewahrt und wirklich­­ wissen in vielen Fällen selbst die zünftigen Theaterkritiker von wichi­gen Bühnen-Ereignissen nichts und so erfährt auch das Publikum nichts davon ; es bleibt Geheimniß einer kleinen Stillen Gemeinde. Man glaube nicht, es seien dies Zappalien, Dinge ohne inneren Werth, ohne Gewicht und Wid­ fach .. jé «· | BEE” Die heutige Nummer umfaßt vierzehn Heften, ag - ,

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