Neues Pester Journal, Oktober 1878 (Jahrgang 7, nr. 272-302)

1878-10-01 / nr. 272

Henes Pelter Journale 1. Oktober 1878,­­ Budapest, Dienstag rechtlichen Seite der seit Jahren geplanten 30ee tappt man noch ganz im Finstern. Nach langen Zögern hat aber das Kabinet endlich eingesehen, daß­ auf die taatsrechtliche Seite der Frage binnen em iden den beiden Kabineten hätte werden künnen, bis auf Weiteres in der Schwebe. Zuvörderst sol das „Neuland“ nur militärisch organisirt, und in irgend­einer Weise verwaltet werden, das Weitere wird sich schon finden. Derartige Kleinigz­­eiten machen frei nach Adminiftration Foftet nicht Sahren wird man ins Reine gebracht werden­üffe. Bei den ersten Feststellungen Genie des Grafen Andras in einigem Sträuben, ein; aug­ ihnen be­­‚seitigen, daß man sie vertagte. Warum­ sollten sie sich auf die Köpfe ihrer Nachfolger zerbrechen ? Das neugewonnene Land soll vorerst 10 bis 15 Jahre militärisch dann ließ man Seite der Frage in suspenso. Mit dem niefen Leichtsinne, der das ganze Vorgehen fig’s charakterisirt, ließ er dieses Detail der­e, das leicht zum Stein, dem des Anstoßes zich­­erst, gewonnen. Hierauf gingen auf unsere Mini­­eine Frage, die­­ leicht zu großen Miß­­helligkeiten führen konnte, einfach­ dadurch zu bes verwaltet werden, eine derartige viel; nach 10 bis 15 sehen, was sich wei­­ter machen läßt. Nebenbei wurden noch brillante Aussichten auf eine ganze Reihe von Gründungen, ‚Eisenbahnbauten 2c. diverser Gesellschaften eröffnet, die der ganzen Sache an den wirthschaftlichen geben werden. AN das hat sich nun als leeres Geflunfer erwiesen.­ Die ungarische Regie: die Welterzeugung gewonnen, daß das Jung Parlament ganz besonders über die staats-­ m rechtliche Seite der Frage reinen Wein ver­­­langen werde. Was will man mit Bosnien? Will man es, blos ottupiren, ader soll es annottirt ! ‚werden? Für den Fall der Ofsupation, was 100 die Verwaltung Bosniens sein, wer soll die Kosten ‚tragen und wem ist.die „Administration” verant­­wortlich ? Für den Fall der Annexion, wohin ge­­­hört Bosnien und wer trägt die Kosten der even­­tuellen, unter allen Umständen nothunwendigen In­­vestitionen ? Al dies sind Fragen, mit denen sich nicht blos die Delegationen, sondern auch­ die Par­­lamente eingehend besräftigen werden und bezüg­­lich deren es nicht gehen wird, die Legislative mit leeren Redensarten hinzuhalten. Die Zeit der hoh­­len P­­raten ist unwiderruflich dahin ; diese Neber­­zeugung hat Ministerpräsident Tiba mit sich nach Mien geführt, so leicht wird sich das Parlament nicht wieder ausführen lassen. Und alle diese Fra­­gen stehen auch mit der finanziellen Seite der An­­gelegenheit in unlösbarem­­ Zusammenhange und alle insgesammt drängen sie auf Antwort. Diese Antwort nun soll in Wien gesucht werden. Möglich ist es immerhin, daß auf der Suche nach dieser Antwort ein oder das andere P­ortefeuille in Verlust­ gerathen könnte, aber auf­richtig gestanden, wir glauben nicht daran. Budapest, 30. September. * Wir haben für sich auf Grund einer Privat­­korrespondenz aus Sarajewo interessante, Details zur Bargeschichte der Ostupation veröffentlicht, Details,­­ aus melden hervorging, daß FZM. Baron Philippo­­vics [chon längst zum Befehlshaber der Offupations­­armee ernannt war, als noch Andräfiy und Tia feier­­lich jede Absicht der Offupation leugneten, und daß der General eine zur schnellen und möglichst unbluti­­gen Ausführung seiner Aufgabe genügende Truppen­­ahl gefordert, lettere aber auf Grund der Erinner­­ungen des auswärtigen Amtes nicht erhalten hat, daß Jonach Graf Andrasfy und dessen Konsule die oberste Schuld an einzelnen Unfällen und am Opfer von Tausenden von Menschenleben tragen. Diese Jakta finden ihre Bestätigung in einer „auf Grund authen­­tischer Mittheilungen“ veröffentlichten Darlegung, der „Bohemia“, welche Darlegung aus Prag bettri­tt, also jedenfalls von einer, dem General Philippovics­en Seite kommt. Es heißt in Der , Boh­emia" : Nach dem Rücktritte des FZM. Freiherrn v. Molliz wary von dem Besten eines Kommandirenden Generals in Agram, also schon im vorigen Jahre, wurde der Kommandirende in Prag, 3397. 301. Freiherr v. Philippovics, nach Wien berufen­, da man ihm den Posten in Agram zugedacht hatte. FZM. Vof. Philippo­­vics brachte nun in der Audienz bei Sr. Majestät dem Kaiser die unterthänige Bitte vor, diesen Administrativ­­posten,, dem er sie durchaus nicht gewachsen fühle, in andere Hände zu legen. Bei derselben Audienz (vor einem Jahre) war es, wo FTZM. 301. Treih. v. Philippovics für den Fall einer bosnische herzegowinischen Okkupation zum Oberkommandanten der entsprechenden Rejeungs­­truppen designirt wurde. Den Posten in Agram erhielt sein Bruder FZM. Franz Freiherr v. Philippovics. 3397. Soseph:». Philippovics behielt nach jener, bedeutungsvollen Audienz die Eventualität einer Ossupation fest im Auge; in Prag begannen Vorarbeiten hiefür und der präsumz­­tive Generalstabschef des Feldzeugmeisters, Oberst Leonis das Hopp, verweilte (wie man sich erinnern wird) fon damals wiederholt in Prag. Feldzeugmeister Joseph v. Philippovics sandte mehrere Memoires ein, in denen seine Ansichten über die Offupation und über die nöthigen Mittel zur Durchführung derselben niedergelegt­ waren. Thatsache ist es, daß er von Borneherein das­inimum der erforderlichen Offupa­­tionstruppen mit sechs Dipifi­n beziffert. Ü­ber im außenwärtigen e­ine Amt glaubte man aus Konsularberichten auf eine eminent friedliche Durchfüh­rung der Mission schließen zu dürfen und hielt z­wei D­ivisionen für Bosnien, eine für die Herzegowina für voll­kommen außereichend Mit Rüdjigt auf die gegentheiligen Vorschläge des FZM. Joseph Philippovics wurde auch einen Augendlich lang an eine Ernennung des 39. Franz Philippovics gedacht. Die förmliche Ablehnung Seitens des nunmehrigen Armee - Komman­­danten aber lag niemals vor, wie ihm ja auch Kurz darf auf das Kommando definitiv übertragen, die ihm unter­­stellten Truppen um eine Division vermehrt und eine Division auf erhöhtem Friedensstande in Kroatien und Slowenien aufgestellt­ wurde. Eine vom deutschen Generalfonsul in Serajemo, Dr. Frommelt, inspirirte Korrespondenz legt Dar, daß durch die — vom Wiener auswärtigen Amte anbe­­fohlene — vorzeitige Veröffentlichung der Ossupations- Absicht (hon am 3. Juli, also ehe der Kongreß das Mandat ertheilt hatte) Seitens des Generalkonsuls Waslitich die Aufregung in Bosnien provozirt und die Organisation des Widerstandes ermöglicht wurde, daß die türkischen Behörden, entgegen den Behauptungen des Herrn Waflitih, ehrlich ihre Pflicht erfüllt haben , daß der österreichisch - ungarische Generalfonsul, allen Warnungen seiner Kollegen zum Trog, die herauf­­stehenden Wettermaffen nicht sehen wollte, der Dra­­goman des italienischen Konsulats die Volksmassen öffentlich zum Widerstande aufregte, und daß während der Dauer der anarchischen Zustände — wie auch Herr Waflıtid) Tonstatirt hat — sein einziger Aft der Gewalt, sein Bergehen wider das Eigenthum vorges­­ommen, und diese Sicherheit von Leben und Ver­­mögen vornehmlich Hadidi Loja zu danken ist.­­ Das bekannte Urtheil der Sl Were­gion des Verwaltungsausschusses des Pester Komitates in der Angelegenheit des Bizegespans Michael Id­­váry wurde heute authentizirt. Borher maßte Die aus Organen der Regierung bestehende Kommissionsmajo­­rität sich selbst der Mühe unterziehen, die Motivirung ihres Urtheils auszuarbeiten, denn der Obernotar Slreg, dem der Obergespan die Ausarbeitung der Motivirung zugedacht hatte, gab Die Erklärung ab, er sei nicht im Stande, das bekannte Urtheil, welches auszusprechen der Majorität beliebte, aus dem Wort­­laute und Geiste des Geieges zu motiviren. Die Ma­­jorität ging also selbst an Die Vormuhirung der Motie­­irung, in welcher sie auß den §§. 16 und 58 des 6.9. 1870: 42 den Nachwweis zu führen bemüht ist, daß der Vizegespan verpflichtet gewesen wäre, die fragliche Ministerialverordnung sofort durchzuführen. (In­ welcher Weise die Regierung jene Paragraphe deutete, um ebenfalls zu dieser Schlußfolgerung zu gelangen, ist sattsam bekannt ; sie ignorirt nämlich ab­­sichtlich, Daß es im Gefege heißt „polizeiliche Verfül­sung“ und fragt sichh blos auf das Wort „Verfügung”.) Durch die nicht sofort vorgenommene Vollstrebung der Verordnung habe sich der Bizegespan, To fett Die Mo­­tivirung des Weiteren auseinander, eine Amtsversäum­­niß zu Schulden kommen lassen und deshalb habe die Majorität auf die Ertheilung einer Rüge ernennen müssen. Erschwerend sei der Umstand, daß durch Die vom Vizegespan verursachte Verzögerung die Verpfle­­gung der Truppen gefährdet wurde; als mildernder Umstand dagegen sei er zu betrachten. Daß der Vizes­gespan nicht direkt Die Beistellung der Borspannzfuh­­ren verweigerte, sondern in Folge einer irrigen Inters­pretation des Gefetes die Verordnung der Kongrega­­tion vorlegte. — Nach diesem Urtheile könnte Brzegez Ioan Földváry die „Rüge“ auf fi beruhen las­­sen und einfach weiter im Amte bleiben; er will je­­doch, wie es heißt, gegen dieses Urtheil an den Minister des Innern appelliren und wenn dieser das Urtheil aufrecht erhalten sollte, seine Demillion geben. Wenn diese Nachricht begründet ist, so wird Das Pester Rosa­mitat bald einen neuen Bizegespan zu wählen haben, denn es ist kaum denkbar, daß Herr v. Tiba das Ur­­teil seiner Organe nit aufrecht halten werde, unbedingt Seine Skrupel, hagte Firniß es, hat Die Okkupation Bosniens. Imwornit ist schon am vorigen Freitag von dem 23. Reserveregiment belegt worden, und am Sams­­tag ist der Stab des vierten Armeekorps dort einge­­rückt. Wie es scheint, sind so ziemlich alle in der Boljaz vina kümpfenden Bosniaten nach Serbien übergetreten — wenigstens versichert Der freilich höchst unzuvers­lässige Belgrader Korrespondent der „Times“, daß bis zum legten Donnerstag 21.000 Insurgenten die ser­­bische Grenze, zumeist bei Losnica, 4 Meilen südlich von Serajemo, überschritten hatten. Von den Opera­­tionen der ersten Divsion gegen Prijegrad und von Operationen nach Gorazda und Foca (Bosnisch-Italien,­­ wie diese Gegend zumeilen genannt wird) verlautet­ noch nichts. Dieser Winkel Bosniens, sowie ein schma­­­ler Streifen Der Herzegowina an der montenegrinis­chen Grenze (Bilet-Metofia) muß noch bewältigt wer­­den, ehe die Ossupation für vollendet erklärt werden kann. Dazu werden hoffentlich nur Märsche, seine Kämpfe erforderlich sein. Freilich, die Entwaffnung, die Unterbrücung des Guerillakrieges, also die voll­­ständige Bazifikation wirl noch einige Zeit erfordern. . Antigfeit, aj denn sie sind für eine Theaterleitung geradez zu Lebensbedingung, machen die Hälfte des Erfolges aus. Sie fallen um so schwerer in’s Gewicht, als unsere Direktion überdies eine sehr unglückliche Hand bei der Wahl der Stüde hat. Oder man man es anders nennen, wenn man daran­ denkt, daß von allen seit Beginn der Saison aufgeführten Novitäten seine einzige einen wirklichen Erfolg aufzumweifen hate? Aber es konnte au) gar nicht andere kommen! Barock’s Tendenz-Tragödie „Das besiegte Rom“ hatte in Paris Erfolg, weil dort das Publikum aus jeder Zeile die Anspielungen auf das Gescich Sranzreihe heraus­­führte und in dem Dichter einen beredten, Anwalt der eigenen Sage fand. Mad Budapest verjobt, war das Stück auf den inneren poetischen Werth , auf Die dra­­matische Wirksamk­eit allein angewiesen und da es mit diesen Haupterfordernissen ziemlich schwach versehen ist, konnte der Erfolg kein bedeutender sein. Ebenso rer Sultad­os erwies sich die Wiederaufführung von Corneil­­. 108 „Eid“. Besäßen wir noch großangelegte tragische Mimen, wäre die Fähigkeit für die Darstellung der Tragödie von großem Stile unseren Schauspielern nicht längst abhanden gekommen, so hätten vielleicht Die schönen, oft hoheitsvollen Berfe des französischen Flate fischen Dichters noch zu zünden vermocht, da aber die Darstellung nir über das Ma des Ge­wöhnlien hinausging und das Bublitum sich für die altcastilianis­chen Begriffe von Ehre und Genugthuung nicht mehr zu erwärmen vermag, mußte das Stück fast lassen. Oder hätte vielleicht das langweilige, geradezu anfän­­gerisch aufgebaute Zuftspiel "Le nid des autres" (Im­ fremden Nette) Die Scharte auslegen sollen ? Es ging Damit noch weit schlimmer, ala mit den beiden ans deren und es hat noch größeren materiellen Schaden angerichtet, ala diese. Es ist nämlich eine durch That­­ud geschaffene allgemeine Welterzeugung, da man im Nationaltheater nur an Luftspielabenden jenen wohl­­thuenden Genuß finden kann, den eine annähernd voll­­kommene künstlerische Leistung bietet. Das Publikum besucht denn auch­ die Luftspiel-Vorstellungen weit öfter und besser als die anderen Dramenabende. Findet es nun einmal auch Die Lustspiele langweilig, wie dies bei der famosen zulegt genannten Novität der Fall war, dann wird es fi) den Theaterbesuch gänzlich ab­­gewöhnen. Die Bühne bringt Vieles aus Dem Reiche der Täuschung, aber sie soll es untersrüst von jenem Herz und Geist gefangennehmenden Zauber thun, der uns spielend über die größten Schwierigkeiten hinwegträgt. Dies vermag aber ein langweilige Grad durchaus nicht, ja, ein solches gibt Veranlassung zum Nachpden­­sen über gemeiste Dinge, die man sonst aus Höflich­­keitsrücksichten nicht gern laut bespricht. Und dad) trägt es wesentlich zur Paralysirung der poetischen Täuschung, ja, geradezu zur Entnüchterung des Bus bliftums bei, wenn die vom Autor oft sehr [darf ges zogene Grenze zwischen buftiger, liebreigender Jugend und den sogenannten „besten” Jahren nicht aug in der Darstellung Ausdruck gemennt, wenn die zarten Ge­fühle und Empfindungen im Munde der Darstellerin nicht glaubwürdig erscheinen. Wären wir nicht schmade, sündhafte Menschen, so künnten wir uns leichter für die absolute Kunst ohne Rücksicht auf den Künstler be­­geistern, da wir uns aber im Theater nicht gern frode­­nen Abstraktionen hingeben, ist Die Wahrung der poet­iiischen Täuschung auch in dieser Hinsight im Menge ger Demgemäß werden auf heute von Wien aus die von dort angeregten Hoffnungen auf bal­­dige Heimkehr eines Theiles der Ossu­­pationstruppen starf abgedämpft­es sei zwar, so wird­ uns gesagt, der 98 un­d, auch die Hoffnung auf Rückberufung vorhanden, seineswegs boten und er wäre Aufgabe der Direktion, gegenüber einigen am Nationaltheater fungirenden Damen mit zortfühlender Hand jene Uebergänge in der Nollen­­bewegung vorzubereiten, welche leider bereits dringend nothunwendig geworden sind. Wir sind Darauf gefaßt, Daß man uns den Borz mwurf machen werde, eigentlich sei ja Die Oper an dem großen Defizit des Nationaltheater schuld, während mir so viel an der Leitung des Drama’3 ausseßen. Der Vorwurf ist berechtigt, aber wenn wir behaupten, das Drama sei nicht gut geleitet, so haben wir Damit d­urdha "aus noch nicht erklärt, daß es um Die Oper nicht noch weit schlechter bestellt es. Und dies ist in der That der Fall. So­­ielerlei wäre hier zu tadeln, daß wir kaum willen, womit wir eigentlich beginnen sollen. Die Sache gestaltet sich Thon deshalb weit schlimmer, weil dem gegenwärtigen Zeiter der Oper nicht nur die nöthige Routine, sondern auch die für seine Stellung und bedingt erforderlichen hohen musikalischen Kenntnisse abgehen. Ein tüchtiger, ja sogar vortrefflicher Sänger it noch immer fein gebildeter Musiker — ein solcher aber muß der Operndirigent sein. Wie will er, um von der Beurtheilung ganzer Werte zu sch­weigen, auch nur die Nollenvertheilung vornehmen­? Da muß es dann­ zu fast unglaublichen Absonderlichkeiten kommen, wie z. B. die Bewegung der „Venus“ im „Tannhäuser” mit Frau Maleczty, deren zarte lyrische Stimme in dramatischen Rollen forsch­t und untergraben werden muß. Geradezu ein Attentat an derselben Oper, ist es­ aber, wenn Frau Tanner die Rolle der „Elisabeth“ zugetheilt erhält und man diese Teufsche, vom Zauber des lyrischen Gesanges getragene Gestalt von einer Sängerin dritten Ranger mit unsympathischer 7­b­b ű N _

Next