Neues Pester Journal, Dezember 1878 (Jahrgang 7, nr. 333-362)

1878-12-01 / nr. 333

vqs-—’sq" -Vjt·1.zapt«gang.gc»t.-333, W---.-.—.-—,.—— Libottnetnenthanzj.fl.14,halbj.fl.7, viertelj. fl. 3.50, monatlid) fl. 1.20. Das „Neue Pelzer Journal“ täglich, and­ an Montagen, erschemt | Nebastian und Apatin Leopold­, Kirchenplak Nr. 2. Einzelne Rummerna Tt 3uferate nach aufliegendem En­i­ ttration ITT DEE” Morgen (Montag) Früh erscheint anser Blatt wie gewöhnlich. Andrásly’s Expose. Budapest, 30. November. „Wenn man’s so hört, möcht’s Teidlich schei­­nen. Steht aber doch schief darum.” Das heute von Minister des Auswärtigen im Budgetaus­­schusse der österreichischen Delegation vorgetragene Grooje über die Orientpolitik der Negierung hat gar nichts von der Art des Grafen Andraffy, nichts von den in allen Farben des Negenbogens schil­lernden Bhrajen-Seifenblasen, nichts von Der ver­legenden Gruffisance, dem Unfehlbarkeits:Wahne und all jenen Ingredienzien, durch welche andere aus demselben Munde gekommene Neden so viel böses Blut erzeugt haben. Die Auseinanderlegung is Shit in­ der­ Form, jeden Wortprinf­ vermei­­dend, sie it logisch gegliedert, will nicht überrum­­peln, sondern überzeugen. Freilich kann: an der die gezwinnendfte Bescheidenheit der Vertheidigung eine verfehlte Polität nicht gerechtfertigt werden. Ein Blick aus den Fenstern des Geibungssaales Der österreichiigen Delegation genügt, die H­infälligkeit aller für die Okkupation aufmarschrten Argu­­mente darzuthun. An dem Akademie-Gebäude vor:­über fließt Die Donau und der vaterländische Strom ist in Folge der Mißgriffe unseres aus­­wärtigen Amtes für unsere Monarchie gleich einem jener Karstflüsse geworden, die plößlich im boden­­losen Abgründen verschwinden. Bon Orfova ab ist die Donau in russischer Gewalt. An dieser trost­­losen, Doch unumstößlichen Thatsache­ scheitert jeder­­ Versuch, die Besitit Andrasiy’s zu rechtfertigen oder auch nur zu entsc­huldigen. Das Erpójé sucht vorerst nachzuweisen,­ daß die Ofsupation nir das Ziel der Wiener aus­­wärtigen Bolitit, sondern für lettere eine Not­­­wendigkeit gewesen i­. Oesterreich-Ungarn, 10 sagt es, habe niemals nach dem Besitz Bos­­niens und der Herzegowina gestrebt und sich dieser Provinzen erst bemäctigt, als die Türkei zu deren Festhaltung unfähig geworden war. Dabei werden die Agitationen einzelner unserer Konsule in Bos­­nien — wir brauchen nur an Theodorovics zu erinnern — und die Machenschaften der Rodich und Jovanovics verschwiegen. Darüber braucht nur mehr diskutiert zu­ werden: einflußreiche Ele­­mente in Oesterreichs U­ngarn haben die An­exion D­osniens schon vor Ausbruch der orientalischen in Krise und dann während­­ derselben erstrebt. Selbst wenn Graf Andraffy nicht diesen Kreisen angehört hätte, so würde er nur frei von Schuld und Fehle sein, denn es wäre seine Aufgabe gewesen, diesen Agitatoren und Minitern in Zara, Wien und Agram das Handwerk zu legen. Auch zeugt es nicht von staatsmännlicher­­ Größe, daß eine Maß­­nahme, welche — angeblich — nicht das Ziel der Wiener Politik gewesen sei, für leßtere zur Noth­­wendigkeit werden konnte. Der Mensch siebt nicht nach dem Tode und muß. Do. sterben. — Die Be­­weisführung des Groojes zwingt dazu, die Ofsu­­ßation mit dem­­ Tode zu vergleichen, denn nur dieser it unabwendbar. Ein wahrer Staatsmann beherrscht die Ereignisse, nur ein Schwächling wird von ihnen gezwungen. Wollte Graf Andrasfy nicht offupiren, so durfte er nur Zustände heranreifen lassen, welche die Ofsupation unvermeidlich machten. Er durfte nicht dulden, daß die herzegowinische und später­ die bosnische Insurrektion ihre Operations­­basen, Arsenale, Magazine und Notrutendepots auf österreichische ungarischen Boden etablirte, daß Ser­­bien und Montenegro ruc­hlos den Krieg vom Naune brachen. Er durfte nicht in Neigstadt die Auslieferung Rumänisch Bessarabiens an Ruß­­land zugestehen, eine Konzession, welche die Zusimmung zum russischen Eroberungskriege in sic [hleß. Er durfte nicht den Hafen von Klek Schließen, nicht den, wie er heute selbst gestand, „zu weit gehen, den „Besschlüssen der Konstantinopler Konferenz zu­ stimmmen, denn Durch das Votum des Grafen Zichy wurde nicht die S Kriegsluft der Pforte gedämpft, wohl aber das Recht, die Ehre der Türkei verlegt und so der Krieg unvermeidlich gemacht. Graf Anz­drasfy Durfte, wenn Die­­ Okkupation nicht sein Ziel, sein ausschließliches Ziel war, welchen er Alles, auch die Interessen der Monarchie opferte er durfte nicht die Donaupassage des Russen­ dulden, welche Baffage er durch ein ernstes Wort hindern konnte, nicht die Neutralität "in der für Rußland vortheilhaftesten, gegen die Türkei _ feindseligsten Reife handhaben, und wenn er­ einmal nach dem­­­ Frieden von San Stefano nicht Die ungeheuere ‚Machtausdehnung Rußlands Hindern konnte, so durfte er nir über die im englisheruffischen Kon­­kordate ftipulicten Zugeständnisse hinaus die An­­schmiedung Sophia’s an Bulgarien durchlegen. Gr Dani jeg ni­eb­e mit der DVhyer: macht der Pforte zur Beherrscun­g der Dissupation entschuldigen, denn er hat alles Möglichke­iethban, diese Ohbnmacht und diese Nothwendigkeit herbeizuführen. Aber hat er, sie denn herbeigeführt, sind den, wie er behauptet, Diese Ohnmacht und Diese Nothwendigkeit wirklich vorhanden? Wir glauben: Nein. Die Berichte des Generalkonsuls Wassitich beweiset, ‚daß der bosnische Aufstand vor Beginn des Einmarsches unserer Truppen, selbst als die Pforte niedergeworfen­ war und Rußland das Knie auf ihre röchelnde Brust stemmte, erlorchen war. Die sechstausend Verwundete und Todte unserer Armee zeugen dafür, daß die Türkei, und wenn sie von ihren 400.000 Soldaten seinen einzigen , ent­ fenden­­­önnte, jederzeit Bosnien, gegen Serben und Montenegriner zu zwingen vermag. Aus­gesichts dieser Thatjfadhe sind alle vom Grafen Andraffy für die Diff­­ation ins Feld geführten Gründe hinfällig, denn die ganze versuchte Beweis­­führung ruht auf der falschen V­orausseßung von der Unmöglichkeit, die Herrschaft der Pforte in Bosnien aufrecht zu erhalten. Wir werden einzelne dieser Gründe später in ihrer Nichtigkeit darthin — heute anweisen wir nur auf das Plaidoyer zu Gunsten einer von Serbien und Montenegro unabhängigen also der Eisenbahn Wien-Novis Han­delsstraße, bazar, Bi, Hít die Osfupation nicht zu rechtfertigen, so ist die­ Diskussion­ über den bestgeeigneten Zeit­punkt von rein theoretischem Weiche. Entgegen den Behauptungen des Weinifters liegt Kar, daß der­ gewählte Zeitpunkt der allerungünstigste war. Hätten wir beim Beginne der russischen Invasion offupirt, so hätten wieder Pforte unschäsbare Hilfe geleistet, 40.000 tiffische Soldaten für Plevna frei gemacht, alle Blutopfer gespart und das Uns heil von San Stefano und Berlin vermieden. Hätten wir den Ginmarsch bis zu einer Ver­ü­n­­digung mit der Pforte verschoben, so würden nicht Zausende umm­erer Soldaten in bosnischer Erde modern. Und was endlich die dritte Frage, die finanzielle betrifft, so kann die angeblich geübte Sparsamkeit nir in Betracht kommen, da jeder Gulden unflug und­ ımgerecht verwendet worden. Kurz, das Exrpose mildert die Schuld des Grafen Andrasfy, die über Oesterreich-Ungarn heraufbeschworenen Gefahren, die Be­denklichkeit der Ofsupation um sein Gran, und am wenigsten Bosniens, mit der Nothwendigkeits rechtfertigt es die Thatsache, daß die Ofsupation ne Die heutige Nummer umfaßt zwanzig Seiten. Wiener Brief. DOrig.-Fenill. de „Neuen Befter Son­nal“.)­ ­ Eonteils unserer diplomatischen Militärs zur Anrei­gung gebracht worden war. Daher eine öffentliche Er­örterung desselben noch gar nicht Plas gegriffen hatte. Die Berathungen über diesen Bom­hag nahmen längere Zeit in Anspruch und reisten erst in diesen Tagen, wo man nämlich mit dem Blane vor das Bublitum­ trat. Ungeschichte Kritiker haben freilich sofort im dieser Höchft unschuldigen Wanifestas­tion eine Türlenhege, — eine verfappte Demon­stration zu Gunsten der Ilmerion und Gott weiß was noch erblich, aber sie haben mit dieser Ges­­pensterseherei Niemanden mehr überrascht, als die An­­reger Der Nee selbst. Diese waren sich bewußt, daß Wien eine unabweisbare Verpflichtung hat, Den zwei­hundertjährigen Gedenktag eines so hochbedeutenden historischen Ereignisses in unwürdiger Weise zu feiern und sie glaubten die gegebene Anregung umso freudiger benügen zu sollen, als einerseits die Bedeutung und Entwickklung Wiens in der That von der Türten­­befreiung datirt und diese Thatsache wohl nicht besser und unwürdiger gefeiert werden kann, als Durch Die Einweihung des steinernen Wahrzeichens Der fest begründeten Autonomie der Gemeinde und als anderer­­seits in Folge des Nothstandes schon vor zwei Jahren (der Beschluß gefaßt wurde, die­ sammtlichen städtischen­­ Bauten zu beschleunigen und das Rathhaus im Jahre 1883, dem Jubiläumsjahre, ohnedies in allen seinen Theilen vollendet worden wäre. Die einzige begründete Einwendung, die man gegen die projektirte Feier erheben könnte, wäre die vom Standpunkte der Kostenfrage;­­allein auch diese ist unbegründet. Die Auslagen, die­­ für die Eröffnung des Nathhauses votirt werden sollen, Wietigkeit behandelt werden, als sie verdienen und­­ Feier des Entfaches Wiens von der Türkenbelagerung­­ würden au) ohne die Türkenfeier erfolgen, da man ja Daß hier die leidige Gewohnheit besteht, bei jeder Ge­legenheit mehr Staub aufzumirbeln, als nöthig it. von der landesüblichen Veranstaltung eines ‚Bantets, [eines Balles oder einer großen Empfangssoire e im­ten­­ Festräumen unter allen Umständen nicht abstehen wird — 29. November. Ich glaube, es war ein hervorragendes Berli­­­ner Journal, sogar ein dem Reichskanzler nahestehen­­des Organ, das dieser Tage seinen leitenden Artikel mit den Worten begonnen : „Nachdem in Wien meh­­rere Tage lang „Ninihe” auf der Tagesordnung ges­­tanden, besgäftigt man sich jeßt wieder mit dem An­­trage des Professors Herbit­ze." Nun, das ist wohl einer der boshaften Etreiche, Die seit langem von Den spindfen Spreepolitikern gegen die Bräcken an der Donau geführt worden sind. Wenn Damit gesagt wer­­den sol, daß wir und um die kleinen G Standalaffairen des sozialen, kommunalen und theatralischen Lebens mehr sümmern, als um Die großen Haupt- und Staats­­ak­ionen, die jenseits der Leitha eine so gewaltige Er­­regung hervorrufen, so­ll es eben ein gewaltiger Lerthum, dem die Herren in Berlin wahrscheinlich auf Grund gefälschter Stimmungsberichte aus Wien sich hingeben. Man braucht nur Die Berichte auß unseren Vereinen zu lesen, um zu erfahren, wie die extremen Anschauungen aufeinanderplagen, und man kann es tagtäglich an öffentlichen Orten und in häuslichen Krei­­sen wahrnehmen, mit welcher Heftigkeit sich An­em­o­­nisten und Feinde derselben bekämpfen. Aber wie in jeder Behauptung ein Körnchen Wahrheit zu liegen pflegt, so kann man auf aus der böswilligen Bemer­­kung des Berliner Journals ein solches Körnchen viel­­leicht losjchälen und es wäre dann etwas Wahres an der Andi, daß in Wien gewisse Dinge mit größerer gu Diesen Bemerkungen veranlaßt mic) die Frage der zweihundertjährigen­ Gedenkfeier der Befreiung Wiens von den Türlen, die in der abgelaufenen Mode förmlich zu einer Sensetronzaffaire aufgebläht worden ist. Seit mehr, als einem Jahre wird in unserem Gemeinderathe die Frage ventilirt, bei welcher­­ Gelegenheit­ die Eröffnung unseres monumentalen­­ Nathhauses am paffendsten erfolgen könne. Der Bau­­ kostet zehn Millionen, wird eines der imposantesten Baudenkmale Deutschlands und Oesterreichs­ bilden, ‚in­ seiner inneren künftlerischen Ausschmüdung sollen feine Kosten gescheut werden — es ist daher selbst­­verständlich, Daß Die Stadtvertretung auch die Ver­­pflichtung fühlt, Die Eröffnung und Einweihung­ eines solchen Brachtbaues so feierlich als nur immer möglich zu gestalten. Man war in den betreffenden Streifen längst Darüber einig, daß man zu dieser Eröffnung Die Stadtvertretungen­ der österreichischen, ungarischen und deutschen Hauptstädte einladen müsse und beschäftigte ich vorzugsweise mit der Frage, welchen bedeutenden historischen Moment man zu dieser Feier bewußen sollte. Vor drei Jahren dachte man einen Ploment lang daran, das Wiener Rathhaus am Tage der 20jährigen Hochzeitsfeier unseres Herrscherpaares zu eröffnen, aber man mußte den Gedanken sofort auf­­geben, als­ die Kahmänner in der bestimmtesten Weise ‚erklärten, dab an eine an nur provisorische Fertig­­stellung des Gebäudes — ganz abgesehen von den Prac­hträumen — bis zum 24. April 1879 nicht zu denken sei. Die Angelegenheit blieb­ abermals längere Zeit ruhen, bis vor einigen Wochen der städtische Archivar mit dem Borsehlage auftrat, die Eröffnung des neuen Rathhauses mit der zweihundertjährigen im Verbindung zu bringen. Dieser Borschlag fand Anklang, und zwar zu einer Zeit, wo der Gebante "der bosnischen Ofsupation kaum noch in den geheimsten BE meer)

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