Oedenburger Zeitung, 1873. Mai (Jahrgang 6, nr. 41-53)

1873-05-02 / nr. 41

N NIETE, CERER ag2, Mai1973. nr Frei Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Klam­merationd-Preise. Büroco: Ganzjährig . Für Auswärts. Ganzjährig . 12ff.—Er Halbjährig 6 fl. — Er. Vierteljährig 3. — Er, Einzelne Nummern Kosten 10 Er, ‚ Verlag, Expedition und Rebas­­zion befindet si auf der Graben­­tunde Nr. 121 in Oedenburg. — Alle für das Blatt bestimmte Sen­­dungen, mit Ausnahme von P­rä­­numerations- und Sinfertionsge­­bühren sind an die Revaltion partsfrei einzusenden. Halbjährig GR­VE Tahrgang _ Oedenburger Nachrichten, Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr’ Beprüchten zur, Wehr’ Der Wahrheit eine Gaffe.“ Pränumerationen auf Insel Die General- Agentschaft der Zeitung „Bester Lloyd“ Rauben­­steingaffe Nr. 7 in Wien, Lan­genstein - Vogler in Wien, Ball­sig, Frankfurt DM. Basel. Insertions-Gebühr: fi­hg. 10 Hamburg, Berlin, Leip­e 5 Nr. für die einspaltige, 10 Nkr. für die zweispaltige, 15 Nkr. für die dreispaltige und 20 Nkr. für BR die durchlaufende Bet­tzeile exe Organ für Handel, Industrie und Landwirt­schaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Hufive der Stempelgebühr von 30 Fr. Auskünfte in allen Ric­­hungen werden bereitwillig ft ertheilt. 9. — A fl. 50 ° fr. m­elährig 2.1.25 kt, Monath­ 1. f.:— ke: £­­­ ­­ ­: "N. f. Suftus v. Liebig. Der größte Chemiker unseres Jahrhunderts, der Reformator der Landwirthschaft, Suftus v. Liebig, ist am 18. April, 70 Jahre alt gestorben. Denn einst glück­chere Böker zurücklichen werden auf unser Jahrhundert, dann wird ihnen, hell wie ein Stern, der Name entgegenglängen:. Justus v. Liebig! Was er gethan und erreicht, daran vermag die Jegtwelt so gar nicht den rechten Mabstab zu legen. Aber wenn dereinst der Landmann auf einem Felde, welches Früher kaum dem nagenden Hunger wehrte, reichlich erntet Für­st und Andere, wenn eine­ Mutter ihr Kind an die versiegte Brust d­rüben fan­n, ohne dabei zu empfinden, dab­ed Dazu geboren ist, an Cutkräftung hinzusterben , wenn der Soldat Strapazen muthig und freudig erträgt, Verwundungen und Krankheiten seltener erliegt, als ehedem , wenn naturgemäße Ernährung ein gekräftigteres Geschlecht erzeugt und die durchschnittliche Lebensdauer verlängert haben wird; wenn die Geißel der Seuchen ich nicht mehr verheerend über den wolfreichen Städten.­chwingt und der „Tod in der Luft” besiegt ist durch die Flamme der Vernunft — so hat die fommende Ge­­neration Died Alles Justuz v. Liebig zu verdanken. Was die Wissenschaft, die Naturforschung, ihm schuldet, Das it fast unaufzählbar, aber ebenso groß und mod weit wirkungsreicher sind seine Erfolge auf dem praktischen Gebiete des Lebens gewesen. Er hat dem deutschen Nahme neue Bahn gebrochen, und sein anderer Name ist auf dem Grdball so belaunt geworden, wie Zuftus v. Liebig! Was er geleitet, das ringt ji aus der Gährung der Zeit zu immer hellerem Lichte empor. Und wäre er nur ein Ferment dieser Gährung gewesen, sein Berdienst bliebe unvergänglich. Allein er war mehr, er zerlegte nicht bloß, er gestaltete auch eu; er warf nicht blos die Sabel der Wissenschaft in das hergebrachte Gentil des Scylendrians, sondern er li­auch aus der Ace eine jegendreiche Ernte erstehen. Ein besser angewendetes Leben als das seinige hat, es war kaum jemals gegeben, er gehört unter die wenigen Bevorzugten des Menschen­­geschlechtes, deren Spuren der Lauf der Jahrhunderte niemals verlöschen kann. Der große Reformator der organischen Chemie und der Bodencultur ist am 12. (nach) Anderen am 8.­ Mai 1803 zu Darmstadt geboren in einem ärmlichen Häuschen der Altstadt. Sein Großvater entstammt dem Bauernstande des Odenwaldes, sein Vater war ein Klein­­främer, der sich jedoch durch seltenes Geschicht in der Sabrisation von Farben und Firnissen rasch zu Wohle babenheit und großem Geschäftsumfang emporarbeitete. Er galt für eine Art Herenmeister, besonders, als er versuchsweise seinen Laden mit Gas beleuchtete, lange bevor man an die allgemeine Einführung dieser Methode nur dachte. Dieser Laden war wenige Jahre nach Zuftus’ Geburt in die „Ochsengasse“ verlegt worden. Unstreitig erweckten die Gxperimente des Vaters die Luft zur Scheidefunft im Sohne, welcher er denn auch sich schon im frühesten Knabenalter mit Leidenschaft hingab; der Schauplan seiner Thätigkeit war die väter­­liche Sarbensücke an der sogenannten „Kubischwanzwiese“, öftlich vor der Stadt. Zur Pharmacie bestimmt. — Ches­miler gab es damals noch nicht — besuchte Zustus Lie­­big das Gymnasium und trat im Jahre 1818 als Lehre­ling in die Apothese zu Heppenheim an der Bergstraße. Allein schon nach dreiviertel Jahren­ schied er wieder daraus, wie man erzählt, mit einem Knalleffect, da der Lehrherr das ewige Grperimentiren nicht dulden wollte. Luftus führte zu seinem Vater zum­­ mit der bestimmten Erklärung, er beabsichtigte von nun an, es nur der Bifferschaft zu widmen, und dieser war einsichtig genug, das Streben des Sohnes anzuerkennen. Lepterer bezog, nach genügender­­­­orbereitung, zuerst die Universität Bonn, dann diejenige zu v­erlangen, woselbst er unge­mein fleihig studirte und in höchst anrregenden Streifen verkehrte. Besonders innige Freundschaft schloß er mit dem Grafen Platen, der ihm eines seiner schönsten So­­nette widmete und bis zu seinem Ende mit ihm einen lebhaften Briefwechsel unterhielt. Nachdem er promovirt, verließ Liebig erlangen im Jahre 1822, um sich, mit Unter­fügung des Großherzogs Ludwig I. von Hessen, zu weiterem Studium nach Paris zu wenden. Hier er­­warb er sich bald die Anerkennung Thenard’s und Gay- Lufsac's, namentlic aber diejenige Alexander v. Hum­­boldt'8, der ihm mit seiner ganzen gewinnenden Freund­­lichkeit nahe trat, als er am 28. Juli 1823 seine­­ erste Arbeit, eine analytische Untersuchung über Homard’s fulminirende Silber- und Duedsilber-Verbindungen, in der Akademie der Wissenschaften zum Vortrage gebracht hatte. „Diese Unterhaltung,“ sagt Liebig in der Wid­­mung seines berühmtesten Wertes an Humboldt, „tt der Grundstein meiner Zukunft gewesen; ich hatte den­­ für meinen wissenschaftlichen Zweck mäc­htigsten und Lies bewolkrten Freund gewonnen. Von diesem Zuge an war­­en mir alle Thüren, alle Institute und Laboratorien geöffnet. Unbekannt, ohne Empfehlungen in einer Stadt, wo der Zusammenfluß so vieler Wienschen aus allen Theilen der Erde das größte Hindernis ist, welches einer näheren versöhnlichen Berührung mit, den dortigen aude gezeichneten und berühmten Naturforschern und Gelehr­­ten sich entgegenstellt, wäre ich, wie so viele Andere, in dem Bond Haufen unbemerkt geblieben und viel­­leicht untergegangen ; diese Gefahr war völlig abgewen­­det." Dem werfthätigen influsje Humboldt’s gelang 8 auch, die Berufung Liebigd als außerordentlichen Profesors der Chemie an die Universität Gießen im Jahre 1824 durchzufegen. Er war — noch nicht ein­­undzwanzig Jahre alt — damals der an Jahren jüngste Professor aller europäischen Hochschulen; schon nach zwei­ Jahren rückte er zum Ordinarius vor, wurde die kleine Universität zu einem M­ittelpunkt der chemische wissenschaftlichen Thätigkeit, wie er vordem nicht bestanden. Mit nimmermüder Arbeitskraft drang Liebig auf seinem Gebiete vor, Jahr auf Jahr erfolgten die wichtigsten Entdeckungen und Untersuchungen, welche nicht allein der Wissenschaft, sondern auch der Industrie zugute fanden ; neben ihnen her lief die Erfindung der­ von nun ab­trefflichsten chemischen Apparate, wie denn überhaupt die Experimentilkunst keinem so viel verdanft, als ihm. Der greise Faraday, bis dahin der erste Meister in die­­sem Zweige des Faches, hat es seinerzeit selber ausge­­sprochen: „Bei Liebig müssen wir alle wieder in die Schule gehen.” Im Jahre 1839 ward nach seinen Plä­­nen ein neues Laboratorium — auf dem Selgeröberge — gebaut, welches zu jener Zeit als das besteingerich­­tete der Welt galt und allen später errichteten als Vors bild gedient hat. Der Zusammenfluß von Wissensdurfti­­g­en, welche aus dem frü­hen Born die neue Lehre zu­­ höhfen kamen, war unerhört in den Annalen der Eleie­nen Stadt. Niemals vorher und nachher hat ein Lehrer für eine glänzende und zahlreiche Gemeinde um sich versammelt, wie damals Liebig. Aus allen Theilen der Welt kamen die Sänger herzugeströmt, um des Meisters Worten zu lauschen, unter ihnen zahlreich Männer in schon vorgeschrittenem Lebensalter, Professoren und Dok­­toren, Fabrikanten und Landwirthe. Im Laboratorium fan­den sich alle Nationalitäten vertreten und Namen, welcheihon de i i El Feuilleton. Drei Beitfragen. (Robert Reinhard.) „Durch gleiche Kraft zu gleicher Größe!” „Jaime mieux ma famille que moi, ma patrie „que ma famille, et l’universque ma patrie“, (Fenelon.) „Nic­ht“ in der Welt berechtigt uns, die Existenz „von Kräften an und für si, ohne Körper, von denen sie ausgehen und auf wie sie wirken, vor, ‚„auszufeßen.” (Cotta.) &3 ist eine Schöne von Robert Wolf aufgestellte, und von Heinrich Katt herrlich und human, doch lei« der nur auf ideellem Boden ausgeführte Trias, Die jegt in unseren Tagen auf dem schwarzen Brette der Zeit erscheint ; Communismus, Kosmopolitismus und Ma­­terialismus! — — . ..3 sei mir gestattet, einige Worte diesen drei ge­­waltigen Gedanken zu widmen, ohne mich, auf irgend einen Parteipunkt zu stellen, der meine objektiven Ans­­ichten zu einer subjektiven Meinung meines eigenen „Ich“ umgestalten würde. Bevor ich jedoch zur näheren Grörterung dieser großen Zeitfragen schreite, bitte ich den denkenden Leser, den Ausdruck „Communist“ nicht“ mit dem Worte „Communard“ zu verwechseln, und diese Blätter, ohne die Erinnerung am­ die scheußlichen Tage der Pariser Gommunardd, die­ sich ihm vielleicht v­ergleichend aufs dringen wollten, zu­ lesen Mit Recht wurde D­ieser Kommunismus überall mit Abscheu genannt : er bat sich ohne ein Ziel zu haben, in Raub und Mord und Diebstahl gefallen und die Falsche, der Menge als goldenes Freiheitswort erscheinende Lehre aufgestellt : Kae, für Ale ohne Rücksicht auf per­­sönliche Verhältnisse! Doc der Denkende kann die Führer der Pariser „Sommune“ nicht unbedingt verdammen ;­ sie mußten zu einem solchen handgreiflichen Mittel greifen, um die wüthende Menge, die hungrig und voll Furcht vor dem Feinde, die Straßen durchratete, anzufeuern und in die Schlapfreihen führen zu können. Sie zeigten sich nicht feige: dafür preden Die Tausende und Tausende, die, schmerzlich vermisst von den Ihrigen, mit ihrem Blute die fremde Erde getränft, mit ihren Leichen den fremden Boden gedrängt, nur der duch den Alldeutsch­­land-Branntwein Berausche weis Wunder zu erzählen von der Tapferkeit der Seinen, von der Feigheit der Bleichen — — — do, hätte, der Deutsche, wenn er in die Lage jenes unglücklichen Volkes je genommen, auch den Kampf bis aufs Messer geführt? Hätte Kind und Greich freiwillig die Waffe ergriffen und selbst im­ Gefühle seiner Schwäche, nicht ‚geruht sondern ger­­ufen : Dulce et decorum est, pro patria mori?! — Das ist sein Kunststüd, ein­ Bolt zu besiegen, wenn man überall in Mebermacht erscheint, und Tapferkeit gleichbedeutend wird mit der Disciplin, so daß ein je­der sümpfen muß, weil er eben muß — und dann jubelnd ausruft: Unser Muth und des Feindes Feigheit haben den Sieg und errungen — — Vielleicht wird man mich für einen Deutschenfeind halten,wenn man mich so Sprechen hört; aber ich bin es nicht; ich liebe mein Volk nicht minder und wol noch mehr, als die, werde in einer formellen Einigkeit Deutschlands ihr Ideal erbliden; aber ich kann es nicht loben, wo es zu tadeln tt, ich will ihm nicht schmei­­cheln, wo es zu züchtigen ist! — — ic bin sein Deutschenfeind, aber auch Fein Franzosenfreffer, wie alle. (2) unsere modernen Poeten und Schriftsteller, von Nedwih hinauf bi zu Geibel .... Waren Heine und Börne nicht tausendmal edlere und bessere Deutsche als Menzel und sein Gelichter? — — DO nennt ‚mir auch einen Deutschenfeind, wenn ihr Börne und Heine die beiden großen Apostel des Deutschthums in diese Kategorie zu stellen wagt! :— — — 3a, sie waren Deutsche, wenn sie auch Frankreich geachtet, und ihre Herzen thronten mit den Thränen die deutsche Bolfes . Heine hat Deutschland oft gezüchtigt, doch nu­­ala ne Bater, und mit Recht sagt Bauernfel von ihm: « »Du schimpfest gar auf Deutschland,Freund, ,,Schwei­ß,es kommt vom Herzen­" »Das,was wir lieben,macht uns ja „Die allergrößten Schmerzen !“ ... Und Börne?—Er starb im Exil,weil er«für Freiheit und Gerechtigkeit,für die Armen und Unters­drückten gekämpft und den Despotismus und diesüge gehaßt.Er hat sein Vaterland geliebt mit einer zornte­nen Liebe, deren Sonnenstraf hinter den düsteren Has gelwolken seiner Satire immer vor leuchtete, zuleet­ noch»l« rührendwarm«in seinem.Menzel,der Franzoen frei­» sei.«Sein Humor brach nicht hervor wie dis lächelnde K­- Thräne aus Jean Pauls Auge,sondern wiepinrothers's Blutstrom aus einem Herzen,das an Deutschkaind verbluten­«Und trotzdem er ein Deutscher m­ag rief er aus:.Die nächsten Jahrhunderte werden weder­ den Deutschen noch den Franzosen,noch sonst einem anderen Volke oder einem Fürsten gehören, sondern der Menschheit !" Nicht Medermenschliches, sondern nur rein Mensch, dies will der Kommunismus Wolfs und Katz’d, der überdies in seiner Ausführung einzig dasteht, wenn nun auf seinem Pantere­au die Gleichheit trägt, so bedarf er­ seiner weiteren Auseinanderlegungen, um dar­zuthun, dab nur dur Erwerb, durch und geregelte Arbeit aller Gleichheit eintreten kann, Gleichheit bis zu einem gewissen Oracle, bis zu einem Punkte, wo die Armut aufhört, und der Reichtum (Bortjegung folgt.) beginnt­ geregelten Seid­en

Next