Oedenburger Zeitung, 1877. Juli (Jahrgang 10, nr. 78-91)

1877-07-01 / nr. 78

:—·--«-i-«esj Wannsee­ tigen Anschauungen fahren, um sich zu den falschen des politischen Demosthenes zu befennen und merkt nicht, dab allmählig aus scheinbar gut magyarischer Gesinnung der panflavistische Schalf hervorguht. Aber der Kluge durche blickt rechtzeitig die Absicht und wird verstimmt erklären: „Ich bitte jehn, ich bin honengagirt.“ E38 freut uns­innig, daß Herr Benjamin K&l­­lay, der direkt antimagyarische Tendenzen in unserem Abgeordnetenhause verfocht, indem er­ aus den Trüm­­­mern des von ihm aufgegebenen Dämonenreiches sein Vaterland bereichern lassen möchte, der geradezu behaup­­tete Oesterreich- Ungarn müsse si mit Rußland in den Leichnam des „Eranten Mannes“ theilen, einen gewiche­tigen Gegner bei diesen widerlichen Leichenichmauß ge­funden hat, 3 freut und dad Benjamin Kállay durch Hermenyi eines Dielleren belehrt wurde,­­ legte nämlich unter lebhaften Beifall des Hauses Herr v. Nermönyi im Namen seiner Partei Protest gegen die Auffassung ein, als ob das Mitglied derselben Par­­tei, eben Herrn Benjamin Källay, die Ansichten sei­­ner Gesinnungsgenossen dargelegt hätte. Die Senney- Partei hält die Wahrung der Integrität der Türkei für die beste Dorientpolitik De­­sterreich-Ungarmnnch und sagt zu jedem, der sie bet­ören und ihr eine andere Politik aufofträciren möchte, geradezu und mit Seftigkeit: „Ich bitte ehr, ich bin ihh on engagirt!’ , seiner Arbeit zu ernähren, wird zwar die Schäden den bestehenden Geselihaftsordnung nicht übersehen und gern mit Hand anlegen, um die Wunden des Staates zu verbinden oder die Duellen zu verstopfen, auch denen neues Unheil entspringen könnte. Voll Dank für das was er hat, verachtet er aber die Pläne Derer, welche die Gesellschaft, als deren rüstiger Mitarbeiter er bee­­ufen wurde, in ihren rundseiten zu erschüttern stre­­ben. Daher klinge laut in alle Lande: „Arbeiter und Prolaniere sind nicht eins; die Arbeiter, die Proles­tarier !“ Arbeiter und Proletarier. Aus Dresden wurde der „Prebb. tg." eine bes­teffenswerthe Parallele zwischen Arbeiter und Proletas tier eingesendet, die uns fehr lesenswürdig scheint wir lassen sie demnach hier folgen: Die Führer der Sozialdemokratie lassen es so angelegen sein. Die Begriffe „Arbeiter“ und „Proletas­tier“ mit­einander zu verquiden. Und doch, meld himmelweiter Unterschied besteht zwischen diesen! Wer arbeitet, der ist ebenso wenig ein Proletarier, wie sich Dirjenige, welcher faullenzt, zum Arbeiterstande rechnen darf. Spricht man vom Proletarier, so denkt man an körperlich und wirtsschaftlich heruntergekommene Leute, welche einst der Arbeiterflasse oder irgend­einem andern Stande angehört haben mögen, jegt aber der Gesells­chaft zur Last fallen und daher von dieser als Bürde betrachtet und behandelt werden. Man spricht nicht nur von einem Arbeitere, sondern auch von einem Hand­­werfers und Zabrifantene, s­owie von einem Gelehrtens und Adelsproletariat. Delernt also Farbe, ihr Führer der Sozialdemos­­ratie ! Ber fündet laut, daß ihr euch auf solche Existen­­zen fragt, welche nichts zu verlieren haben und daher erst beim Umsturz gesellscaftlicher Ordnung zu gewin­­nen — hoffen! Schreit hinaus in’d Volk, das Alle, welche auf anderen Lebensbahnen gescheitert sind, hin­­ter euch stehen! Der Ruf „Nieder mit den Palästen“, welcher erst vor wenigen Tagen wieder in einer sozialdes­­­mokratischen Zeitung ertönte (der Chemiiger „Breien Au“ vom 12. Juni), wird dann verständlicher ein. Habt ihr das Bifi­ eurer Manen gelüftet, dann wird auch Die Gesellsshaft nicht zögern, Stellung zu nehmen. Ihre Bollwerte sind zwar start genug, um euch eine Zeit lang gewähren zu lassen; da sich aber doch dieser oder jener Stein lodern möchte, wenn ihr nicht unterlaßt, gegen den Bau anzustürmen, den die Geselcshaft auf tausendjährigem festen Untergrunde aufs geführt Hat, so könnte sie sich — wie sauer ed auch anfon­men dürfte — doch vielleicht entschließen, einst aus der Defensive herauszutreten! Uns wäre dies ents­chieden zuwider. Wir sind der Ansicht, dab ein offen­­sives Vorgehen des Staates gegen die Sozialdemokratie einerseits die Gegner wichtiger, als sie sind, erscheinen lassen, andererseits aber denselben Ursache zur Aufrei­gung und zum Widerstande gegen die staatliche Ord­­nung geben würde. Eines aber unterlaßt, ihr Nebenbuhler des Kati­­lina ! Bleibt eurer Barbe treu und hört auf, die Män­­ner der Blouse mit dem blutigen Roth zu befleden ! Wer die Gelegenheit, die Kraft und die Tugend befigt, sich oder auch» eine ganze Familie mit den Früchten Lokale­ s Militärisches. Wir haben bereits vor längerer Zeit in Diesen Blättern gemeldet, daß eine größere Generalstabsübungs-Exkursion von Offizieren der Königl. ung. Honvedarmee stattfinden und auch das Gebiet unseres S Komitates umfassen werde. Am 12. eventuell am 14. d M. treffen nun die Herren in Oedenburg ein und zwar: 1 General, 8—9 Stadtr und 25—26 Dver-Offiziere, ferner 1 Herr Indendant und 75—80 Daun mit ebenso vielen Pferden. Die Her­­ren Offiziere werden in den Osthäusern: „Rose, — „Hirich“, — „Hahn“, — „ung Krone“ und „Rössel“ untergebracht. Gleichsam zur Kontrolle dieser Gener­­alstabsüchungstour wird auch, ungefähr zu­­ derselben Zeit, der Adlatud Seiner Ef. E Hoheit der Heren Erz­herzogeDber-Commandanten der Fön. ung. Armee, der Herr Feldmarschalllieutenant von Graeff mit einem Obersten, 3 Oberoffizieren, einem Studentanten, 14 Mann jammt 17 Pferden nach Dedenburg fommen und sind für diese Herren die Zimmer im Gasthofe zum „König dv. Ungarn“ reservirt. *"Postalisches. Dem 1. Juli I. 3. anges­­angen wird der von Dedenburg nach Wien abgehende gemischte Zug Nr. 311, mit welchem bisher nur Briefs­pakete befördert wurden. Leitend der Postämter Oeden­­burg, Mattersdorf und Neudörfel auch zur Beförderung von F­ahrpostsendungen benügt werden. . Es werden somit von diesem­ Tage an für Matterd­ dorf Neudörfel Wr. Neustadt und Wien 20 bis 5 Uhr aufgegebene Briefe — und bis 4­­, Uhr Abends aufges­gebene Fahrpostsendungen noch am selben Abend mit erwähnten Zuge die Weiterbeförderung erhalten. * Fahrplanspenderung der Süd­­bahngesellschaft. Von gestern den 30. Juni 1877 ab ist verfügt, dab der Abendpostzug Nr. 6, an­­statt wie bisher um 9 Uhr 30 Minuten Abends, den um 9 Uhr Abends von Wien abgehe und in den Stationen Hebendorf, Liesing, Brunn Uhr 20 Minuten Früh von Röslau nach Wien ein Zug­­ ab und wird der Zotalzug um 6 Uhr 3­ Minuten Früh und Gumpoldslechen nicht mehr anhalte. Dagegen verfehrt während der Dauer der Sommersaison ein­­ofalzug von Wien bis Röslau, der an allen Zwis­chenstationen anhält und von Wien um 7:10 Uhr Nachts abgeht. Mit dem heutigen Tage (1. Juli 1877) bis auf Weitered erfolgt die Ankunft des Früuhportzuges erstt um 6 Uhr 23 Minuten Früh in Wien und hält­­ j­m Früh b dieser Zug in Gumpoldskirchen und Liesing nicht an. Endlich geht ebenfalls vom heutigen Tage an um 7 von Wien nach Mödling nur mehr an Sonn- und Feiertagen verkehren. * Die Prüfungen im biesigen f. f. Offizier d: Töchtere Institute werden am 6. und 7. Juli jedesmal von 8 bi 1 Uhr und von 3—7 Uhr Abends abger­halten, wozu ale Gönner und Freunde dieses Institutes höchst eingeladen sind. * Die Sommers Liedertafel des hiesigen Männergesange Vereines „Liederkranz“ findet heute Sonne­tag Abends im Gasthofgarten zum „König von Ungarn“ statt, und, wird nachstehendes Programm zur Auffüh­­rung gebracht: 1. Ouverture zur Operette „Prinz Mer­thusalem" von 3. Strauß. — Musikkapelle. 2. Mein Heimaththal; Männerchor von Wilh. Tihird. — „Lie­derfrany”. 3. Magyar leány; ferfikar Thern Károly­­töl. — Dalärda. 4. YAın Königssee; Männerchor von &­t. Gngelsberg. — „Liederfranz.“ 5. Mailied für Männersti­mmen von 2%. Fürgend. — „Liederfranz." 6. Der Solistenkrach; heitered Duodlibet für Solie und Shorstimmen mit Orchester » Begleitung von Sof. v. Koh. — Gesangverein und Musikkapelle. 7. Variationen über ein ungarisches Thema für das Orchester von Ed»­hardt. — Musikkapelle. 8. Liebesicher.; Männerchor von M. A. Storch. — „Liederfrang”. 9. Bord 1; ferfikar Wuschingtöl. — Dalärda. 10. ’S gihamige Diandl; steirisches Volkslied für Männerstimmen von A. Schmidt. — „Liederfrang.” 11. Matrosenchor aus der Oper „der fliegende Holländer“ von R. Wagner. — Gesangverein und Musik­apelle. 12. Saisonbilder; Potpourri für Drs heiter, von­ Lehar. — Musikkapelle. Hierauf: 7 Tanzunters haltung. Eintrittöfarten & 50 ff. sind an der Gafja zu bekommen. Im Falle einer ungünstigen Witterung wird die Liedertafel am näch­stfolgenden schönen Tag durch Aufstehlung einer Sahne am Eingange des Gasthofes angezeigt werden. * Einer der ich nicht vos Heren fürchtet ist ein hiesiger Wirthschaftsbürger, in der Neustiftgasse wohnhaft. Die dortige Hausfrau — auch eines Wirthschaftsbürgers( Witwe — beherbergte dur 3 Jahre die nachgelassene Ehegattin eines hiesigen D Vieh­­hüters („Halterd“). Von dieser ließ sie sich einreden, daß es Hexen gäbe, welche um Mitternacht den Rühen die Milch entziehen. In der That fand er si, dak täglich am Morgen eine oder die andere Kuh der Haus» befigerin seine Milch hatte, Dieb ging so, wie gesagt, der volle 3 Jahre fort. Eines Nachts aber und zwar erst ganz kürzlich, beschloß obbejagter Wirthschaftsbürger, der ich nicht vor Heren fürchtet, dad Walten ded er­wähnten Spucded näher zu beobachten. Er sch­lo­ss um Mitternacht zur Thüre des Kuhitales und hörte richtig ein Geplätscher wie vom Miel­en einer Kuh, wenn deren Mil in ein Gefäh läuft. Behutsam öff­­nete er die Thüre und da sah denn ganz in schneeweiße Tücher gehüllt eine Weibsperson, deren aufgelöstes Haar ihr über die Schultern, Rüden und Brust hinab­­wallte und welche eine Kuh molt. Kaum sah sich diese Person belauscht, als sie si feierlich und ernst erhob, dem Neugierigen entgegen trat und ihn mit folgenden Sprüd­ern und hohler Stimme anredete: „Nebel bins­ter meiner, Nebel vor meiner, dah mich Niemand fiebt, ald unser lieber S Herrgott, was ist dein Begehr !* Der Wirthschaftsbürger ließ si aber dur diese Za­u­­berformel() nicht einschüchtern und fahte die angebliche Here beim Kragen. Es war die Halterd­­witwe, welche durch volle 3 Jahre ihrer Duatiergeberin die Mil ftahl. *" Ein So geachteten Bartwirthe durch falsche Berspielungen einen windler entlodte einem hiesigen Geldbetrag von 700 fl. und entwich sodann nach Wien. Medner Anzeige der Beschädigten unternahm die hiesige lövliche Stadthauptmannschaft die erforderlichen Invie­giiirungsschritte, eventuell Hiehertransportirung des Schwind­els. * Die Soirde des verehrlichen ‚De­denburger Männergesang ’»­vereine‘. Ein eigener Unstern waltet über den B Veranstaltungen die jed geihägten Gesangvereined. Der Herr im Himmel muß diese Hrn. Langenbrüder ganz besondere Lied haben, denn er schtet ihnen nur allzu häufig verdrießliche Heim­­suhungen. So oft sie eine Liedertafel abzuhalten wünschen, tritt Negenwetter hindernd dazwischen und so sind sie fast jederzeit genöthigt, zweis bi dreimal ihre Befte zu verschieben, ehe sie endlich wirklich und pro­­grammgemäß stattfinden können. So geschah ed auch mit der Liedertafel, welche im Bahnhofgarten am vorii­gen Donnerstag­­ im Vereine mit dem verehrlichen biefis­gen Damenchor abgehalten hätte werden sollen.) Kaum als fich — und zwar jeder zahlreich­e die Säfte versammelt hatten, strömte „unendlicher Negen“ hernieder. Alles rettete und flüchtete in die Restaura­­tionsloyalitäten des Südbahnhofes und Sängerinnen wie Sänger konnten ihre lieben Stimmen nur zum anmuthigen Geplauder in gemüthlichen Beifanmen« fein verwenden. Bon Gesang war seine Rede mehr — wenn auch die Neden, wenigstend jene der Damen immer noch Gelang blieben — die Musiker der Mili­­tärkapelle versorgten ihre Instrumente und traten „ohne Sang und Klang‘ den Heimweg wieder an und nur der wirklich anerkennend werthen Liebenswürdigkeit der rüde­sichtsvollen Zejttheilnehmer hatte er der Wirth zu danken, daß er die Küchenvorräthe für mehrere Hunderte von Perso­­nen nicht ganz umsonst hergerichtet hatte, denn ech blieben so viel Bärte in der Restauration, daß immerhin ein Erfiehli­­cher verzehrt wurde. Nun sollte am Tage darauf, nämlich vorgestern Freitag das verregnete Gesangefest stattfinden. Wie­­der waren die liederfundigen Damen und Herren recht­­zeitig im Bahnhofgarten — den Schaupla ihrer künst­­lerischen Thätigkeit — erschienen. Das eleganteste Publik­um strömte in bunten Schaaren heran, der sonst blütenlose, aber im herrlichsten Grün prangende Garten war ben­ um 7 Uhr Abends (der Anfang des Festes ist auf 8 Uhr anberannt gewesen (wie mit Blu­­­men überschneit, denn in farbenglühendster Lieblichkeit hatte ji ein reicher Zier der reizendsten Damen Deden«­burgs im artenraum entfaltet, als — o Berhängniß ! — 5 abermald zu „tröpfeln“ begann. Ein Regen: ichiem nach den andern breitete sich aus, manch’ leuch­tendes Auge richtete sich um Schonung flehend gegen den unmwölkten Himmel. Doc vergebens­ unerbittlich öffnete er seine Schleußen, und ehe man sich’s versah war die blühende, prangende Damen», die galante Herrenwelt wieder aus den Grünen hinweg, und unter das Ilingende Dach, der Bahnhof­ Beranda und des Speisefalond vom Restauranten geschwenmt. Da flatterte und wogte es in bunter Pracht, als ob der Sturmwind ein ganzes Tulpenfeld zerzauft und nun die von ihren Stengeln gerissenen vielfärbigen Blätter auf einen Baum zusammengeblasen hätte. Schließlich wuhte man sich’8 aber doc recht bequem und gemüthlich zu machen. Zeder fand ein trauliches Plägchen und­­ dem Regen zum Trop — kam eine recht frohe Festeöstimmung auf. Die Herren Arrangeure, Here Bereinepräses, med. Dr. Gavallar, der Herr Chormeister Prof. Wallner und die sonstigen Heren Fatjeurd waren so zuvorfoms­mend den mehreren Hunderten von Anwesenden zu Liebe, Anstalten zu treffen, damit unsere treffliche Res­gimentskapelle­n dem Eisenbahn- Perron spielen dürfe, welche Erlaubniß vom Herrn Eisenbahnstations«Chef erbeten und von diesen mit der charmantesten Wille fährigkeit aus Rücksicht auf die vielen Damen auch ger­währt worden ist. — Die herrlichsten Musikpiecen — wie immer mit größter Präcision erefutirt — erfreuten nun die Hörer und wir können nicht umhin auch zu sonstatiren, daß Herr Kapellmeister Schar nit nur seinen zaubergewaltigen Zaffirstod funftgewandt wie allemal führte, sondern sogar selber die Violine strie, dab man seine helle Freude daran haben mußte. So würden, — allein in allen diesen Erwartungen betrog er si. An demselben Abend an dem Helene auf so unglückliche Weise das elterliche Haus verlassen hatte, empfing ihr Vater von Eli Willam Howard ein Billet mit der höflichen aber sehr fast abgefaßten Aufforderung, ihn unverzüglich wegen wichtiger Angelegenheiten im Haufe eines Polizeibeamten zu treffen. Obgleich erstaunt, leis­­tete er der Aufforderung dennoch Sorge. Bei seiner Ankunft daselbst legte man ihm die Salb­ung vor, machte ihn zugleich aufmerksam darauf, dab sie in seinem Hause müsse ausgeführt worden sein. Den Beweis dafür lieferte die eigenthümliche Beschaff­­enheit des Papiers, welches ganz von derselben Art war, wie dasjenige, auf das Sir Howard jenen nicht abgesendeten Brief an seinen Agenten geschrieben hatte. Er legte ihn vor, man verglich das Papier, und Beis des eched fi­eld ganz übereinstimmend, (Schluß folgt.) | eu H

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