Oedenburger Zeitung, 1877. August (Jahrgang 10, nr. 92-105)
1877-08-01 / nr. 92
$ - II F , Cis-« x >. X. Jahrgang. Mittwoch, 1. Auguit 1877. denbunger Feilung, | (Bormals „Vedenburger Nahridten‘“.) firie und Landwirtschaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Organ für Politik, Handel, Indu Motto: „Dem Fortschritt zur Eher? — Berrüchten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gafse.“ Administration, Verlag, Expedition: Meine 11.60 Bei Grabenrunde Nr. 124. [Hotel „Rose“ Nr. 19, 2. Stock. Das Blatt ersceint jeden Mittwoch, am n.Sonntag. Pränumerations-Preife. Gli Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbs Bierteljährig 2 Fl. 25 fl., Mo für Auswärts: Ganzjährig 18 fl, Halbjährig 6 fl., Vieristjährigs fl. Alte für das Blatt befininte Sendungen, mit Ausnahme v.Inferaten, Pränumeratione- u. Infertionssebulpren sind an die Redaction Yortofrei einzusenden. Redaktion: Einzelne Nummern Kosten LAD Kreuzer. A mer | Inferate vermitteln: die Herren Haasenstein , Vogler Waltfihaane 10, Wien, u. A. Oppelit, 1. Stubenpartei 2, Wien, Heinr. Schalek, 1. Bingerstrafie 8, Wien. 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Jedenfalls ist die Demission Mollinary’s als ein Symptom der Renderung zu betrachten, die in unserer Haltung in ganz kurzer Zeit eintreten muß. Und um die Reihe der allarmirenden Nachrichten zu vervollständigen, registriren wir die Abregung des Sheik ul-$38lam, welche mit der Frage der „Entfaltung der Fahne des Propheten“ zusammenhängt. Der Scheif sol nämlich dem Sultan energisch zu ,diesem äußere weldger den. Sanatismus en furchbarfteen Nelie Begreiflich diesem verzweiflungsafte Majorität ded türkschen orläufig aber mit einer das ottomanische Bolf am Kampfe gegen den Telamd in Europa gänze der Zürfen aufstacheln und wäre es, wenn die Türkei Zuflucht nehmen würde. Di Staatörath8 begnügte sichwungvollen Proklamation ‚zur allgemeinen Betheiligun Erbfeind, denn die Befenner grondfrieg heraufbeschwören würde, sich zu vernichten steht bekanntlich der russische Bär bereits am Sprunge. Aber — wie gesagt — auch wir in Oesterreich. Ungarn machen und jegt gleichsam Sprung bereit. So erhält das „SU. W. E-Bl.“ aus Zara die positive Nachricht, das zur sofortigen Mobilisierung der Feldtelegraphen in Dalmatien alle Vorbereitungen getroffen und auch schon die designirten Beamten des dortigen Staatstelegraphen marschbereit sind. Auch ale fortigen in Dalmatien in jüngster Zeit erolgten militärischen Dispositionen lasfen auf eine beabsichtigte Ossupation Besdntend Schließen. Diese Meldung wird dem genannten Blatte in bestimmtester Weise als richtig bezeichnet. Hinzugefügt wird, daß mit Rücksicht auf die Erntearbeiten vorläufig nur ein Armeeford mobilisirt wird, das zum Einmarsch im Bodmen bestimmt ist. Aus privater Duelle liegt dem "Polit. WVikbl." eine Londoner Depeiche vor, welche ein Zusammens gehen England s mit der Türkei als nahe bevorstehend bezeichnet. Die Nachricht bedarf noch der offiielen Bestätigung. Wenn England thatsächlich seine Krtlegävorbereitungen zu Diesem Behufe trifft und nut erst abwartet, bi seine eigenen Krämerinteressen direkt verlegt oder zumindest gefährdet sind, dann ist die Situation mit einem Schlage geändert, der europäische Krieg beginnt! — Ungarische Blätter sind aber auf die vorerwähnte, österreichischer Seite geplante Bewegung Bodnis end äußert Schlecht zu sprechen. Namentlich — schreibt dad „N. P. I." — hüte man sich in Wien, aus der Stimmung Ungarns Argumente für eine Okkupation oder Amerion Bodniend zu Ihiigen. An dem Zuge, da oesterreichs ungarische Truppen die bosnische Grenze über» Schreiten, würde ein Schrei der Entrüstung durch ganz Ungarn ziehen. Die Welt in Ungarn und selbst die getreuesten ‚Freunde ded Mies nifl.td. ded8 Neubern würden darin nur einen Schergendienst erblidhen, den Graf Andraäfijy Rußland erweist; nur eine Partei würde mit dieser Wendung zufrieden sein und in Säbelhymnen ausbrechen : die unverläßlichste, für den Bestand der Monarchie gefährichste, die Partei der Panslavisten. Den Schritt zu beschönigen vermöchte heute weder der Hinweis auf die angebliche Zustimmung der Pforte, noch auf das Beispiel Englands. Masurus Pasha hat es offen ausgesprochen, „daß die Bewegung Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich i » Ungarn sein geringerer Unglück wäre, als wenn eine große neutrale Mat an dem Kriege gegen die Türkei theilnehmen wollte.* Wir stehen somit vor einer, leider nur zu wahrscheinlichen ventualität, die ganz entschieden untere, damit, Ungarns Sympathien nicht hat. Wir fürchten von dieser Art, unsered Reiches Intertreffen wahrzunehmen, nämlich in der definitiven Ossupation Bodniens die schlimmsten Bereidlungen und Folgen für die Zukunft unserer Monarchie. &3 ist indes immer noch möglich, daß wir und irren, daß die bevorstehende Action Österreich-Ungarnd. ganz andere Ziele verfolgt. Ziele mit denen ich auch unsere Nation einverstanden erklären kann. Vorläufig steht sie da und lauert, wohin und die Schwungkraft tragen soll, zu der Oesterreich jet den Anlauf nimmt, denn — leugnen läbt si’ nicht — wir stehen am Sprunge Iten: Schritte gerathen haben, 2 REN I D ee ae i . . Jeuilleton. Bernando Eboli. (Ein Nachtftüd aus dem Leben.) eine ihm unbekannte Weile geöffnet, fi dajel W Fortjegung.) Al sie ihm erblichen, waren beide nicht weniger überrascht als erbost über seine Anwesenheit im Schlosfe Eboli. . Sie erklärten ihn vor der ganzen Haudienerschaft für einen Betrüger, der seine zufällige Aehnlichkeit mit dem jungen Grafen Eboli zu frechen Gaunerstreichen benügen wolle, während der Marchese allen Anwesenden den Doppelgänger als den wahren Grafen Eboli vorstelle. Nachdem jept vollends der Kammerdiener geäußert hatte, Fernando habe ein Cabinett, zu welchem nur der Graf selbst den Schlüssel un auf t ums erleidet, und längere Zeit aufgehalten, da flieg ein so baseler Berdacht, er ha Na in betrügerischer Abscht in das gräfliche Schloß eingeschlichen, in der Seele der Marchese auf, daß dieser befahl, seine Kleider zu durchhsuchen. Als man nun bei Vollziehung dieses verhängnisvollen Befehles in einer seiner Taschen das mit Schelsteinen befegte Bildnis feines DBaters fand, da steigerte sich jener Verdacht zur festen Webterzeugung in der Brust aller Anmwefenden. Der unglückliche Fernando wurde sofort den Händen der Gerechtigkeit überliefert, und in das Gefängniß geworfen. Nach einem kurzen Verfahren vor dem Griminal«Gerichte, bei welchem er, nach einer gedrängten Darstellung des wahren Her» ganges, vergebens seine Unschuld betheuerte, und die betrügerische Absicht seines räthselhaften Doppelgängers mit lebendigen Farben schilderte, wurde er zu lebend» länglicher Zwangsarbeit verurtheilt. Schon neigte fi der Tag zum Ende, an welchem er in Seleligatt vieler anderen Verurtheilten nach Gaslabrien abgeführt werden sollte, um an der Erbauung einer Heerstraße zu arbeiten, da öffneten si die Pforten seines Gefängnisses, und er erblidte mit Britaunen seinen Doppelgänger, der schweigend eintrat, und ihn mit selbstzufriedener, ja fast triumphirender Miene bestrachtete. Fernando fegte ihm eine ruhige, würdevolle Haltung entgegen. Breilich war seine Seele im Innersten aufgeregt,aber er wollte um seinen Pfreich seine Dualen vor Demjenigen zeigen, der sie ihm bereitet hatte. Dabei entging ihm nicht, daß auch sein Widersacher einen innern Kampf zu bestehen hatte, denn dieser wandte sein Antlig jegt von ihm ab, und seien nach ruhiger Saftung zu ringen. Da brach Fernando zuerst das Schweigen mit folgenden Worten : „Was u den triumphirenden Betrüger zu dem Schlachtopfer seiner verbrecherischen Umtriebe ?“ „Der Himmel Fennt, die Wahrheit," entgegnete jener, „und hat meine gerechte Sache unterfragt. Doch wozu sol ich mit Eudy rechten? Das Gefühl des Mitleids führt allein mich hierher. 8. ist mir peinlich, einen Mann, den man für mich selbst halten konnte, in einen jo elenden Zustand versept zu sehen. Nehmet dieses Gold ; es wird Euch die Pforten Eured Gefängnisses öffnen. Nur eine einzige, und zwar eine sehr leichte Bedingung habt Ihr zu erfüllen — und Ihr seid frei:" „Wie heißt diese Bedingung ?“ „Unterzeichnet diese Erklärung.“ Mit zitternder Hand überreichte der Doppelgänger dem Gefangenen eine schriftliche Erklärung, durch welche dieser ein reumüthiges Bekenntniß seiner angeblichen Betrügereien abgelegt haben würde. Vom tiefsten Unwillen ward Sernando beim Durchlesen dieser Schrift ergriffen, die er, statt aller Antwort, seinem Gegner zerrissen vor die Füße warf. ‚Nun wohl!" schäumte der Doppelgänger in höchster Aufregung, „weigert Ihr Euch vielleicht in der Hoffnung auf den Befig der Schönen Ludovica, so, er fahret denn, daß ich vor Gott mit ihr vermählt , bin.” Todesbläffe überzog Bernando’s Antlig ; aber er bezwang mit eisernem Willen die Megungen seines gerbrochenen Herzens, kreuzte die Arme, über die Brust, und warf einen durchdringenden Blid auf seinen Gegner. Dieser vermochte den Blid der leidenden Unschuld nicht zu ertragen. Die Fassung verlierend, schlug er, die Augen zu Boden, und schritt der Pforte de Gefängnisses zu, indem er beim Weggehen sprach) : „Behabt Euch wohl! ich überlasfe Euch Eurem Schicksal-aber erinnert Euch,daß ich gekommen war die Freiheit Euch zu bieten.“ Allein und ohne Hoffnung befand sich jept der unsüdliche Fernando. Mieberwältigt von dem Gefühle Es Hilflosigkeit, sank er auf feuchtes Stroh nieder, und vergab bittere Thränen der Wehmuth. Am folgenden Morgen verließ eine große Anzahl Sträflinge Neapel Weichbild, um nach den Ebenen Galabriens fich zu begeben. Mitten unter ihnen schritt der Graf Bernando Eboli. Ludovica war nicht die Gattin dr‘ räthselhaften Unbekannten. Als nämlich der Tag ihrer Vermählung bereits festgelegt worden, starb unversehens der Marchese Spina an den Folgen eined Schlaganfall. Da fachte die Waise den Entschluß, die Trauerzeit bei einer alten Tante in der Umgegend zu verleben. Vergebens bekämpfte der angebliche Eboli diesen Entschluß auf jede ihm geeignet scheinende Weise. Ludovica blieb uns erschütterlich, doc erlaubte sie ihm, ihr häufige Besuhe abzustatten. Bidept hatte er seinen Plan mit solcher Reinheit durchgeführt, das Ludovica unmöglich ahnen konnte, wie grausam: man ihr und ihrem gesiebten Sernando mitspielte. Unterdessen war es ihm gelungen, unter Auberss wahrscheinlichen Vorwänden Ludovica’de Dienerschaft zu entfernen, und solche durch ihm ganz ergebene Greaturen zu erregen, so daß sie bald, ohne sich dessen zu versehen, gleichsam eine Gefangene in ihrem eigenen Hause war, weil jene Grea»turen Befehl hatten, alle ihre Schritte zu bewachen. Südlich aber ward ihr, der an Freiheit gewöhnten Italienerin, die unter dem Vorwande ängstlicher Sorgfalt zu jeder Stunde ausgeübte Aufsicht unerträglich , und so stiegen die ersten Zweifel in ihrer Seele auf. Verschiedene Fragen, die sie in Beziehung auf die Vergangenheit an den angeblichen Grafen richtete, steigereten ihre Zweifel fast bid zur Gewißheit; denn übereiafcht dur diese unerwarteten Jagen, stotterte er, gerieth in Verlegenheit, und wich der Antwort aus. Die Blide Beider begegneten si bei dieser Deran«laffung, und er lad deutlich in jenen des jungen Mädccend, das sein Betrug entdeckt sei. Ludovica dagegen gewahrte in seinem Gesichte plöglich etwas so Absah