Oedenburger Zeitung, 1878. August (Jahrgang 11, nr. 92-104)

1878-08-02 / nr. 92

ler ‘ ZI. Jahrgang. Freitag, 2. August 1878. denbunger Zeihn Organ für Politik, Handel, Indu Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr? — Betrachten zur Wehr? — Der Wahrheit eine Waffe.” Redaction : Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. 124. Hotel „Rose“ Nr. 19,2. Stock, Einzelne Nummern offen MU. Kreuzer. 203 Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerafions-Preife: ir Roco; Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 fl. ar Bierteljährig 2 fl. 25 fl., Monatlich 1 fl. 3 Kür Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Bierteljährig 3­ fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumeratione- u. Infertions­­gebühren sind an die Nedac­ion portofrei einzusenden. (vormals „Oedenburger Nachrichten‘“.) firie und Landwirthschaft, dann für sociale Interesen überhaupt. — Inmi­ vermietet in dieser im Haasen einäsoleywilk stsgasse10,Wien,Away­estA.Opvel!,l.Gtumpuste12- Wien.Heinrichschalet,l.Singetitxysse GWikm Zusettionisgebührs 5 tr. für die hr 10 £ r. für die zweispaltige, 15 tr. für­­ die dreispaltige und Stysistiehurlaufende erweitert­­clusiveserstempelgebühr von ZOLr. Austünk­einqlleuwchtunge werden bereitwillig stettheilt. Die Piom­iere der Civilisation. Oedenburg, 1. August 1878. Das große, jedenfals bedeutungsvolle, vieleicht folgenschwere Ereigniß hat ss vollzogen, die österreichisch. ungarischen Truppen stehen bereit auf bosnischen Boden und ein Prinz des kaiserlich und königlichen Hauses ges­toß die Ehre das Banner unferd erhabenen Landes» bern auf bisher türkisches Gebiet zu pflanzen. Nach­­dem nun die Avantgarde des 13. Armee- Corps in den Fleden Berbier eingerückt ist, wälzen ss auch die anderen Heeressäulen über die Grenzen der beiden sirupirten Provinzen und rücen aus verschiedenen Richtungen gegen die Mittelpunkte Mostar und Serajemwo vor. Bald wird das ganze Land in unserem Befige sein, die kulturele Mission unserer Monarchie kann beginnen, denn unter den Klängen des Radepfye Marsches sind sie über die Save gerüct die Pion­iere der Civilisation. ‚Gigenthümlich aber erzitterte der elektrische Drath, als er und am vorigen Dienstag die Meldung vom be­­wirkten Ginmarsch vermittelte, ed war ein‘ seltsamer Ton in dem das Eisen der Telegraphenleitung vibrirte, ein Ton, der sich weithin verbreitete und den Säulen ded­ Dualidmud mittheilte, so daß auch sie, wie die Steinbilder des Memnon, ein heifes Klagelied anzus­­timmen schienen, denn als der erste österreichische Solo hat den Boden des bosnischen Ufers betrat, klang es wie ein ferned de profundis für Ungarn. Jeder ein­­sichtevolle Politiker ist überzeugt, daß sich‘ Bosnien ganz gut in den Rahmen der Habsburgischen Monarchie, aber nur sehr schwer, um nicht zu jagen unmöglich in den Rahmen ihrer heutigen Verfassung einfügen läßt. Was wird nun geschehen ? Wird die mächtige Ans ner­ends Partei aus Nachsicht für den Dualismus auf ihre­ Lieblingspläne verzichten ? Wird man zuerst einige hundert Millionen auf Bosnien­­ penditen, um dann schließlich von der geträumten „Mehrung des Reiches" abzustehen? Viel wahrscheinlicher ist es jedenfalls, daß man die Berfassung — natürlich auf legalem (!) Wege — zu ändern ruhen wird; sind also die Befigergreifer von Bosnien und der Herczegowina wirklich — Pionniere der Zivilisation? Wer Ohren hat, der höre, denn die Säulen des Dualismus klingen wirklich schon sehr stark. In Agram hat die Nationalpartei ihr Wahlmanifest erlassen, und sich für die Politik des Magyaren Andraffy erklärt. Wunderbare Erscheinung ! Die Kroaten rufen dem Ballplay ein begeistertes „Zivio!“ zu, sie s­chwärmen jene Politik, die nach ihrem eigenen Ausbruch „trop Wiener Reichsrath und Pester Reichstag entschieden mit Rußland und gegen die Türkei gegangen, und der Monarchie heute eine schöne Vergrößerung in Aus­­sicht sielt.­“ Wir danken gehorsamst dafür, ungefähr mit denselben Gefühlen, so wie einst — zu Zeiten der Regentschaft des „Haßlingers“ — der Soldat der eben fünfundzwanzig aufgezählt erhielt, seinen Hauptmann für die „gnädige Strafe“ dankte. Und wahrlich, eine Strafe für Ungarn ist die, doch offenbar gegen den Willen der Nation erfolgte Okkupation von Ländern die und finanziell zu Grunde richten müssen und schließlich vielleicht noch in einen Krieg verwiceln wer­­­den, dessen Wirkung und Ende gar nicht abzusehen ist. In dem­ noch am wenigsten bösen Balle — wenn wir nämlich wirklich weder mit der Pforte, nah mit Nuß­­land in blutigen Konflikt kommen sollen — haben wir dochh einen beträchtlichen Theil unserer Streitkräfte in Bosnien und in der Herczegowina lahm gelegt, so, doch wenn die „Italia irridente" und am Ende doch zum Waffenwerke zwingt um ihre Anmaßungen zurück­zuweisen — wir um so viel weniger Truppen ihr ent«­gegen zu stellen haben, als eben in den offupirten Landestheilen zur Bejagung Oderselben zurückgelassen werden müssen. Wir erleben mithin eine zweite Auf­­lage von Schleswig. Holstein, daß wir nach den unglück­lichen 6öser Feldzug wieder hergeben mußten, nachdem und vorher nach einer Seite hin bis zur Erschöpfung der Kräfte zur Ader gelassen wurde und nur ein Arm uns blieb, um die Preußen abzumwehren. Eine solche Politik nennt man — civilisatoris­ch und die Volle­itreder derselben sind? die Pion­iere der Civi­­lisation. () Wenn wir nicht im Grunde des Herzen­s so gute Patrioten wären,wenn wir nicht in allen andern Dins gentreu an der Regierung hingen,mir würden für die Politik die uns mit Bosnien und der Herczegowina behaftete,für den Gewinn,der hieß falls den Grafen . Andraffy geleitet hat einen ganz andern Namen haben, als die wörtliche Niederlegung von Politik: Staats­­flugbeit. Selbst der offiziöse Weihrauchstreuter, Lobredner und Psalmfinger der Andrafiyschen Politik der „Pefter Lloyd“ Forrigh­t seine bisherigen Berchimme­lungen durch folgende Ek­lamationen : „So wenig alle Bosnien und die Herczegowina in fi die Grenzen unserer Interessensphäre marsiren, so wenig ist ein Stillstand auf dieser Position denkbar. Wir beziehen einen Posten, welcher nicht nur unsere stete Wachsamkeit herausfordert, sondern und auch, zwingt, stets neue Garantien für die Erhaltung desselben zu ges winnen und die Bewegung im europäischen Orient mit entscheidender Kraft zu beherrschen. Die Politik der Ruhe und Beschaulichkeit ist zu Ende. Was wir im Orient erhalten wollen, dos müssen wir unablässig ver­­theidigen und zwar nicht bloß in unserem loyalen Bei­sig und unmittelbar, sondern überall und indirekt im allen Verhältnissen, wo gegnerische Tendenzen fi geltend machen. Und wir müssen uns auf Konflikte vorbereiten, die uns in feinem alle erspart bleiben werden. Je ernster wir e6 mit der Ausbreitung unserer Herrschaft im Orient nehmen und je weniger e8 mit der Osfupa­­tion von Bosnien und der Herzegowin auf eine ephemere Errungenschaft abgesehen sein man, desto sicherer wer­­den wir früher oder später den Kampf gegen jene Ge­­walten aufzunehmen haben, welche fs durch das Vor» dringen Defterreiche Ungarns in ihren Aspirationen und Steressen geschädigt sehen. CE ist also ohne Zweifel der Beginn einer Aktion von ungeheuerer Magmen­e, welche buchstäblich über die Existenz der Monarchie ents­cheiden wird.“ Aber leider, geschehen ist geschehen; wir müssen mit den vollzogenen Thatjachen rechnen und senden wohl nicht „leichten Herzen,“ nicht mit den Empfindungen übermüthigen Jubels, wohl aber darum nicht minder, aufrichtigen, innigen Gruß und Segenswunsch unfern streitbaren Brüdern und Söhnen in die unwirthlichen Gegenden, die sie jet beherbergen. Die Geschichte vie­ler Jahrhunderte Desterreihe Ungarns zeigte sic­h Bolf und Herrscher vereint im opfer- und drangsalreichen Kampfe gegen die Gewalten der Barbarei und Uncultur. Der „Dienst im I Interesse der Humanität und Civilisation” t­ r­ ­­­a 2­ ­m ne ® az sameae anazar Een Eee Seuilleton. Ein gebrodenes Herz. Bon I Walther. (Fortlegung.) Natürlich kommt jegt wieder der alte Philantrop, rief ich aus, der tausend und tausend Entschuldigungen für die Vergeben Anderer weiß und doch mit der raffir nirierten Grausamkeit das schärfste Messer an seine ei­­genen Meinen Behler legt. Denke Dir nur Decar, wie viel Du mit Deinem weichen, empfindsamen Herzen leiden wirft, wenn Du einen, nach Deiner eigenen Ue­­berzeugung Unschuldigen vertheidigst, mit welchem Eifer wirst Du Dich, feiner annehmen, mit welchem Aufwand Deiner geistigen und physischen Kräfte wirst du seine Sache durchführen. Da hast Du wohl Recht, August, rief mein Freund, und seine wundervollen Augen leuchteten hell auf, — für den, nach meiner eigenen. Welterzeugung Unschuldis gen, werde ich Gut und Blut einjegen, um ihn zu retten. Über was dann, wenn der Angeklagte auch in Dei­­nen Augen stuldig ist? frag ic. Dann werde ich auch diesen Unglücklichen mit mei­­ner ganzen Kraft vertheidigen, und der Richter Milde anflehen für den Armen, welcher vieleicht nur die mannigfaltigsten Umstände zum Verbrecner wurde, denn ich glaube nicht daran, daß das Soldtal dem Sinde den Strich in die Wiege legt, wie «8 allenfalls mit Kronen der Ball, und behaupte, daß die Erziehung und Verhältnisse erst den Menschen machen. Die Aufstellung dieses Dogmas wird sich im Ge­richtssaale nicht übel aufnehmen und manchen N­ichter wird ein Gefühl der Unbehaglichkeit anwandeln, da er ja möglicherweise an an der Stelle des Angeklagten Iinn könnte und der Angek­agte Jan stolz den Kopf in die Höhe werfen bei dem Gedanken, auch ich künnte ja Richter sein, wenn ich es nicht vorgezogen hätte, Spike­bube zu werden. Sept fommst Du wieder mit Deinen gewohnten Trivialitäten rief unmuthig Oscar. Nichts für ungut, lieber Freund, aber ich versicher­te Dir, ich feßte gerne Himmel und Hölle in Bewe­gung, um Di von diesen unglückkeligen Bertheidis­gungsideen abzubringen. Du taugst nun einmal nicht dafür, siehe Di doch nur in den Spiegel, [den Dein Aeuperes ist polizeiwidrig für einen Epiphubenverthei­­diger ; ist es nicht ein Unsinn, sie mit dieser idealen Schönheit unter allerhand dahergelaufenes Gefindel zu mengen und sich noch alle Mühe zu geben, daß diesem Gefindel ja nichts zu Leide geschehe ? Bei diesen Worten zog Sörner ein Etui aus seiner Brusttasce; er enthielt ein Miniaturbild seines Freundes. Und man urtheilt selbst, sagte er, indem er und das Bild reichte, ob Decar schön ist. Wahrhaftig, doch war der präctigste Männertopf denn wir Ale je sahen von wirklich idealer Schönheit, und doch erfahre er einen Jeden wie Mitleid, wenn man dieses F­rank hafte, blaffe. Gesicht erbliche, jeder Zug, jede Linie ist rein und edel, aber auch das bitterste Web war diesen wundervollen Unterg­aufe geprägt, ein Heer von Seelenqualen lag in diesen Aue­gen, das Märtyrerthum stand mit hohen Leitern auf dieser schönen Stirn. Körner fuhr in seiner Erzählung fort; Dein Mühen ist vergebens, entgegnete Oscar, uns­ter einer Unzahl schlechter Eigenschaften, befige ich auch noch die, eines entjeglichen Eigensinnes, was ich mir vorgenommen, führe ich durch, und wenn ich auch wie Du behauptest daran zu Grunde gehen sollte. Da einen Monat nach diesem Gespräche trat Oscar eines Tages in mein Zimmer. August, jegt will ich mir einmal meine Sperren verdienen, jagte er und seine Gesichtszüge­­chienen mir so eigenthüämlich belebt, sein ganzes Wesen war heute ein anderer. Was heißt dad? trug ich. Ich habe eine Vertheidigung übernommen. Diese wenigen Worte wirkten glei einem Blige­strahl auf mich. Meine Augen waren wie geblendet, nur durch d­e­nen Schleier sah ich die hohe schlanke Gestalt meines Freundes, lautloc starr­e ich zu ihm bin. Doch plöglic jagte das Blut mir durch die Adern 7, Naner

Next