Oedenburger Zeitung, 1879. Juli (Jahrgang 12, nr. 79-91)

1879-07-02 / nr. 79

Mittwoch, 2. Juli 1879. Sedenbumer (vormals „Oedenburger Nachrichten‘“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschhaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Motto : „Dem Hortichritt zur Ehr! — Betrüchten zur Wehr — Der Wahrheit eine Gaffe.“ Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerations­­reife: 2ace: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 fl., en Bierteljährig 2 85 ke., je 1 fl. Für Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Bier­­teljährig 3 fl. Alle für das Blatt betimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, BATmESneNn und Injertiond­­‚ gebühren sind an Die Ne action portofrei einzusenden. kr _ AU. Jahrgang. Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. 21.­­Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Redaktion: Einzelne Nummern Bolten MED Kreuzer. " Nr 79. Zeitung, SInferate vermitteln: die Herren Hafenstein , Vogler, Wall»­nichgasse 10, Wien, Budapest. A. Oppelis, I., Stubenpartei 2 Wien. Heinrich Schalek, I. Bingerstrasse 8, Wien. SIufersrons-Gebühr : 5 fr. für die einspaltige, 10 fr. für die z­weispaltige, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die d­urchlaufende Weritzeile er=­clusive der Stempelgebühr von 30 fl. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Habatt­ am Mit 1. Juli 1879 begann das 3. Quartal auf die „Dedenburger Zeitung.“ (früher „Deden­burger Nachrichten. “) In 2oko; vierteljährig 2 fl. 25 fl, Halbjährig 4 fl. 50 fl., ganzjährig 9 fl. . Auswärtigu vierteljährigsfl.,halbjährig 6.an«är­12fl. « Te­a­m Abonnenten, deren Pränumerations­­zeit mit Ende Juni abgelaufen ist, werden um recht­­zeitige Erneuerung ihrer Pränumeration ersuht, wie auch in weiteren Kreisen um zahlreichen Abonnements- Beitritt gebeten wird. ‚€. Romwalter, Ernst Marbach, Verleger. Redakteur. FRA RER a M Wurmstichig- Oedenburg, 1. Juli 1879. Die Aristokratie im Lande des heiligen Stefans ist lange nicht mehr jene glänzende Frucht am Stamme der Nation, welcher — segenspendend für die Darben­­den — der Himmel alle Fülle schenkte: sie ist mit Ausnahme einiger weniger Magnaten, doch Verschwen­­dung oder Leichtsinn in den Händen von Geldwuche­­rern und auch in anderer Beziehung bedenklich wur­m­­stichig geworden. Ebenso fehlt 8 und — wiederum höchst achtbare Ausnahmen zugestanden — um einem ternferten Kaufmanns oder &emwerbestand, denn der größte Theil unserer Geschäftswelt ist entweder vom Schwindel der jegigen Epoche angetränkelt und verspeiulirt das eigene, sowie das ihm anvertraute Ka­­pital seiner Gläubiger, oder aber es wagt der Steuer­­polyp an seinem besten Marke und macht so den ganzen Stand wurmfä­hig. Wie er mit einem großen Theile der Advokaten in Ungarn bestellt ist, darüber haben selbst nationale Blätter Auseinanderlegungen sehr wenig auf erbaulicher Art geliefert und unser Bauernstand steht vielfach auch ganz und gar nicht auf der Höhe der jegt anderweitig berufenden Kulturverhältnise, fann also trog der au­­ßerordentlichen Fruchtbarkeit unseres gesegneten Ungar­­landes, ‚seinem Boden einen derartigen Ertrag nicht abringen, wie er erforderlich wäre, um erfolgreich mit den Bodenerzeugiisen des Auslandes zu Fonfurriren. Die heimiige Industrie hält so viel weniger Schritt mit dem hießfalls weit entwickelteren Auslande, obschon bei und im neuester Zeit der Landesausstellungen, Ge­werbetage­tc., löbliche Anstrengungen gemacht werden, wenigstens einigermaßen die industrielle Thätigkeit des Landes zu heben. Künste und Wissenschaften sind in Ungarn erst in der Snofpe, deren Entfaltung er zwar zusehends vorbereitet, aber die wohl auch manche ver­­früpelte, wurmstichige Blüthe zu Tage fordert. Nun gelangen wir zu der Creme der Nation, zu den Auserwählten des Volkes, ihren Deputirten, die da berufen sind, dem Lande Gehege zu geben, Für­­derer seiner inneren Wohlfahrt, Stifter seines Ansehens nach Außen hin zu sein. Aber, ab! da finden wir bei einer halbwegs eingehenden Musterung erst recht solche, von denen selbst der begeistertste Patriot jagen muß, sie sind wurmjü­hig. Da wurde am vorigen Samstag in Wien ein Strafprozeßs gegen einen sicheren Sonnenberg aus Budapest ausgetragen, welcher Sonnenberg Titel füchtigen verschwindelte, er könne ihnen Orden, Aus­­zeichnungen und Prädikate verschaffen, falls sie ihm namhaftere Geldbeträge behufs­ Bestech­ung von ihm bekannten, höheren Amtspersonen, zugehen liegen. Der genannte, free Blageur bediente sich hierbei des Ein­­flusses eines pensionirten, kaiserlichen Nathes in Wien, Herrn Schweizer, der in der That — irregeleitet duch die Vorspiegelungen Sonnenberg’s — ab und zu seine Hand zur günstigen Erledigung der Ber­strebungen Sonnenbergs lieh, ohne indeß ei, wie die­­ser Xeptere, selbst eines Betruges, oder der absichtlichen Zäuschung einer Partei schuldig zu machen. Genug, der Brahler und Leutanschmiererer Son­­nenberg wurde des Verbrechens des­ Betruges schul­­dig gefunden und soll man eine achtmonatige Keffer­­strafe abbüßen, sowie des Landes verwiesen­­ werden. Bis hieher wäre auch Alles gut. Leute, die so albern waren, dem Sonnenberg auf den Leim zu gehen, ver­­dienen nichts Besseres, als um ihr Geld geprellt zu werden... . Mundus vult decipi, ergo decipiatur — die Welt will betrogen sein, also werde sie betrogen — spricht der Dichter. Der Wiener Staatsanwalt aber rennt die Musen nicht, er verfolgte den Ordensvermitt­­ler und ging noch weiter, viel weiter ; er ging so weit, daß der internationale Anstand w­eilenweit hinter ihm zurücklie­b und — was das Schlimmste it —‘ das Verhalten eines unserer ersten Abgeordneten, ded Vize- Präsidenten des ungarischen Reichstages, Herrn von Barady, gab ihm das Recht dazu. Er müsse vorsichtig sein, sagte der österreichische Staatsanwalt , Herr v. Barady untersteht ja nicht dem zisleithanischen Gerichte, er ist ein Umgar, sol sich also in der Heimat, wenn er fan, rechtfertigen , zu welchem Ende die Akten des Kriminal­-Ber­­fahrens in dieser Schwindelaffaire am die Budapester Staatsanwaltschaft abgetreten werden. Das heißt in dürren Worten: „Sabriel VBarady, der unga­­rische Reichstagsabgeordnete und V­izepräsident des un­­garischen Abgeordnetenhauses, säße bereits auf der An- ST “ . Nmn Jeuilleton. Die Leichenrevolution. Er war an einem schönen Augusttage des Jahres 1784, als ein einfach gefleiteter Mann zwischen den Gräbern eines Dorffrierhofes in der Umgebung Wien zu spazieren ging. Schlank und wohlgebaut, anschhenend über vierzig Jahre alt, zeigte sein vom freundlich­en­­ Lächeln um­­spielter Mund, der geistvolle Blid aus den schönen blauen Augen, daß weder religiöse Sch­wärmerei, noch der Wunsch, einen theuren Todten zu besuchen, wo gar Uebersättigung am Lebensgenusse ihn zu dieser Stätte geführt hatten. Er war wohl gerade auf einer „Wand­­partie“ begriffen, und sah si so nebenbei den Friedhof an. Aufmerksam die Leichensteine musternd, blieb er pröglich vor einer offenen Grube stehen, an welcher jo der Todtengräber des Friedhofes geschäftig zeigte. „Wohl für einen neuen Antömmling?" fragte, den Hof lüftend, der Unbelannte. Zu dienen", entgegnete der Zodtengräßer, den Stuf 'pansend erwidernd, aber nicht ohne merkliche Erf­­regtheit den Fremden musternd. „Sie haben eine traurige Beschäftigung", fuhr der Bejager fort. „Wie ich wahrnehme, haben Sie das zwanzigste Lebensjahr kaum überschritten und es ist seltsam, daß Sie si feinen anderen Verdienst wählen mochten‘. „AG, gnädiger Herr, ich Bin ja von armen Eltern geboren, welche beide mir der Tod ertriß, also von frühester Jugend an auf mir selbst angewiesen. Zah bin ein Larenburger und der dortige Zodtengräber, mein Patbe, hat mi dem Biesigen als Gehilfen em­­pfohlen. Was konnte ich anders thun, als dieses Amt mit Freuden ergriffen. Seitdem­ habe ich es lieb ge­­monnen und benüge meine freien Stunden, um zu studieren, zu musiziren — ich spiele nämlich­ passabel die Violine — und meinen been von Kirchhofverbesser­­ungen nachzuhängen‘. „ Ob, ob, ihr grübelt über Ideen?‘‘ viel über­­rascht der Besager. „Das freut mich ganz absonderlich, denn jeht — in diesem Falle seid hr mein Mann. Auch ich befasse mich mit der Realisirung von allerlei Keen. Die­ser ist allein das Göttliche! Darum jräge ich, Denjenigen, welchen eine dee erfaßt, ja ich suche diese nach Kräften zu fordern, zu belohnen, maht einmal Eure dee Hören ; vielleicht ist sie mit der meinigen im, Einklange‘. „Wohl möglich, gnädiger Herr‘, antwortete der Zodtengräbergehilfe und ein eigenthümliches Lächeln zog sich um seinen Dlund. „Meine Ideen betreffen die Ver­­besserung des Begräbniswesens. Seit wenigen Tagen raunt man si im ganzen Lande, gleich gespenstigen Ammenmärgen, ein­ schauerliches Gerücht in die Ohren. Entjegt flüstern sich die männlichen und weiblichen­­ Be­­wohner aller Städte und DOrtschaften zu, daß Seder bestimmt sei, noch nach dem Tode all Geist herumzu­­wandern. Kaiser Yosef I. wird eine Weichen­revolution machen“. „also hat man fon einen Vorgeschmad von den Dingen, die da kommen sollen?“ rief fröhlich der Fremde. „Desto besser, so mögen sich vorderhand die gesammten alten Weiber des Landes ausplaudern. Was it denn Eure Ansicht darüber ? „ AUG, gnädiger Herr, die ist sehr einfach. Ich be­­streite dem Menschen nicht die Pflicht, für die Erhaltung der ihm theuer gewordenen Personen zu sorgen ; diese Pflich­t aber hört, nach meiner unmaßgeblichen Ansicht, nach deren Tode auf. Der Geist jener von uns geliebten Personen kehrt zu dessen allmächtigem Schöpfer zurück. Sind wir also einmal fet überzeugt, daß sie wirklich todt sind, dann ist unsere erste Pflicht, darnach zu streben, daß die V­ermoderung ihrer Veiber­ung und unseren Dillmenschen nicht schädlich, oder zum mindesten nicht unangenehm werde.“ „Bravo, junger Mann, hr sprecht mir aus der Seele. Aber zu welchen Mitteln würdet hr greifen ?* „Hm, ganz einfach zu­ denen, welche am I­chnelli­st­en die Leichname zerstören. Die alten Parther Liegen sie von fleischfressenden Thieren verzehren — nun, ich möchte gerade nicht gern die Reihe meiner Mutter, selbst in den Magen eines Xöniwen, dieses Königs der Thier­­welt, begraben wissen; aber die Römer und Selten verbrannten ihre Todten. Oesterreich fan sich ihm eigeln, ein solches Schauspiel gerade vor sechzehn­­hundert Jahren gesehen zu haben, als nämlich der römische Cifr Marc­ Aurel in B­indobona, dem heutigen Wien, starb und in der Gegend der heutigen Vorstadt Sankt Ulrich seine Leiche feierlich verbrannt wurde. Auf demselben Flede soll die Maria-Trost-Kirche stehen. Damals waren die Bewohner des Landes auf­­geklärter, wie jegt, sie fanden dies ganz in der Ordnung , überhob man da dadurch dem verehrten Leichnam der eelhaften Verwesung. Aber jett legen wir unsere Todten in Gärge und fegen diese entweder in Gewölbe oder vergraben sie in der Erde. Die Leichname verfaulen doch sicher in beiden Fällen, nur hat die Eingrabung wenigstens den Vorzug, daß die Luftverpetzenden Auge­dünstungen, der schädliche Z Todtengeruch ganz oder mindestens theilweise den Lebenden entzogen werden“ „I halte dafür, daß es sehr zweckmäßig wäre, die Todten ganz ohne Sarg zu begraben und die Leichen vorher mit ungelöschtem Kalt zu umgeben". (Shui folgt.) Bl Fi

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