Oedenburger Zeitung, 1879. August (Jahrgang 12, nr. 92-105)

1879-08-01 / nr. 92

«:ix’-s. ! s | _ Freitag, 1.­­ August 1879. _ __ XD. Jahrgang. Organ für Politik, Handel, Indu­­­­­s Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr! — Berrückten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerations-Preise: tr Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 fl., v­­ierteljährig 2 fl. 25 kr., Dnadlie 1 fl. Fir Auswärts: Ganzjährig 12 K Halbjährig 6 fl., Vier­­teljährig 3 fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Prämumerations- und Intersiong­­gebühren sind an die Redaction portofrei einzusenden. (vormals „Oedenburger Habitäten“.) firie und Landwirtschhaft, dann für sociale Interesen überhaupt. Redaktion: Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. 121.­­Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Einzelne Nummern fosten MED Kreuzer. UEBEET BERGER N­ANSSOBERTNFRREIR LES NTRCISEKLHUT Inserate vermitteln: die Herren Hafenstein , Vogler, Wall­­fishhgasse 10, Wien, Budapest, U. Oppelik, I. Stubenpartei 2 Wien. Heinrich Schaler, I. Singerstrasfe 8, Wien. Infersions-Gebühr : 5 fr. für die einspaltige, 10 fr. für die Be­e, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die durchlaufende Petitzeile ev­­clusive der Stempelgebühr von 80 kr. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. etc . Die Arbeit adelt. Dedenburg, 31. Juli 1879. Wir gehören seineswegs zu jenen, und von­ jeher suspett gewesenen Demagogen, die Alles was durch Rang und Geburt ausgezeichnet ist, von vorneherein vernehmen, um’ dem Proletarierthume zu fajoliven ; wir sagen nicht wie Proughton: „Eigenthum ist Diebstahl“ und halten es auch nicht für nöthig, gleich den meisten Wiener BV Volksstückdichtern, neben einen herabgefon­menen ‚Grafen, der a tout prix ein farasterloser Vallot­ sein muß, einen rußigen Arbeiter Hinzustellen, als das Miusterbild aller bürgerlichen Tugenden und­ ehrenfesten Grund» säße. Wir willen recht gut, daß in jeder Klasse der verschiedenen gesellschaftlichen Rangesverhältnisse ‘ehrenunwerthe, gesinnungstüchtige Karaktere und niedrig denkende, gemein handelnde Kreaturen zu finden sind. ‚Die Korruption und die Laster überhaupt, sind nicht­­ ausschließlich in dem oder jenem Kreise zu finden, son­­­dern Schießen ‚leider wie Unkraut überall, nur mehr­­ oder ıninder dicht, zwischen dem Menschengeschlechte em­­por. Auf dem Felde der Hochgebornen, Reihen und Mächtigen sind nur die Auferen Kormen der unters­chiedlichen Laster etwas milder, weicher, raffinirter, wo­­gegen sie beim Volke in ihrer ganzen unverfeinerten ' Urwüchsigkeit zu Tage treten. Das Unkraut erhebt sein "Haupt im Glashause des Ziergärtners geradeso, wie auf dem Nübenader und dem S Kartoffelfelde des Bauern ; hier wie dort muß es ausgerupft werden, dort mit der skrupulösesten Umsicht, hier mit derberer­ Gründlickeit, dies­ erfordert hier wie dort Arbeit, dafür hat man "aber dann’ auf reines Feld, denn die Arbeit hat’s geadelt. Wir wollen nur noch einmal die Affaire Zi­ch­y- Ferraris mit dem Vorhergesagten eingeleitet ha­­ben, es ist nachgerade schon viel zu viel darüber ge­­schrieben worden. Graf Zichy hat demissionirt, er­ ist­­ abgethan, sein Reich nicht mehr von­ dieser Welt und die „öffentliche Meinung feiert den Triumph der von ihr vertretenen Sache, gegen: welche selbst der Herr Ministerpräsident (wir fürchten sehr zum eigenen Nach­­theile) vergebens­ gedonnert hat. m Parenthese es hier bemerkt, daß wir, dur den Sturz Zih­y’s8, das ganze gegen­wärtige, von der dermaligen Regierung auf­­rechtgehaltene »System für bedenklich erschüttert halten. Die Feinde Tipa’s mögen frohladen, ‚denn der Mi­­nisterpräsident hat nit jemwohl durch die Anklagen wider­­ seinen Staatssekretär, sondern vielmehr durch dessen Influgnahme einen heftigen Stop erlitten, der ihm­ vielleicht von seinen Standpunkt verdrängen­ wird ; allein die Feinde Tipa’s frohloden doch zu früh und ohne Grund, wenn sie meinen ihre Tendenzen, werden nun zum Duchbruche gelangen ; denn wahrlich: nicht die sogenannte Unabhängigkeitspartei im Lande wird nach Tifa’s präsumtiven Glück und Ende zum greien Wort ge­langen, sondern im Gegentheile, wenigstens aller Wahrsceinlichkeit nach, die Partei der Alt, Konservativen die Senuyey’s und ihr etwas reaktionär angehauchter Anhang... Nach dieser Heinen Abschweifung kommen wir wieder zu unserem, Thema, die Arbeit adelt! Veranlassung hierzu gibt und der neuernannte Obergespan des Arader, Komitates, welcher bei seinem feierlichen­ Einzüge gegen die ihm, beglückwünschenden Komitatenser wie folgt zu sprechen anhub: „Mein­ ganzes Leben war der Arbeit gewidmet und wenn die­ Gnade unseres Königs und das Ver­­trauen der Regierung mich, den einfachen Sohn eines beseidenen und ehrlichen Dorfnotars,­ in diese glän­­zende Stellung erhoben hat, so wurde damit jenes große Prinzip geheiligt und jene Wahrheit zur Gel­­tung gebracht: „In labore nobilitas“. („Die Ar­­beit adelt".) Der raushhende Beifall, den diese Worte bei den Zuhörern gefunden, ehrt ebenso den Sprecher wie die Zuhörerschaft, von der wir voraus­­legen wollen, daß­ ihre Akklamation nit blos das Strohfeuer des momentanen, gelegentlichen Enthusias­­mus, sondern der Ausflug eigener, fester Meberzeugung gewesen. Auch wir freuen uns der Nede des Arader Obergespand ; aber unsere Freude ist seine ungetrübte ; denn gerade das Außergewöhnliche dieser Ernennung, die Seltenheit dieser Ansprache bietet den Beweis, daß wir es mit seinem normalen Sale, zu thun haben. Wahr ist 8: „Die Arbeit adelt­, aber ah! Klingt dieses gute alte Wort in unserer modernen Zeit nicht fast märchenhaft? Arbeiten in einem Zeit­­alter, in welchem leider die Trinkgelder zu Zaufenden und Hunderttaufenden vertheilt werden, hieße das nicht unsinnig handeln ?“Gewisse Kreise sind zum Herrschen und nicht zum Arbeiten geboren und da im gesegneten Ungarn, in diesem Lande der „Demokratie", die Adels­­briefe von Jedermann beansprucht werden, und selbst die Bürger­ei ihres ehrlichen Standes Schämen, so ist er sein Wunder, wenn jener „Adel“, den die Ar­­beit bietet hier nur wenig geachtet, fast bemitleidet wird. Wie soll aber auch diese Zierde des Bürgers zu Ehren kommen, wenn unsere Bürgerlichen selber kein höheres Ziel fennen, als je früher in den Kreis des „Adels aufgenommen zu werden ? It es nicht tief­­besschämend für den Bürgerstand überhaupt, wenn kurze fichtige Eltern nichts sehnlicher wünschen, als das ihr m­it en­ge Jeuilleton. Die weiße Uniform. Novelle von Keander Merz. (Fortlegung.) . Den Leuchter auf der prachtvoll geschnitzten Ma­­·bagoni-Ti­schsetzend,der­ vor dem rothsanuit überzogenen schwell indens Sopha stand,s kam sie mir­ entgegen,mir die"schm"ale,magere Hand reichend. Noch immer war ich unfähig, sprechen.( · « | „ch, sehe, Sie kämpfen mit Zweifeln“, hob: sie im heiteren hohlen Tone an, „und doch bin ic die Gräfin Martini. Ja lieber frem­d‘, fuhr sie fort, indem "si ein schmerzlicher Zug um ihre entfärbten Lippen legte, „ich bin dieselbe Gräfin Martini vom Jahre 1863. "Schweres Weh’ ist über mich gekommen ;­ drei „Jahre haben mich zur hinfälligen­­ Oreifin gemacht, mein Haar persilbert, — meine Kraft gebrochen.‘ Sprachlos die dargereihte Hand ergreifend, büßte ich’ sie, wie man die­ Hand einer Heiligen Fülsen würde. ‚Schaudervoll war sie anzusehen. Die V­erheerungen des Schmerzes, der moralischen Qualen an ihrer Per­­son spotten: jeder Beschreibung. Die gesimde Nöthe, ehedem auf ihrem vollen, freundlichen Antlige gelagert, war, verschwunden, an ihrer Stelle Frankhafte Blöße zurücklassend; das­ Haar war silberweiß und schüttet, das Auge glanzlos, an­­­­scheinend vom anhaltenden Weinen roth gerändert. Die "Lippen entfärbt, 'die runden, üppigen Formen zurückge­­"treten, Table Düsterheit zurücklaffend, die Haut voll Nungeln. . » «­Ihrs Anzug war­ einfach,—wieder einer Nonnek ein schwarzes bis oben am Halse züchtig geschlossenn «Seidenkleids und u­m kleine Haube aus weißen Bra­­­­banterspi­tzen. « C8 fottete ‚mir viele­ Mühe, die zwei Thränen zu­ ! „Mm Gottes willen, was ist geschehen, Kontefja 2 trug ich endlichh im wehmüthigen Zone. ‚„Lassen Sie uns auf dem Sopha Plag nehmen,‘ sagte sie, meine Hand wieder ergreifend und wie eine Mutter drühend, „Sie sollen alles wissen, Alles Alles.“ Damit schritten wir zum Sopha. Hier ließ sie sie wie seine Kranke, der jede Bewegung Leiden verursacht, bedächtig, in der rechten Ehe nieder, während ich in der ‚linken Plag nahm. „Nein, nein,‘ fragte sie, ihre geisterhafte Hand nach mir ausstrebend, „kommen Sie näher­­­ noch näher — So, gut, jetzt Fan ich Ihnen Alles erzählen ohne meine Brust übermäßig anzustrengen.‘“ Sie ließ ein heetliches Hüfteln vernehmen. Dann: ihre Linke auf meine Schulter legend, wie sie es in glücklicheren Tagen zu ‚thun pflegte, schiefte sie sich an, mir ihre schredliche Geschichte zu erzählen. „Also‘ — — begann sie. — — Sie hielt plöß­­lich ‚inne, jenzte den Kopf und schien nachzudenken. „Sie ‚übernachten in der Billa?“ trug sie nach einer Heinen Raufe, den Kopf lachte erhebend und mich mit vollem Blide ansehend. Sie wollte, etwas ‚einwenden. „Mein, nein‘, unterbrach sie mich lebhaft, „bei solch, einem Wetter können Sie unmöglich fort.“ Sie griff, so ein wenig über den Zisch beugend, nach einem metallenen Gödlein, das auf funstvoll ge­­arbeitetem Marmor - Postamente ruhte, und klingelte laut. Der Diener mit dem Zwillich-Kittel trat in die Thür. Die Gräfin­ winktte ihm näher. Sie flüsterte ihm Etwas ins Ohr und entließ ihn. Dann wandte sie si wieder zu mir: ‚„Also meine ‚Gesichte wollen Sie wissen ?" Sie sah mich voll an, wieder ihre Hand auf,meine Schulter legend. Im Schwieg. „Freund, diese Geschichte wird mir viel Schmerzen, viel Thränen hosten, ich will sie nen aber erzählen — für Sie habe ich feine Geheimnisse.‘ So verbeugte mich. ‚In meinem Haufe hat sich viel Unglüd einge­­blichen‘, fuhr sie seufzend fort. „Ach, ich bin namen­­los unglücklich !‘ Sie brach in lautes Schluchzen aus.­­ Namenloser Schmerz ergriff mich. Endlich trocknete sie sich die Augen mit dem feinen seigenumsäumten Battisttuche, das sie stets in der Hand führte, und Hub mit schwacher, zeitweise von einem frampfhaften Husten unterbrochenen Stimme so an: „Meine Kamilla — — — Sie erinnern sich noch meiner Kamilla,, nicht wahr 2 Mir war es, als sähe ich Kamilla’s blutige Leiche aufgerichtet vor mir. Lebhaft”, sagte ich kaum hörbar. „Deine Kamilla also — — du nein — — ach Gott! Gott! ich weiß fürwahr nicht, wo ich anfangen so. Tausend Gedanken durchreuzen mein Gehirn und ihh bin unfähig, sie zusammenzufassen, zu ordnen.“ Sie ließ den Kopf auf die Brust finden, preßte ihn mit beiden Händen zusammen, in dieser Stellung eine Weile innehaltend. — Zu diesem Augenblicke zuhte ein Blig, worauf ein furchtbarer Schlag folgte. äh auffahrend, sah mi die Gräfin mit ihren großen, matten Augen an und jehien zu horchen. Dann erzählte sie weiter: „Ungefähr zwei Monate nach irer Abreise, äußerte eines Tages Kamille, den Wunsch, den Nest des Winters in Verona zuzubringen. Sie wissen, daß ic in­ Verona am Piazza Bra einen schönen Palast befige 2’ &h nichte. ie fuhr fort: (Sortregung folgt.) + radzuhalten, ein Wort zu die mir im die Augen schoßen. ee

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