Oedenburger Zeitung, 1879. September (Jahrgang 12, nr. 106-117)

1879-09-03 / nr. 106

gewährten,sind wir auch heute noch nicht dahin gelangt, unsere Interessen gew­ahrt zu sehen.Serbien hat mit allen Staaten Handelsverträge abgeschlossen,uns in schlauer Weise das Prävenire gespielt und die Bestre­­bungen zur Sicherung Unserer Verkehrsinteressen sind bis heute vereitelt worden.Ist es nicht beschämend,daß wir, die Großmacht,die Serbien materiell in ihr Machtge­­biet zu ziehen vermöchte,bis heute nicht im Stande waren, die Herren an der Drina zur Raison zu brin­­gen und daß wir die wichtigsten Verkehrslinien den Spielball der verschiedenen fremden Einflüsse in Serbien sein lassen ? Wir haben es bereit oben gesagt ; die unmit­­telbaren Folgen der diesjährigen Messenrdte werden im Lande schwer gefühlt werden, für das Staatsleben hat jedoch der größere oder geringere Bodenertrag sei­­ne tiefergehende Wirkung, zumindest seine solche nachfühl­­bare Bedeutung wie eine thbatenlose oder schwächliche Handels-und Berstehr# politif. Sowohl unserem Handelsminister, al un­­serem Kommunikations-Minister wird mindestens guter Wille nachgerühmt, e8 wäre nun an der Zeit, den gute­ren Willen zu bethätigen. So könnte der Uebergang von aderbautreibenden zum I­ndu­­strie- Staat kräftig initiiert werden, wenn man den­ erwachenden Unternehmungsgeist richtig bewüßt, es könnte Arbeit geschaffen werden, wenn man die Verkehrs- Linien nach dem Oriente ausbaut, ohne welche eine Aus­­breitung unsere ® Handels undenkbar ist, wenn man die Verkehrsfragen im Innern regelt, und endliich ein einheitliches, unseren Bedürfnissen entsprechendes Tarif­­system durchführt, wenn man die Handelsverträge, die im Orient fehlen, zu Stande bringt und Staaten wie Rumänien beweist, daß man uns gegenüber eingegan­­gene Verpflichtungen nicht brechen darf und unsere In­­teressen vespeftigen muß. Er ist warhaftig Hoh an der Zeit, daß die Regierung der Wahrheit eingedend sei, daß ein Land von der politischen Phrase allein nicht leben kann. Erst wenn sie zu dieser Erkenntnis gekommen sein wird, tagt für Ungarn das Morgenroth einer bestern Zeit. Was indes auch kommen möge, es wäre von und übereilt schon heute bestimmt die Nichtung ange­ben zu wollen, welche Baron Haymerle in Bezug auf die auswärtigen und die inneren Angelegenheiten des Reiches einschlagen wird. Daß Ungarns politische Selbstständigkeit duch Haymerle seine festere Basis oder gar weitere Ausdehnung erhalten werde, seint uns ziemlich zweifellos , seien wir zufrieden, wenn er seinen Berfuhh macht, Beschränkungen eintreten zu la­­fen. Wir müßten also unaufrichtig sein, wenn wir an die Person des Baron Haymerle gerade große Hoffnungen zu knüpfen vorgeben würden. Das Beste an­hm ist, daß man absolut nichts Nach­­theiliges über ihn vorzubringen weiß. Er gilt als for­­cester Beamter und vorzüglicher Stilist. Als Botschaf­­ter in Rom, als zweiter Bevollmächtigter am Berliner Kongreße besaß er unstreitig einen hohen diplomatischen Rang. Die geschäftsmäßige Leitung des auswärtigen Amtes wird er gewiß gebührend versehen können. Von seinen Ideem ist absolut nichts bekannt. Es ist möglich, daß wir auch in Baron Hay­­merle nur einen provisorischen Nachfolger Andraffy’s zu erblic­en haben, dag der eigentliche Leiter der auswärtigen Politik noch im Hintergrunde steht. Freiherr von Papymerle. Höcht verschieden, ja einander widersprechend sind die Urtheile über den Mann auf den jegt aller Augen der politischen Welt gerichtet sind. Uns interessirt zu­­nächst der Ausdruck jener Ansichten, welche über diesen Staatsmann in Bezug auf seine Haltung der ung­a­­rischen Reichshälfte gegenüber bestehen. T’hatjache ist : Baron Haymerle ist des Ungarischen weder in Wort noch Schrift mächtig, weshalb Benjamin v. Ka­l- Lay ihm zur Seite gestellt werden soll. Diese Anserntung der Sprache ist für einen gemeisamen Minister ein fatales Hinderniß in der Ausübung der seiner Pflege anbefohlenen Angelegenheiten , wo fataler aber für das Reich der heiligen Stefanskrone ist die politische Anfchauung Haymerles. Er ist — wie wir be­­reits in einer früheren Nummer dieser Zeitung bemerkt haben — aus Mederzeugung Zentralist, aus Neigung Anhänger der Bismarkischen Theorien; darum gibt aber auch die „Nordd. Allg. Ztg." — das Organ Bismarfs, ihre Zustimmung zu der bes­vorstehenden Wahl, indem sie bemerkt, Baron Hay­­­merle dürfe als Nachfolger des Grafen Andrasfy nit nur im Amte, sondern als in den Anschauungen gelten, die seit neun Jahren für die auswärtige Poli­­tik Oesterreichs maßgebend gewesen sind. Dasfelde Blatt erzählt. Graf Andrasfy nahm die Einladung Bismarcs nach Dastein in einem warm geschriebenen Briefe an, worin er erklärt, dass er, wer au­f ein Nachfolger sei, der Pflege inniger­­ Be­­ziehungen zu Deutschland die gleiche sorgsame Aufmerk­­samkeit zuwenden werde, die er derselben geschenkt und die er andererseit voll Vertrauen in die Hand des Man­­nes lege, von dem er wie dem­ Freund vom Freunde eide. “ Haymerle wird also im Sinne dieser Ber heigungen zu amtiren haben. Wenn er es thut, dann stehen wir jedoch nicht blog einem personen­, son­­dern an einem tüchtigen System­wechsel ge­genüber, den Graf Andraffy selber gewiß längst schon durchgeführt haben würde, wenn er es gewagt hätte offen mit allen jenen Traditionen zu brechen, welche seine politische Vergangenheit mit einem gewissen Nimbus in den Augen der ungarischen Nation umge­­hen und ihm (den Andraffy) seinerzeit als Märtyrer seines Patriotismus hingestellt haben. Baron Haymerle braucht seine Anteziventien zu verleugnen, er kann uns gefreut ein Programm darchegen, dessen geistiger Schö­­pfer vielleicht Andraffy ist und über welches er seinen Nachfolger schon Au­struktionen ertheilt haben wird. Uebrigens finden wir an einer Systemän­­derung gar nichts besondere­s Befremdendes. Kein Politiker der Welt hat, um z. B.von dem Berliner Vertrag zu reden, denselben als die bereits defi­­nitive Lösung der Orientfrage befragten künnen. Wenn Graf Andraffy seine Politik auf den Berliner Vertrag bafi­t, so ist er im Rechte. Denn der Berliner Vertrag war eine not­wendige Phase in der Regul­iirung des Orients. Eo ist das Verdienst Andraffy’s,­­ den zersprengten europäischen Areopag wieder gesam­­melt zu haben. Dieses große Verdienst wird die Welt neid­­los, mit voller Anerkennung konzedigen, wenn allc seine gegenwärtigen Gegner ihn heute unter die Nullen werfen. Lokale * Vierhöchste Auszeichnung für Stuhlweißenburg. Seine Menjestät der König hat anläßig der seltönen Resultate der genannten Landes-Industrie-Ausstellung Seiner f. u. f. Hoheit dem Herrn Erzherzog Josef Allerhböcht seinen besondern Dank ausgedrückt, dann folgende hohe Dekorationen an die Nachbenannten verliehen. Dem Grafen Eugen Zichy, Präsidenten des Ausstellungssomites, tat frei das Kom­­mandeurkreuz des Leopoldordens , dem Sofjei Hav­­ranef, Bürgermeister der Stadt Stuhlweißenburg und Mar Braun, dem ungarländischen Vertreter der österr. Südbahn, gleichfalls tarfrei den Titel eines königlichen Nathes , dem Alexander Kederer, Buda­­pester Hausbesiger und Borjoder Gutsbesiger, gleich­­falls mit Nachsicht der Taren den eisernen Stronen­­orden dritter Klasse ; ferner dem Nikolaus Kolos­­väry fen, Schulinspektor des­ Weißenburger Komitats, Stefan Helmayer, Fabrikseigenthümer in Stuhl­­weißenburg, Leo Bauer de Budahegy, Direktor der Salgo-Tarjaner Eisenraffinerie » Gesellsshaft, Karl Schmidt, Nagy-Bofänger Lederfabriksbesizer Koloman Nadoly, Baranyaer Gutsbesiger und Vizepräsidenten des dortigen landwirthschaftlichen Vereins, Geza Die­­ßöly, Maler, Franz Sc­hier, Stuhlweißenburger Staatsingenieur und Ferdinand Kreußer, dortigen Hauseigenthümer, das Ritterkreuz des Franzerojef- Ordens . * Der hiesige Magistrat bringt fol­­gende „Kundmachung :* Da im Gehege über die Ein­­quartierung der Militär-Verwaltung bei T­ruppenübun­­gen das Recht zur ungehinderten Bewügung der noth­­wendigen Grundfläche gewahrt ist, doc die­se Benügung mit möglich­er Schonung der Kultur zu geschehen hat, und nach Beendigung jeder Waffenübung von einer ge­­mischten Kommission, im Beisein der Grundeigenthümer, sowie Zuziehung beeideter Schägleute, der verursachte wirtliche Schaden und Nugentgang sofort zu ermitteln, und die festgefete volle Vergütung durch die Militär-­verwaltung auszuzahlen ist,­­ so werden die Grunds­eigenthümer hiemit aufgefordert, im Falle bei der ge­­genwärtigen Kon­zentrirung durch das manövrirende Militär im Felde, Baum- und Weingärten Schaden verursacht würde, demselben, alsbald im Bürgermeister­­amte anzuzeigen, damit zu seiner Zeit die volle­­ Ver­­gütung beansprucht werden künne. * Bom Linzer Parteitage. Der Verlauf der Debatten österreichischer Abgeordneter in der Lan­­deshauptstadt von Oberösterreich, ist auch für Ungarn nicht ohne Synteresse, denn die politischen Kundgebungen der Brüder jenseits der Leitha sind von nicht zu unter­ Thätendem Einfluge auf die politische Sachlage in der ganzen Monarchie. Es waren ungefähr T0 Abgeordnete aus den verschiedenen Theilen der im Neichgrab­e ver­tretenen Länder erschienen und sie vereinigten sich zu folgender Resolution, die wir hier in nuce zur jammenfassen. „Die staatsrechtlichen Grundlagen des Rei­­es, wie die in der Berfaffung und ihren Ausführungs­­gelegen begründeten kulturellen und freiheitlichen Insti­­tutionen sind unversehrt zu erhalten; nur in diesem Rahmen kann den Forderungen nach erweiterter Bef­­riedigung nationaler Wünsche stattgegeben werden.“ „Die Ordnung im­ Staatshaushalte ist durch Sparsamkeit in allen Zweigen der Verwaltung, vor Allem aber durch die mit der Wehrfähigkeit des Reic­es verei­nbarliche Herabminderung des Heeresaufwandes ernstlich anzustreben.‘‘ Also die in Linz anwesenden Deputirten wollen von einem Koalitionsgedanken nichts wissen, sie wollen den politischen „status quo“ aufrecht­erhal­­ten und den Böhmen nur jene Zugeständnisse machen, die ohne die gegenwärtige Verfassung im mindesten zu alteri­en, durchführbar sind. Wenn mithin Glaf Taaffe die Leitung des Kabinetes darum erhielt, um ein Koa­­litionsministerium vorzubereiten, so ist sein Zweck voll­­ständig vereitelt. Dagegen wird Graf Taaffe mit einer sehr anfehlenlichen Ersparnis­ im Militär-Etat vor die Parlamente treten müssen. Sie wird v­ielleicht nicht volle zehn Millionen betragen, wie die Herren vom Linzer Parteitage wüns­­chen, aber sie wird hoffentlich wirklich zur Geltung kommen und wenn nur überhaupt Etwas vom Heeres­­aufwand nachgelassen wird, so ist das immer schon ein Schritt zur Befreiung­ z­u Grabe getragen. Am festen Sonn­­tag Nachmittag fand das Leichenbegängniß des in allen Streifen der hiesigen Bevölkerung so hochgefrägten Hrn. Anton Cavallar statt. Welch’ innige Theilnahme allerseits den schmerzgebeugten Leidtragenden entgegen­­gebracht wurde, bewies schon der Umstand, daß lange noch vor der festgefegten Stunde sich eine ungemein große Menschenmenge vor dem Trauerhause versammelte. Um 4 Uhr wurde unter großer geistlicher Assistenz vom Herrn Domprobst Maräß die Einsegnung vollzogen, und nach Beerdigung der üblichen kirchlichen Ceremoni­­en stimmte der Dedenburgr Mänergesangsver­­ein den wahrhaft ergreifenden Mendelsohn’schen Trau­­erchor „Es ist bestimmt in Gottes Rath" an,­­ der mit padendem Effekte vorgetragen, eine solch’ mäch­­tige Wirkung hervorrief, daß von den zahlreichen An­­wesenden sein Auge thränenleer blieb. — Sodann wurde der mit prachtvollen Blumenfränzen reichges­chmücte Sarg auf den Aspännigen Salawagen gehoben und der Leichenzug fegte sich in Bewegung. Boran die in tiefe Trauer gefüllten Leidtragenden, dan­n die Seiten der Behörden, der Herr Bürgermeister Glozer mit den Herrn Magistratsräthen, viele Stadtrepräsen­­tanten, von Corporationen , der Oedenburger Männer­­gesangverein und der DVBeteranenverein, deren unterstü­­ßendes Mitglied der­­Berewigte war, und eine nach vielen Hunderten zählende Menschenmenge. — Am Friedhofe zu St. Michael wurde am offenen Grabe noch der Trauerdor­; „Am Grabe“ vom oberwähnten Deännergesangverein gesungen, und die Leiche, in die Familien-Öruft zur ewigen Nähe bestattet. * Novibazar Die österreichisch - ungarische Kommission unter Major Milinkopics, überschritt am 30. August die Grenze des Pashalifs. Eine türkisge Eskorte von 28 Mann wurde derselben beigegeben. Die Nack­ehr der Kommission wird in höchstens drei oder vier Tagen erwartet und hegt man im mili­­tärischen Kreisen die Zuversicht, daß die Resultate der Kommission den bisherigen Beobachtungen zur Bestäti­­gung dienen und konstatiren werden, daß die in der Aprilkonvention vorgesehene Bewegung einiger strategi­­scher Punkte der Limlinie ohne Gefahr vollzogen wer­­den Fan, daß mithin ein größeres Machtaufgebot, als ursprünglich in Anschlag gebracht wurde, nicht wird zur Anwendung gelangen müssen. ALs Kommandant der einmarschivenden Truppen wird FML, Baron König genannt, dem die Briga­­den der Generalmajore Killcs und ODbadics zu Verfügung gestellt werden sollen. Am Einmarschtermin wird beiläufig der 8. September in’8 Auge gefaßt. Die Truppen werden selbstverständlich mit Gebirgsausrüstun­­gen versehen sein, mit transportablem Gebirgstrain und Tragb­ieren. Den bish­erigen Dispositionen zufolge wird der Einmarsch auf zwei Linien erfolgen. Das nächste Ziel der Okkupation bilden die Orte: P­reboj, Prepolje und Taschlidza. * Schmale Straßen. Seit Jahren käm­­pfen wir in diesen Blättern für Anlage gerader und möglichst breiter Strasfen. Wir bitten darum so oft unser städt. Bauamt in die Lage verlegt wird, eine Straße zu eröffnen, denn es scheint auch in unseren Tagen von dem Prinzipe der Vorfahren, die Städte mit „schmalen und frommen Gäßchen“ zu verungieren, nicht abgegangen werden zu wollen. Wir wollen un­­sere Leser auf jene Straße hinweisen, welche von der „Elisabethbrüde“ bis zum Seminar führt und die eine Art von Gürtelstraffe zu werden bestimmt scheint. In diese Straße führen nicht bloß drei Ausmündun­­gen der Stadt, sondern es wird ohne Zweifel auch alles Hornvieh, welches von und wieder zur Südbahn verladen werden soll, dort getrieben werden. Außer­­dem vermehren sich von Jahr zu Jahr die Zufuhren zur Südbahn, dieselben werden theilweise, sobald ein­­mal die Gürtelstrasfe auch bei schlechtem Wetter prof­­titabel sein wird, über dieselbe dirigirt werden, wäh­­rend es sei die Fuhrleute vorziehen dur die Stadt zu fahren. Aus alledem geht Hervor, daß die bewegte Gürtelstraße noch von einer größeren Breite sein sollte, als sie thatsächlich angelegt werden zu sollen scheint. Set wäre es noch mit geringen Ausgaben möglich, dieselbe wenigstens um 1—2 Klafter zu erweitern. In zehn Jahren wird sich die Nothwendigkeit einer Ver­­breiterung zweifelsohne gebietherisch hervordrängen und dann aber wird die Durchführung mühsam und natürl­ich auch viel Fortspieliger sein. * Wieder ein Banknoten-Diebstahl. Erst kürzlich berichteten wir über einen sogenannten „Bauernfänger“, einen Schwindler nämlich, der den zu Markt kommenden Landleuten Noten zu Einhundert Gulden abzuschwindeln vermochte; man haben wir neuerdings einen derartigen Fall. Ein Landmann aus der nächsten Umgebung unserer Stadt brachte am vo­­rigen Freitag seine Streidefehlung hieher auf den Diarft und sollte bereits 92 fl. dafür erhalten, da näherte sich ihm ein Mann, der sich für einen Bekann­­ten ausgab und an den Ort, wo der Bauer her ist, auf dessen Wagen geführt werden wollte, wofür er 2 fl. Zuhrlohn zu bezahlen und außerdem die Frucht des Bauern hier höher als um 92 fl. zu verwerthen sich erbot. Der fremde Landmann schöpfte Vertrauen aus dem scheinbar treuherzigen Benehmen des Antrag:

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