Oedenburger Zeitung, 1879. Dezember (Jahrgang 12, nr. 145-156)

1879-12-03 / nr. 145

I W« « w­i1 »i­­­"-­­nicht Wunder nehmen, wenn wir in unserem Mufen­­„ tempel troß der vermißten. Nur die Fahlen Zweige der entlaubten Bäu­­me Frönt ein neuer lieblicher Schmuc. Es ist der Reif­­erheilung des Theaterzettels Rofen der in phantastischen Zapfen und Zöpfchen sie brillan­­tirt, old wären sie aus der Kanditenfabrik der Herren Schwarz und Weiß hervorgegangen. Schwarz sind die Stämme und weiß ist der Reif. — Aber halt eine neue erwachte Blüthe entdeckten wir doch, die ung die ersten Herbsttage rauben zu wollen schienen, welche aber jegt im rauhen Winter Gottlob zu frü­hem Leben erstanden ist. Wir meinen Frl. v. Rihsberg, welche Anfangs Oktober schwer erkrankte, zu unserer Freude aber vorgestern wieder auf unserer Bühne erschien, mit Applaus und einer Blumenspende empfangen wurde und deren Wiederauftreten auch wir hiemit herzlichst beglückwünsten. Tagesneuigkeiten. + Der Rafhauer Lei­denverein hat einen empfindlichen Verlust erlitten. Der Kirchendiener der dortigen ev. Gemeinde, der vor einiger Zeit durch­­gebrannt ist, hat nicht nie die Gemeinde, bei der er angestellt war, geschubdigt, sondern auch bdiesen D Verein hart mitgenommen. Derselbe wurde nämlich mit dem Anlasse der Jahresbeiträge betraut. Nun stellt er sich heraus, daß der saubere Caffier 700 fl. für sich einkass firt habe. 4 Rafhe Antwort Der Budapester Zahn­­arzt Dr. Eugen Zurnovsfy telegraphirte dieser Tage um einen Zahntehnifer nach New­ York. Die Depesche wurde in Budapest nach 10 Uhr Vormittags aufgege­­ben und um halb 9 Uhr Abends desselben Tages war auch schon die Antwort aus Amerika da. Somit hatte es im Lanzen­raum 10­ Stunden gedauert, daß die Depeiche auf eine Distanz von fast achttausend Meilen beantwortet wurde.­­ EEE EEE TEE Bereins-Nacrichten. Dem Deden­burger „kaufmän­nischen Bereime" liegt uns der Jahresbericht pro 1878/9 vor, woraus eine äu­ßerst rege Thätigkeit dieses für unsere junge Handelsmwelt so ersprießlichen Bereines zu entnehmen it. Protestor dieser Korporation ist bekanntlich Herr Ignaz Ritter v. $landorffer, welcher seinen mächtigen Einfluß den Zwecken der Kör­­perschaft im vollsten Maße angedeihen läßt. Als Ob­­mann fungirt Herr Wilhelm Ritter mit unermü­­dender Thätigkeit, und wichtigem Verständniße für die Sache, der er sich geweiht hat. Mitglieder zählt der Verein :5 stiftende, 7 außerordentliche und 93 ordentliche; das ist um 20 mehr als im V­orjahre Der Vermögensstand bezifferte sich am 30. September 1878 auf 802 fl. SL kr. und Hat inzwischen einen Zuwachs von 100 fl. und 14 Fr. erfahren, trug dem der Verein sehr viele Toftpielige Unterhaltungen arrangirt und lehrreiche Werke und Beischriften für seine aus 480 Bänden bestehende Bibliothek akquirirt hat. Gemeinnügige, geistbildende und geschmachveredelnde Vorträge (sowohl wissenschaft­­licher, als belletristischer Art) hielten die Herren Dr. Emanuel Rund, Dr. Ignaz Wallner, Professor Stup­­pacher und der Herr Hauptzollamtskontrollor Alexander v. Radulowits zu wiederholten Malen. Die Geselligkeit wurde durch gelungenes Arrangement von Herrenaben­­den, musikalischen Soiiden, Sommerfesten und Tanzkränz­­chen gehoben, und im verfloffenen Fasching mit einem brillant ausgefallenen Bereinschale gekrönt. Um das Zustandekommen dieser anregenden Unterhaltungen und ihre vorzüglich gelungene Durchführung bat fs das Bergnügungsfomite und in diesem ins­­besondere die Herren Wagner und Türf Der dienste erworben. — Dieser grünste, blühendste Zweig in dem leider nicht allzu leicht belaubten Baume des Debenburger Bereinslebens, erwedt angesichts seines schönen Gedeihens, in uns den Wunsc, dag vielleicht nach und nach, von dem Beispiele der jungen Kaufleute angeregt, auch noch andere Klube in unserer Stadt sich bilden mögen, welche ebenso wie der in Hede stehende, si bestreben, Pion­iere der Intelligenz, des gemüthlichen, ge­selligen Verkehrs und herzlichsten Einvernehmens zwis­chen den Bürgern einer und derselben Kategorie zu werden. Der jungen Handelswelt in unserer Stadt aber empfehlen wir, den ausnahmeslosen An­­flug an den bereits so lange und ehrenvoll bestehen­­den Verein. — In der am 23. v. M. abgehaltenen VI. ordent­­lichen Generalversammlung des mehrbefagten Vereines wurde abermals Herr Wilhelm Ritter zum Obmann, Herr Ludwig Wagner zum Obmann-Stellvertreter, die Herren Anton Kottaun und Alexander S­chü­­er­ zu Rechnungsrevisoren mit Afflamation, Bi die Herren: Andreas Friedenreich, Karl Gößler, Anton Pilhardt, Arthur Prohazfa, Ludwig dr. Pru­­nsty, Friedrich Schneider, Kamillo Tür und Paul Joda ale Ausilugmitglider mit Stimmen mebheit gewählt. — DOebenburg, 1. Dezember 1879.­­Menschen und Affen. — Theaterzustände — Die drei Kurme­­thoven. — Bon Sympathien und Antipathien. — Das leidige Geld.­­­ Konzerte und Kasernenbau. — Der Nachahmungstrieb liegt in der Menschenna­­tur und dies würde vielleicht einen f­lagenden Beweis für die Theorieen des Professors Darpin und seiner Epigonen liefern, daß nämlich wirklich unser Aller Urs­ahne irgend ein Chimpanse, Gorilla, Mandrill oder Drang-lltang gewesen sei. Schon das Kind bemüht sich die Gestionen der Erwachsenen möglichst treu zu kopie­ren und dadurch eben lernt er mit der Zeit seine Mit­­menschen bei der Nase herumführen, man nennt dies daher bei den Sünglingen und sinnigen Jungfrauen die­­ Nasemweisheit. Warum also sol ich mich nit abermals dur das Beispiel ihres geistreichen Korrespondenten (daß ich nit lad’!) Herrn Ed. B—H aus Wien, verführen lassen und mein bescheidenes Licht auch wieder einmal in den vorliegenden Spalten anstehen ? ch werde zwar Herrn Ed. B—H in das undurchdringlige Gestrüpp seiner Phrasen nicht folgen können, denn ich liebe die Laby­­rinthe nit, da man im Hintergrunde b derselben doch meist einen Minotaurus (bald Mensch, Halb Ochse) entdeckt, aber ich will dafür auf geradem Wege mitten unter Ihre geehrten Leser treten und mir die Freiheit nehmen einige Tageserscheinungen in meiner aparten Weise aufzuklären, wenn ich auch gleich be­fürchten muß, ebenso wie Herr $Oldboros mit rei­­nen griechischen Feuern Hinter der Szene unseres Thea­­ters, entweder zu spät oder an unrechter Stelle mein Lit zu verbreiten. In den Theaterkaffen schaut es leider heutzutage am allerfinstersten aus, sie nehmen zwar täglich Etwas ein, aber es gibt nichts aus, das nennt man CH­y­­möopathie, denn auch bei dieser Kurmethode bekommt man fast nichts einzunehmen und die P­atienten erhal­­ten sich eigentlich nur dur die Macht der Ein­bildung, ganz so, wie die meisten unserer Schau­­spieler. Ein Theater-Dirvektor darf eigentlich gar sein A­leopath sein, denn ein solcher bedarf ja der Apo­­thesen, Herr Raul aber z.B. brauchte nur — Hypothesen, will er seinen Organismus nicht vor der Zeit aufgerieben sehen. %H als Schriftsteller und sporadischer Dichter bin eigentlich Hydropath, denn ich pflege gegebenen Falles meine Kundfasten mit Wasser zu behandeln. Sie dagegen Herr Redakteur ! sind als Laie in der ärzt­­lien Kunst (wenn ich anders der Fama Glauben renten darf) ein Anhänger von sympathetischen Mitteln, sie machen nämlich jedem Frauenzimmer, das Ihnen unterlemmt aus Sympathie die Tour. Herr Direktor Raul ist desgleichen, wenn er auch alle Jahre nur einmal Komödie spielt, Hydropath. Dieser Tage ist er als „Dr. Klaus" förmlich in sei­­nem Elemente gewesen und wir Alle sahen wie er — schwamm.­nd ihre Kritik über diese Leistung war homöopathisc, nämlich eine mehr verdünnte als verdiente. Darum werden aber auch Sritiker mit­­unter von den XTheaterdamen, denen sie die Tour machen, zwar erhört, aber selten ernstlg geliebt, weil sie wie die Homöopathen wenig verschreiben. UH! es geht wirklich oft ver­sonderbar auf dem Wan­delsterne zu, den die Astronomen „Erde“ nen­­nen und der um die Sonne greifet, wie der ‚‚gräfliche Schimmel’ mit dem National­fiederbuch um die Gra­­benrunde. Die Sympathie bierieden ist und bleibt vereinzelt wie der Waler in feinem Horte oder ein wirklich praktiiger Vorschlag in unserer Stadtrepräs­­entant; die Antipathieen dagegen zeigen so gleich in ganzen Schaaren, wie die Wildgänse oder die Ziraden unseres „Sprechministers“. 8 ist leider un­­abänderlicher Gefeg, zumal in seinen Städten, daß man von seinen Nebenmenschen viel lieber an Schleife glaubt und mit Behagen weiter verbreitet, an das Gute, über das bald zur Tagesordnung übergegangen wird. Das kommt daher, weil von den menschlichen Leiden­­sarten in den Herzenslammern das Haus der Gemeinen meist das Medergewicht über das der Edlen hat. Und doc besteht die Kunst auf Erden glücklich zu fein stets nur in richtig angewandten S­ym­­pathiemitteln. Auft­ra fhen der große Schiller emphatisch aus: „Seid umschlungen Millionen‘ und damit meint er schwerlich das Geld, sondern die ganze Menschheit. Unsere Zeitgenossen jedoch preffen lieber den schnöden Mammon an sich und darum so viele und so thätige Steuererefitoren und darum so wenig­e Hochzeiten. Bräute müssen hierzulande brav Geld ha­­ben, sonst werden sie gar niemand Bräute. Mäd­­chen, welche an Hymend Altar opfern sind umgelehrte Saat. Isaak verkaufte bekanntlich sein Opfer mit einem Schafe, die zum Altare tretenden Jungfrauen müssen sehr Häufig ihr Schaf mit einem Opfer erlau­­fen. Haben sie aber slechterdings kein Geld, dann fahren sie viel besser, wenn sie figen bleiben, denn jene Männer, welche si mit giftlose Damen zur Gat­­tin exkieren, entsprechen selten dem Sbdeale eines Mäd­­chenherzens; sie sind meistens starre Egoisten, welche es mit der Frau, wie die Feinschmeder mit den Ar­­tutfhosen machen, sie genießen erst Blatt um Blatt von den Weizen ihrer Gattin, bis sie auf den bit­­tern Mond kommen, dann schmedt ihnen das Trin­­fen darauf besser. Das heißt, wenn die Frau einmal ihren Reiz für sie verloren hat, dann ersceint ihnen ihre Häuslickeit als der bittere Kond und sie ge­ben in’s Wirthshaus, weil dort da Trinfen besser shmedt. Ueberhaupt sind in seiner Zeit alle menschli­­en Bestrebungen nur auf ein Ziel gerichtet, &@­e­ld zu erhalten. Jedes Individuum ist mehr oder weniger ein Geldzeichen, das gerne über Bari stehen, respektive sich für mehr ausgeben möchte, als es wirklich gilt und werth ist. Jeder Dörfler spielt in der Stadt den „"ernegroß" und jede Müde wird zum Elefanten gemacht. Der Arme ist die Scheidemünge, die Einem mitunter wei­t wer im Sade liegt. Reiche dage­­gen gleichen den vielen Lotteriepapieren, sie bleiben oft hübsch lange ungezogen und während ich die Haus­­herren, (der Zinsen wegen) mit Obligationen ver­­gleiche, sind die Dichter Heutzutage — Kreditlose. Das Papiergeld repräsentiren die vielen Schwind­­ler unserer Epoche, die werden aus Lumpen ge­macht und gelten trogdem oft ver viel, obgleich ihr eigentlicher innerer Gehalt gleich Null if. Das Be­schnittensein ist wieder das Kennzeichen der­­ Duka­­ten; und der reelle Geschäftsmann, der gesinnungstüc­­hige Bürger repräsentirt das Silber, welches, wenn auch momentan minder hoch im Kurse stehend, so doch krießlich ganz gewiß wieder zu Ehren kommen wird. mn Wechsel endlich erkennen wir die Politiker und Journalisten. So könnte ich die verschiedenen Werth­­sorten der Meenth­eit noch weiter Haffifiziren und bei­ fügen, daß das Militär für jede Stadt ein sich had­ perinteressirendes Kapital repräsentirt und darum sollte man bestrebt sein, so viel als möglich dessen aufzunehmen. Allein wir für dten unseren Vollstridunen der Micaeler-,, Turner- und Schlipper­­gasse sehr ungelegen zu kommen, sobald wir lettere Behauptung noch durch Beweisgründe erhärten wollten. Wenn man alle Steine, die man von letterer Seite auf uns wirft, weil wir die Hieherverlegung größerer Trup­­penabtheilungen befürworten, zusammentragen könnte, so hätten wir vielleicht schon ein hinreichendes Mate­riale zu einem soliden Kasernenbau in Oeden­­burg, für den man doch gewiß eher Geld auftreiben sollte, als 3. DB. für den­ sogenannten (!) „Garten“ auf dem Theaterplag und die Ueberwölbung des „Ran­­genzeilergrabens". Man glaube ja nit, daß ich den V­erschönerungen abhold sei, im Gegentheile, aber zuerst da Nothwendige und dann erst das Wünschenswerthe. Was wäre nicht Alles im Leben wünschenswerth, aber man muß darauf verzichten, weil uns oft das Nothwendigste abgeht. Ein Hotel im modernen Style, mit all’ den Einrichtungen, wie sie der heutige raffinirte Komfort verlangt, wäre in unse­­rer Stadt gewiß eine wünschenswerthe Bereicherung ihrer Annehmlichkeiten, jedoch eine Boltstudie, wo in verdienstloser Zeit dem Hungernden ein nahrhaftes Mittagmahl um wenige Kreuzer gebeten wird, das ist eine Nothwendigkeit und darum Ehre den edel­­sinnigen hiesigen Diater der Armen, Herren %. Ritter von Standorffer als ersten Anreger einer solchen humanen Anstalt und Hoffentlich auch bald als Schö­­pfer derselben, denn wir wünschen lebhaft diese fegen­­bringende Institution je eher in’8 Leben treten zu se­­hen. Warum haben die vorliegenden Blätter hierüber noch nichts enthalten? S­edenfalls hätten der Erri­­tung der „Volkstühe" mehr Worte gewidmet werden sollen, als Sie, Herr Redakteur­­ z.B. der Konzert- Anzeige des Films. Philippine v. Edelsberg ge­weicht haben, denn, die wirklich Hochbedeutende Gesangs­­zunft dieser Dame auch zugegeben, ist da ihre Verans­­­taltung eigentlich auch nichts anderes als ein Apell an das Bublitum: „Gib Geld Her j­­edes Konzert in Oedenburg kommt mir wie eine schlecht geladene Pistole vor: lang und viel wird gedruckt, endlich geht zwar 108, aber in’sR Leere und die Meisten birgen ab. Abgekirgt ist all jener Herr wohlweise Repräsentant, der gemeint hat, man soll dem hiesigen „Männergesangs-Bereine” nur dann das Thea­­ter zu einem Konzerte am 25. Dezember (Chrifttag) überlassen, wenn man Bürgjgaften dafür hat, das die­­ser Verein nur anständige, die Weihe des hohen Belttages nicht herabwürdigende (N) Bei­­träge beabsichtige. ALS ob je einer der hiesigen Män­­nergesangs-Vereine Zoten zur Aufführung gebracht hätte! — Der um die Wahrung der Dezenz so hyper­­besorgte Antragsteller wurde aber au­sonica nieder­­geb­o­hrt und das war jedenfalls opportuner, als der seltsame Paffus in der Militär-Bequartirungsparter ist vornah — wenigstens dem Übernehmen nach — eine Kommune gar nicht befugt sein­­d­ aus eige­­nen Mitteln eine Kaserne für den Truppenbelag zu erbauen, wenn sie nicht vorerst beim Reichskriegs­­ministerium um die Erlaubniß hierzu eingeschritten i­ und dieselbe an erhalten hat. Also die Herren, die das Militär-Aerar vertreten, legen der freiwilli­ge­n und für dasselbe Kostenlosen Errichtung von Militär-Unterkünften noch Beschränktungen auf, als ob ss die Städte nur ein Vergnügen und eine Ehre daraus machen müßten, das Geld der Steuerträger für Kaser­­nenbauten auszugeben. Und das Windfleisch wird da nit­ billiger! — — Homo novus, Korrespondenz. ER EEE ETEEEERZ TEE­RE TUN Marktbericht. Oedenburg, am 1. Dezember 1879.

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