Oedenburger Zeitung, 1879. Dezember (Jahrgang 12, nr. 145-156)

1879-12-05 / nr. 146

sk-m-MWWME-Hssst«" «MW EEE _eeitag, 3. Dezember 1870 _7U. Jahrgang. (vormals „Hedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtsfchaft, dann für sociale Interesen überhaupt Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr! — Betrüchten zur Mehr! — Der Wahrheit eine Gaffe,“ gebühren sind,an die Redaction portofrei einzusenden. Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. From­merations-Preise : ür 8oco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 kr., &­ss Er HH 1 fl. ür Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Vier- Klährig Sf. Ab­­el d­­en eh­en, mit MAusra von Inseraten, Pränumerations- und Injertiond- Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. IM. Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Redaktion: Einzelne Nummern fosten MAD Kreuzer. SInferate vermitteln: die Herren gefeuftein & Bogler, Walz­­fischgasse 10, Wien, Budapest. U. Oppelnf, I. Stubenpartei 2 Wien. Heinrich Schalek, I. Singerstrasse 8, Wien. Snfertions-Gebühr : 5 fr. für die einspaltige, 10 fr. für die zweispaltige, 15 Fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die durchlaufende Petitzeile­­,ex­­clusive der Stempelgebühr von 30 Er. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. Bon der Miliärtare. 8. W—sz. &8 liegt uns der vor kurzer Zeit von der Legislative umseres Baterlandes angenommene Ent­­wurf über die Entrigtung der Wehrsteuer vor. Von der Ansicht ausgehend, daß von den ver­­ehrten Leserm dieses Journals nicht jeder Gelegenheit hat, sich von den die Unterthanen unseres Königreiches betreffenden Erlässen Kenntniß zu verschaffen, beehren wir uns, wie wir bei ähnlichen Anlässen gewöhnlich zu verfahren pflegen, die wesentlichten Theile des auf die Militärtate Bezug habenden Gelegentwurfes in Nachstehendem zu veröffentlichen. Die ersten zwei Paragraphe bestimmen, welche Individuen und für welche Zeit zur Entrichtung der Wehrsteuer verpflichtet sind, und zwar find­en Diejeni­­gen, welche wegen Untauglichkeit für immer aus den Listen gesteihen wurden, für die ganze Militärpflich­­tigkeitszeit. Diejenigen, welche vor Ablauf ihrer Dienst­­zeit wegen eines körperlichen Gebrechens entlassen wurden, welches aber nicht eine Folge des Dienstes ist und die Betreffenden nur erwerbsunfähig machte, für jedes Jahr der noch rüdständigen Dienstzeit. Diejenigen, welche im der­legten Altersklasse oder nach Austritt aus derselben im Sinne des Wehrgeheges 8. 10 be­freit oder im Sinne des 8. 40. Punkt c) entlassen werden, für jedes Jahr der zwölfjährigen Dienstzeit, während welcher die Befreiung oder Entlassung für die Betreffenden aufrecht steht; endlich Diejenigen, die vor Ablauf der geieglichen M­ilitärpflichtigkeitszeit aus der Monarchie auswandern. Der 3. $. befreit von der Militärtate die Er­­werbsunfähigen, „wenn sie vermögenslos sind, die Ar­­men, welche öffentlich unterstügt werden, die im $. 10 des Wehrgefeges erwähnten Militärpflichtigen und die zum Landsturme Gehörenden in dem Jahre, für welches sie zur Dienstleistung einberufen sind. Nach $. 4 er­­litt die Steuerpflicht mit dem Tode, ferner, wenn der­­ Betreffende so verarmt, daß er öffentlich unterstagt werden muß. Der Ertrag der Wehrsteuer wird nach 8. 5 verwendet zur­­ Verbesserung der Umvalidenversor­­gung, dann zur Versorgung der Witwen und Waisen derjenigen, die vor dem Feinde gefallen oder in Folge der Kriegsstrapazen gestorben sind, im zweiter Reihe zur Unterfrügung der daheim bleibenden Familien der im Mobilisirungsfalle dauernd Einberufenen, dauernd Bes­urlaubten, Reservisten, Erfagreserpisten und Honved’s. Der zur Versorgung der Invaliden, Witwen und Waisen bestimmte Theil fließt nach $. 6 in einen Fond, zu welchem Ungarn der Proportion seines Hekrutenkon­­tingentes entsprechend jährlich 857,470 fl. einzahlt. (Oesterreich entrichtet, was über die obige Summe bis zu zwei Millionen nöthig ist.) Ueber diesen Fond ver­­fügt laut $. 7 der Hovedminister im Einvernehmen mit dem S Kriegsminister. Durch $. 8 wird die Inva­­lidenverforgung näher geregelt, $. 9 aber sagt, daß über die V­ersorgung Hinterbliebener Witwen und Wai­­sen, sowie über die Unterftügung der daheim bleiben­­den Familien der mobilisirten dauernd Beurlaubten, Re­­servisten, Griagreservisten und Honveds später ein be­­sonderes Gefe geschaffen werden wird. Die jährlichen Steuertage der Meilitärtage sind nach 8. 10 die fol­­genden: 1. Drei Gulden zahlen: a) die bei der Land­­wirthschaft in Fabriken, bei kaufmännischen und indus­­triellen Unternehmungen als Gesinde angestellten In­­dividuen; b) die Taglöhner. 2. Vier Gulden zah­­len: a) Hausgesinde; b) Gehilfen und Hilfsarbeiter in Fabriken, in kaufmännischen und industriellen Unter­­nehmungen, wenn sie monatlich nit mehr als 40 fl. erhalten, oder wenn sie nach dem Stade arbeiten; e) Diuinisten und Schreiber, die Feine fire jährliche oder monatliche Bezahlung beziehen und überhaupt die Arbeiten von Schreibern, M­echnungsführern und Auf­­sehern in einem Geschäfte, Unternehmen oder bei einer Anstalt versehen, ohne fir angestellt zu sein; d) Hau­­firer, welche feinen firen Geschäftsort haben. 3. Sechs Gulden zahlen: a) selbstständig, jedoch ohne Gehilfen arbeitende Handwerker ; b) in Heinen ‚oder großen ‘Ge­­meinden mit Gehilfen arbeitende Handwerker. 4. Diejenigen Wehrpflichtigen, welche im Sinne des XIX. Gef. Art. v. %. 1875, $. 2, beziehungsweise des XLVH. Gef.­Art. v. 3. 1875, 8. 13 als Fami­­lienhäupter oder Familienglieder in die 2. und 3. Klasse der Erwerbsteuer gehören, oder im Sinne des XXVII. Gef. Art. v. 3. 1875 die Bergbausteuer entrichten, haben als Militärtote auf Grund der ihnen, respektive dem Familienhaupte für das vorhergegangene­­ Jahr vorgeschriebenen Gesammtsumme der diversen Staats­­steuern und des Grundentlastungszuschlages zu zahlen : 5 fl., wenn die Basis der Steuer nit größer als 50 fl. ist; 10 fl, wenn dieselbe zwischen 50 und 1000fl., 20 fl., wenn dieselben zwischen 190 und 500 fl, 40 fl., wenn dieselbe zwischen 500 und 1000 fl.,­­80 fl., wenn dieselbe zwischen 1000 und 3000 fl., 100 fl.,­­wenn dieselbe mehr als 3000 fl. beträgt. 5. Diejenigen Wehrpflichtigen, welche im Sinne des XXIX. Gef. Art.» %. 1875, $. 2, respek­ivei des XLVH. Gef.­Art. v. %. 1875, $ 13 als Familie­­hhäupter oder Familienmitglieder in die vierte Kasse der Erwerbsteuer gehören, zahlen auf Grund der Ge­­sammtsumme der ihnen im vorherigen Jahre als Fa­­­­ gfeuilleton. Das Porträt. (Bortregung.) So ging es an unferm Marseiller, der jedoch‘ viel zu viel Gutmüthigkeit besaß, als daß er seiner treff­­lichen Frau geradezu weh thun, und den Hausfrieden hätte stören mögen. Aber der Leichsinn trieb sein Spiel, und in seiner Philosophie stand der Sat oben an, daß man das Glück, welches der Zufall an die Hand gäbe, als einen Glüttsfall Deakhten und benugen "dürfe. Hier aber schien ihn Alles zu begünstigen : der Stand der Reisegefährtin, der Umstand, daß er ihr sehr nüglic werden künne, das lange Tete & Töte, zu dem er mit ihr durch die Reife prädestinirt war, der D­erdruß, wegen des gestohlenen Porträts, und der Wunsch, sich zu zerstreuen, die­ Alles reizte, ermuthigte, verlobte ihn. Die Eitelkeit bhat das Ührige, und dachte, da seine­rau doch fon ohne Grund eifersüchtig sei, so verschlage er wenig, wenn sie er auch einmal mit Grund würde. Daß er e8 nicht aufs Aeuferste treiben wollte, nahm er sich vor, indes mit guten V­orlägen ist die Hölle gepflastert, und ein dummer Streich zieht zehn andere nach fi. Und einen solchen machte er fegt. Nach dem Grundlage, den der Marseiller im Kafs Tortoni gegen seinen Pariser Freund aussprach, gab er sich auch hier für unverheiratet aus. Er habe, erzählte er der Künstlerin, mit einer ziemlichen Dosis von Selbstgefühl, ein bedeutendes Vermögen, und so viel K­mstsinn, dag es ihm dabei auf einige tausend Fransen mehr oder weniger nicht ankomme. Für wen sollte er auch sparen ? Er sei ja los und ledig, frei wie der Vogel in der Luft, und immer Fröhlich und wohlgemuth, auch spiele er die Geige, und befige ein Landhaus am Seegestade, von welchem man die schönste Aussicht habe. Und dies Alles legte er der Mademoiselle de Saint-Alban zu Füßen. Diese wollte anfangs­­ von dergleichen nichts wissen, gab den Anträgen dann eine fomiihe Wendung und meinte, sie kenne zwar ihn, doch er auch sie? Zur Liebe gehöre mehr als eine Postwagen-Bekanntschaft, und zum vergnügten Leben mehr al Geigenspiel. Wie dann, wenn ihr Herz nicht mehr frei sei ? Um ihm indep die Wahrheit zu sagen, müsse sie bekennen, daß es ihr nicht um Geld und Out, sondern um eine Liebe zu t­un sei, die sie offen vor der Welt befennen könne. Solche Grundläge kamen unterm Marseiller zwar nicht8 weniger als gelegen, doch konnten sie ihn nicht überrangen. Denn wir leben in einer Zeit, in der ss die Sängerinen viel lieber einen reichen Ehemann, dls einen begeisterten Anbeter erfingen. Herr Brug­­nieres nannte dies im Stillen Ziererei, und da er von seiner persönlichen und petuniären Liebenswürdig­­keit eine sehr hohe Meinung hatte, so suchte er für die­­selbe an bei Mardemoifele de Saint-Alban Propaganda zu machen. Er verdoppelte Bitten und Schwüre, und Verheißungen,und geberdete sich wie ein Karl. Das Porträt seiner Frau, das er vor dem Thore von Marseille wieder bekommen sollte, war rein vergessen, die Zucht vor der unweiblichen Eifersucht verschwunden, die neue Eroberung galt ihm Ale daran. Aber er hatte es mit einem Weide zu thun, dem die SKoketterie angeboren und anerzogen war, und das er meisterhaft auf die Kunst verstand, Leidenschaften zu erwecken, und doch Ablehnen zu fesseln. Die glänzendsten Verheißungen erregten bei ihr ein zweifelndes Lächeln, und sie erklärte ihm offen, daß sie recht gut wisse, was von Postwagen- Schwiüren nach flüchtiger Bekanntschaft zu halten sei Der Mearfeiller zerbrach sich den Kopf darüber, was die Sängerin wol gegen ihn einnehmen möge ; er mußte ich gestehen, daß sie ein sehr kluges Weib sei. Dies reizte ihn no mehr­­ genug, es wäre vielleicht zu dem tollsten, dummen Streiche fähig gewesen, wenn die Reife no­ länger gedauert hätte. Aber nur noch zwei Stationen, und Marseille war erreicht. Herr Brugnieres war rein vernarrt in die Eingerin, und es stand bei ihr, die Hand, die er ihr anbot, anzunehmen. Sein Hochmuth war besiegt, er wäre zu Allem fähig gewesen, selbst zu einem Bruce mit Frau und Verwandtschaft. Aber kaum hatte er die legte Mines den Heiratsantrag springen lassen, als die Malleport am ZThore seiner­­Vaterstadt hielt. Die Dame bewugte den Augenblick, und zog sein fleines Padet aus der Tasche. Sie bieten mir Ihre Hand am? Hier meine Antwort. — Das Porträt Ihrer Sram! Haben Sie die Güte, mir das versprochene Honorar einzuhändigen. Das war ein Donnerschlag fürs den leidenschaft­­lichen Anbeter. Das fahrende Fräulein streefte Die Hand mit dem Pa­kete zum Wagenfenster hinaus, und jagte : Nun­ geschwind die drei Banknoten, oder das Pfand fliegt unter die Wagenräder. Der Marseiller saß wie ein Schulbube, der seine Lektion vergessen hat, da ; Falter Schweiß trat ihm­ vor die Stirne, und mit zitternder Hand zog er­ die drei Banknoten hervor, und händigte sie Der Dame ‚ein. Diese rief den Kondukteur, ließ halten, und den Wagen­­schlag öffnen, warf das Paket dem Messegefährten, der wie gebannt da saß, auf den Schog, sprang, leicht ,wie ein Windspiel, aus dem Wagen, und war im ıdem Labyrinthe der Gärten und Lusthäuser verschwunden. Mademoiselle de Saint-Alban­ rief Herr Brugmiers, aber die erste Sängerin war längst oft. Mechanisch öffnete er das Padet, und fand sein Portefeuille nebst Porträt, ganz so, wie es ihm aus der Tasche gezogen worden war ; nur die Dreitausend Stanien fehlten. (Schluß folgt.) | |

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