Oedenburger Zeitung, 1880. Juni (Jahrgang 13, nr. 66-78)

1880-06-02 / nr. 66

Das Blatt erleint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. From­merasions-Preise : Für Roco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 kr., Vierteljährig 2 fl. 25 fl., Monatlich 1 fl. Für Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Vier­­teljährig 3 fl. Alle fü­r das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inferaten, Pränumerations- und Intersions­­gebühren sind an die NMedaction portofrei einzusenden. Illqu Jahrgay « ;Yijtukpzh.2.Juni 1880z« Eedenbungerzei. (Bormals,,9edenburger Nachrichten«.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Er? — Betrücten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gasse,, Redaktion:­­ Adminisration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. IM. Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Einzelne Nummern Kosten ULEB Kreuzer. Nr. 66. | . ,-«.«:- i."«.!-s7-«"-5s...«-«zs«-·««Ac-THE-.«-«:-.-:««’-HI.«­­ l Ziterate vermittelnz dieserren ernstein KVogleyWalk­eisgasse 10,Wien,Budapest.A­ppelik,l.,Stubenpastei2 Wien.Heinrich Schaler,l.Singerstrasses,Wien. Sufersions-Gebühr : 5 fr. für­ die einspaltige, 10 fr. für die zweispaltige, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die durchlaufende Petitzeile er­­em­sive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. Bom herrschenden Geiste des Tages. Budapest, 31. Mai 1880. Die Gedenkfeier des großen Regenerators Ungarns hat den Blick nicht nur in die Vergangenheit gelenkt, sondern auch Streiflichter aus Gegenwart und Zukunft des Landes geworfen. Sehr natürlich müssen die Epi­­gonen fold’ titanischer Gestalten doppelt pygmäenhaft erscheinen. Es ist weit mehr als oppositionelle Kritik, es ist Wahrheit, wenn „Magyarorkág“ schreibt: „Bllden wir auf die verfloffenen Feste zurück und suchen wir die geistigen Faktoren derselben, so stehen wir vor einer eigenthümlichen Erscheinung. Wir entdecken dabei nämlich­h ein Atom von Einfluß oder Theilnahme jener Partei, Gruppe oder „„Umgebung““,­ welche heute die ge­­sammte Staatsgewalt Ungarns usurpirt und deren Perso­­nifizirung Koloman Tipa ist. Selbst Tifa war dort nur Staffage, nur eine Gestalt dritten Ranges, wo er während der Fester erschien und die ganze geistige Kraft, die ganze In­­telligenz des Momentes trat in Jenen hervor, die im Lager Franz Deuf’8 des Bollenders der Szechenyi’schen Tradition für ihr­ Volk, für ihr Vaterland zu kämpfen gelernt haben. Diese Lehre ist nicht blos charakteristisch, sondern auch qualifizirend. Sie charakterisirt unsere politische Lage und erklärt jene Dede, welche auf dem abgemähten Felde unseres öffentlichen Lebens unseren Blick­ erfchrecht. Will der Geist der Nation sich erheben, will­ ihr Herz voll edler Wärme klopfen, so sragen sie immer auf­ den Geist der deafistischen Traditionen und­ finden dort nie. den Geist, der heute an der Ne­­gierung­ fst.‘ :Diese, geringfrägige Tah­rung des Ministeriums, vergißt­ dabei nur, daß auch der oppositionelle Chau­­vinismus, nicht mit dem Sinne und Geiste überein­­stimmt, in welchem sowohl Szachenyi, wie Deaf gewirkt und Einfluß geübt haben. National toleranter, als die heutige Strömung ist sogar Koffuth in seinen jüngsten Aeußerungen, dessen Kultus bei aller begeisterten Wür­­digung seines einstigen politischen Gegners Szechenyi doch uns nicht zu kurz kommt. Im nächsten Monat soll das Grabmal von Koffuth’8 Vater in der Nähe von Belt eingeweiht werden, wobei das Peter Komitat dur f einen Bizegespan fi aktiv betheiligen und auch auf Antrag des Abgeordneten Turgonyi die äußerste Linke des Reichstages durch eine Deputation vertreten sein wird. Vor kurzem ist von Seiten des Munizi­­piums Holdmező-Vásárhely, der magyarischerten größe­­ren Stadt des Landes das Bildung des einstigen Dik­tators feierlich aufgestellt worden und auch die Ein­­nahme Ofens ist von den Honvedveteranen wie all­­jährlich begangen worden. Inzwischen ruht das Ministerium, seitdem die Gefahr einer Realisirung und Reorganisation der oppositionellen Elemente des Parlamentes, resp. eine vollständige Umgestaltung der Reichstagsparteien durch den Eintritt des Baron Paul Seunyey der Realisirung näher gerügt ist, wo in der kurzen Zeit dieser Session möglichst viele Geiegesvorlagen durchzupeitschen, wobei er allerdings nach Möglichkeit sicher zu gehen sucht und die Vorlage halbwegs gefährlicher Angelegenheiten, wie 3. DB. des Baues der Budapest-Semliner Bahn troß der Dringlichkeit der Erfüllung der im Vertrage mit Serbien übernom­menen Verpflichtungen, auf die Herbst­­session verschiebt. Außerordentliches Aufsehen erregt die geradezu zynische Weise, in welcher bei der Verstaatli­­chung der Theibeisenbahn den Mitgliedern der aus Günstlingen der Regierung zusammengefegten Direktion trog der Liquidirung der Gesellsfaft, der­­ zehnjährige Bezug ihres Honorars zu sichern versucht wurde, und nachdem sich dagegen sogar das Gewissen unzweifel­­hafter Negierungsmänner empörte, zum Mindesten ein etwas reduzirter Betrag noch immer zu retten gesuch wird. Der junferliche Charakter des heutigen Regimes welches auf Ausbeutung der persönlichen und materiellen Vortheile der Staatsgewalt ausgeht, und zu diesem Zweckk auch dem Chauvinismus bestend zu bemüten versteht, tritt eben immer deutlicher zu­tage. Und von den im Sommer des nächsten Jahres stattfinden­­den allgemeinen Wahlen ist bei dem gegenwärtigen auf Terrorismus und­­ Bestehung gegründeten Wahlsystem ein parlamentarischer Umschwung wie etwa der in England erlebte, nicht zu hoffen. PL. EEE ZEN EN NR ae ee: Ein politisch-diplomatischer Wechselbalg. Dedenburg, 1. Juni 1880. Durch alle Blätter läuft jett gleichsam als „PBar­­tezettel" der Leitartikel über die bevorstehende Geburt eines Sprößlings des famosen Berliner Kon­­gresses, dem wir den Argonautenzug Oesterreich- Ungarns nach Bosnien verdanken und woraus­­ wir zwar (nebenbei bemerkt) Fein „goldnes Sieg" mit heimbrachten, obgleich wir einen mächtigen Bad ge­­holfen zu haben nicht leugnen können. Diese jüngstegrudt, deren der porerwähnte Kongreß gewesen sein sol, wird den offiziellen Namen: „Berliner Nahk­onferenz" führen und wird nun freilich sein vollberechtigter Nachkommen jener weltgeschichtlichen politisch « diploma­­tischen Verhandlungen, welche damals an der Spree die jüngsten rufsisch » türkischen Konflikte fehlichten Helfen­­ hätten sollen, sondern nur so eine Art Wechsel- Jeuilleton. Ueber das „Dekamerone vom Burgtheater.“ ‚Bon E. B., (Sortjegung.) Dean: ist ernstlich erzih­nt, wenn man von erwach­senen, ja­ noch mehr von höchst gebildeten P­ersonen, er­­fährt daß sie tolle und übermüthige Streiche ausführen ; die Herren Studiosen haben manchmal ihre Zeit, wo sie ich auf gewiße lechtsinnige Ausschreitungen, mod. etwas­ zu Gute halten , nächtliche Ruhe stören, Fenster ein­werfen und allen möglichen Schabernaf treiben, das ist ihre ‚privilegirte akademische Freiheit. Die sogenann­­ten Bhilifter haben für das Rühmliche solcher Thaten niemals das geringste Verständnis bewiesen, doch woher sollen die überhaupt Verstand hernehmen, die gar seine Universität besucht haben ! Lächerlich ! Nun sollte man aber glauben, daß, wenn­ die Studienzeit vorüber sei, dann höre plöglich diese luftige Stimmung auf, und hat sich überhaupt eine praktische Anstellung gefunden, dann ginge auch der Uebermuth und der­ tolle Leichtsinn zur Rüste. — Nein, nit immer und nit bei ‘Jedermann, Ausnahmen kommen noch Häufig vor und die ernstesten Professoren oder die griesgrämigsten Staatsbeamten, erinnern si bei besonderer V­eranlassung an ihre gol­­dene Jugend, na — und dann schnappen sie wieder fest um. — Laffen wir den rühmlichst bekannten Naturburfgen, Bernhard Baumeister,seinen Fall selbst gestehen, er war an einer derjenigen, die über eine gemüthliche Kneipe den Ernst des Lebens vergessen künnen. Freilich heißt es: heiter ist die Kunst. Nun, dem Baumeister darf man dieß schon gelten Lassen, hat er doch schon so viel zur frischen, frohen Heiterkeit beigetragen, er ist der wahre Darsteller der Freude und des sich Wohlgeschehen- lafsens. Bei Konvack, einem Künstler­ Nendezzvous ver­­sammelten si die gleichgesinnten Seelen, und wenn eine nit da war, so that sie fehlen. — Solch ein Fall er­­eignete sich, da der Lustige Gesellschafter, Schauspieler Julius, sich vom frohen Verein absentirte, weil er eine neue Rolle studieren mußte; die Freunde, welche wohl wußten, daß er so eigentlich noch nie eine Hölle memorirte, weil sie ihn tagtäglich vor dem Soufleur fasten „­­ch wim­­men" sahen, beschlossen den Deserteur zu holen. Um ein Uhr in der Nacht­­ drang die, vom begeisternden Labetrumf, erregte, Künstlergemeinde in die Wohnung des Abtrünnigen ein und brachte ihm ein Doppelquar­­tett-Ständchen mit Brummstim­men aus­­ der Zauber­­flöte zu Gehör. — An Rücksicht für die vierzig Hausparteien entschlug sich­h Julius der stilldrängenden Bar-Einladung zu folgen und indem er nur noch eilends mit Zintenstrichen die Miasse vervollsständigte, welche seine Kollegen ihm in Form eines Schnurr- und Badenbartes gezeichnet hatten, stülpte er die sehartigen Augenbrauen fünftlih Hinzu, und war mit dem Laberblückchen von zwei Bouteillen Mitgebrauten sogar in der Laune, es ruhig mit anzuz­iehen, wie sein Portrait gleichfalls aus Tintenstrichen leicht skizzirt auf die weiße Wand eingezeichnet wurde. Freund Paulmann benügte einen müßigen Mo­­ment um der Nachbarpartei eine Visite abzustatten, zwar um diese Stunde sonst nicht üblich, um so weni­­ger da der schlummernde Herr Beamte meist seiner Ehehälfte, über die GSittlichk­eit zweier reizender Töchter am Tage zu wachen pflegte. — Paulmann seines ‚uns widerstehlichen Deflamationstalentes sich bewußt, be­­gan mit Löwenorgan den Traum Wallensteins, den schlafenden Grazien zu rezitiren, und bald fand der laute Künstler sehr überraschte aufgewehte Zuhörer. Anderen Morgens beeilte sich der dankbare Fas­­ilienvater für den nächtlichen Kunstgenuß, indem er vorerst die Wohnungs­kündigung Herren Julius­ über­­reichte, und gegen Baumeister, weil er diesen Namen­ aus dem Gedröhne gehört hatte, bei dem E­r. Oberst­­­­fämmereramte Klage führte. Die bursdikose Ges­schichte wurde durch Vermittlung Laubes, weil dieser selbst ein eingefleischter Akademiker war, bestens geord­­net bis auf etliche Verweise, die aber Niemanden in seinem ferneren Fortkommen behinderten. Julius bekam ‚rosenrothe Tapeten, weil das weiße Gemäuer fi mit dem Studienkopfe nicht mehr gut repräsentirte. Der Erzähler dieser Begebenheit mag noch manche Possen fern seines Berufes ausgeführt haben,­ doch ver­­sichert er feierlichst, um mitternächtiger Stunde nie mehr Chöre aus der Zauberflöte, auf den Gängen fremder Häuser exerutirt zu haben. Wir wollen es ihm gerne glauben. Zumal er seine kollegiale Ehrenhaftigkeit damit bewiesen, indem er sich an Stelle Baulmanns, Hohenorts abfanzeln Lieh. Wenn man die Erzählung des Herrn Friedrich Mitterwurzer liest, so fällt Einem unwillführlich ein, daß man sich schon des Defteren in der Denklage befunden, die Schauspieler darum zu beneiden, weil sie zumeist so hübsche, angenehme Damen als Berufs­­folgerinnen haben. Wo findet sich so bald ein sol’ be-­­neidenswerthes Verhältnis wie beim Theater ? — Die reizenden Züge der holden Naiven, malen Vergnügen gewähren, das shelmische Lächeln der munteren Liebha­­berin, zur Fröhlickeit anregen, das feine Benehmen, die Tournure der Anstands- und Salondamen, jedes falls das Betragen verfeinern, so wie die Glutaugen der Tragödien eine thatenfordernde Leidenschaft hervor:­­ zuzaubern geeignet sind. — Ach und die öfteren Proben mit Umarmungen und wollüftigen Küffen & la Fer­­nande! — ja das Theater hat seine gewaltige Anzie­­hungskraft und die junge Welt rennt schon ahnungsvoll die pisanten Genüsse, die ihm durch die zarten Mit­­glieder im Meusenverein geboten werden. Aber es gibt auch Schattenseiten wie überall im Leben, insbesondere wegen der sanfteren weiblichen Beziehung. Man vers­­­liebt sich, findet Erhörung, gleichzeitig Nebenbuhler, ver­­feindet sich mit den Stügen des Pepertoire, wird bei Negisfenv und Direktor mitliebig, und viffirt im gnae a eV X Fee

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