Oedenburger Zeitung, 1882. April (Jahrgang 15, nr. 76-100)

1882-04-08 / nr. 82

I x „_Samstag, 8. AR ERRRN Pa a a .p . 8. April 1882. XV. Jahrgang. Ar. 3. Lebenbunger eitun (vormals „Dedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen VON Motto: „Dem Forttritt zur Ehre! — Beprüdten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ d Alle für das Blatt a r­emte­­n Sendungen, mit Ausnahme von Imferaten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, erlag und Inseratenaufnahme: Buchdrukerei­­, Nomtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. Infersions: Gebühren: 5 fr. für die ein-, 10 Tr. für die zweis, 15 fr. für die dreiz, 20 Er. fü­r die vierpaltige und 25 Tr. fü­r die dar­laufende Bet­tzeile evclusive der Keiemveigekälte von 30 Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen eins oder Feiertag folgenden Tages. 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Ueber das Bürgerkö­­nigthum des Sohnes Philipp, Egalites ist die Ge­­schichte zur Tagesordnung übergegangen und das Be­­­stehen der französischen Republik Lehrt zur Genüge, daß mit Ausdauer und Gerechtigkeit freiheitliche Wege allein zum Heile des Bolfes führen künnen, ja müssen. — Soviel von Yranfreid. Aber das „Berfudt nicht aus Schlamm Parfüm zu machen!“ ist, trug der ratlos nach Kultur ringenden Zeit, noch immer nicht aus der Welt verschwunden. Und jedesmal, wenn irgend eine gro­­teske Narre b­ei sich breit hat oder der süße Pöbel als Mauerbrecher gegen freiheitliche Institutionen von den „Gewaltigen der Erde“ benutt wird, kommt uns jener aristokratische Lieblingsspruch ins Geächtnis. Schramm ist das Bolf! Wer daran Schuld ist, weiß do Heutzutage oder der den Sinn des „manus manum lavat!“ zu begrei­­fen im Stande "ist, und welcher ver eigentlich Da= rin gipfelt, „daß kleine Gefälligkeiten die Freunde - Saft­ erhalten,­ den aber voll und ganz zu afzep­­tiven von jeher weltliche und geistliche Herrscher niemald ® Anstand nah­nen. Aber auch die Lehren von dem „Schlamm“ und den „Kleinen­ Gefällig­­keiten“ haben ihre Nemesis, der zu begegnen seine Macht der Erde ausreicht, wenn er auch oft schei­­nen will, als ob die Gewaltigen mit dem „Schlamme“ ganz nach Gutdürfen verfahren dürfen. Und doch kommt die Zeit, wo all diese Tartüffel S den mora­­lischen Kagenjammer über die Bleilegung ihrer Tartüffelfeen nicht mehr los­werden können, wo die Vergangenheit die Gegenwart aufzehrt und eben jener Kagenjammer feine Krallen weit in die Zus­­unft hinein erstrebt. — „Wir ändern weder die Verhältnisse, moch die Menschen !" so sagen die Schwachtöpfe und lassen Alles ruhig über sich und die Ihrigen­ ergeben, anstatt da sie Hand ans Werk Segen und wüstig mithelfen, daß­­ endlich anders, nämlich befsser werde. Und wieder Andere fühlen sich unendlich glüc­­k­d, daß sie nicht zu dem „Schlamme“ gehören, sondern daß ihnen vergönnt ist, einem Hohen Aristo­­raten oder einem mit dem Purpur bekleideten Eichenfürsten die Hand zu drüden oder mit Sp l­­hen ein verständnisinniges Lächeln zu tauschen. — Wer ist da aber der „Schlamm“? Sener, der für das Vaterland sein Lebtes opfert oder der, welcher von oben herab auf D diese Opfernden, her, niederblict und dessen einziges Streben und Ningen darin besteht, den großen und mächtigen Herren nur beileibe nicht wehe zu thun? — Aber dem Bolfe, ja, dem dürfen immer neue Fußtritte verlegt werden. Das darf sich nicht machen. Das muß geduldig seine Kette schleppen. Denn es ist ja in Schlamm, dessen Nähe verunreinigt, dessen Ausdünstung schon die Geruchsnerven all jener „Edlen“ beleidigt, die noch niemals empfunden, wie schwer e8 ist, sein Brod auf ehrliche Weise zu verdienen, wie bitter er schmeckt, mit h­ungrigem Magen Schlafen gehen zu müssen und niemals einer Erholung, einer Geistesauffri­hung theilhaftig wer­­den zu können. D­­iese „Edlen“ und jene das „Himmelreich“ oder die „Hölle“ steldn auf, den die Privilegirten geben ein Lippen Habenden, was für eselhafte Düfte ent­­strömen doch ihren Barfüms! Da drüben­ wir fürwahr weit lieber die schwielige Hand des Ar­­beiters, als die zartgeäderte Mechte dieses oder jenes Privilegirten, und wäre 8 auch nur aus dem Grunde, weil das ‚„‚manus manum lavat!‘“ des Proletariers auf ganz anderen Prinzipien beruht, als das der parfümburg duftenden „‚noblesse oblige“ befigenden und den „Schlamm“­ verachten­­den Klaffen. Denn wenn der Proletarier das legte Stüd Brod mit dem Hungernden theilt, so gibt er es aus wahrer Menschenliebe, nämlich aus Mitgefühl mit dem Nothleidenden und weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie weh der Hunger thut. Aber Almosen, das­ den­ Empfängern empört, ‚und den Geber [händet, Ausnahmen bestätigen die Negel! Es wäre traurig, wenn es nicht Ausnahmen gäbe. Aber noch trauriger ist 68, daß es so wenig Ausnahmen gibt. Den Allen, die wohlthuen, wie viel Perzent entfallen wohl auf jene, die Solches aus wahrer heiliger Menschenliebe vollbringen? Wie viele thuen es nicht einzig und allein, um­ das mit zu prunfen, und wie viele Andere reihen die Gabe dem Hungernden, dem Nothleidenden mit Bitterfell im Herzen? — Wir sprechen hier wahrs­ich­nit von­ den­­ sogenannten, „Gewohnheits­­bettlern“,, denen man widerwillig den Bettelpfennig reiht. Obgleich auch Dhiefe, zum großen heile, die Gesellschaft auf dem Gewissen hat.. Die Hungernden und Nothleidenden, Die wir meinen, sind ferner auch nicht allein jene, die, zu stolz zum Betteln, unbekannt „ihr Leben vertrauern und verlauern“ und täglich dem Gespenste des Hungers ins Auge bliden, sondern es sind Alle, Alle, die in geistiger Armuth dahinsiehen, die bebrüht und gebrüht freudelos in der Gegenwart dabin leben und deshalb einer aussichtslosen Zukunft « — BR­SE Seuilfelon.­ ­ Eine harmlose 2 Bartgeschichte. Burlesse von **#*, Im artenpavilion war für die Herrschaften etwas Faite Küche mit Wein und Obst serüirt worden, nieß die Gesellschaft unternahm eine Sonderfahrt und ließ das Mahl fast unberührt, wahrseinlich um sich durch den Genuß einer Partie zu Wasser zu sättigen und ein poetisches Vergnügen nur durch ein profanes Vorspiel zu entweihhen. E83 erschien die Haushälterin, um den speisenbes­iegten Tisch abzuräumen. Sie schien mit großer Freude wahrzunehmen, da­ den Speisen fein beidhes getan worden war. Während sie sich mit dem Tischtuch, der Weinborle, den Zellern und Zaffen zu Schaffen macht, haben wir Gelegenheit sie ,härter ins Auge zu fallen. Die Haushälterin war ein ehrwürdiges, dides Menschenbuch zweiter Auflage —­ denn sie war Witwe — in solidem Einbande mit Leinwandrüden, welches den einfachen Titel trug : „Eulalia Vlad8­­haupt“. Die Jahreszahl des Verlags ward durch allerlei dem weiblichen Geschlecht so geläufige und aufs Haar bekannte konservirende Kunstgriffe leider verwirht. Doch war deutlich zu erkennen, daß das jegt verhältnismäßig noch ziemlich saubere Bug, wenn er nicht bald wieder einen Käufer fand, in nicht allzu ferner Zeit in ein Antiquariat würde wandern kollte, wo 28 Ba noch für Alter­thumforscher ein Gegenstand des­ Anteresses sein künnte. Das dies Buch fi beinahe in Querostard präsentirte, sowie daß er bereits einmal vergriffen gewesen, mochte Schuld sein, daß die Meisten sich hüteten, sich daran ein zweites Mal zu­­ ver­­greifen. Eulalia erblickte jett ihr Bild in dem glän­­zenden Silbergeshire und fuhr vor ihrem eigenen Anblid zusammen, während sie ihr Gesicht in Falten tiefen Kummers legte. Es heißt, man könne den jeweiligen Gemüthszustand eines Menschen aus feiten Mienen lesen. Stellen wir also eine kleine physiognomische psychologische Studie bei der Haus­­hälterin an, um den Grund ihrer plößlichen Bes­trebung zu entdecken. Ihr Gesicht hatte seinen voll­­ständig reinen weiblichen Ausdruch, indem weibliche und männliche Gesichtszüge einander hie und da feindlich den Weg vertraten oder sogar in den Haaren lagen, am auffälligsten auf der Oberlippe, welche nur ein angehbendes Schnurrbärtchen geziert war, das sich seines hoffnungsvollen Daseins freute, die Welt von einem neuen Stand­, richtiger Be­wegungspunkt aus kennen zu lernen wünschte und so oft schon den Neid manchen Sertaners wachgerufen. Eulalia war nicht eitel, und sie würde si daher wenig daraus gemacht haben, wenn ihr Ge­­sicht bloß männliche Züge enthalten hätte, aber daß diese männliche Gesichts­linien bei ihr Körper­­form angenommen hatten, das war doch zu viel für eine arme Menschenseele. Diese flaumige Zierde ihres Ba­aljo war die Br­öru­ng­ ihres heimlichen­­ Schmerzes, den wir ehren und durch Tieblose Bemerkungen nit länger profaniren wollen. Freilich, die garstige Welt übte diese Rüd­­fit nit, denn lose Zungen erklärten ihr Bärtchen als das Erbübel eines nichtlirhlich eingesegneten Kuffes von einem schmuden Husaren, was gewiß die böswilligste Verleumdung war, die je erdacht wurde, „D, Herr Schlagmayer,“ lispelte sie, als sie in der­ Ferne den Kammerdiener erblickte, und ihr­ rothes Gesicht wurde noch röther. Sie war ihm nämlich heiml­­ich zugethan, dem großen und ziemlich diden Mann mit dem glatten, glänzenden Gesicht, worin der hervor­­ragendste Zug — eine Nase von ford’ Foloffaler Dimension war, wegen welcher ‚ihn: die­ Polizei ganz wohl zum Lösen eines Waffenpaffes hätte verhalten können. Eulalia verbarg ihre stille Neigung vor­ aller Welt. Hatte sie doch erfahren, daß der Kammer­­diener eine unbezwingliche Antipathie gegen alle Arten von Bärten habe und deshalb an in seinem eigenen Gesichte den Haarwuchs möglichst unter­­drücke und vernichte. Wie hätte sie da hoffen können, da sie und ihr Bärtchen Gnade finden würden in Herzen Schlagmayer's Augen! Dennoch bhat es ihrem guten Herzen wohl, wenn, sie ihm, der den Appetit aller seiner Vorfahren geerbt zu haben schien und immer hungerte und durftete, heimlich einen Imbig oder eine lajche Wein zusammen lassen konnte. (Fortlegung folgt.) ER bi i & Hr ee ie ek 4: & , 57 rt i ä ä E­re Fe a PETER Bine F;k«.·«sp1’.-—.TL-«c"fs’ss?1«-|-.»-—.-::J: E a OF Aurel En ge sk­­gi SENDE: wa EN­ Bi 4 3

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