Oedenburger Zeitung, 1882. April (Jahrgang 15, nr. 76-100)
1882-04-08 / nr. 82
I x „_Samstag, 8. AR ERRRN Pa a a .p . 8. April 1882. XV. Jahrgang. Ar. 3. Lebenbunger eitun (vormals „Dedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen VON Motto: „Dem Forttritt zur Ehre! — Beprüdten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ d Alle für das Blatt a remten Sendungen, mit Ausnahme von Imferaten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, erlag und Inseratenaufnahme: Buchdrukerei, Nomtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. Infersions: Gebühren: 5 fr. für die ein-, 10 Tr. für die zweis, 15 fr. für die dreiz, 20 Er. für die vierpaltige und 25 Tr. für die darlaufende Bettzeile evclusive der Keiemveigekälte von 30 Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen eins oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerationsreife: Für Rocove fl, FRage Fr 5 fl., Vierteljährig Für Auswärts: a jr 12 1 Satsägeg 7.fl., Viertäl- BEI Einzelne Rummern Rotten 5 Szener. a Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Kgfie 10, U. Oppelit, ı, Einnedle in Heinri & Brollgeie 12, R. Mojse, "Seilerstätte 2, M. Sure" entergasfe 12. Sn Budapest : Saulus Sp. Dorotheagaffe 11, Leop. Yang, Gisellaplat 3, A. B. Goldberger, Beruitenpag 3, Manus manum lavat! Dedenburg, 7. April 1882. (H. G.) „Verfugt nicht aus Schlamm Parfün zu machen", war die stehende Phrase eines Aristokraten zur Zeit des französischen Bürgerkönigs Ludwig Philipp, nachdem Letterer bereits seine reaktionären Gefühle zum eigenen Schaden ins prakiiche Leben zu übertragen versucht. Und ein priesterlicher Freund jenes Aristokraten pflegte dann regelmäßig zu antworten: „Eine Sindflut muß über die Gottlosen kommen.” — Beide, französischer Aristokrat wie Priester, sind längst den Weg allen Menschenfleisches gewandelt. Ueber das Bürgerkönigthum des Sohnes Philipp, Egalites ist die Geschichte zur Tagesordnung übergegangen und das Bestehen der französischen Republik Lehrt zur Genüge, daß mit Ausdauer und Gerechtigkeit freiheitliche Wege allein zum Heile des Bolfes führen künnen, ja müssen. — Soviel von Yranfreid. Aber das „Berfudt nicht aus Schlamm Parfüm zu machen!“ ist, trug der ratlos nach Kultur ringenden Zeit, noch immer nicht aus der Welt verschwunden. Und jedesmal, wenn irgend eine groteske Narre bei sich breit hat oder der süße Pöbel als Mauerbrecher gegen freiheitliche Institutionen von den „Gewaltigen der Erde“ benutt wird, kommt uns jener aristokratische Lieblingsspruch ins Geächtnis. Schramm ist das Bolf! Wer daran Schuld ist, weiß do Heutzutage oder der den Sinn des „manus manum lavat!“ zu begreifen im Stande "ist, und welcher ver eigentlich Da= rin gipfelt, „daß kleine Gefälligkeiten die Freunde - Saft erhalten, den aber voll und ganz zu afzeptiven von jeher weltliche und geistliche Herrscher niemald ® Anstand nahnen. Aber auch die Lehren von dem „Schlamm“ und den „Kleinen Gefälligkeiten“ haben ihre Nemesis, der zu begegnen seine Macht der Erde ausreicht, wenn er auch oft scheinen will, als ob die Gewaltigen mit dem „Schlamme“ ganz nach Gutdürfen verfahren dürfen. Und doch kommt die Zeit, wo all diese Tartüffel S den moralischen Kagenjammer über die Bleilegung ihrer Tartüffelfeen nicht mehr loswerden können, wo die Vergangenheit die Gegenwart aufzehrt und eben jener Kagenjammer feine Krallen weit in die Zusunft hinein erstrebt. — „Wir ändern weder die Verhältnisse, moch die Menschen !" so sagen die Schwachtöpfe und lassen Alles ruhig über sich und die Ihrigen ergeben, anstatt da sie Hand ans Werk Segen und wüstig mithelfen, daß endlich anders, nämlich befsser werde. Und wieder Andere fühlen sich unendlich glückd, daß sie nicht zu dem „Schlamme“ gehören, sondern daß ihnen vergönnt ist, einem Hohen Aristoraten oder einem mit dem Purpur bekleideten Eichenfürsten die Hand zu drüden oder mit Sp lhen ein verständnisinniges Lächeln zu tauschen. — Wer ist da aber der „Schlamm“? Sener, der für das Vaterland sein Lebtes opfert oder der, welcher von oben herab auf D diese Opfernden, her, niederblict und dessen einziges Streben und Ningen darin besteht, den großen und mächtigen Herren nur beileibe nicht wehe zu thun? — Aber dem Bolfe, ja, dem dürfen immer neue Fußtritte verlegt werden. Das darf sich nicht machen. Das muß geduldig seine Kette schleppen. Denn es ist ja in Schlamm, dessen Nähe verunreinigt, dessen Ausdünstung schon die Geruchsnerven all jener „Edlen“ beleidigt, die noch niemals empfunden, wie schwer e8 ist, sein Brod auf ehrliche Weise zu verdienen, wie bitter er schmeckt, mit hungrigem Magen Schlafen gehen zu müssen und niemals einer Erholung, einer Geistesauffrihung theilhaftig werden zu können. Diese „Edlen“ und jene das „Himmelreich“ oder die „Hölle“ steldn auf, den die Privilegirten geben ein Lippen Habenden, was für eselhafte Düfte entströmen doch ihren Barfüms! Da drüben wir fürwahr weit lieber die schwielige Hand des Arbeiters, als die zartgeäderte Mechte dieses oder jenes Privilegirten, und wäre 8 auch nur aus dem Grunde, weil das ‚„‚manus manum lavat!‘“ des Proletariers auf ganz anderen Prinzipien beruht, als das der parfümburg duftenden „‚noblesse oblige“ befigenden und den „Schlamm“ verachtenden Klaffen. Denn wenn der Proletarier das legte Stüd Brod mit dem Hungernden theilt, so gibt er es aus wahrer Menschenliebe, nämlich aus Mitgefühl mit dem Nothleidenden und weil er aus eigener Erfahrung weiß, wie weh der Hunger thut. Aber Almosen, das den Empfängern empört, ‚und den Geber [händet, Ausnahmen bestätigen die Negel! Es wäre traurig, wenn es nicht Ausnahmen gäbe. Aber noch trauriger ist 68, daß es so wenig Ausnahmen gibt. Den Allen, die wohlthuen, wie viel Perzent entfallen wohl auf jene, die Solches aus wahrer heiliger Menschenliebe vollbringen? Wie viele thuen es nicht einzig und allein, um das mit zu prunfen, und wie viele Andere reihen die Gabe dem Hungernden, dem Nothleidenden mit Bitterfell im Herzen? — Wir sprechen hier wahrsichnit von den sogenannten, „Gewohnheitsbettlern“,, denen man widerwillig den Bettelpfennig reiht. Obgleich auch Dhiefe, zum großen heile, die Gesellschaft auf dem Gewissen hat.. Die Hungernden und Nothleidenden, Die wir meinen, sind ferner auch nicht allein jene, die, zu stolz zum Betteln, unbekannt „ihr Leben vertrauern und verlauern“ und täglich dem Gespenste des Hungers ins Auge bliden, sondern es sind Alle, Alle, die in geistiger Armuth dahinsiehen, die bebrüht und gebrüht freudelos in der Gegenwart dabin leben und deshalb einer aussichtslosen Zukunft « — BRSE Seuilfelon. Eine harmlose 2 Bartgeschichte. Burlesse von **#*, Im artenpavilion war für die Herrschaften etwas Faite Küche mit Wein und Obst serüirt worden, nieß die Gesellschaft unternahm eine Sonderfahrt und ließ das Mahl fast unberührt, wahrseinlich um sich durch den Genuß einer Partie zu Wasser zu sättigen und ein poetisches Vergnügen nur durch ein profanes Vorspiel zu entweihhen. E83 erschien die Haushälterin, um den speisenbesiegten Tisch abzuräumen. Sie schien mit großer Freude wahrzunehmen, da den Speisen fein beidhes getan worden war. Während sie sich mit dem Tischtuch, der Weinborle, den Zellern und Zaffen zu Schaffen macht, haben wir Gelegenheit sie ,härter ins Auge zu fallen. Die Haushälterin war ein ehrwürdiges, dides Menschenbuch zweiter Auflage — denn sie war Witwe — in solidem Einbande mit Leinwandrüden, welches den einfachen Titel trug : „Eulalia Vlad8haupt“. Die Jahreszahl des Verlags ward durch allerlei dem weiblichen Geschlecht so geläufige und aufs Haar bekannte konservirende Kunstgriffe leider verwirht. Doch war deutlich zu erkennen, daß das jegt verhältnismäßig noch ziemlich saubere Bug, wenn er nicht bald wieder einen Käufer fand, in nicht allzu ferner Zeit in ein Antiquariat würde wandern kollte, wo 28 Ba noch für Alterthumforscher ein Gegenstand des Anteresses sein künnte. Das dies Buch fi beinahe in Querostard präsentirte, sowie daß er bereits einmal vergriffen gewesen, mochte Schuld sein, daß die Meisten sich hüteten, sich daran ein zweites Mal zu vergreifen. Eulalia erblickte jett ihr Bild in dem glänzenden Silbergeshire und fuhr vor ihrem eigenen Anblid zusammen, während sie ihr Gesicht in Falten tiefen Kummers legte. Es heißt, man könne den jeweiligen Gemüthszustand eines Menschen aus feiten Mienen lesen. Stellen wir also eine kleine physiognomische psychologische Studie bei der Haushälterin an, um den Grund ihrer plößlichen Bestrebung zu entdecken. Ihr Gesicht hatte seinen vollständig reinen weiblichen Ausdruch, indem weibliche und männliche Gesichtszüge einander hie und da feindlich den Weg vertraten oder sogar in den Haaren lagen, am auffälligsten auf der Oberlippe, welche nur ein angehbendes Schnurrbärtchen geziert war, das sich seines hoffnungsvollen Daseins freute, die Welt von einem neuen Stand, richtiger Bewegungspunkt aus kennen zu lernen wünschte und so oft schon den Neid manchen Sertaners wachgerufen. Eulalia war nicht eitel, und sie würde si daher wenig daraus gemacht haben, wenn ihr Gesicht bloß männliche Züge enthalten hätte, aber daß diese männliche Gesichtslinien bei ihr Körperform angenommen hatten, das war doch zu viel für eine arme Menschenseele. Diese flaumige Zierde ihres Baaljo war die Brörung ihres heimlichen Schmerzes, den wir ehren und durch Tieblose Bemerkungen nit länger profaniren wollen. Freilich, die garstige Welt übte diese Rüdfit nit, denn lose Zungen erklärten ihr Bärtchen als das Erbübel eines nichtlirhlich eingesegneten Kuffes von einem schmuden Husaren, was gewiß die böswilligste Verleumdung war, die je erdacht wurde, „D, Herr Schlagmayer,“ lispelte sie, als sie in der Ferne den Kammerdiener erblickte, und ihr rothes Gesicht wurde noch röther. Sie war ihm nämlich heimlich zugethan, dem großen und ziemlich diden Mann mit dem glatten, glänzenden Gesicht, worin der hervorragendste Zug — eine Nase von ford’ Foloffaler Dimension war, wegen welcher ‚ihn: die Polizei ganz wohl zum Lösen eines Waffenpaffes hätte verhalten können. Eulalia verbarg ihre stille Neigung vor aller Welt. Hatte sie doch erfahren, daß der Kammerdiener eine unbezwingliche Antipathie gegen alle Arten von Bärten habe und deshalb an in seinem eigenen Gesichte den Haarwuchs möglichst unterdrücke und vernichte. Wie hätte sie da hoffen können, da sie und ihr Bärtchen Gnade finden würden in Herzen Schlagmayer's Augen! Dennoch bhat es ihrem guten Herzen wohl, wenn, sie ihm, der den Appetit aller seiner Vorfahren geerbt zu haben schien und immer hungerte und durftete, heimlich einen Imbig oder eine lajche Wein zusammen lassen konnte. (Fortlegung folgt.) ER bi i & Hr ee ie ek 4: & , 57 rt i ä ä Ere Fe a PETER Bine F;k«.·«sp1’.-—.TL-«c"fs’ss?1«-|-.»-—.-::J: E a OF Aurel En ge skgi SENDE: wa EN Bi 4 3