Oedenburger Zeitung, 1882. Mai (Jahrgang 15, nr. 101-123)

1882-05-05 / nr. 104

XYV. Jahrgang. Az. 104. Sedenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Chr? — Betrachten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.“ « „_Steitag, 5._Mai 1882. — mn ” RR DER 2 FRE Vo Be RER ERLITT j ..­ « . ISIN BETEN RETTET NEN a E Pay­er Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljähri­g vo­n tr., AR­­g in. er Für Auswärts: Sanziäteig 12 de albjährig 7 fl., Viertel­­. INS. · Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Verla und Inseratenaufnahme: Buchtrukerei­­, Nommwalter , Lohe, Grabenrunde 11, BIO Kingelse Nummern keften 5 Kren­er. za Inserate vermitteln. In Wien: Pfenfieta , Vogler, Wall­­m­agasse 10, A. 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Mai 1882, der Arbeiter sich willig und geduldig in das Ich einer freudlosen Existenz und denkt nit daran, wie etwa ganze Klaffen in Preußen, alles Bestehende auf den Kopf zu stellen und eine ganz neue Organi­­sation der gesellsshhaftlichen Einrichtungen gewalt­­sam durchzufegen, denen als Devise der gefährliche Grundfag gilt: „Die Welt ist rund und muß si drehen, waß jegt unten ist, das soll nach oben.“ Fürst Bismarc nennt diese staatsgefähr­­liche Stimmung in einem sehr weit ausgebreiteten Kreise der deutschen Bevölkerung genau, er weiß wie die sozialistische Agitation immer größere Di­­mensionen annimmt und er selber, der starre Staatsmann, der „unerschütterliche eiserne Reichs­­kanzler hat. Angesichts dieser Agitation erklärt, daß G­ewalt nichts, Staatshilfe für die Bedrängten Alles dagegen auszurichten ver­­möchte; denn seine (Bismarck’8) Worte lauteten: „Die Hebung der sozialen Schäden ist nun und nimmer im Wege der Depression sozial­­demokratischer Ausschreitungen, fon­dern Lediglich auf dem Wege der positiven staatlichen Förderung des Wohls der Arbeiter zu suchen.“ — Wenn indeß die Ungarn nun auch wo nicht an eine soziale U­­wälzung denken, der Ruf nach Hilfe für das in fortschreitender Verarmung be­­griffene Vol im Allgemeinen, nach Hilfe für jene Kaffe der Bevölkerung, die par excellence „Ar­­beiterflafse“ genannt wird, erhebt sich immer dringen­­der, immer jtümlicher auch bei uns; er Schlägt an das Ohr jener Männer, die berufen sind, über das Wohl der Staaten und deren Bevölkerung zu wachen und für dasselbe nach Kräften zu­ sorgen. Den Territorialbegriff des Staates bildet der Grund-und Boden desselben in seiner ganzen Aus­­dehnung, und die diesen Boden bebauende, ertrags­­fähig machende, Landwirthschaft treibende Klaffe unserem Vaterlande nit aufzuweisen; noch fügt Mit dieser Ueberserift präsentirt fi einer der legten Leitartikel der „Preßburger Zeitung.“ Dieses zeitgemäße Schlagwort wollen auch wir aufgreifen, denn anstatt am unverdaulichen Häderling unfruchtbarer Debatten fort zu dreffen, ist es doch an der Zeit, an Staatshilfe für die nothleidenden Arbeiter zu denken. Das Volk fordert Brod und Erwerb und es scheint Euch Politikern im Neichstage alle Eure, ohne dem zweclosen Neden und Programme, denn das Bolf weiß, daß fehlte sich — in der großen Staatspolitik — doch nur das geschieht, was der jeweilige Chef des­riegsministeriums und die erren Tipa und Taaffe durchfegen wollen. Laßt also das Gezänfe unter­einander und denft nach, wie ihr den arbeitenden Klassen ausreichenden Verdienst verschaffen künnt, darin liegt das wahre Heil des Staates. Gebt und Brod, Helft uns unsere Familien ernähren und unsere Kinder er­ziehen, ermöglicht uns Alfen eine menschenwürdige behagliche Existenz! Das ist e8, was das Vort millionenstimmig den Staatslenkern zuruft. Wer dieses soziale Problem zu lösen fi bemüht, wird sich den Dank des Volkes verdienen. Die politischen Streitfragen sind in den Hintergrund gedrängt worden und jegt handelt es fi vor Allem, um so­­ziale und wirthichaftliche Reformen. In Ungarn sind zwar in neuester Zeit an bereits ab und zu einzelne Umsturzmänner aufge­taucht, melde sich als Apostel dr Sozial­­demokratie gerirend, die Arbeiterklassen zur Empörung wider die bestehende gesellschaftlie Ord­­nung aufzuhegen fuhten; aber — Gottlob! — tiefer greifende, organisirte, planmäßig vorbereitete sozialistische Umtriebe haben wir bis jegt in gewerblich verwerthende Klasse repräsentirt wieder den bei weiten überwiegenden Theil der Bevölkerung, von welcher der Staat seine materiellen Existenz­­mittel zieht. Wenn es nun in erster Linie an diesen Klaffen selbst liegt, durch fleißige Arbeit und mit Zuhilfenahme aller dur den Forschungs- und Er­­findungsgeist der Neuzeit geschaffenen mechanischen Hilfsmittel ihren Wohlstand auf immer Höhere Stufe zu bringen, so ist bei den heutigen abnormen Anforderungen, die der Staat an seine steuerzahlen­­den Bürger stellt, mit dem Prinzip der Selbst­­hilfe lange nicht Alles gethan, und die Staats­­hilfe ist für d­iese Stoffe der Bevöl­­kerung unerläßlich, ja wo unerläßlicher wie in Preußen, denn das Elend ist in geriissen Schräten bei uns no größer. Wir bedürfen jedoch im Ungarn nicht vielleicht der direkten Unter­­frügung mit Staatsgeldern, wohl aber müssen sich die Regierungen endlich einmal bequemen, aus dem Gesichtskreis der hohen Politik heraus ihren Blick auf die brennenden wirts­­cchaftlichen Fragen, auf den Zustand der Landwirthschaft und Gewerbe treibenden Bevölkerung zu werfen, den Handel energisch zu fordern, das notbleibende Gewerbe durch zweck­mäßige Institutionen und Maßregeln zu fragen und zu fragen. Die Regierungen und die Abgeordnetenkörper werden sich da über­­zeugen von dem allgemeinen Elend, welches die Zahl der Steuerzahler von Jahr zu Jahr fiktiv vermindert, sie müssen die Ueberzeugung gewinnen, daß mit glänzenden Meden und schönen Versprec­hungen weiter sein fortkommen ist, daß es für den Staat nur gleichgiltig ist, ob eine so zahlreiche Bevölkerungsklasse in der Ungunst der Zeitströmung zu Grunde gehe, und daß es si­e wenigstens der Mühe eines Versuches lohne, von Seite des Staates und die Bauernschaft, Jom wie die diese Bodenprodukte das produktive Schaffen zu beleben, den Handel:­­ Jewittelon. Das Falchingssymbol. Eine heitere Geschichte von M. v. Angyalffy. E38 war ein prachtvoller Augustmorgen. Noch zitterten Blätter und Halme unter der Last der gligernden, aus Perlen gehobenen Dede, welche die heidende Sonne über ihr Schwerterchen die Erde gebreitet und welche sie nun wieder emporzuheben, Strahl um Strahl entsandte. Wie innig mag sie ihr Schwesterchen lieben, diese stolze unvergängliche Königin auf ihrem saphyrnen Throne, daß Dieses seit Myriaden von Tagen stets neue Wiedersehn immer so freudig, so zärtlich, so feierlich ist ! An einem freundlichen, an der Westgrenze Ungarns gelegenen Städtchen regte sich an dem genannten Morgen die ganze Einwohnerschaft in einem vascheren als dem gewohnten Werfeltagstempo. Die Thore beinahe sämmtlicher Häuser stehen weit geöffnet, und was nit bereits auf der Straße flank­t, steht die Köpfe zu den Fenstern heraus. E38 bereitete fi offenbar irgend ein interes­­santes Ereigniß hier vor. Set nahte der Polizeikommissär des Städt­ Hens, ein­e Junggeselle schon in den Sechzigern, aber bei den Damen wo­ immer beliebt ob seiner un­­verwüstlichen Heiterkeit und altmodischen Galan­­terie, bei den Männern aber gefürchtet ob seiner rücksichtslos scharfen Zunge, womit er Unzusömme­­­ligkeiten, Unordnungen und liederliche Auftritte kritifirte. Seine Satyre, die sich nur selten in Neimen Luft machte, war die größte Plage der geistig minder begabten Stadtväter. Sie hätten ihn auch längst in die Rüftlammer specirt, wenn nicht die Damen fammt und sonders an seiner Seite gestanden hätten. Und, wenn die Damen für uns — wer ist gegen uns? — künnten die Männer mit Not fragen, wenn sie einsichtsvoll genug wären, um dies anzuerkennen. Guten Morgen, guten Morgen, meine Damen, hörte man den Kommisssär rufen, was wird das da heute für ein herrlicher Tag werden, dessen Eingang so viele herrliche Blumen begrüßen. Aber was geht denn da vor ? Bei diesen Worten 709 der boshafte Mensch eine unverhältnismäßig große Zwiebeluhr mit pad»­fangenem Gehäuse und bemaltem Zifferblatt hervor, sieben Uhr und alles in voller Toilette, das ist ja ein ganz phänomenales Ereigniß hierzulande. Es sollte mir doc leid thun, wenn die ver­­ehrten Damen in ähnlicher Weise um ihre Nacht­­ruhe gebracht worden wären, wie ich ? Nun wie ging denn das zu? fragte ein junges Dämchen, hat Ihnen ihre Haushälterin eine doppelte Anzahl Knöpfe an die Wette genäht, daß Sie K Ihre Färberpartien in derselben M­eife multipliziren mußten ? Nein, nein vorlautes Mannfelden, lachte der und träumte von Ahnen, als eine impertinent ungalante Ordonanz mich aus dem Weihe der Seeligen wieder zurüc­kerief, und mir die inte­ressante Neuigkeit mittheilte, daß das Hieber der taleirte Küraffierregiment Großfürst Nikolaus, unser Städtchen wehtS liegen zu lassen und si direkt in das Lager nach Bruch zu begeben habe. Sit das nit unerhört, hätte ich das Heute früh nit auch erfahren können ? Der schlaue Alte hatte diese Worte absichtlich fast geschrieen und — — verfehlten ihre Wirkung nit. In der ganzen Hörweite Elierten die Fensters­cheiben und die blühenden Mädchen und Frauen­köpfe verschwanden. Reife Lichernd fegte er seine Wanderung fort, um die Hiobspost auch in weiteren Kreisen zu verbreiten. Nur die Sprecherin von vorhin verließ ihren Posten nit, sie wollte zeigen, daß sie nit etwa deshalb­­ dagestanden habe, und ihre Ausdauer ward bald gefrünt. Kaum daß der listige Schelm zum drittens male die Runde von dem Lagermarsche zu ver­breiten beabfitigte, liegen sich von­­Weitem die Klänge des Nadegfymarsches hören und unter Elins gendemn Spiele zog das genannte Regiment ein, vom Sonnenstrahl und birgenden Frauenaugen begrüßt. Des Kommissärs zahnloser Mund Läcelte umsonft so spöttif triumfirend, Niemand achtete mehr auf ihn, die Fenster flogen auf, und auch so alte Hagestolz, ich lag schon längst in den Federn manches — — Mädchenherz. (Fortlegung folgt). 4 1 | 4 ‘ $ A | wech TEE U ri A REITEN AR az RE ah a ae:

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