Oedenburger Zeitung, 1882. November (Jahrgang 15, nr. 252-276)

1882-11-01 / nr. 252

Wittweclxtngemberlssa XV. Jahrgang. Ar. 232. Dedenburger Zeifun ( vormals „Bedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr? — Behrüchen zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ Administration, Derkm­ und Inseraienaufnahme: BE Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Bonn- oder Feiertag folgenden Tages. PY Pränumerations-Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljähri 1. S 3 fl. 50 Fl., Monatlich 1 fl.­­ . Für Austwärts: Sanzichere 12 A Held­äprig 7 fl., viertel­­jährig . . Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Buchdrnkerei &, omiwalter & Sohn, Grabenrinde 121, a Einzelne Nummern Rotten 5 Strenger. Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Vogler, Wall­­fachgasse 10, A. Oppelit, 1., Stubenbastei 2, Heinrich Schaler, 1., Wollzeile 12, N. Moffe, Seilerstätte 2, M. Dufes, ı., Nies raue 12, Sn Budapest: Yanlıs Gy­­en 11, Leop. Lang, Gisellaplag 3, A. B. Goldberger, Servitenplag 3. Insertions:Sebüßren: 5 Tr. für die ein, 10 fr. für die zweis, 15 Tr. für die drei-, 20 fr. für die vierspaltige und 25 tr. für die durchlaufende­n Bet­tzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 Tr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt: BEE” Des eiertages tregen erscheint die nächste Nummer unseres Blattes Freitag, den 3. November, GH Kränzet die Gräber! Dedenburg, 1. November 1882. (H. G.) SKränzet die Gräber! Denn jener Staub, welcher unter den Hügeln des Leichenhofes ruht, war vormals fongruent jener Masse, aus der Euer Leib einst geformt worden. Kränzet die Grä­­ber! Denn jener Geist, der in Eurem Körper war­­tet, ist ein Theil von demselben Geiste, der einst die nun der­­ Verwesung anheimgefallenen phifi­­schen Hüllen beseelte und Tenfte. Kränzet die Grä­­ber! Denn Sene, welche da unten schlafen, haben das schönste Ziel erreicht, das auf Erden dem Menschen zu erreichen möglich: Die Nube, die ewige, ungestörte Ruhe nach langem, rastlosen und, wenn es gut geht, fructlosem Ringen! Sie Schlafen, sie ruhen in den Gräbern. Alle, die wir einst geliebt, die mit uns gefämpft, gehofft, geträumt und gesehnt, sie sind heimgegangen und haben uns allein gelassen in der öden, falten und erfaltenden Welt! Der Kampf und das Ningen sind den Welterlebenden geblieben — die Liebe haben die Entschlafenen mit hinabgenommen in die stille Tiefe. Aber auch jene Schlafen unter den Grabes­­hügeln, welche einstmals uns bekämpft, welche unsere Gegner und Feinde waren und als Solde­ung das Leben verbittert. Die wenigen Freuden, welche das irdische Dasein bietet, uns zu vergällen bemüht gewesen und Derartiges auch wader zu Stande ger­bracht. Nuhe und Frieden in dieser Stunde Senen, wie Diesen. Denn über das Grab hinaus darf nicht die Feindschaft und Rache währen, wal aber die Liebe. Denn kraft der Legtern pflanzen wir ja noch am Grabe die Hoffnung auf. Das it die schönste Todtenfeier, das ist der erhabenste Gedenktag auf Erden, wo der Lebende Meensh­al der Unbill vergift, welche die Dahin­­geschiedenen ihm während des Wandelns auf Erden absichtlicher Weise zugefügt und wo der Lebende nur der Liebe gedenkt, welche die mun unter den Grabeshügeln Schlummernden ihm seinerzeit, als noch der Geist die Hülle Defeelt, erwiesen. So ist den zu Staub gewordenen Entschlafe­­nen der Zoll wahrer Verehrung gebracht, wenn wir Sener, die und Gutes erwiesen, in Liebe gedenken und allen Anderen ins Grab hinunterrufen: „E38 sei Euch Vergeffern und Vergebung zu Theil!“ Aber bei solcher stillen und weihevollen Todten­­feier, die wahrlich sehr unfick­licher Weise zu einem „Allerseelenfeste“ stigmatisirt worden ist, ergreifen auch, mehr oder weniger stark, ganz andere Ge­­fühle das von tiefer Wehmuth durchsättigte Gemüth des Lebenden. Sie, die da unten schlafen, fühlen Fein Leid, seinen Schmerz, feinen Qummer, feine Sorge, keine Noth mehr. Aber der auf Erden Wandelnde muß fortringen und kämpfen und dulden und tragen, so lange ihn die Sonne umsceint oder die wal­­lenden Nebel feinen Gesichtsfreisg umdüstern. Ach ! und dieser, scheinbare Horizont, wie ist er doc so enge geworden. Wie Fein und geringfügig ist er, seitdem wir unsere­n großen Todten" begra­­ben. Pygmäen haben ihre Stellen eingenommen, die, geistig Hein und nur groß im V­erderben­­spenden, aus besserm Stoff erzeugt sich wähnen, als alle anderen Meenschenkinder. Sit jener Deist, der­­diese Pygmäen befeelt, all aus anderm Stoffe erzeugt, als der, welcher dem Bettler und dem Zuglöhner Geduld und Stärke verleiht, das ihnen beschiedene Erdenlos zu ertragen? Hat jener Geist auch Race und „blaues Blut?” Läßt er sich auch in gentlemanische und bürgerliche, in privilegirte und gewöhnliche Slaffen j­eiden ? Gibt es auch exzellenzischen und einzig und allein zur Saftentragung prädestinirten; gibt es auch heidnischen und gutfatholischen, Fegerischen und jüdischen, freisinnigen und mittelalterlichen, absolu­­tistischen und menschenrehtligen Geist? Hat­ auf dieser Stammbäume und Ahnen verschiedenen Kalibers ? Hat er auch Ansprüche auf Orden, Titel, Ehrenzeichen und al den irdischen Schnidshnad, womit die lebenden Menschen ihre staubgebornen Hüllen befleiden oder „hmüden ?" Vorwahr, wenn nie, so tritt am Gedenk­tage der XZodten die Nichtigkeit des Lebens, des Ningens und Yagens in seiner ganzen Nacht­­heit und Erbärmlicheit vor die Seele des Denkers, und wie Hohngelächter tönt er da aus den Grä­­bern heraus: „hr Vogmäen, die ihr Euch brü­­stet, an einen unsterblichen Geist zu glau­­­ben, wie blöde seid hr do, dag Ihr Eu mit „Joldem Plunder, wie Orden, Ehrenzeichen und „Aehnlichem Schmück, und dag hr, um folde zu „ergattern, Zeit Eures Lebens darauf vergeßt, „welche Bestimmung der Mensch als geistig „begabtes Wesen zu erfüllen berufen it!“ Und ferner, wie tritt an dem Gedenktage der Todten nicht nur die Hohlheit der Strebungen nach irdischem Lande, sondern weit mehr die Erinne­­rung an all das Unrecht hervor, dessen si­­eben die geistig begabten Wesen gegen all jene, die ein Atom ganz desselben Geistes besagen,­ zu Schulden kommen lassen. Ein Geist befeelt ums Alle, Ein Geist regiert unser Denken und Handeln, Ein­­ Geist führt uns zur Höhe oder schleudert uns in die Tiefe! Das wollen aber Diejenigen, welche sie so gerne brüften, auf der Menschheit Höhen zu wandeln, nicht gestehen, wenn sie es auch fühlen müssen. In dem Augenblicke, wo diese Wahr­­heit von dem gleichen Geiste sonnenklar vor Aller Menschen Seele liegen würde, müßte jeder eingebildete Klaffen- und Wangsunterschied auf Erden aufhören, nicht aber das Mringen und Kagen nach irdischen Gütern endigen, weil der Körper auf irdische Nahrung, auf irdische Genüsse und Annehmlichkeiten angewiesen ist. Abe er würde, sobald die eingebildeten Unterschiede gefallen und die Wahrheit von dem Einen großen Geiste, von dem der Seit des einzelnen Individuums ein Atom ist, allen Menschen Kar WR x » — en Stein fielen. Zum Lefte der Todten Dedenburg am 31. Oktober 1882. Dieses Blatt wird aufliegen an dem Tage, da wir Alle, Groß und Klein, Jung und Alt, V­ornehm und Gering, hinaus pilgern, wo unter den kleinen Hügeln unsere vergangenen Lieben schlummern, oder an welchen wir doc wenigstens einen Gedanken, eine wehmüthige Erinnerung, eine Thräne Jenen weihen, die und der unbarmherzige Tod entrisfen hat: am Allersseelentage! Was ist der Mensch für ein Thor! Nicht nur das Leben schmüct er aus mit feinen bunten Krän­­zen und Flitterdingen und Blumengehängen, die, wie er selbst und seine Freude, über Nacht dauern und dahin sind, sondern auch den Tod, da Grab, die Unendlichkeit und ihre Schauer paßt er heraus, wie eine geliebte Herzensfreundin. Aber diese Thorheit ist eine süße, eine Fobenewerthe, sie benachtheiligt Niemand, sie nüt­zt sogar, denn der Gräber-Hultus hat auch eine J­ndustrie geboren und viele Mitmenschen leben davon, daß wir unsere Todten ehren. Die Gärtner und die Blumenhändler, die Er­­­­zeuger von Gruft-Ornamenten, fünftlihhen Blüthen- und Blätterkränzen,von Trauer-Paramenten und Grab- Laternen ziehen lohnen den Verdienst aus der Pietät der um ihre theuren Angehörigen Trauernden. Freilich die Dahingeschiedenen haben nichts von der weihevollen Ausschmückung ihrer letzten Ruhestätten,denn ihre sterblichen Ueberreste haben sich längst mit dem Erdboden vermischt,sie sind zurück­­gegangen in das Reich der Natur,aus der sie hervor­­gingen.Einzelne T­eilchen ihres Staubes haben viel­­leicht den Kelch dieser Blumenähren helfen,die wir vom Grabe pflücken;andere Theilchen hat der Wind in alle Welt theile zerstreut,umzubauen und zu befruchten. Jedes Fächeln des Windes,jeder Duft der Wiesen und Wälder,jedes Plätschern der Bäche,jeder Lautleben der Geschöpfe bringt uns die zerstreuten neu­­geformten Theile unzähliger Millionen längst dahin­­gegangener Wesen wieder. Aus jedem Steine, jedem Baume, jedem Geschöpf spricht die Vergangenheit auch des Menschen zu uns. Warum finden wir an den Gräbern, warum ichmüden und befränzen, warum beb­auen wir diese mit unseren Thränen ? Diese Stätten, wo Nichts, wo gar Nichts von unseren Lieben ist, die in den Kreislauf des Weltall zurücgekührt sind ? Und wenn die Seele unserer Lieben, wie die Religion uns hold tröstend versichert, wirklich in un­nahbaren, seligen Regionen schweben, wozu unsere Klage, wozu der Besuc der Todesstätten, die doc nur ein trauriger Widerspruch zu jenem lichten Dasein sind, daß wir und ausmalen ? Nein, tausendmal nein! Etwas­ bleibt und ja immer von dem Heißgeliebten, an dessen Hügel wir beten, die Illusion, die süße, tröstende,­­aufrich­tende Selbsttäuschung bleibt uns, daß der Vereiwigte im Jenseits e8 sehen, fühlen könnte, wie wir und in Liebe feiner erinnern. Es ist uns, als erfreute sich der, Todte der Ehren, die wir ihm erweisen, als würde er beglict die Düfte der ihm gespendeten Scränze einathm­en, als würde er an den Lichtern, Die ihm unnsere Pietät an­­zündet, fi­ erquiden, als hörte er all’ unser Schluch­­zen und Flehen und würde er noch im Grabe tiefere­ Ruhe finden können, wenn die Werke und Klänge nie erlöschender Pietät feiner «Hinterbliebenen zu ihm 'herab­­drängen. Holde Täuschung, die das im Sinnlichen befan­­gene Menschenherz fs; durch Feine Errungenschaft der Forschung, Durch­ feine Tröstung und­­ Verheißung der Religion van den Taffen will! Das Kind, das seiner entschlafenen, theuren Mutter gedenkt, die Eltern die ums­tarte, Kindlein trauern, die Braut, der Freund, die Alle lüffen den Staub und Taffen sich den beruhi­­genden Wahn nicht um Alles in der Welt nehmen, daß der Staub diesen Kuß empfinden snne, Und noch mehr: Die Berichtung, an die wir am Allerseelentage denken, ist eine ernste Mahnerin, eine gar beredte Lehrmeisterin, denn

Next