Oedenburger Zeitung, 1883. Juli (Jahrgang 16, nr. 148-173)

1883-07-01 / nr. 148

­­einer Zeit, wo gar keine Veranlassung zu solchem Denn der Haß gegen alle Haffe vorhanden ist, anderen Erscheinungen des Tages, wie Erweiterung der Macht der Reaktionäre, der Feudalen, der Negierungsgewaltigen u. s. w., hat seine vollfom« da durch diese Bestrebungen jene Berechtigung, Die heiligen und unveräußerlichen Nechte der Völker, wie der Einzelnen bedroht seinen. Aber gegen das Deutschthum ? Der wahre Kosmopolit muß sinnend den Kopf schütten und sich fragen: Warum und wie ist dieser Haß entstanden und welche Berechtigung hat denn eigentlich derselbe ? Die von solcher Bettkrankheit Befallenen haben freilich Sofort die Antwort bei der Hand; Uns Haben die Betreffenden das, den Anderen if das und denen wieder etwas Anderes zur Zeit ihrer Machfülle angethan, und Solches muß nun gerät werden. — — Von den Deutschen kann man aber mit voller Berechtigung Derartiges erstens n­ich­t behaupten, zweitens steht das Heutige Deutsland im Zenith seiner Macht, und drittens richten sich alle Angriffe der Gegner des Deutsch­­thums nicht gegen das­ geeinzigte deutsche sondern im Großen und Ganzen nur gegen die in den außerdeutschen Staaten seit Jahr­­hunderten seßghaften deutschen Stämme. Da aber, nachgemiesen, Alles, was diejen­­igieren von den Gegnern des Deutschthums in die Schuhe geschoben wird, Schuld ganz ande­rer Gewalten war — (beis­pielsweise die Bad’ssche Periode in Ungarn, wo deutschspregende Czeden unter theures Vaterland systematisch beherrschten) —, so ist es nicht nur unerfindlich, warum, sondern auch wahrhaft lächerlich, wenn mit dem Haffe gegen das Deutsch­gum geflunfert Wir Ungarn haben unsere Vorzüge und Fehler, ebenso wie alle anderen Nationen und Stämme des Erdballs die ihrigen. Der wahre Kosmopolit rennt nur Ein Streben : Sämmtlichen Staubgebornen gleiche Rechte, gleiche Freiheit, gleiche Wohlfahrt zu verschaffen oder noch Flürzer ausgevrübt, der Guten Freund — der Schlechten Feind zu sein. Wir haben vorhin gesagt, daß die tedte Sai­­son gleichzeitig auch mit der fosmopoliti­schen, in erster Reihe freilich nur für die Begü­­terten zusammenfällt. Aber in gewisser Beziehung tritt auch für die an der Scholle­nleben bleiben Müffenden die fosmopolitische Saison in ihr N Recht, sobald der Himmel blaut, die Heuernte vorüber und die sich gelbfärbenden Uehren der Sense des Schnitters fich entgegenstreben. Und diese Saison gemahnt dann nimmwill fürlich daran, daß der Mensch ein Wandervogel ist, als solcher aber ein Kos­mo­­polit sein muß. Ubi bene, ibi patria hat dem­nach für alle Erdbewohner eine sehr bedeutungslole Berechtigung ; das vormals oft gebrauchte „der Heller gilt nur dort, wo er geschlagen worden ist“, hat dagegen heute, in der Zeit der Eisenbahnen und der Dampfschiffe, fast vollständig seine Bedeutung eingebüßt. Unser ungarisches Vaterland befigt gewiß tausendfache Reize und Vorzüge, aber auch, das wird selbst der eingefleischteste Xofalpatriot zugeste­­hen müssen, seine Schattenseiten. Sollen wir Un­­garn nun deshalb die Vorzüge anderer Länder nicht anerkennen ? Das wäre da der engbrästigste Chauvinismus, den man sich nur denken könnte, und noch dazu ein solcher, der dem V­aterlande zum Unheile gereihhen müßte. Denn Ungarn kann nur gedeihen, und den ihm gebührenden Nang im der Staatenfamilie Europos einnehmen, wenn er unter steter Bewahrung seiner Eigenart, den vermerkli­­chen Chauvinismus abstreift und kosmopolitisch wird. Ziehen die ungarischen Begüterten aber während der tedten Saison hinaus in die Ferne, in fremde Länder, so müssen vor Allem die un­­garischen Botrioten dahin streben, das Leben in un­­serer Heimat derart zu gestalten, das die fremden Kosmopoliten, nämlich die begüterten Neffenden, unser schönes Ungarn recht zahlreich aufjagen und sich hier, während ihres Aufenthaltes, heimlsch füh­­len. Durch Engbrüstigkeit, duch Haß gegen ein­­zelne Nationalitäten, dur ein Berschließen in sich selbst, wird solches aber sicher nicht erreicht. Nun gibt es aber in neuester Zeit Gelegen­­heit, wo alle Völker des Erbban­d zu einem fried­­lichen Wettstreite eingeladen werden. Wir meinen die verschiedenen Weltausstellungen. Das sind die Epochen, wo die Angehörigen der unterschiedlichen Nationen sich nähern, renzen und einander achten lernen sollen. In derartigen Momenten soll und muß jeder Haß, jede Feindschaft verschwinden und von Staatswegen wie Jeder in seinem reife da­­für Sorge tragen, daß der Zuzug zu der betref­­fenden Expositur ein möglichst massenhafter werde. Denn heute Dir, morgen mir! Was heute der einen Nation oder dem einen Lande zu gute kommt, heimst morgen die andere Nation ‘oder das andere Land ein; mithin it e8 auch in diesem alle angezeigt, fi des Kosmopolitismus zu befleißigen. An diesem Jahre, und zwar binnen wenigen Wochen, findet nun in Wien die große, „internatio­­nale elektrische Ausstellung“ statt. Ob selche, die sei­­nerzeit in München inscenirt gewesene, betreffs An­­lage, Deform­ung und Großartigkeit, übertreffen wird, läßt sich heute freilich nicht vorhersagen. Aber, so viel wir erfahren haben, werden wenigteng die riesigsten Anstrengungen gemacht, um Solches zu Stande zu bringen. Unser eigenstes Synteresse erz­­eicht er nun, den Zuzug zu dieser Wiener elek­­trischen Ausstellung mit allen möglichen Mitteln zu unterjrügen, nut nur, weil wir Ungarn auf derselben werden D­ieses lernen und verwerb­en können, sondern vornämlich aus dem Grunde, weil unser etwaiges Yernbleiben oder nur spärliches Er­­keinen bei derselben uns­chlechte Früchte eintra­­gen müßt. Denn all hier würde Tich das: jieute ee — morgen Dir!“ bemahrheiten und zu der­­ irtig­en Budapester [fit die‘ Fremden, d ihr Absentiren 6 Für fünf Säligkeit ragen Sicht man aber no in Betracht, Su wer eben dieses verlästerte Wien, Hinsichts feiner dag — (die Natur- und sonstigen Schönheiten un­­seres ungarischen Vaterlandes und seiner Metro­­pole in allen Ehren) — Wien auf heute noch, troß aller Bek­leinerungs­bestre­­bungen seiner Gegner, eine der ersten und schönsten Städte des Erdballs ist, daß fer­ „Laßt uns in diesem Falle den Lage und Umgebung es set oft mit Paris aufneh­­men kann, so ist wol die Aufforderung eine gerecht­­fertigte und wahrlich nit unpatriotis Be, wenn wir jagen, weniger oder mehr bezeu­gten Hader, vor Allem aber den uns nur Schaden bereitenden Chauvinis­­mus verbannen, laßt uns einmal echte und rechte Kosmopoliten sein und uns massenhaft zu der am 1. August zu eröffnenden „internationalen elektrischen Ausstellung" nach Wien begeben. Der Bortheil, den wir aus solchem Thun ziehen werden, wird und muß unserm eigenen Vaterlande zur Ehre und zum Nagen gereichen.“ - Reidh, wie histerisch wird. Denn — „suum cuique!“ | Dienettes von der Schluhverhandlung in der Tiha-Ehlärer Affaire. VII. Dedenburg, 30. Juni 1883. Gestern endlich, am neunten Verhand­­lungstage wurde das Beweisverfahren bezüglich des ernsten Theiles der Anklage, nämlich des Thatbeistandes des Mordes been­digt. 8 wurden bdiesbezüglich seine wesent­­lichen Aussagen gemacht, blos das mit dem fünf­­jährigen Knaben Samuel Scharf seinerzeit aufgenommene V­erhör, da den Aussagen Woltz vollkommen widerspricht und verlesen wurde, erregte Aufsehen, da die Juden ohne Ausnahme mit ihren im Dorfe 6108 bei den Bauern üblichen Spiß­­und Spottnamen erwähnt werden, demnach unmög­­lchh ursprünglich vom Knaben stammen konnte. Die Aussagen des siebzehnjährigen Sohnes der Dienstgeberin der Esther sind belanglos, viel wich­tiger ist die Ausfrage des Müllerjungen Tanpyi, der jegt beim Militär dient, daß er Esther nach elf Uhr bei der Mühle vorübergehen gesehen. E5th 58 war wieder gezwungen, ganz entschieden um Herstellung der Ordnung und Ruhe zu erfas­sen. In der That war das Benehmen des Publi­­kums auch diesmal ein geradezu unqualifizirbares. Einzelne Aussagen der Zeugen wurden theils mit Eisens, theils mit Murren aufgenommen.­­Bezüglich der Bernehmung des Untersuchungs­­richters Bary und des Staatsanwaltes Nagy beschloß der Gerichtshof, dieselben nicht zu ver­­­nehmen. Im zweiten Theile der Verhand­­lung wurden zuerst der Stuhlrichter Jarmy, der Unwesentliches aussagte, sodann drei ruthes­nische Flößer mittelst Dolmetsch verhört. Zeuge Johann Antal war es, der dem Angeklagten Moriz Klein seinen Wagen lieh,­­ welchen angeblich die Dadaer Leich g eführt wurde. Aus dem S Kreuzverhöre geht hervor, aß Zeuge dem Angeklagten seinen Wagen eine Rede vor­­ Pfingsten, also jedenfalls im Mai gelie­­hen hat. Angekragter Kleim bemerkt über Befra­­gen, daß er diesen Wagen brauchte, um für Ro­­senberg Mehl zu bringen ; auf diesen Wagen fuh­­ren auch die Mutter der Frau Scharf, die Frauen Junger und Weißenstein. Hierauf folgt eine halbstündige Pause, nach welcher der Stuhlrichter Eugen Jirmy vernomes _ von meinem Onkel erhalten, der mir befiehlt, so­­fort zum Regimente einzuladen.* „Du — Du — zu Deinem Negimente ?* fragte Adrienne zitternd und bis unter die Haare erbleichend. „Du E­önntest jegt mich verlassen ? — Set? — wirflihh ? — Jet, wo ich Dich­ anflehe, den Dienst zu quittiren ?“ Sander blidte, die Züge von plöglichem­m Schmerz entstellt, in ihre Augen, während sie biebend und zagend feiner Antwort harrte. „Snniggeliebte“, begann er endlich: „Könntest Du mich noch lieben, wenn ich anders handelte ? Wäre er denkbar, daß Du noch Achtung für mich empfinden könntest, wenn ich jet fahnenflüchtig­­ würde ? Adrienne sah ihn Lange forschend, dabei aber an allen Gliedern zitternd, gleich als ob sie von Fieberfrost geschüttelt würde, an. Dann entwand sie sich mit Gewalt seinen Armen und rief in leidenschaftlichster Extase:: „Du willst mich lieben ? Du? Hast Du mir nit versprogen, dag ich Dein Höchstes sei? Ber:­lange, daß ich Dir zu Liebe sterbe, daß ich mich in ‘ einen Abgrund stürze, ich werde es sofort thun. Und Du? Du willst meine einzige, meine so be­­scheidene Bitte nice erfüllen ? — — DO Sände­r, Sänder, ich flehe Dich nochmals an, gehe nit von mir. Du machst mich namenlos elend, namen­ 108 unglücklich. Du bist mein Alles, ohne Dich Kann ich, will ich nicht leben. Wenn Du fortgehst, gebe ich mir den Tod ; Du siehst mich nicht wieder.“ „Theure Adrienne, laß uns ruhig die Sache erörtern. Du bist leidenschaftl­ erregt, sonst Lenntest Du nn as so Ins Bean. .u Leben ohne Dich hat für mich seinen Werth. Wenn ich mit der Gewißheit oder Ahnung scheiden müßte, daß Du Dich tödten könntest, so würde ich, der sei überzeugt, den digtesten Kugelregen aufsufen, um meinem Leben ‚ein Ende zu machen. Wie kannst mne iede zweifeln Ei­te Ai Du kei re u­ntanı anen, Trennung vom absigtlichen. u. „Was, Du zweifelst an mir?“ „Nein, ich thue es nit. ich verzeihe Dir­ch das in der Erregung gesprochene Wort. Aber eben wegen unserer Liebe, die gemeinsam und gegen­­seitig ist, muß auch die Ehre und gemeinsam sein. Derjenige, der es wagen würde, Deinen Ruf zu beeinträchtigen, wäre mein Todfeind, und ich würde mit ihm bis zum legten Athemzuge kämpfen. Aehnliches verlange ich von Dir, wenn er meine Ehre betrifft. Mein Leben ist Dir theuer ; er bangt Dir darum. An no höherem Grade muß Dir aber meine Ehre van sein. Denn ohne diese könnte ich nicht leben. Ein ehr­­loses Dasein an Deiner Seite wäre eine Qual, die ich nicht zu ertragen vermöchte, die Du mit der ganzen Glut Deiner Liebe nicht wegzuzaubern im Stande sein würdest. Ich wäre aber ehrlos, wenn ich jegt meinen Absried nähme, denn ich würde in diesem Falle um kein Haar besser sein, als der Deserteur, welcher im Angesichte des Feindes fließt und bei Habhaftwerdung ershoffen wird. Sage, Theure, wäre es Dir möglich, einen Ehr­­losen zu lieben ?* « Adrienne war mittlerweile aufgestanden und Dr­ar Bauer und Worte mit zu Boden gesenkten Blicen schweigend angehört Yer Schwang fte fs, jede Unterftügung ihres V­er­­lobten ablehnend, aufs Pferd und ritt langsam aus dem Walde hinaus, jener Straße zu, die nach Laubenbrunn führte. Beylen hatte gleichfalls sein Noß bestiegen und während er dicht an Adriennen’s Seite hielt, bemüßte er, Ich, seiner Berlobten in eindringlichen Worten, wie sie nur allein der wahren­­ Liebe zu Gebote stehen, Kar zu machen, daß er­­ nicht anders handeln künne, all dem an ihm ergangenen­ Rufe zu folgen. Gleichzeitig bes­cheuerte er ihr mit vor Schmerz bebender Stimme, daß ihm­ die Trennung von der Geliebten so un­geheuerlich dürfe, daß er lieber im dichtesten Kugel­­regen stehen möchte, als an die Abschiedsstunde zu denken. Schließlich fügte er noch hinzu, daß sobald ein ehrenvoller Frieden geschloffen sein würde, er sofort seinen Abschied nehmen und dann nie mehr von ihrer Seite weichen werde. „Alo auch da wo eine Bedingung ?“ rief sie mit flammenden Bliden. „Auch dann willst Du erst no untersuchen, ob der Friede nach Deinen Begriffen ehrenvoll gewesen ?“ „Geliebte“, erwiderte Sander mit dem gan­­zen Schmelz seiner Stimme, „trübe nit diese legten Stunden unseres Beisammenseins. Ich flehe Dich an, reihe mir Deine Hand, blide in mein Auge und siehe, welcher Schmerz mich erfüllt. Wenn Du so von mir feidelt, macst Du mich namenlos, macht Du mir für’s ganze Leben und glücklich.* Kortfegung folgt ? - #

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