Oedenburger Zeitung, 1890. Februar (Jahrgang 23, nr. 26-49)

1890-02-01 / nr. 26

«-»«--« - Bent nz f«··"'«s-!·ss-·Tsp -"««·T-..ET"«,Y-T z « l. ’ ti. Zasrgaag. « Ar. 2%. Samflag, 1. Februar 1890 _ ee uburger Beihung, (vormals „Bedenburger Hachrichten“.) Organ für Politik, Landel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto! „Dem Fortschritt zur Ehe? — Bedrüchten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.” — naun­n­jährig 3 fl. 50 tr Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Aaßnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, und­­ an die Redaktion portofrei einzusenden. Bahdrakerii &, Nommwalter­s Sohn, Stabenzunde 121. SEE Einzelne Rummern Rotten 5 Kreuger. U Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. Y Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. 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Jänner jährte er sich zum erstenmale, daß durch Ungarn über den elektrischen Draht die erschütternde Trauerfunde lief: Kron= prinzg Rudolf sei ung für immer entrissen, der graue Tod habe die faire Knochenhand auf sein für alles Edle und Schöne so empfängliche Herz gelegt, daß er, ach! erstarrte.— In Wien, Budapest, Prag, Preßburg u. s. w. wurden aus diesem Anlasse Trauergottesdiente ge­­feiert und überall in der ganzen Monarchie, sei es in den stolzen Palästen der Reichen in den Landes­­hauptstädten, sei es unter dem schon sommerartig warmen Himmel der goldenen Bosna oder dem entlegensten, meerumrauschten Felsenneste unserer dalmatinischen Küste, sei es an der falten Grenze Ruslands, dort, wo sie vom nebelgrauen Firma­­«mente schneebedecte Dächer der dürftigen Hütten weheben, in denen der galiziische Bauer sein freuden­­armes Dasein fristet: überall wird am 30. Jänner mit herber Wehmuth des unseligen Tages gedacht worden sein, da vor Jahresfrist unserem theuren Herrscherpaare von einem jäh hereingebrochenen Schicsal der einzige, reichbegabte Sohn, der Eltern Freude, ihr Stolz, ihre Hoffnung, unserer Monarchie der fünftige Souverain, unserer Nation der vergöt­­terte Liebling dahin gerafft worden war, an dessen Lichtgestalt fi unzählige schöne Erwartungen empor­­gerauft hatten.­­ Gestern, am herzenverdüsternden Todestage, stieg fon am frühen Morgen de. Majestät in die Gruft in der Kapuzinerfirche hinab, um an dem Grabe des Kronprinzen zu beten. Die Kapuziner­­fire und die Hofburg-Pfarrkirche, in welchen Seelenmessen gelesen wurden, waren der Trauer entsprechend gesehmüct. An dem schwarzen Kreuz­­tusche, das den Altar umkleidete, war das Wappen­­schild des verblichenen Kronprinzen angebracht. Die Kaisergruft war von 5 Uhr an und dann den ganzen Vormittag hindurch hell erleuchtet. Che der Monarch in derselben erschien, war der Sarg des Kronprinzen in einen Lorberhain gebettet und von zahllosen Liebesspenden bedeckt. Vor der Kapuziner­­fische auf dem Mehlmarkt und in der Klostergasse, wo die Gruftpforte mündet, hatten sich Hunderte von Menschen angesammelt. Um 8 Uhr Früh fuhr Se. Majestät ohne jede Begleitung an der kleinen Klosterpforte vor. Die beiden Gruftmeister erwar­­teten mit brennenden Fabeln am Eingange den Monarchen und geleiteten ihn in das Gruftgewölbe. Se. Majestät trat an den Sarkophag des Kron­­prinzen, m­iete nieder und verrichtete in stiller Andacht ein Gebet. Auch an den Särgen seiner Mutter und seines 1857 verstorbenen­­ Töchterchens betete der Monarch. Nach etwa 8 Minuten verließ Se. Majestät die Gruft und das Komventgebäude. Während der Monarch seine Andacht am Sarge verrichtete, weilten ihre Majestät und Erzherzogin Valerie in der Josefkapelle in der Hofburg und hörten dort eine stille Seelenmesse an. Hier erschien auch die Kronprinzessin-Witwe mit der Heinen Erzherzogin Elisabeth, um ihre Andacht zu verrichten. Die übrigen Mitglieder des Herricher- Hause wohnten den Trauerämtern in der Hofburg- Pfarrkirche bei; die offizielle Welt war zu den in der Kapuzinerkirche gelegenen Trauermessen erschienen. Ein andächtiges Publikum aus allen Kreisen füllte die freigebliebenen Räume in diesen Kirchen. Der ersten Messe wohnten Gardekapitän Graf Balffy mit Gemahlin und zahlreiche Offiziere bei.­­U­m 8­. Uhr begab sich Erzherzog Wilhelm im die Gruft. Auch in den Gotteshäusern der anderen Bekenntnisse wurden Trauerandachten und Reden gehalten. Um 9 °­­ Uhr fuhren von der Bellaria zwei Hofequipagen ab und dem Südbahnhofe zu; in der ersten saßen Ihre Majestät und Erzherzogin Balerie, in der zweiten saß der Monarch­. Die allerhöchste Familie war auf dem Wege nach Meyerling, um an der Stelle, wo der Kronprinz aus dem Leben geschieden, zu beten. Die Herr­­schaften begaben si sofort in die Klosterkapelle, wo Abt Grünried des Stiftes Heiligenkreuz eine stille Messe las. Nachmittags fuhren ihre Maje­­stäten und die Erzherzogin wieder nach Wien zurück. Aus Budapest, allen Landeshauptstädten, sowie aus vielen Provingorten trafen fostbare Kränze ein, überall wurden Trauerfeierlichkeiten ab­­gehalten. Ebenso gab die gesammte Presse Oester­­reich-Ungarns den Trauerempfindungen der Bevöl­­kerung Ausbruck. In der Ofner Hofburg-Kapelle hatten den ganzen Vormittag über 7 Trauermessen stattge­­funden. Die Kapelle war schwarz drapirt und feier­­lich beleuchtet. Das erste Requiem, welchem alle Beamten der Ofner Hofburg mit dem Schloßhaupt­­mann Stupp an der Spite an­wohnten, wurde vom Dombheren Franz Maßlaghy zelebrirt. In jeder halben Stunde wurde eine neue Trauermesse gelesen und zwar der Reihe nach von Hofkaplar, Dr. Desider Bargha, Katechet Dr. Josef Ka­­pofi, Kaplan Dr. Theophil Klinda, Studien­­inspektor Dr. Franz NRobitschet, Feldkaplan Felir Szlovel, Präparandie - Katechet Gustav König und Religionslehrer Gustav­ Szimely. Während der Trauermessen war die Sigismund-­­Kapelle fort und fort von einem sehr andächtigen Publik­um erfüllt und waren darunter auch recht zahlreiche aristokratische Damen zu sehen. Zu jenem Requiem, welches um 9 Uhr stattfand, war der Korpskommandant G. d. K. Graf Nikolaus Pe­­jacsevich mit Suite erschienen. In Preßburg zelebrirte Stadtpfarrer Abt Rimely in der Domk­irche eine stille Messe, wel­ Feuilleton. Die Tragödie am Ht­lfferjoch­. (Fortlegung.) Es war eine der merkwürdigsten Bergfahrten, jene Fahrt, welche der Gerichtshof und die Ge­­schwornen, gefolgt von den Neportern, damals unternahmen, um die Absturzstelle zu besichtigen. Bon­ Bozen ging die Fahrt damals noch mittelst Wagen nach Meran. Hier liegt Frau Madelaine Z Tourville bestattet, und seitdem ihr Gatte ihr einen Grabstein hatte, fegen lassen, ging die Sage, daß der Grabstein seine Ruhe finden künne, daß er sich beuge und senfe. Erst nach der­­ Verurtheilung Tourville’3 sol der Grabstein einen Ruhepunkt gefunden haben. Von Meran ging es dann über Schlanderd ® nach Spondinig. Neu-Spondinig ist ein einzeln stehendes Wirthshaus, von wo aus Die Straße nach dem Stilfserjoch emporsteigt. Dort war Henri Tourville am 15. Juli 1876 mit seiner Frau eingetroffen und am näch­sten Tage war er um 9 Uhr Früh nach Trafoi gefahren. Hier kam der Wagen um­­­ 2 Uhr an, der Aufenthalt dauerte 3­, Stunden, dann ging es weiter nach Franzenshöhe, wo der Wagen um 2 Uhr anlagte, endlich weiter über die Ferdinandshöhe, den höchsten Punkt der Stilfferjochstraße. Auf der Hälfte des Weges, bei der Sarella, ließ Tourville umkehren und um 3 °­, Uhr waren sie wieder in Franzenshöhe. Tourville erklärte nun, daß er zu Fuß gehen wolle, und schickte den Kutscher voraus nach Trafoi, wo derselbe um Halb­e Uhr anlangte. Eine Stunde später kam Tourville allein an, einen Sonnenschirm ohne Griff unter dem Arme, erwiderte lächelnd den Gruß der Mägde, die vor dem Posthause standen, beteilte Wein, er­­kundigte sich nach dem Kutscher und sagte dann, daß seine Frau gefallen sei und er an der Schläfe wehe gethan habe. Nun wurde der Wagen einge­­spannt und einige Minuten nach halb 7 Uhr fuhr Tourville in Begleitung dreier Männer nach der Stelle, wo seine Frau angeblich gefallen war. Man fand seitwärts von der Straße auf Steingerölle einen blutigen Strohhut, dann weiter abwärts ein blu­­tiger Taschentuch, dann noch weiter eine blutbe­­fleckte Manschette und endlich, den Blutspuren fol­­gend, die Leiche der Frau Madelaine Tourville. War es ein Zufall, ein Selbstmord oder ein Mord ? Ein Zufall war ausgeschlossen, denn Tour­­ville sagte, seine Frau habe sich selbst h­inabgestürzt, und zwar zweimal, nachdem sie sich das erstemal nur leicht verlegt hatte. Während er sich entfernt habe, um Hilfe zu holen, müsse sie noch einen dritten Selbstmordversuch unternommen haben. Damals entstand sofort der Verdacht, daß der Engländer seine Frau getö­tet habe, und Tourville w­urde ver­­haftet. Aber er wies nach, daß er ein reicher Mann sei, in London ein Haus und ein großes Vermögen beffte, und die Verdachtsgründe waren nicht läftig genug, um ihm den Prozeß zu machen. Er durfte abreisen und kehrte nach England zurück. Legt aber meldeten sich die Erben der Frau Ma­­deleine Tourpile und beschuldigten deren Gatten, daß er sie ermordet habe, um in den Reich des Vermögens von 70.000 Pfund Sterling zu gelangen. Die Frau war 47 Jahre alt, als er sie heiratete, nahezu um zehn Jahre älter als er, und er hatte sich von ihr zum Universalerben einfegen lassen. Sie hatte seinen denkbaren Grund, sich selbst zu tödten. Allerdings soll ihr von irgend­einer Seite mit einer ffandalösen Enthüllung gedroht worden sein, aber in Briefen an eine vertraute Freundin hatte Frau Tourville, die eine gebildete und als ständige Dame war, jeden Verdacht zurücgewiesen und wie in einer Vorahnung dessen, was ihr be­­vorstehe, geschrieben: „Ich werde niemand einen Selbstmord begehen; wenn Sie hören sollten, daß ich es gethan, so sollen Sie willen, daß ich er­­m­ordet worden bin.“ Es wurde aus der Vergangenheit Tourville’s eine ähnliche dunkle Erbschaftsgeschichte hervorge­­füht. Seine erste Frau war eine reiche Erbin und der Tod seiner Schwiegermutter mußte ihn also in den Besiß eines großen Vermögens feßen. Da spielte er eine Tages mit einem Revolver und zeigte seiner Schwiegermutter denselben. Da ging der Revolver los und der Schuß traf die alte Frau in den Kopf. Bei der Verhandlung in Bozen wurde der Chef der Londoner Detektive als Zeuge ver­­nommen, und der Mann 309g plößlich während seiner Vernehmung ein durchlöchertes Knochenstüc aus der Tasche. Das war ein Stück and dem Schädel der Schwiegermutter, und aus der Nich­­tung der Schupfanald ® wurde gefolgert, daß die Kugel von rückwärts eingedrungen sei. Derselbe Zeuge sprach aber noch einen furchtbareren Ver­­dacht gegen­­­ourville aus: Derselbe sol einen Brand gestiftet haben, in den­en Flammen sein eigener Sohn hätte umkommen sollen. (Fortlegung folgt.)

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