Oedenburger Zeitung, 1890. März (Jahrgang 23, nr. 50-74)

1890-03-01 / nr. 50

Hamflag, 1 März 1890 Sebeuburger (vormals „Dedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Landel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Eher! — Berrüchten zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ :;-(-s.­­ Wink­s» ELSE FETTE —— Alle für das Blatt bestmmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Insertionsgebühren, sind au­ch­ese Redaktion portofrei einzusenden. SAr Auswärts: Saian tr 7 ft., Biertel- FI Einzelne Nummern Roftlen 5 Arenger, "mE Buchdrucerei E, Romtvalter , Sohn, Geahene unde ni­­ee Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Bonnz oder Feiertag folgenden Tages. Y Pränumerations: Preise: gar Loco: Ga yjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2 Samt Administerfion, Verlag und Infernienaufnahme: SInfersions:Sebüßren: jährig 3 f. 50­5 fr. für die eins, 10 Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Bogler, Wall- Fige affe 10, A. 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Es scheint beinahe als wolle die gemäßigte Opposition deren erleuchtetsten Redner ja von vorne­herein ungleich maßvoller vorgingen, als die Herren von der Unabhängigkeitspartei, die selbst die wahl­­loserten und gewaltthätigsten Mittel gegen die Regierung nicht scheuen — allgemach „abwiegeln.“ Die Herren von der Appenalpartei sehen sehr wohl ein, daß gerade die übertriebene Heftigkeit des Ansturmes ihren eigenen Anweden nur entge­­genarbeiten würde; denn selbst wenn Herr von Tipa bereit wäre seine Person nicht mehr den alltäglich wiederkehrenden Inhulten auszufegen, so ist es fraglich, ob eine Regierung nach solchen Vorgängen zurücktreten kann, ohne das Gefühl der Autorität und der Ordnung auf das Bedeut­­lichste zu erschüttern. Und wäre es nicht für Un­­garn selbst beschämend, wenn ein Wechsel in den Geb­hicten seines Landes seinen Ursprung aus Vor­­fällen ableiten müßte, welche ja eigentlich doch die angeblich so „politisch reife“ Nation kompromit­­tiren? Ober wie?: könnte wohl in irgend einem anderen Rechtsstaate das parlamentarische System noch tiefer von der schiefen Ebene der P­artei leiden­­schaft hinabgleiten, als wenn die totale Zucht refig­­iert dem Lande ihren Willen aufbrücen und das parlamentarische Chaos dadurch an für die Zu­­kunft zu einer bedeutungsvollen Institution des Landes würde?! So schwer auch die Aufgabe fallen sollte, inniger als bisher müüssen die ord­­nungsliebenden Elemente des Reichstages zusammen­­halten, um gegen den Einbruch von Doktrinen einen Wall zu bilden, welche alle stolzen Errungen­­schaften des modernen Ungarn den größten Ge­­fahren auslegen künnen. Nicht einen Sieg über Tipa allein würde ein Erfolg der terroristischen Minorität nach Zwischenfällen dieser Art bedeuten, so sehr auch die Opposition sich den Anschein gibt, als wü­rde sie den Kampf ausschließlich gegen die Verson des Ministerpräsidenten führen. So würde dies das glückliche Gelingen eines parlamentarischen Provunziamientos bedeuten, das nur gar zu sehr zu Wiederholungen reizen könnte. Der sichere Gang des Parlamentarismus wäre gefährdet und das konstitutionelle System auf einen Bo­­den gestellt, in welchem die Vorauslegungen für neue Eruptionen im reichsten Maße vorhanden wären. Auch Fürst Bismard in Deutschland hat seine wohlgeharnischten und zum Ausharren fest entschlossenen Gegner, allein in Berlin wird der Kampf mit loyalen Mitteln und geistigen Waffen geführt. Wir denken zwar nicht daran Herrn v. Tiß,b­ald ebenbürtig einem Bismard zur Seite zu stellen, allein wir vergleichen auch nur den Berliner Reichstag, respektive seine Redner mit jenen des Budapester Parlamentes. Die ganze, fest eingeleitete Sozialpolitik des deutschen Kaisers steht im handgreiflichen Gegenlage zu den sattsam bekannten, niemals aufgegebenen Ansichten des Fürsten Bismarc. E83 wäre daher — op meinen dort seine parlamentarischen Anta­­gonisten — sehr begreiflich, wenn der Kanzler seine Blicht erfüllt, seine Lebensaufgabe gelöst glaubte und sie der Muße in Ehren wid­­men wollte, auf die er nach seinen Verdiensten und Erfolgen einen gerechteren Anspruch hätte als irgend­einer der Zeitgenossen. — Allerdings scheint in den­ allerlegten Tagen eine bemerkenswerthe Wandlung insoferne eingetreten zu sein, als die Offizieren nunmehr das Weiterverbleiben des Für­­sten Bismarc in allen feinen Stellungen ver­­fünden und diesen seinen Entschluß mit der gegen­­wärtigen inneren Lage ded3 Neiched motiviren; teißdem aber macht ihm die Opposition das Ver­­harren auf seinem Bosten recht sauer und am bedenklichsten dürfte die von seinem Monarchen initiirte „Internationale Arbeiterschug-K­onferenz“ seine­ Stellung erschüttern, denn er verhielt sich ihrem Zustandekommen gegenüber stets abweichend. Nun sind aber bereits, wie die "Agenzia Stefani" aus London meldet, die formellen Einladungen zu der Berliner Konferenz von der deutschen Regierung bereits an die Mächte versendet worden. Die Konfrenz tritt am 15. März zusammen. E. M. :« i­n Dem Tage Aus dem an Reichstage. Dad Abgeordnetenhaus lebte am legten Freitag in aller Ruhe die Appropriationg­­Debatte fort, und recht ermüdend war «& so Tange der erste Redner, Gozo Melczer seine Anklage gegen Tipa vortrug. Lebendi­­ger wurde er im Saale, als August Pulpfy in­ Vertheidigung der Majorität die Begriffsver­­­wirrung zu erklären suchte, in deren Banne­ die­ Opposition Recht für­ Unrecht, Rühmliches für schimpflich ansieht und einen persönlichen Kampf gegen den Ministerpräsidenten zu führen­ wähnt, während sie in Wirklichkeit doch nur ein­ Prin­­zip anfeindet. Diese Ausführungen tiefen auf der Linken selbstverständlich eine Kette­ von­ Wider-,­­ Spruchsstürmen hervor. Wuch­mipftel drüben ganz, besonders die entschiedene Weise, wie­ der We dem übertriebenen Koriuthkultus an den Leib rücte, und das eigentliche Verhältniß zwischen Krone und Nation beleuchtete. Interessant war die Parallele zwischen den Tendenzen Horanktys und Ge Feuilleton. Das Ende Peter’s II. Novelle von X. Eder. (Fortlegung.) Und Katharina zog weiter; wie berauscht, folgten ihr die Soldaten und wie sie durch die Straßen zogen, wurde die wilde, lärmende Schaar immer größer, und aus dem Bolfe rief er mit hundert Stimmen : „&3 lebe Katharina, unsere K­aiserin !“ Bei der Kirche stand der Bischof von Now­gorod an der Spite der Geistlichkeit. Er empfing Katharina und führte sie zum Altar; dort betete Katharina und fühte das Kreuz, da er ihr Hin­­hielt; dann proklamirte sie der Bischof zur Kai­­serin. Tausend Lippen und Herzen sprachen die Worte des Geistlichen mit, und die Wölbungen der Kirche erdröhnten unter dem Laute der Stimmen, die in wilder, zügelloser Begeisterung die Worte tiefen: „E38 Iebe Katharina II., unsere Kaiserin!“ Von der Kirche ging es wieder weiter in die Stadt; die russische Garde schloß sich ihr ebenfalls an. Katharina schritt von Sieg zu Sieg, wo sie nur erschien. Bolt, Adel, Senat, Geistlichkeit Huldigten, wie die Soldaten der Kaiserin — das große Wert war gethan: Graf Peter III. war gestürzt, Katha­­rina II. Kaiserin von Rußland. Todtmide langte die Kaiserin gegen Mittag in ihrem Balaste in Petersburg an. Hier stand sie stundenlang regungslos,­ ihre Hand auf das Gitter gelegt. Alles drängte sich heran, Arm und Reich­, Hod und Nieder, dieselbe zu fühlen. Und Jedem wird diese Begünstigung zu Theil und für Jeden hat Katharina ein freundliches Wort, einen günsti­­gen Blick. Indeß war zu­dem Graf die Kunde von der Verschwörung in Petersburg gedrungen. Peter II. erblaßte, als er vernahm, daß seine Gemahlin mit 40.000 Mann ihm gegenüber­­stehe. Rathlos und entmuthigt stand er vor den Thatjachen. Graf Münnich, der dem Kaiser, der ihn aus Sibirien zurückberufen,­­ in unerschütterli­­cher Treue anhing, riet­ ihm, mit seinen außer Petersburg stehenden Truppen die Kaiserin sofort anzugreifen und sich so mit einem Schlage der Hauptstadt wieder zu bemächtigen. Peter zögerte , durch seine rathlose Unentschlossenheit und seine unmännliche Zaghaftigkeit verlor er viel kostbare Reit; er wollte dies und jenes unternehmen, ver­­warf es dann wieder, versäumte so den günstigen Moment und fiel, ohne sich auch nur zur Wehre gelegt zu haben, rettungslos der Kaiserin in die Hände. Und Katharina schonte ihn nicht. In Oranienburg unterzeichnete Peter jene denkwhürdigen Akten, in die er schimpflich, wie noch beim frontragendes Haupt, der Regierung zu Gun­­sten Katharina’3 und ihres Sohnes entsagte, mit dem Bemerken, daß er sich unfähig fühle, dieselbe zu führen — die Soldaten Katharina’3 standen hinter ihm, al Peter dieses Blatt unterzeichnete. Aber damit war­ es noch nicht genug. In stiller, öder Haide, nicht weit von Bes­tersburg entfernt, liegt Nopicha, ein F Kaiserliches Lustschloß.­­ Es war kuhm diesem kleinen,niedrigen Hause den Titel eines Lustschlosses zu geben, das­­­selbe möchte nur wahrhaft bescheidenen Ansprüchen genügen. Ezar Peter I. soll den Aufenthalt geliebt haben und alljährlich einige Sommerwocen dort verbracht haben ; jet stand er jahrelang vereinsamt. Der Park war verwildert, das Haus vernachlässigt. Ein alter, ehemaliger kaiserlicher Diener war mit seinem ebenfalls alten Weibe der einzige Bewohner und zugleich Verwalter dieses Gebäudes. Diese beiden Leute waren dermaßen an die 4 Einsamkeit gewöhnt, daß es für sie ein Ereigniß war, wenn auf der schlechten Straße einmal ein Jahrwert vorbeitrottete. Zu ihnen kam nie jemand, sie gingen zu Niemandem, und e3 wäre ihnen wohl schwer angefonmen, si, wenn sie e3 gewußt hätten, in andere Verhältnisse­­ zu finden, aber das stand nicht zu befürchten — Niemand kümmerte si um sie. Die Beiden verlangten es sich auch nicht anders; sie lebten still und zufrieden weiter, bis ein Ereigniß von tiefgreifender Bedeutung in ihr Leben trat. Es war an einem trüben, regnerischen Sub­­­tage.. Iwan, so hieß der Verwalter, saß an dem einen, sein Weib an dem andern Fenster, und Beide leb­ten Hinaus nach den Negentropfen, die in er­­schredender Monotonie niederfielen auf Die­be, weite Haide . . Zuweilen fuhr ein Windstoß über sie hin, und dann schlug der Regen an die heulte der Fensterscheiben, und im Nachfange Sturm. (Sortlegung folgt.)

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